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Visions in Blue

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02.06.2001
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Visions in Blue

1

Damals, vor zwei Monaten, war die Welt für Ben noch in Ordnung gewesen. Niemals hätte er sich träumen lassen, dass alles so abrupt, so furchtbar enden würde. Doch ohne jegliche Warnung brach der Mechanismus über ihn ein, zerstörte sein Leben.
Noch vor zwei Monaten hatte Ben an einem Roman „Visions in blue“ gearbeitet ‚ seinem bereits dritten Versuch, als Schriftsteller endlich den erhofften Durchbruch zu schaffen.
Sein erster Roman hieß „Invisible Wishes“ und handelte von einem jungen Mann vom Lande, der in New York sein Glück suchte, es aber nicht fand. Der Erfolg war eher mäßig gewesen. Immerhin hatte sein Honorar jedoch ausgereicht, ihn und seine Freundin über Wasser zu halten. Sein zweiter Roman, „Flashback“, hatte sich als finanzielles Fiasko erwieBen und ihn an seinen Fähigkeiten zweifeln lassen.
Mitten in jene dunkle Phase der Selbstvorwürfe und der Flucht in die Arme des Dämons Alkohol, war Heather hinein geboren worden. Später hatte er sie als Geschenk des Himmels bezeichnet, hatte sie doch wieder Ordnung in sein Leben gebracht.
Zwischenzeitlich hatte er Aushilfsarbeiten annehmen müssen, um seine kleine Familie halbwegs über die Runden bringen zu können. Aber wenn er erst den Roman beendet und auf den Markt gebracht hätte, würde sich seine finanzielle Situation wieder bessern, so hatte er, nichts ahnend von der Gefahr die ihn umgab, gedacht.
Vier Jahre nach Abschluss seines zweiten Romans, hatte er endlich mit „Visions in Blue‘ begonnen‚ einer futuristischen Schreckensvision im Stile Orwells. Computer würden die Menschheit in eine Katastrophe treiben. Wie Ben selbst freimütig zugab, war das eine nicht gerade berauschend neue Idee. Aber sie schien geeignet, einen achtbaren Verkaufserfolg zu erzielen. Und wie er sich zu seiner eigenen Schande eingestand, war dies die einzige Motivation gewesen, einen neuen Roman zu beginnen.
Kein Motivationstrainer der Welt konnte es mit den Verheißungen schnöden Mammons aufnehmen.

***

Die Zeit hatte sich als reif für den Mechanismus erwiesen.
Und also erwachte er in Ben.

***

Wann genau er begonnen hatte, ließ sich nicht mehr nachvollziehen. Fest stand lediglich, dass der Kauf eines Computers einen nicht unwesentlichen an den Geschehnissen trug. Irgendwann war Ben zu der Überzeugung gelangt, dass auch er unbedingt einen solchen benötigte, um sein Buch schreiben zu können. Zwar war der Computer bereits hoffnungslos veraltet gewesen - das Firmenzeichen ‘Syntron‘‚ das wie ein Kainsmal mit der Warnung “Vorsicht, billiger Computer aus Asien!“ auf dem Gehäuse prangte, war bereits fast bis zur Unleserlichkeit zerkratzt - doch seinen Zweck würde der Computer noch hinreichend erfüllen können.
Ben schrieb oft die halbe Nacht. Dies war aber nur der Fall, wenn sein Geist kreativ genug war, um ihm neue Einfälle aus der unergründlichen Tiefe der Phantasie zu diktieren.
Manchmal saß Ben nur da und sah verzweifelt aus dem Fenster, denn keine Inspiration, kein guter Einfall übermannte ihn.

Am ersten Tage des Erwachens war gerade, als er den Befehl zum Starten des Textverarbeitungsprogramms eintippen wollte, die Buchstabenfolge ‚visions in blue’ auf dem Monitor erschienen. Zunächst war Ben versucht gewesen, dies als Produkt seiner überhitzten Phantasie hinzunehmen und den Wink, den ihm sein Gehirn gab, nämlich den Computer abzuschalten und zu Bett zu gehen, zu beachten.
Statt dessen erwachte der Mechanismus und im Nachhinein betrachtet war es vermutlich ohnedies unvermeidlich.
Erneut erschienen Zeichen am Bildschirm: „hhmmss+30h“
Hastig tastete Ben nach einem Blatt Papier und einem Schreibgerät. Ben tastete danach, um den Blick nicht vom Bildschirm abwenden zu müssen. Seine rechte Hand erfasste einen eher zufällig herumliegenden Taschenkalender und wenig später einen Bleistift, riss eine Seite aus dem Kalender und kritzelte die Zeichenfolge auf das leere Blatt Papier.
Sein Blick hing noch immer am Bildschirm fest.
Ben wartete.

