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Volltank

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13.06.2019
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Volltank

Prolog

Im Hintergrund läuft „Una Mattina“ von Ludovico Einaudi. Seine Tränen kann er kaum noch zurückhalten. Er ist überwältigt. Ein Kloß im Hals. Er kann seine Emotionen nicht zurückhalten. Sie nicht einordnen. Er denkt über die nach, die von uns gegangen sind. Er denkt über die nach die noch da sind, aber irgendwann gehen werden. Es entstehen Szenarien in seinem Kopf. Er sieht das Lächeln seiner Schwester, die in sein Zimmer kommt. Dieses Lächeln hatte sie nur drauf, wenn sie ihren großen Bruder sah. Er kennt das Lächeln. Er liebt das Lächeln. Es gibt ihm das Gefühl, dass alles in Ordnung sei. Er denkt über seinen Vater nach. Der Vater der ein Leben verschwendet hat, damit die Familie etwas zu essen hat. Der Vater der lange nicht mehr lächelt. Zumindest nicht mehr aufrichtig. War Brick der Grund für das verschwundene Lächeln. Hatte er seinem Vater das Lächeln umgedreht. Oder war er selbst schuld. Selbst schuld daran, dass er spielsüchtig geworden ist. „Irgendwann verreckt er doch in seiner Garage“, denkt er sich. „Und keiner wird es mitbekommen“. Es könnte ihm nicht einmal einer zur Hilfe kommen. Keiner sieht nach ihm. Die Garage hat er sich eingerichtet. Mit einem PC und einem Aschenbecher auf dem Tisch, auf dem der Monitor des PCs hinter acht Kaffeetassen und unter Zigarettenasche abgestellt war. Er sitzt immer auf einem alten Holzstuhl. Damit sein Hintern nicht weh tut, hat er zwei Sitzkissen übereinander, die eigentlich für die Gartenmöbel gedacht sind, lose auf dem Stuhl platziert. Der Raum ist nur halb verputzt. Reibeputz. Das ganze Haus ist so verputzt. Reibeputz. Einmal versuchte Brick selbst einen Teil des Hauses mit der Reibeputztechnik zu verputzen. Dabei stellte er fest, dass es unmenschlich viel Kraft kostet. Sein Vater hatte im Haus alles alleine verputzt. Essen verputzt sein Vater nicht mehr viel. Kraft hat er immer viel gehabt. Er hat immer ALLES geschafft. Wirklich alles. Jetzt sieht man ihn nur noch beim Kaffee machen in der Küche, kurz bevor er in die Garage geht. Oder in der Garage. Er ist süchtig. Früher war er nicht so. Früher haben sie viel als Familie gemacht. Jetzt hat er mindestens sieben oder acht Jahre da in der Garage verbracht. Oder schon zehn? Brick hat sich in der Zeit nur vier oder fünf Mal zu seinem Vater in die Garage gesetzt, um mit ihm zu Sprechen. Um ihm zuzuhören. Sonst war es maximal ein „Hallo, wie geht’s?“ oder ein „Willst du Kaffee?“. Er wollte meistens keinen Kaffee. Er holt ihn sich meistens selbst. Er kann alles alleine. Er war immer schon ein kräftiger, lebensfroher Mann, der alle Hürden in seinem Leben mit einer Leichtigkeit überwunden hat und seine Haltung strahlte das auch aus. Heute hat Brick Angst, dass sein Vater morgen schon sterben könnte. Wie es scheint kann er seine Sucht nicht alleine bekämpfen. Weiß er, dass er Süchtig ist?

