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Volltreffer

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03.07.2024
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Volltreffer

Irgendwie war ich mal wieder abgebrannt. Es war erst der Zwanzigste. Das hieß noch eine Woche bis zu meinem nächsten Gehalt und ich hatte gerade mal knapp zwei Euro in der Tasche. Ich schlappte in die Küche, öffnete den Kühlschrank und fand darin eine Packung Margarine und ein paar Scheiben Toast. Ich schmiss den Toast in den Toaster, stellte den Wasserkocher an und löffelte eine gute Portion Instant Kaffee in meine Tasse. Zum Frühstücken setzte ich mich an den Küchentisch und checkte meine Nachrichten.

Es gab nichts Besonderes. Mein Vater schickte mir ein politisches Statement zu den anstehenden Trump-Biden-Wahlen und mein bester Freund Timo gratulierte mir nachträglich zum 30. Geburtstag. Er war gestern erst aus der Toskana gekommen, wo er wie üblich ziemlichen Zoff mit seiner Freundin Nina hatte. Die beiden waren schon seit fünf Jahren zusammen und die Beziehung lief alles andere als harmonisch. Doch irgendwie schaffte sie es immer wieder Timo um den Finger zu wickeln und der fiel wie ein dressiertes Hündchen immer wieder darauf rein.

Ich hatte mich bereits vor zwei Jahren von meiner Partnerin Susi getrennt. Die Entscheidung war kurz und schmerzvoll, da ich sie mit unserem gemeinsamen Freund Bernhard inflagranti erwischt hatte. Das Feuer wäre schon längst erloschen gewesen meinte sie kaltschnäuzig. Ich packte also meinen Koffer, schmiss die zwei Tage zuvor erstandenen Verlobungsringe in den Mülleimer und suchte mir eine neue Bleibe in Schöneberg.

Kurz danach begann die Pandemie und ich musste aufgrund der schlechten Auftragslage in Kurzarbeit. So abgeschnitten von der Außenwelt hatte ich Zeit zum Nachdenken. Nachts begann ich elektronische Musik zu produzieren. Mein Soundcloud Kanal Tanzbar Berlin hatte schon einige Abonnenten und so suhlte ich mich in der Rolle des gebrochenen Künstlers.

Viel Geld kam dabei zwar nicht rum, aber aktuell erbaute mich bereits die Anerkennung meiner Fans. Auch wenn die ein oder andere Kritik an meinem Ego kratzte, produzierte ich weiter Nacht für Nacht meine elektronischen Sinfonien. Schon öfter war ich beim Editieren meiner Meisterstücke eingenickt, um am nächsten Morgen mit einem steifen Hals und Kopfschmerzen aufzuwachen. Ich veröffentlichte den fertig gewordenen Track und sprang unter die Dusche.

In der Regel konnte ich schon nach zehn Minuten mit Reaktionen meiner Fans rechnen. Der neue Track hieß "Revolution of Mind" und war eine Anlehnung an das aktuelle Zeitgeschehen. Die US Wahlen waren im vollen Gange, das Vereinigte Königreich stand kurz vor seinem Austritt aus der EU und das Corona Virus hatte jegliche Normalität aus dem Alltagsleben verbannt. Feiern, Tanzen, öffentliche Veranstaltungen - alles gestrichen! Ein indirekter Aufruf an die Single-Bevölkerung auf unabsehbare zeit erst einmal in Keuschheit zu leben, hatte Wellen der Empörung ausgelöst und bildete die Grundlage zahlreicher Verschwörungstheorien. Man organisierte Parties im Geheimen.

Vorfreudig sprang ich aus der Dusche und checkte die ersten Kommentare. "Geiler Track", "Solide Leistung!" oder "Werde ich gleich meiner Playlist hinzufügen" waren die Standardantworten meiner Fans. Etwas weiter unten stand eine längere private Nachricht "Hey, mir gefällt dein Kanal schon seit längerem. Bin Produzent und würde dich gerne persönlich kennenlernen. Melde dich bei Interesse unter 555 1864430."

In meinem Kopf fing es an zu rattern. Hatte sich meine monatelange Arbeit doch bezahlt gemacht? War das Angebot überhaupt seriös? Hatte ich am Ende gar den Durchbruch wirklich geschafft? Meine Finger zitterten als ich die Nummer abspeicherte. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht gleich zum Hörer zu greifen. Das würde zu uncool wirken. Ich würde bis zum Abend warten. 17:00 Uhr schien mir eine angemessene Zeit.