Er wartete auf die gleiche Art und Weise wie vor sieben Jahren, als er im Wartezimmer der Entbindungsstation gehofft und gebangt hatte, als Belinda mit ihren erst 21 Jahren bereit gewesen war, den ewigen Kreislauf der Schaffung neues Lebens fortzusetzen; Leben, welches das Licht der Welt erblickt um irgendwann erneut von ewiger Dunkelheit umhüllt zu werden wie im Mutterleib; Leben, das vom ersten Atemzug an zum Sterben verurteilt war.
Als er in dem sterilen, weiß getünchten Raum nervös an seinen Fingernägeln gekaut hatte, hatte er viel Zeit zum Nachzudenken gefunden; über sich und über die Zukunft, die er nunmehr für drei Personen zu planen hatte.
Ehe die Hebamme ihn ins Zimmer gerufen hatte, in welchem Belinda ein behutsam in ein Frotteetuch gewickeltes kleines, auf erbarmungswürdige Weise zerbrechlich wirkendes Menschenwesen zärtlich streichelte und anlächelte, obgleich ihr Gesicht noch immer vom Schmerz gezeichnet war, hatte Ben sich erneut in Selbstzweifeln gewälzt: Würde er ein guter Vater werden? Himmel, er hatte bereits damit alle Hände voll zu tun gehabt, sich um sein eigenes Leben zu kümmern! Doch der erste Blick in die blauen Augen des ins Antlitz einer grausamen Welt geworfenen Wesens hatten ihn davon überzeugt, dass er es schaffen würde.

Das Warten ermüdete ihn, und allmählich wurden seine Augenlider schwerer und sein Blick immer trüber, bis sich die Lider schlossen. Als er sie wieder öffnete, las er am Bildschirm “A>“
„Ich muss eingeschlafen sein und dabei geträumt haben“, flüsterte er in die nur vom Keuchen des Computerventilators aufgewirbelte Stille hinein.
„Dieser Traum. Immer wieder dieser Traum. Verdammt, wenn ich nur wüsste, was er zu bedeuten hat!“
Ben schaltete die kleine Tischlampe an und den Bildschirm ab. Der Computer verabschiedete sich mit einem leisen, fast vorwurfsvollen Pfeifton. Vor sich sah er den kleinen, weißen Zettel. Der Traum war realer als befürchtet, er hatte den Zettel aus dem Taschenkalender gerissen und eine unverständliche Botschaft hinterlassen. Er ließ das Papier liegen, schaltete die Tischlampe wieder aus und schritt leise, um jene beiden Menschen für die zu leben sein Lebenszweck war, nicht zu wecken, aus dem Raum.
Seine Beine führten ihn direkt in Richtung Schlafzimmer. Er nahm sich keine Zeit die Zähne zu putzen, was sehr ungewöhnlich war. Es war das erste Mal seit fast neun Jahren, als er sich das Rauchen abgewöhnt hatte, dass er zu Bett ging, ohne die Zähne geputzt zu haben. Belinda hatte ihn damit aufgezogen, dass das schier manische Zähneputzen eine orale Ersatzbefriedigung für die Zigaretten darstellte.
Der Schlaf übermannte ihn rasch, und als er an einem Freitagmorgen von zarten, warmen Sonnenstrahlen geweckt wurde stellte er erleichtert fest, dass sein Schlaf ruhig und ohne Alpträume verlaufen war. Zuvor hatten ihn wochenlang jede Nacht Alpträume geplagt, an die er sich nur noch vage hatte erinnern können, und ihn schweißgebadet erwachen lassen.

***

Belinda hatte das Frühstück bereits zubereitet. Es war gegen acht und in einer viertel Stunde würde der Schulbus Heather zur Schule bringen.
Während er die Morgenzeitung studierte, packte Heather ihre Hefte und Bücher sorgfältig in ihre Schultasche.