2016

„Bro kommst du heute mit? Pfeife rauchen?“ fragt Lloyd per WhatsApp Message. Brick liest die Nachricht und das erste was ihm einfällt ist, dass er das Wort „Bro“ verabscheut. „Was soll das überhaupt sein, „Bro“?“, dachte er sich. Es steht für Brother, aber kein Bruder spricht seinen Bruder mit „Bruder“ an. Kanacken machten das oft. Sie sagten immer: „Was geht, Bruder?“ und gaben sich den Check, was meistens wirkte, als sei das ein Mechanismus, den sich jeder aneignen muss um dazuzugehören. Als der sogenannte Bruder dann verschwand, lästerten diejenigen in den meisten Fällen über ihren selbsternannten Bruder. Wie räudige Bitches. „Klar bin dabei, Bro. Wann geht’s los?“ antwortet er kurz. Eigentlich hat er kein Bock wieder mit den Jungs in der viel zu dunkeln Bar zu chillen, aber das ist immer noch besser als alleine zuhause zu hocken und diese nie enden wollenden Spiele zu zocken. „Wir treffen uns um zehn“.
Den ganzen Tag hatte er in den Shorts verbracht, die er seit drei Tagen nicht ausgezogen hatte. In seinem Zimmer verteilt lagen überall zig angebrochene Süssigkeitentüten, einige leere Teller, auf denen sich klebrige Filme entwickelt hatten, Kaffeetassen, Fruchtschalen in denen nur noch die Kerne der Früchte lagen und der Staub, der sich über mehrere Wochen auf dem Boden breitgemacht hatte, bewegte sich, wenn überhaupt, dann, wenn er die Tür öffnete und der Durchzug den Staub grob anhauchte. „Nur noch eine Runde“ denkt sich Brick um zwanzig vor zehn, „eine Runde schaff‘ ich noch“. Jetzt ist es schon zehn nach zehn, weil er statt einer noch drei Runden zockte und er springt hektisch unter die Dusche. Das Haus verlässt er nie ohne zu duschen. Unter den tonnenschweren Tropfen, die beim Duschen dumpf auf den Schädel schmettern und sich anhören wie das Rattern einer Nähmaschine, sind die pechschwarzen Gedanken am lautesten. Dieser lautlose Lärm wird nur übertönt von der hassbeladenen Stimme, die aus dem unteren Stockwerk in Richtung seines Vaters geschossen wird. Jeder Schuss ein Treffer. So muss sich jemand fühlen, der fälschlicherweise unschuldig hingerichtet wird. Er kam das erste Mal seit acht Monaten vier Minuten zu spät von der Arbeit nach Hause und wird dafür gefoltert. „Mit welcher Frau hast du dich getroffen du Schwein. Du wirst dafür bezahlen. Das wirst du bereuen.“, spuckte die Mutter dem Vater ins Gesicht. Der Vater hatte schon lange keine Antwort mehr darauf. Keine Verbale. Kurze, laute Geräusche im Haushalt wurden schon seit Jahrzehnten mit Schlägen assoziiert. „Hör auf, du Hure. Ich bring‘ dich noch um, du Bitch. Entweder dich oder mich. Du hast uns alle kaputt gemacht. Ich werde tanzen, wenn du tot bist. Stirb! Stirb du Hure! Stirb!“, donnert es in Bricks Schädel. Zornig steigt er aus der Dusche und fängt an sich zu stylen. Am liebsten würde er jetzt zu Hause bleiben. Die anderen warteten aber sicher auf ihn, auch wenn sie wussten, dass er zu spät kommen wird. Es war immer so. Immer das gleiche mit Brick. Immer das gleiche in Bricks Leben. Immer die selbe Last auf Bricks Schultern. Doch er wird niemals brechen. Es ist kurz vor elf. Er steigt in sein Auto. Die Reservelampe leuchtet. Er kommt in der Shishabar an und strahlt beim Betreten des Raumes, als wäre er gerade zum“ Mister Universe“ gekürt worden, erhält Komplimente von seinen Kumpels über sein freshes Outfit, nimmt die Blicke der Mädchen wahr, die ihn mit hundertprozentiger Sicherheit gerne heute mit nach Hause nehmen würden und setzt sich zu seinen Freunden. Das Gesprächsthema der Jungs ist heute Abend, so wie immer, „Wie gelingt mir mein Leben besser?“. Seine Freunde hören ihm bei diesem Thema besonders gerne zu. Brick weiß, wie man das besser macht.