Es war drei Uhr morgens als ich den Laptop ausschaltete und mich hinter geschlossenen Rollläden verbarrikadiert schlafen legte. Um elf Uhr klingelte das Telefon. Meine Mutter wollte wissen, ob ich am Wochenende zum Essen kommen würde. Verschlafen ließ ich mich auf 13:00 Uhr am Sonntag ein. Es gab Braten, Rotkraut und Knödel.

Permanent starrte ich auf meine Uhr, die Zeit schlich dahin. Um Punkt 17:00 Uhr nahm ich endlich mein Handy in die zittrige Hand und starrte auf die blau hinterlegte Nummer. Ich zögerte noch einen Augenblick, dann drückte ich auf den blauen Hörer. Es klingelte, mein Kopf war leer, mehrmals überlegte ich wieder aufzulegen.

Es klingelte noch immer. Einmal, zweimal, dreimal - als ich gerade wieder auflegen wollte ging jemand ran. "Bernhard Kubinski, Kubinski Productions - hi" schallte es in den Hörer. Ich kannte den Namen, ich kannte die Stimme - Susi. Wütend drückte ich auf den roten Hörer. Volltreffer dachte ich!

 
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Hallo @DerSchattenschreiber ,

deine Geschichte hat mich leicht irritiert, da ich das Thema bzw. die Themen nicht richtig erkenne. Der Plot erschließt sich mir auch eher weniger, aber dazu komme ich weiter unten.
Die Verbindung zum Protagonisten kommt bei mir nicht ganz auf. Wer ist die Person? Ich weiß ihren Namen nicht, ihr Geschlecht, ihr Alter, eigentlich fast nichts. Das hat es für mich schwer gemacht in die Erzählung rein zu finden.

Die folgenden Absätze sind mir komisch aufgestoßen und ich möchte dir erklären weshalb.

Das Feuer wäre schon längst erloschen gewesen meinte sie kaltschnäuzig, also packte ich meinen Koffer, schmiss die zwei Tage zuvor erstandenen Verlobungsringe in den Mülleimer und suchte mir eine neue Bleibe in Schöneberg.
Dieser Satz kommt mir ab "kaltschnäuzig" beendet vor. Allerdings bricht er stattdessen eine Aufzählung auf, was mich beim lesen ins straucheln gebracht hat.

Tanzbar Berlin, mein Soundcloud Kanal hatte schon einige Abonnenten und so suhlte ich mich in der Rolle des gebrochenen Künstlers.
Hier ähnliches. Ich bekomme den Namen "Tanzbar Berlin" nicht mit dem restlichen Satz vereint, obwohl er mit diesem im Kontext steht. Vielleicht trennst du den Satz, dass der Name für sich alleine steht und gehst erst danach darauf ein, dass es sich um einen Soundcloud-Kanal handelt.
Eine weitere Anregung wäre den Namen des Kanals erst am Ende des Satzes zu legen, um die Wichtigkeit des Kanals für den Protagonisten zu verdeutlichen. In der Geschichte wird klar, dass er vieles nicht mehr hat, doch seine Leidenschaft Musik zu produzieren ihm das gewisse Etwas gibt. Das kann meiner Meinung nach hervorgehoben werden. Das lässt vielleicht auch den Plot besser wirken.

Auch wenn die ein oder andere Kritik an meinem Ego kratzte, produzierte ich weiter Nacht für Nacht meine elektronischen Sinfonien.
Vielleicht als Vorschlag "weiter" hinter "Nacht für Nacht" einzubauen? Aber das ist denke ich Geschmackssache.

Ich veröffentlichte den letzten Track und sprang unter die Dusche.
Mir war nicht klar, warum das nun der letzte Track war. Der letzte Track wovon? Hat er ein Album gemacht? Eine Zeitlang Tracks produziert und irgendwann gab es einen Letzten?
Mehr Erklärung hätte mir geholfen, um einige Dinge nachzuvollziehen.