„Ben, ich muss mit dir reden.“

Ben seufzte und befürchtete das Schlimmste: Ihren Katzenjammer über die finanzielle Situation, in der sie sich befanden.

“Ich möchte, dass wir das Wochenende bei Mum und Dad verbringen.“

Bens Aufmerksamkeit galt nun wieder ganz der Zeitung.

“Schönen Gruß auch“, murmelte er missmutig

“Entnehme ich deinen Worten die Absicht, mich und Heather alleine nach Philadelphia reisen zu lassen?“

Ben gab vor, konzentriert einen Artikel über eine spektakuläre Serie von Morden zu lesen. “Haben wir nicht oft genug darüber diskutiert?“

Heather verfolgte das Gespräch ihrer Eltern. “Dad, warum willst du nicht mitkommen?“

“Wartet nicht ein großer, gelber Bus mit anderen kleinen Menschlein an der Straßenkreuzung auf dich?“

„In zehn Minuten, Dad“, antwortete seine Tochter und warf ihm einen jener Blicke zu, die nur Kinder im Stande sind zu erzeugen.
Wortlos blätterte er eine Seite um. Heather schlang ihren Rucksack um die Schultern und verabschiedete sich von ihrer Mutter mit einem Kuss, von ihrem Vater mit eisigem Schweigen. Ben war nicht wütend auf das Mädchen. Ihre Reaktion war ihm durchaus verständlich.

„Meine Damen und Herren. Ich bitte um Applaus für Ben Sullivan, der es wieder einmal geschafft hat, seine eigene Tochter traurig zu stimmen!“
Verärgert klatschte er die Zeitung auf den Tisch. “Was soll das? Weshalb müssen wir jedes Jahr denselben Streit anfangen der darin endet, dass ich als der mieseste Schurke seit Goldfinger dastehe?“

“Nun, vielleicht deshalb, weil du mich jedes Jahr aufs Neue vor meinen eigenen Eltern demütigst.“

“Und wieder geht Ben, der Superschurke, als Verlierer vom Feld.“

Beide musterten einander.

“Schön, dann werde ich eben alleine mit Heather fahren müssen. Wie jedes Jahr.“

“Du erwartest von mir“, sagte Ben wütend, „dass ich mich von dir erpressen lasse, indem du mir ein schlechtes Gewissen einzureden versuchst? Tut mir Leid, so läuft das nicht.“

Sie schüttelte den Kopf, ging auf ihn zu, nahm seine Hände und drückte sie zärtlich. “Ben, es ist nicht meine Absicht, dir meinen Willen aufzuzwingen, es ist nur … Ich wünschte, du würdest dich mit meinen Eltern gut verstehen. Kannst du dir nicht vorstellen, wie ich mich danach sehne, dass du dich mit ihnen wenigstens verträgst? Ist denn das zu viel verlangt?“
Hoffnungsvoll sah sie ihn an.

“Kannst du dir vorstellen wie ich mich danach sehne, ihm ins Gesicht zu brüllen, was ich von ihm halte?“

Belinda senkte ihren Blick, ließ seine Hände los, ging zum Kühlschrank und nahm eine Cola- heraus. Bens Gedanken schweiften Jahre zurück, in eine Zeit, die die Wurzel ihrer Probleme waren.
Eine Zeit, in der er Collegestudent gewesen, Er hatte damals Belinda seit etwa einem halben Jahr gekannt und war von ihr bedrängt worden, doch endlich bei ihr zu Hause vorzusprechen und sich ihren Eltern als jener wunderbare Mensch zu präsentieren, den sie liebte und verehrte. Ihre Hartnäckigkeit wurde durch sein Versprechen, sich bei ihren Eltern vorzustellen, belohnt. Schon als er den Rubikon eines aberwitzig kitschigen Fußabstreifers überschritten hatte um einzutreten in die Welt des absurd spießeigen Bürgertums, hatte er die Schwierigkeiten erahnt.
Tiefster Zynismus war den Tiefen seiner Seele entstiegen, als er die Wohnung begutachtete. Schlechter Geschmack schien gerade in Mode gekommen zu sein. Die belanglosen Gespräche mit ihrem Vater hatten unterschwellig die Angst zum Ausdruck gebracht, Belinda würde sich mit einem Tunichtgut einlassen. Einem Tunichtgut der auch noch davon gefaselt hatte, dass er als Schriftsteller Fuß fassenwollte.
Es hätte keiner besonders feinfühligen Intuition bedurft um zu bemerken, wie tief der Graben zwischen ihnen war. Vorsorglich hatte Ben erst gar nicht erwähnt, dass er Vizepräsident des Marxistischen Studentenbundes war. Ebenso gut hätte er Mrs. Philip fragen können, wie sie es bloß zu Stande gebracht hatte, einen simplen Hackbraten dermaßen grauenhaft zuzubereiten, wie es ihr gelungen war.