2011

„Was bist du denn für ein Mann!? Du Schwuchtel! Kannst deine Dinge nicht selber regeln oder was? Musst hier drei Frauen rufen, damit die deine Arbeit machen!“, brüllt Brick auf dem Parkplatz der Spielothek.
Ein Zivilpolizist war ihm über einen sieben Kilometer langen Weg gefolgt. Als Brick schlussendlich auf den Parkplatz der Spielothek fuhr, hielt auch der Bulle in Zivil an und konfrontierte in mit den Tatsachen. „Tschuldigung! Sie sind Schlangenlinien gefahren. Kann ich einmal ihren Führerschein und die Fahrzeugpapiere sehen?“, fragte der Bulle, als Brick schon die Tür der Spielothek in der Hand hatte. „Wer sind sie denn?“, fragte er erstaunt. „Ich bin Polizist und sie sind Schlangenlinien gefahren. Einmal ihren Führerschein bitte!“ Brick übergab dem Polizisten ohne viel Widerrede die notwendigen Unterlagen und wusste, dass er am Arsch war. Grundsätzlich schockierten ihn solche Erlebnisse schon lange nicht mehr. Der Bulle verschwand im Auto und überprüfte die Daten, kam wieder heraus und warnte Brick vor, dass gleich ein Streifenwagen kommen würde. Auch dann blieb er noch gelassen. In den Minuten, in denen die beiden auf den Streifenwagen warteten, musste Brick einen Alkoholtest machen. Der Wert den der Test anzeigte lag bei 1,79‰. Brick versuchte den Bullen hoffnungslos, kumpelhaft dazu zu überreden, ihn davon kommen zu lassen. Eigentlich war ihm egal, was dann passierte, weil er seinen Führerschein eh verlieren würde, weil er vor einem Monat schon das zweite Mal alkoholisiert am Steuer erwischt wurde. Jetzt war es das dritte Mal. Als der Streifenwagen ankam und aus dem Wagen drei Polizistinnen ausstiegen, platzte Brick der Kragen.
„Du bist so ein Lutscher!“, brüllt er aggressiv weiter. „Ich versuch hier vernünftig mit dir zu reden und du kommst mir hier mit drei Weibern an. Du bist kein Mann! Geh nach Hause zu deiner Frau und lass dir da Ansagen machen, du Pisser!“ Die drei Polizistinnen stehen bereits zwischen Brick und dem Bullen und bereiten die Handschellen vor. Der Bulle reagiert nicht auf die Beleidigungen die Brick über den ganzen Parkplatz brüllt, aber scheint darüber verwundert zu sein, wie der Junge von einer Sekunde auf die nächste so schnell auf hundertachtzig gehen kann. „So junger Mann, sie müssen jetzt mitkommen.“, sagte eine von den drei Polizistinnen ruhig. „Wohin?“, fragt Brick verwundert, während er seine Arme nach hinten streckt, damit sie ihm die Handschellen anlegen kann. Er hatte hofft, er könnte jetzt noch zocken gehen. „In das nächstgelegene Krankenhaus. Wir müssen ihnen Blut abnehmen um ihren Promillewert genau bestimmen zu können.“ Klick! „Nein! Ich komme nirgendwohin mit. Das Krankenhaus ist fünfzehn Kilometer weit entfernt. Wie komm‘ ich wieder zu meinem Auto?! Ich hab‘ kein Geld dabei!“ „Dann müssen sie sich von der Familie oder von Freunden abholen lassen. Zur Not tut es auch ein Taxi fahren dürfen sie ja eh nicht mehr.“ Die Polizistin führt Brick zum Streifenwagen und geleitet ihn auf den Rücksitz. Neben ihm steigt eine Polizistin ein und die anderen beiden vorne. Es vergehen keine fünf Sekunden bis Brick sich im Auto zu Wort meldet. „Hey, du bist hübsch! Wie heißt du denn, wenn ich fragen darf?“, posaunt Brick zu der Polizistin die vor ihm sitzt. Er grinst ihr mit den Handschellen hinterm Rücken von der Seite mit seiner Alkoholfahne ins Gesicht. Sie ist die Jüngste von den dreien und zudem sehr hübsch. „Ich würde dich gerne mal zu einem Essen ausführen. Tut mir leid, dass du diese Action miterleben musstest. Eigentlich bin ich nicht so. Ich find‘ dich echt hammer! Komm schon. Was sagst du dazu?“ Die Fahrerin und seine Sitznachbarin beäugen Brick mit ernster Miene. Die junge Polizistin ignoriert ihn. „Komm schon, sag‘ mir deinen Namen. Dann kann ich dir auf Facebook schreiben, wenn ich nüchtern bin.“ Brick macht sich einen Spaß daraus, dass sie ihn ignorieren. Jetzt will er sich Hilfe holen und beugt sich zu seiner Sitznachbarin rüber. Sie hat eine lässige Art, wie sie dasitzt. Die Pistole chillig an der Hüfte. Mittellange gelockte Haare und strahlt vertrauen aus. Eine wie du und ich. „Bitte, sag‘ du mir wenigstens wie sie heißt. Ich will sie wirklich haben. Das verstehst du doch, oder? Du weißt, ich bin ganz Nett.“, spricht er ruhig zu ihr, als hätte er keine Handschellen an und als würden sie sich bereits eine lange Zeit kennen. Sie schielt nach vorne und lässt ein klitzekleines, kaum erkennbares, schelmisches Grinsen über ihre Lippen zischen. Brick weiß von jetzt an, dass er sie auf seiner Seite hat. Das ist sein Charme. „Und was ist mit dir da vorne? Du sagst ja die ganze Zeit schon nichts. Du bist aber auch hübsch.