Ein indirekter Aufruf an die Single-Bevölkerung auf unabsehbare zeit erst einmal in Keuschheit zu leben, hatte Wellen der Empörung ausgelöst und bildete die Grundlage zahlreicher Verschwörungstheorien.
Das erschließt sich mir nicht ganz. Es hängt irgendwo zusammen und im ersten Teil des Satzes verstehe ich, worauf der Satz hinaus möchte, aber im letzten Teil wird ein Thema angekratzt, was kurz darauf kein Thema mehr ist.
Generell, wie oben schon genannt, werden in deinem Text einige Themen eröffnet, aber nicht ganz genau erklärt warum das wichtig für die Geschichte ist, warum der Protagonist das denkt oder wie er zu den Dingen steht.
Ein Vorschlag wäre diese Themen, wenn du sie gerne in deiner Geschichte haben möchtest, zu nutzen um mehr über den Charakter und seine Lebenswelt zu erfahren. Weil ich habe das Gefühl, dass das hier versucht wurde. Dann gebe ich den Tipp diese Themen auch mehr auf die Lebenswelt und den Charakter zu beziehen. So entsteht mehr Bindung zu den Charaktern bzw. generell zur Geschichte.

"Hey, mir gefällt dein Kanal schon seit längerem. Bin Produzent und würde dich gerne persönlich kennenlernen. Melde dich bei Interesse unter 555 1864430."
Das kommt mir seltsam vor. Es wird nicht erläutert, wo der Protagonist den Kommentar liest, weshalb ich davon ausgehe, dass es die öffentlichen Kommentare bei Soundcloud sind. Welcher seriöse Produzent würde seine Nummer öffentlich geben? (Vielleicht ist das ja so in der Musikproduktion, ich weiß es wirklich nicht)
Ich muss mir erneute Fragen über den Charakter des Protagnisten machen, wie er drauf ist. Leichtgläubig, naiv, verzweifelt oder vielleicht etwas unwissend?

Meine Finger zitterten als ich die Nummer abspeicherte und den Kommentar löschte. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht gleich zum Hörer zu greifen. Das würde zu uncool wirken. Ich würde bis zum Abend warten. 17:00 Uhr schien mir eine angemessene Zeit.
Erst löscht er den Kommentar, was der Ersteller des Kommentares womöglich sieht und kurz danach möchte er nicht uncool wirken, indem er zeitnah reagiert. Aber er hat ja in diesem Falle schon reagiert. Das macht es leicht unauthentisch für mich.

"Bernhard Kubinski, Kubinski Productions - hi" schallte es in den Hörer. Ich kannte den Namen, ich kannte die Stimme - Susi. Wütend drückte ich auf den roten Hörer. Volltreffer dachte ich!
Ich verstehe deinen Plot. Er gefällt mir. Genauso verwirrt er mich aber auch. Über Susi wurde wenig preisgegeben. Eigentlich nur über die Trennung und dass Susi nichts mehr in der Beziehung gesehen hat. Das ist für mich allerdings noch kein Motiv nach zwei Jahren nochmal nachzutreten. Warum tut sie das? Hier fehlt mir die Sinnigkeit und es fühlt sich leider willkürlich an. Wenn ein Plot dieser Art eingebaut wird, muss er zumindest nachvollziehbar sein.


Als Fazit möchte ich betiteln, dass mir der Schreibstil in manchen Passagen gefällt. Es ist leicht und locker geschrieben. Wenn es die Geschichte schafft mehr Bindung, Charaktertiefe und Sinnigkeit zu verbauen, dann sehe ich Potential.

Bleib dran!

Bis dann

 

Hallo Hirschkäfer, danke, dass du dich so ausgiebig mit meinem Text beschäftigt hast. Ein paar Anregungen werde ich mir definitiv zu Herzen nehmen.

Ich finde, dass der Protagonist männlich ist sollte erkennbar werden weil er mit Susi zusammen war. Er kommt gerade bei dem Freund raus mit dem ihm seine Freundin betrogen hat, da finde ich es schon gerechtfertigt einfach aufzulegen ohne weiter darauf einzugehen. Vielleicht siehts du das ja anders.

 

Hallo @DerSchattenschreiber ,
eine Story aus Coronazeiten. Es hat mich enttäuscht, dass die Geschichte nicht länger war, denn da wäre mehr drin gewesen. Ich hätte an Deiner Stelle einfach locker weitererzählt, über die Misere, in der die Hauptperson gerade steckt, und wie es ihr weiter ergeht.