Das Ende des Liedes war gewesen, dass Mr. Philips es tunlichst vermied anzurufen, um nicht Gefahr zu laufen, mit Ben sprechen zu müssen.
Ab und an erhielt Belinda deshalb Briefe von ihren Eltern, deren Inhalt sich in der vagen Hoffnung erschöpfte, dass sie sich endlich von Ben trennte.
Dreimal jährlich flogen Belinda und Heather nach Philadelphia zu ihren Eltern, um Geburtstage und Weihnachten zu feiern.
Bezahlt wurden die Flugtickets natürlich von Belindas Eltern. Für Ben lag niemals ein Ticket bereit. Er hätte es allerdings ohnedies verfallen lassen, Belinda schloss die Kühlschranktür, öffnete die Dose, nahm einen Schluck und ging ins Schlafzimmer um die Koffer zu packen. Ben erhob sich schwerfällig aus dem Küchenstuhl und folgte ihr.

“Tut mir ehrlich Leid. Aber welchen Sinn hätte es für mich mitzukommen und euch den ganzen Spaß zu verderben?“

“Schon gut Bringst du mir bitte Heathers Walkman? Ohne dieses Ding langweilt sie sich während des Fluges zu Tode.“

Ben war erleichtert, dass sie den Blickkontakt zu ihm suchte. Ein sicheres Zeichen dafür, dass dieses leidige Thema beendet war. Ben hatte den Walkman zuletzt in seinem Arbeitszimmer gesehen. Tatsächlich lag er auf dem Schreibtisch. Obwohl das Gerät sehr verschmutzt war, stach der Markenname SONY ins Auge. Aus Gründen, die wohl nur ein Erwachsener nicht verstehen konnte, beschränkte sich Heathers Gerätepflege darauf, die silbern glänzenden Buchstaben sorgsam zu putzen. Behutsam nahm er es in die Hand und sein Blick streifte eher zufällig den Zettel. Er knüllte ihn zusammen und stopfte ihn in seine Hosentasche.
Belinda war noch immer dabei, ihren Koffer zu packen. Ben reichte ihr den Walkman und erhielt dafür ein kurzes „Danke“.
Während Belinda sicherheitshalber ein Abendkleid einpackte, überlegte Ben, ob er ihr von seinem nächtlichen Erlebnis etwas sagen sollte. Nach kurzem Zögern langte er in die Hosentascheund zog den Zettel hervor.
„Kannst du mir mal kurz helfen? Sieh dir das an und sag mir, ob du damit was anfangen kannst.“
Sie warf einen kurzen Blick auf das kleine Blatt Papier. wandte sich wieder ihrer Tätigkeit zu. “Ist das ein Test, ob ich deine Entwürfe auch gründlich genug lese?“, begann sie und lächelte dabei. „In deinem neuen Roman benutzt du diese Zeichen, um einen Countdown zu beschreiben. ‚hhmmss’ bezeichnet die Uhrzeit und ‚+30 h’ bedeutet in 30 Stunden. Habe ich was gewonnen?“
Jetzt, da Belinda es ihm wieder ins Gedächtnis gerufen hatte, konnte er sich wieder deutlich erinnern. Er hatte die Zeichen gleich zu Beginn seines neuen Romans verwendet, um den Countdown für die Detonation einer Bombe anzugeben. Nachdenklich zerknüllte er den Zettel und warf ihn in den längst nicht mehr benutzten Aschenbecher, der auf einem Nachtkästchen stand. Wie hatte er dies bloß vergessen können? Noch dazu bei einem Roman, an dem er erst seit kurzer Zeit arbeitete?
„Ja“, antwortete er und erwiderte das Lächeln, „Deinen eigenen kleinen Stern am Nachthimmel.“