“, sagt er zu der Fahrerin, die noch kein Wort von sich gegeben hat. Ihre Mimik ist steif, doch das Kompliment gefiel ihr, weiß Brick. „Egal wie hübsch du bist, ich will deine Kollegin haben. Ich weiß, dass ist jetzt ein wenig hochgegriffen, aber vielleicht heiraten wir Mal. Ich hab‘ zwar momentan keine Arbeit, aber ich will auch mal studieren. Dann sind wir auf einer Ebene und wir können heiraten.“ Mittlerweile stinkt das ganze Auto nach Alkohol und Schweiß. Die junge Polizistin grinst. Jede Frau mag Komplimente. Brick ist felsenfest davon überzeugt, dass es was werden kann mit ihm und der Polizistin. „Du Jill, kannst du mir mal die Papiere geben?“, fragt die neben ihm sitzende Polizistin grinsend diejenige, die auf Bricks anmachen nicht eingehen wollte. Brick hatte seine Sitznachbarin schon längst zu seiner Freundin gemacht und jetzt bestätigt sich das, in dem sie absichtlich den Namen verrät. „Ahhhhh! Jill! Jetzt kommen wir der Sache näher. Danke! Danke vielmals! Jetzt können Jill und ich uns daten. Jill ein schöner Name. Ich liebe diesen Namen! Jill!“ Kaum erfährt Brick ihren Namen, kommen sie schon am Krankenhaus an und steigen aus dem Auto. Jill und die Fahrerin gehen voran und Brick wird, weiterhin in Handschellen, von seiner Freundin zur Blutabnahme geführt. Auf dem Weg dorthin vergisst er Jill schon fast. Er ist fasziniert von seiner Freundin und dankt ihr wiederholte Male dafür, dass sie ihm Jills Namen verraten hat. Während der Blutabnahme werden ihm die Handschellen abgenommen. Er grinst die drei Polizistinnen zufrieden an. Sie erwidern sein grinsen. Als der Doktor sich mit dem Blut aus der Station entfernt, will Bricks Freundin ihm die Handschellen wieder anlegen, da sie noch zum Polizeirevier fahren müssen, um Brick von dort aus zu entlassen. „Bitte! Ich fühle mich richtig mies mit diesen Dingern! Ich möchte frei bleiben. Lass mich so gehen. Ich tu‘ euch nichts. Ihr wisst doch wie ich bin. Bitte!“ Seine Freundin schaut fragend zu den anderen beiden rüber. Nach kurzem Zögern lassen sie ihn ohne Handschellen zum Streifenwagen mitlaufen. Brick grinst. Auf der Polizeistation unterschreibt er und verabschiedet sich von den Polizistinnen. Er wirft seiner Freundin noch mal einen Blick zu, schaut Jill an und ruft: „Ich werde dich auf Facebook finden!“. Beim heraus stolzieren aus dem Revier, knallt ihm die Sonne in die Fresse. Der Schlag ist so hart, dass es ihm den Alkohol augenblicklich aus den Venen klatscht. Plötzlich stocknüchtern blickt Brick auf sich runter. Das Hemd, das er seinem Kumpel abgezogen hat, ist zerrissen und blutverschmiert. Das Blut ist längst getrocknet und wirkt schon fast wie ein beabsichtigtes Muster. Brick macht sich auf den Weg in die nächstgelegene Spielothek. Auch in dieser Stadt weiß er, wo er sie findet. Hilfe holen oder jemanden anrufen würde er später. Erst mal ist Zocken angesagt. Auf dem Weg lässt er nochmal Revue passieren, was in den letzten Stunden passiert ist. Zum Discobesuch hatte er das Auto diesmal zuhause gelassen, damit er nicht in Versuchung gerät, damit zu fahren. In der Disco hat er bis sich die Türen schlossen besoffen. Er hatte sich dort geprügelt und hatte bei der Prügelei einen Schlag auf die Nase bekommen. Den Grund weiß er nicht mehr. Besoffen war er immer auf Action aus. Um sechs Uhr morgens, als es bereits hell war, hatte er sich dann torkelnd auf den Weg nach Hause gemacht. Zuhause hatte er sich ins Bett gelegt und hatte schlafen wollen, doch der Zirkus in seinem Schädel, die Affenschreie und das Amazonengeheul, das rasende Bongogetrommel und die trötenden Elefanten, die Peitschenhiebe, die Zirkusmusik und der Jubel in der Menge, hätten ihn zu allem bewegen können, aber nicht zum Schlafen. So war er aufgestanden und hatte sich zum Auto gekämpft. Die Reservelampe hatte geleuchtet. Er hatte sich auf den Weg in die Spielothek gemacht und war Schlangenlinien gefahren. Es war immer so gewesen. Immer das gleiche mit Brick. Immer das gleiche in Bricks Leben. Immer die selbe Last auf Bricks Schultern. Doch er wird niemals brechen. Nachdem er sein Geld in der Spielothek verzockt, ruft Brick seinen Freund Paul an. Dieser fährt mit zwei weiteren Freunden erst zwanzig Kilometer um ihn zu holen und dann weitere fünfzehn Kilometer um Brick zu seinem Auto zu bringen. Ein guter Freund. Während der Fahrt erzählt Brick sein Abenteuer und sie schieben sich Lachflashes über die Geschichte. An Bricks Auto angekommen, wollen sie draußen eine Zigarette rauchen. Sein Freund hat noch eine Kiste Bier im Kofferraum. „Sollen wir eins Trinken?“, fragt Paul lachend. „Ja man, warum nicht?!“, willigt Brick ein. Die Flaschen werden mit einem Feuerzeug aufgeploppt und sie stoßen an und trinken einen Schluck. Brick ballert das Bier auf ex weg, steigt in sein Auto und fährt nach Hause. Brick weiß, wie man das besser macht.