Mir gefällt Dein Schreibstil. Da liest man so ein Augenzwinkern raus. Vielleicht sind über die Isolation, in die manche Leute zu Pandemiezeiten gerieten, noch eine Menge Geschichten ungeschrieben. Auch über Illegale Partys würde ich gern mehr hören. Aber man soll nicht auch nicht immer alleine die negativen Seiten sehen. Immerhin gab es ja auch mehr Freizeit. Komische Geschichten können bestimmt die Chinesen berichten, die total festsaßen.

Schleierhaft war mir immer, warum die Kinder nicht happy waren, dass die Schule ausfiel.
Gruß FK

 
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„Oh, Suzie Q ...“
CCR

Volltreffer, finde ich ...

Es war erst der Zwanzigste.

empfehl ich klein zu schreiben,


[@ Der] Schattenschreiber,

selbst wenn der Leser nicht weiß, ob es nun der zwanzigste August 2023, früher oder später ist. Aber Du hast sofort meine volle Sympathie, wenn es heißt

Ich schlappte in die Küche, öffnete den Kühlschrank und fand darin eine Packung Margarine und ein paar Scheiben Toast.

Nicht nur – das sei nebenbei bemerkt - weil es mich an Wallenstein erinnert, den ich „Schlappen schleppend“ hierorts durch die Weltgeschichte schickte … Aber

dann wird mir zu „egoistisch“, wenn immer wieder ein „ich“ verwendet wird, wie bereits hier

Ich schmiss den Toast in den Toaster, stellte den Wasserkocher an und löffelte eine gute Portion Instant Kaffee in meine Tasse. Zum Frühstücken setzte ich mich an den Küchentisch und checkte meine Nachrichten.

… chmiss den Toast … Setzte mich zum Früh[stück] an ...

selbst, wenn es nix besonderes gibt …

Bissken Flusenlese

Doch irgendwie schaffte sie es immer wiederKOMMA Timo um den Finger zu wickeln und der …
... zwischen vollständigen Sätzen

Das Feuer wäre schon längst erloschen gewesenKOMMA meinte sie kaltschnäuzig.
(ich denke, dass der Satz auch ohne „Gewese“ bestehen kann

Meine Finger zittertenKOMMA als ich die Nummer abspeicherte.

Das würde zu uncool wirken. Ich würde bis zum Abend warten. 17:00 Uhr schien mir eine angemessene Zeit
Warum die gedoppelte „Würde“?
Gibt es Zweifel, das es uncool wirkt? Oder dass er bis zum Abend warten wird?

Es war drei Uhr morgensKOMMA als ich den Laptop ausschaltete und mich hinter geschlossenen Rollläden verbarrikadiert schlafen legte.

… Einmal, zweimal, dreimal - als ich gerade wieder auflegen wollteKOMMA ging jemand ran.

& damit welcome 2 the Pleasuredome

dem Schattenschreiber


Friedel

 

Hallo @DerSchattenschreiber,

eine klassische 'Surprise-Ending-Story', flott und locker erzählt. Die Situation des Protagonisten, die Bedeutung, die die Musik für ihn hat wird mit wenigen Details gut skizziert.

Feinheiten:

Packung Margarine und ein paar Scheiben Toast. Ich schmiss den Toast in den Toaster
Ich schmiss das Brot in den Toaster (dann toastet es nicht so sehr).

Mein Soundcloud Kanal Tanzbar Berlin hatte schon einige
Tanzbar Berlin könnte man kursiv setzen oder '...'

Ein indirekter Aufruf an die Single-Bevölkerung auf unabsehbare zeit erst einmal in Keuschheit zu leben, hatte Wellen der Empörung ausgelöst und bildete die Grundlage zahlreicher Verschwörungstheorien. Man organisierte Parties im Geheimen.
Die Parties verstehe ich, nicht jedoch die "zahlreichen" Verschwörungstheorien (bezogen auf Keuschheit gab es zumindest nicht viele Theorien, es waren eher andere Richtungen, in die man spekulierte). Man könnte natürlich, anstelle der vagen Aussage, auch ein abstruses Beispiel bringen.

Woltochinon

 

Hallo Der Schattenschreiber,

der Erzählstil erinnert mich an eine klassische Deketivgeschichte, in der Detektiv über sein Leben berichtet. Das ist schon packend.

Mir persönlich ist die Handlung etwas zu kurz und ich denke, dass viel mehr Potenzial in der Geschichte steckt. Der Twist am Ende ist solide, aber ich glaube, da wäre mehr drin gewesen. Vielleicht setzt du dich da noch einmal dran!


VG
Jizzle

 

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