***

Heather kam gut gelaunt von der Schule nach Hause, warf ihre Schultasche in eine Ecke des Kinderzimmers und freute sich schon auf das bevorstehende Wochenende bei ihren Großeltern. Getrübt wurde ihre Hochstimmung lediglich dadurch, dass sie wusste, ihr Vater würde auch diesmal nicht mit von der Partie sein. Wie gern hätte sie ihm die Blumen im Garten der Philips gezeigt, mit ihm auf der Wiese herumgetollt, mit ihm abends die Sterne betrachtet, wenn der Himmel klar war.
“Ich kann leider nicht mitkommen. Ich bin mit meinem Zeitplan für das Buch sowieso in Rückstand. Das verstehst du doch, oder?“
“Du kannst Grandpa nicht gut leiden, stimmt‘s Dad?“
Ben war versucht, es ihr einfach zu sagen. „Ja, Kleines, ich kann ihn nicht gut leiden. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass er ein widerliches Arschloch ist.“
Seine Antwort bestand in einem Kuss auf ihre Stirn.

***

Am Flughafen wurde der letzte Aufruf zum Flug bekannt gegeben. Ben umarmte Belinda, küsste sie, wandte sich zu Heather, umarmte und küsste sie ebenfalls und hätte sich am liebsten selber einen Tritt in den Hintern verpasst.
Betrübt blickte er ihnen nach und winkte, bis sie mit der Menschenmenge auf dem Weg zum Terminal verschmolzen waren.

***

Das Taxi setzte ihn vor der Tür ihres Apartments ab. Bereits als er die Wohnung betrat, bemerkte er eine Veränderung; wäre der Gedanke nicht gar zu absurd gewesen hätte er behauptet, er konnte geradezu riechen, dass etwas nicht in Ordnung war. Die Stille, die ihn empfing, ängstigte ihn.
Der versiegelte Parkettboden im Wohnzimmer knirschte.
Aber nicht von seinen Schritten.

***

Starr vor Schreck stand er im Vorraum, unschlüssig, was er tun sollte. Er vernahm ein seltsames Geräusch, als würde Glas brechen, woraufhin sein Atem noch schneller ging und er wie immer, wenn er nervös war, an seinen Lippen zu kauen begann.
Der Eindringling musste ihn auf jeden Fall gehört haben. Vielleicht würde ihn ja seine bloße Präsenz vertreiben? Vorsichtig schlich er auf Zehenspitzen zur Wohnzimmertür. Er spürte die Anwesenheit einer fremden Person. Durch das Milchglas der angelehnten Tür glaubte er den Schemen des Eindringlings erkennen zu können.
Ben schluckte hart, als er die Tür nach innen aufschwang.
Ruhig und gelassen, die Beine überkreuzt, ein Glas Whiskey in der rechten Hand, saß der Fremde auf der ausgebleichten Couch. So, als hätte er auf ihn gewartet
Ben, der noch immer regungslos unter dem Türbogen verharrte, war nicht in der Lage zu agieren. Wie angewurzelt blieb er stehen und starrte den Mann an, der seinerseits Ben amüsiert taxierte.
“Was, zum Teufel, haben Sie in meiner Wohnung zu suchen?“, sagte Ben und wusste selber, wie lächerlich das klang.
Sein Gegenüber stellte ohne jegliche Hektik das Glas auf dem Tisch ah, erhob sich und streckte ihm die Hand entgegen. “Mein Name spielt eigentlich keine Rolle Aber wenn es für Sie wirklich von Interesse ist: Ich heiße Hrog . Aber wichtig ist nur, dass ich nun hier bin.“
Er packte Bens Hand und schüttelte sie.

“Vielleicht sollten wir uns beide setzen, schließlich haben wir einiges zu bereden.“

Ben kam der Aufforderung fast hypnotisch nach. Allerdings wirkte der Fremde auch keineswegs gefährlich. Hrog setzte sich mit der Selbstverständlichkeit eines alten Freundes neben ihm auf die Couch.

“Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen einzuwenden, dass ich Ihre Gastfreundschaft ohne Ihre ausdrückliche Einwilligung in Anspruch genommen habe.“

Er deutete auf das Glas, in dem der letzte Rest Whisky noch golden schimmerte.