1996

Brick besucht die erste Klasse einer Grundschule. Alle seine Freunde aus dem Block besuchen die selbe Grundschule und einige wenige sind mit ihm zusammen in einer Klasse. Unter anderem auch Steve. Steve wohnt genau gegenüber von Brick. Steve hat einen Amiga PC und ist der Sohn von einer alleinerziehenden Mutter, die immer dann Arbeiten ist, wenn Steve von der Schule nach Hause kommt. Brick und Steve gehen immer alleine zur Schule und wieder nach Hause. Manchmal klingeln sie gemeinsam bei Brick zuhause und fragen seine Mutter über den Balkon, ob er mit zu Steve darf. Er darf fast nie. Warum weiß keiner. Als die beiden heute von der Schule nach Hause kommen, fragt er gar nicht erst die Mutter, sondern geht sofort mit zu seinem Freund. Drei Stunden lang spielen die beiden gemeinsam mit dem Amiga und vergessen die Zeit. Als Brick allmählich Hunger bekommt und nach Hause geht, freut er sich dementsprechend aufs Essen. Doch das einzige was er zu fressen bekommt ist eine Gardinenstange. Ohne Begrüßung und ohne zu fragen, wo er gewesen ist, packt ihn seine Mutter am Arm, zerrt ihn durch die Wohnung und verunstaltet ihn mit der Stange. Eine dünne, biegbare Stange, die wie eine Peitsche auf Arsch und Rücken prescht und ihm die Liebe mit jedem Treffer immer mehr aus dem Körper zapft. „Aua! Bitte hör auf! Mama! Bitte hör auf! Hör auf! Aua! Mama! Ich mach das nie wieder! Bitte! Aua! Hör auf!“ Brick bricht zusammen, als die Mutter aufhört. Er quält sich mit aller mühe in sein Bett und weint. Er versteht die Welt nicht mehr. Der Kloß im Hals ist dicker als sein Kopf und aus der Nase und aus den Augen fließen Tränen ununterbrochen. Der Tag ist im Arsch. Bis zur Schlafenszeit redet er kein Wort mehr. Eingesperrt im Haus schleicht er wie eine seelenlose Gestalt durch sein Zimmer bis zur Küche und zurück. Am nächsten Morgen wacht er um neun Uhr auf. Es ist Samstag. Er geht aus seinem Zimmer, fast vergessen das er verdroschen wurde und ist gespannt, was der neue Tag bringt. Als er das Wohnzimmer betritt und seine Mutter sieht, die sich um seine sieben Monate alte Schwester kümmert, durchlebt er einen optimistischen Schauer. Es gibt keinen Gruß, kein „Guten Morgen“ und erst recht keine Entschuldigung für das, was gestern war. Brick bereitet sich eine Schüssel Kellogs Smacks vor und setzt sich sorglos vor den Fernseher. Cartoons laufen Samstag zu jeder Uhrzeit. Er liebt Cartoons. Am liebsten die auf „Cartoon Network“. Hin und wieder schielt er zu seiner Mutter rüber. Solange sie nicht redet, wird sie ihm nichts tun. So ist es gut. Das Wetter ist beschissen. Es regnet in Strömen und normalerweise geht Brick bei so einem Wetter nicht raus. Da er allerdings zu den Nachbarsjungen nach Hause gegangen war und sie die Schnauze voll von Konsolenspielen hatten, hatte die Mutter der Jungs, die drei nach mit einem weltoffenen, fürsorglichen Lächeln nach draußen geschickt, um einfach mal im Regen zu spielen. Im Sandkasten bewerfen die Jungs sich mit Schlamm. Sie springen in Pfützen und wälzen sich im Matsch. Der Regen ist warm wie ein Fläschchen Babymilch, warm wie die neonrote, fast verglühte Restkohle im Grill, an der man sich die Hände wärmt, warm wie die Kuscheldecke um sechs Uhr morgens, mit der man es sich vor dem Fernseher gemütlich gemacht hat, warm wie die Mutterliebe, die andere Kinder zu spüren bekommen. Ein Herzhaftes Strahlen in den Augen der Nachbarsjungen, ein wehmütiges Lächeln in Bricks verdrecktem Gesicht. Er weiß, er darf seine Kleidung nicht beschmutzen. Er weiß was passieren kann, sollte er es doch tun. Nachdem sie sich gemeinsam ausgetobt haben, gehen sie nach Hause. Noch bevor sie bei den Nachbarsjungen ankommen, sieht Brick seine Mutter auf dem Balkon. In dem Moment kommt zufälligerweise die Mutter der Jungs auf den Balkon. Die wohnen im ersten Stock. Brick im dritten. „Du kommst jetzt sofort nach Hause“, schrillt es von oben herab. Plötzlich friert Brick. „Ich will nicht.