„Nein, durchaus nicht.“

Ben war ob seiner eigenen Lockerheit überrascht. ‘Aber würden Sie mir nun erklären, weshalb … Nun, weshalb Sie mich mit ihrem Besuch beehren? Hatten Sie einfach Durst und dachten sich: ‚Na, ein Gläschen Whiskey bei einem alten Freund würde mir jetzt bestimmt gut tun’?“

Hrog lachte hell auf. “Und was, wenn dem so ist? Aber mal in allem gebotenem Ernst. Wie heißen Sie jetzt?“

„Jetzt?“, dachte Ben.

„Bernard Sullivan.“

„Ah“, bemerkte Hrog und nickte. „Zuerst möchte ich betonen, dass ich tatsächlich nicht ohne Hintergedanken in Ihre Wohnung eindrang.“

“Wie sind Sie überhaupt reingekommen? Die Tür ist nicht aufgebrochen und die Fassade hochgeklettert werden Sie ja wohl kaum sein.“

“Ihr Hausmeister war so freundlich, mir die Tür zu öffnen.“

“Freiwillig?“

Hrog zuckte mit den Achseln. “Mehr oder weniger. Ich vermute, Sie wollen andeuten, ich hätte Gewalt anwenden müssen. Dem war nicht so, wie ich Ihnen versichern darf. Ich habe ihn lediglich dazu überredet.“

Bens skeptischer Blick veranlasste Hrog noch hinzuzufügen: “Ich habe jenes Instrument angewandt, welches Ihre Wissenschaft mit dem Wort ‚Fremd-Suggestion‘ umschreibt.“

„Also Hypnose.“

“Nein. Ich musste ihn nicht erst in Trance versetzen, wie man es bei Ihnen zu machen pflegt. Ausführliche Erklärungen würden zu weit führen, deshalb sollten wir es dabei bleiben lassen. Keine physische Gewaltanwendung, keine Hypnose. Einverstanden?“

Ben konnte nur noch nicken, angesichts der abenteuerlichen Ausführungen des Fremden.

“Ich will nun zum Kernpunkt kommen. Man hat mich damit beauftragt, ein, ich sage mal ‚verschwundenes Versuchsobjekt’ wieder in seine Heimat zu überführen.“

Ben runzelte die Stirn. “Und was hat das mit mir zu tun?“

„Oh, dieses Versuchsobjekt sind Sie!“

***

Während er nach Worten rang verstärkte sich in ihm der Gedanke, dass es sich bei dem Mann um einen Psychopathen handelte. Vielleicht war er aus einer Nervenheilanstalt ausgebrochen und suchte einen Ort, wo er sich verstecken konnte. Seine Wohnung schien ihm der geeignete Platz zu sein. Die Wohnungsschlüssel hatte er vom Hausmeister gestohlen.
Sein Verstand schlug ihm folgendes Szenario vor: Hrog klingelt an der Wohnungstür von Mahoney, dem Hausmeister. Dieser öffnet die Tür arglos einen Spalt, nur die Sicherheitskette zwischen Tür und Wand trennt die beiden.

“Tag. Was kann ich für Sie tun?“

“Guten Tag, Sir. Ich komme im Auftrag der Postverwaltung und soll dieses Paket hier abgeben.“

In seiner ordentlichen Kleidung, die er trägt, wirkt Hrog vertrauenswürdig. Arglos löst Mahoney die Kette und öffnet seine Tür. Schutzlos steht er vor dem seriös wirkenden, vermeintlich netten jungen Mann.
Hrog stellt den leeren Karton auf den Boden und greift in die Tasche, die er bei sich trägt.

“Ich brauche noch Ihre Unterschrift für die Empfangsbestätigung. Es muss alles seine Ordnung haben, nicht wahr?“

Während Mahoney das Paket betrachtet und angestrengt nachdenkt, wer ihm denn ein solch riesiges Paket schickt, zieht Hrog lächelnd einen schweren Hammer aus der Tasche. Noch ehe Mahoney reagieren kann, lässt der nette junge Mann den Hammer auf den Kopf seines Opfers niedersausen. Der Hausmeister fällt wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. Niemand hört das krachende Splittern von Knochen. als der Hammer ein zweites Mal unbarmherzig auf den Kopf schwingt, als wollte Hrog einen Nagel in eine widerspenstige Wand einschlagen.
Hrog schließt die Tür und beginnt mit seiner Suche nach den Ersatzschlüsseln. Er findet sie in einem Holzschrank im Wohnzimmer. Gezielt sucht er den Schlüssel für die Wohnungstür eines gewissen ‚Sullivan’
Da im Postfach, welches mit ‚Sullivan’ beschildert ist, noch Reklamezettel stecken, folgert er daraus, dass niemand in der Wohnung sei. Pfeifend steigt er den dritten Stock hoch…

„Ist alles in Ordnung?“, riss ihn die sonore Stimme seines Gegenübers aus den düsteren Gedanken.