“, flüstert er, sodass man ihn gerade noch hört. „Ist schon gut, er kommt mit zu uns.“, ruft die Mutter der Jungs nach oben. „Nein! Komm nach Hause, du musst duschen.“ Das lächeln seiner Mutter löst stille Panik in Brick aus. Irgendwas stimmt damit nicht. „Er kann bei uns Duschen, ich gebe ihm Klamotten von uns, dann können die hier noch was essen und spielen.“ Ein Hoffnungsschimmer in der bizarren Situation. „Nein. Du kommst jetzt nach Hause!“ Brick schaut den Jungs in die Augen. Sie strahlen immer noch. Ein wenig anders. Als hätten sie etwas gespürt. Die Mutter der Jungs lächelt ihn an. Anders. Mitleidig. Spürte sie was Böses? Mit geknicktem Rückgrat geht Brick die Treppen hoch. Stufe für Stufe hinterlässt er Fußspuren, die immer schwächer werden, als würden sie sich nach und nach auflösen. Er würde sich auch gerne immer mehr auflösen je näher er nach Hause kommt. Er friert immer mehr und betritt Wohnung. Er zieht seine Schuhe aus, doch seine matschigen Hosenbeine verdrecken den Teppich, während er in Richtung Badezimmer geht. Dort zerrt seine Mutter an seinem Pullover. Der ist viel zu eng für seinen Kopf, doch sie reißt den Pulli so schnell hoch, sodass ihm fast die Ohren abreißen. Die Hose zieht sie ihm hassgeladen aus und auch wenn seine Ohren jetzt glühen, ist er relativ zufrieden. Nur noch in Unterhose, mit kaltem, glitschigem Körper, möchte er gerade in die Wanne steigen, da klatscht es so fest auf seinen Hintern, sodass er innerhalb einer Bewegungssequenz schreit, zittert und zusammensackt. Kurz bevor er zu Boden fällt, reißt ihn die Mutter an seinem Arm hoch und klatscht ihm erneut auf den Arsch. Ins Gesicht. Auf den Rücken. Wieder in Gesicht. Den Arm von Brick hält sie immer nach oben. Er wird wie ein nasser Sack gehalten und versucht den Schlägen vergeblich auszuweichen. Vergeblich. Noch ein Klatscher auf den Arsch. Immer und immer wieder. Sie lässt ihn fallen. Sie gibt ihm noch einen Tritt und befördert ihn damit in Richtung Bad. Das Wasser ist dampfend heiß und während es sich über seinen kalten, mit Kratzwunden übersehenen Körper ergießt, fühlt es sich so an, als würde er gleich ohnmächtig werden. Er versteht die Welt nicht mehr. Zu hinterfragen, warum er so behandelt wird, hatte er schon längst aufgegeben. Nachdem er aus der Wanne steigt, rubbelt ihn seine Mutter mit einem Tuch ab. Das Tuch fühlt sich an wie Schleifpapier und ratscht über seinen ohnehin schon gereizten Körper. „Willst du heute bei Oma schlafen?“, fragt sie ihn. Demütig schaut er seiner Mutter für eine Sekunde in die Augen, ohne zu antworten. Sie zieht Brick schnell paar Klamotten über und sie machen sich auf den Weg. Die Sicht nach Draußen ist verschwommen. Das einzige was Brick erkennt, sind Tropfen, die das Autofenster runterfließen. Wie seine eigenen Tränen. Die Reservelampe leuchtet. Es war immer so gewesen. Immer das gleiche in Bricks Leben. Immer das gleiche mit Brick. Immer die selbe Last auf Bricks Schultern. Doch er wird niemals brechen. „Wo ist denn Brick?“, fragt der Vater später die Mutter, als er von dem Spielothek-Besuch nach Hause kommt. „Ich wollte ihn gerne noch sehen, ich hab alles verzockt. Ich spiele nie wieder. Ich weiß jetzt wie man es besser macht.“

 

Hallo @HotChili

willkommen im Forum. :) Los geht's mit deinem ersten Text:

Im Hintergrund läuft „Una Mattina“ von Ludovico Einaudi.

Okay, ich kenne das Lied und den Interpreten zufällig, aber ich finde es ein bisschen schwierig, sich auf konkrete Lieder zu beziehen, die nicht unbedingt zu weltbekannten Werken zählen (wie Purple Rain oder Halleluja und Co.) Wenn ich nicht direkt die Melodie im Kopf habe, wird es für mich als Leser schwierig, in den Text zu kommen und ich muss erstmal googeln gehen. Könnte ja auch ein House-Lied sein, wer weiß? ;)

eine Tränen kann er kaum noch zurückhalten. Er ist überwältigt. Ein Kloß im Hals. Er kann seine Emotionen nicht zurückhalten.

Hier doppelt es sich ziemlich. Den kleinen Satz oben kannst du streichen, das ist einfach nur "Tell". (Kennst du "Show, don't tell"? Bedeutet: Nicht behaupten und sagen, was passiert, sondern zeigen.)

Er denkt über die nach [KOMMA] die noch da sind, aber irgendwann gehen werden.

Hier fehlt ein Komma, siehe oben. Also denkt er quasi über alle nach? Die Menschheit so generell?

Es entstehen Szenarien in seinem Kopf.

Das muss für mich nicht extra betont werden, denn wer nachdenkt, hat automatisch Szenen im Kopf. ;)

Er sieht das Lächeln seiner Schwester, die in sein Zimmer kommt. Dieses Lächeln hatte sie nur drauf, wenn sie ihren großen Bruder sah. Er kennt das Lächeln. Er liebt das Lächeln.

Hier wird durchgelächelt. Da solltest du unbedingt was streichen.

Es gibt ihm das Gefühl, dass alles in Ordnung sei.

»... das alles in Ordnung ist.« Das Gefühl muss auch hier nicht erneut beschrieben werden. »Es ist alles in Ordnung.« reicht aus. Wir sind ja als Leser in seinem Kopf.

Der Vater [KOMMA] der lange nicht mehr lächelt.

Hier fehlt auch ein Komma.

War Brick der Grund für das verschwundene Lächeln. Hatte er seinem Vater das Lächeln umgedreht. Oder war er selbst schuld. Selbst schuld daran, dass er spielsüchtig geworden ist.

Wo sind all die Fragezeichen, die es hier bräuchte? Das sind doch Fragen, oder? Außerdem doppeln sich hier wieder die »Väter« und die »Schuld«.

Mit einem PC und einem Aschenbecher auf dem Tisch, auf dem der Monitor des PCs hinter acht Kaffeetassen und unter Zigarettenasche abgestellt war.

Hier dachte ich erst, der Monitor ist auf dem Aschenbecher aufgebaut und dieses Ensemble versteckt sich hinter acht Kaffeetassen und unter Zigarettenasche. ;) Der Satz ist realtiv kompliziert, da würde ich nochmal deutlich vereinfachen.

Der Raum ist nur halb verputzt. Reibeputz. Das ganze Haus ist so verputzt. Reibeputz. Einmal versuchte Brick selbst einen Teil des Hauses mit der Reibeputztechnik zu verputzen. Dabei stellte er fest, dass es unmenschlich viel Kraft kostet. Sein Vater hatte im Haus alles alleine verputzt. Essen verputzt sein Vater nicht mehr viel. Kraft hat er immer viel gehabt.

Äh ... hier solltest du auch kürzen. :Pfeif:

Brick hat sich in der Zeit nur vier oder fünf Mal zu seinem Vater in die Garage gesetzt, um mit ihm zu Sprechen.

*hatte und »sprechen« klein.

Er wollte meistens keinen Kaffee. Er holt ihn sich meistens selbst.

Einmal meistens weg.

Wie es scheint [KOMMA] kann er seine Sucht nicht alleine bekämpfen.

Komma rein.

Weiß er, dass er Süchtig ist?

*süchtig klein.

Fazit nach deinem Prolog: Hier solltest du definitiv nochmal drübergehen. ;) In deinem Profil steht, dass du einen Text geschrieben hast, den du selbst »sehr gut« findest und du möchtest wissen, was andere davon halten. Nunja, ich denke, er kann sehr gut werden ... das kommt ganz auf dich an. :Pfeif: Ein gesundes Maß an Selbstbewusstsein ist gut und hilft auch beim Schreiben, aber man sollte nicht so zufrieden mit sich sein, das man die Rohfassung des eigenen Textes schon so toll findet, das man ihn sich nicht einmal ein zweites Mal durchliest. Ich war jedenfalls nach dem Prolog raus. Tut mir leid. Wenn du Lust hast, am Text zu arbeiten, steig ich gern nochmal mit ein, aber für den Moment belasse ich's jetzt erstmal dabei. ;)

Danke und viele Grüße, PP

 

Hallo @HotChili und Glückwunsch zur Veröffentlichung deiner ersten Geschichte! :)

Zuallererst möchte ich meinem Vorredner Recht geben, dass du die Geschichte vielleicht noch einmal Korrektur lesen solltest. Hierbei solltest du vor Allem auf Rechtschreibung sowie Groß- und Kleinschreibung achten. Außerdem wechselst du innerhalb deines Textes sehr oft zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Die ganze Geschichte liest sich sehr schleppend. Vielleicht würden ein paar zusätzliche Absätze das Lesen vereinfachen. Du wiederholst dich oft in Formulierungen. Ich habe es wirklich versucht, jedoch nicht geschafft ihn komplett zu lesen. Ab der Hälfte von 2011 bin ich zum Ende gesprungen.

Zu deinem Text selbst:

Mir ist nicht ganz klar was du erzählen möchtest. Es geht um einen jungen der spielsüchtig ist und seine Eltern die streiten. Aber was genau ist der Kern der Geschichte? Mir fehlt ein Handlungsstrang und ein Spannungsbogen. Auch der Aufbau der Geschichte ist verwirrend. Alle "Kapitel" sind mit Jahreszahlen betitelt, aber wie genau ordnet sich der Prolog ein? In welcher Zeit findet dieser statt? Es ist erst 2016, dann 2011 und dann plötzlich 1996. Im Prinzip endet die Geschichte am Ende. Vielleicht erklärt sich dies ja in den zwei halben Kapiteln ich die überspringen musste, jedoch wirkt das für noch nicht ganz rund.

Fazit:

Du solltest deine Geschichte noch einmal durchlesen und korrigieren. Insgesamt sind Themen wie Spiel- und Alkoholsucht sowie das zerrüttete Elternhaus generell immer ein aktuelles Thema, weshalb ich der Meinung bin, dass deine Geschichte durchaus Potenzial hat. Für konstruktive Kritik sowie Tipps von erfahrenen Autoren bist du hier genau am richtigen Ort - der ein oder andere gibt hier hoffentlich ebenfalls noch eine fachlich fundierte Meinung zu deinem Text ab und hat den ein oder anderen Hinweis.

Grüße,
Karamba

 

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