“Was? Was haben Sie gesagt?“

“Ich habe Sie gefragt, ob Sie bereit seien, wieder in Ihre Heimat zurückzukehren.“

“Welche Heimat?“, fragte Ben erstaunt.

“Wollen Sie behaupten, Sie wüssten nicht mehr, was damals geschehen ist?“, entgegnete Hrog der erstmals überrascht wirkte.

“Geschehen? Was soll wann geschehen sein?“

Ein leiser Seufzer entrang sich dem Fremden. “Nun, wenn Sie durchaus wollen, werde ich kurz zusammenfassen, was vor dreißig Jahren geschah. Sie waren ein vierjähriger, aufgeweckter Junge. Ihr Vater war Spezialist auf dem Gebiet der angewandten Quantenphysik. Gemeinsam mit einigen Kollegen entwickelte er jenes Gerät, das wir heute ‘Dimensionskontrollierende Neutronenschleuder‘ nennen und mit dessen Hilfe wir erstmals befähigt wurden, die Paralleldimension zu erforschen. Jene Dimension, in welcher wir uns derzeit befinden.“

Ben lächelte und schüttelte den Kopf. Eine Geste, die Ungläubigkeit zum Ausdruck bringen sollte. Und in 1er Tat war es einfach verrückt, Hrogs Worten Gehör zu schenken, geschweige denn, sie zu überdenken.

“Wollen Sie damit andeuten, Sie kämen aus einer anderen Dimension?“, fragte Ben in einer Tonlage, die man Kindern gegenüber anschlägt, wenn sie ihren Phantasien zu freizügig Lauf ließen.

“Wir kommen aus einer anderen Dimension, Mr. Sullivan, wir.“

Erneut brach er in schallendes Gelächter aus. Es dauerte einige Sekunden, bis er sich wieder voll unter Kontrolle hatte.

“Hören Sie, ich habe keine Lust mehr, Ihre hirnverbrannten Phantastereien noch länger anzuhören. Ich bin ein wirklich äußerst geduldiger Mensch. Aber ich fürchte ich muss Sie bitten, zu gehen und sich hier nie wieder blicken zu lassen, okay? Andernfalls sehe ich mich gezwungen, die Polizei zu verständigen. Und ich glaube nicht, dass Sie Ärger wollen, oder?“

Die Angst, die er noch vor wenigen Minuten empfunden hatte, war verschwunden.

“Bitte, Mr. Sullivan! Sind Sie denn nicht an der Wahrheit interessiert? Ist Ihnen diese Dimension inzwischen so vertraut geworden, dass Sie Ihre Herkunft verleugnen?“

„Ich werde Sie kein zweites Mal bitten, zu gehen. Raus jetzt, oder ich rufe die Polizei!“

Hrog stand auf und ging zur Wohnungstür, begleitet von Ben, der die Tür weit öffnete und ihm einen drohenden Blick zuwarf. Hrog verließ die Wohnung, drehte sich aber ein letztes Mal um und sagte: “Das war ein ganz schwerer Fehler. Sie können nicht ewig vor der Realität weglaufen. Irgendwann müssen Sie sich ihr stellen, und dann wird es umso schmerzhafter für Sie werden, glauben Sie mir!“

Endlich ging er. Seine Schritte waren leicht und elegant. Ben blickte ihm nach, bis seine Gestalt hinter dem Treppenabsatz verschwunden war. Er schloss die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen, seine Augen zur Decke gerichtet. Er atmete mehrmals tief ein und aus. Nun war sein Verstand wieder bereit klar zu denken. Dann ging er in die Küche und setzte sich.

„Zuletzt hatte er mir gedroht. Ich darf ihn auf keinen Fall unterschätzen, Verrückte sind unberechenbar“, murmelte er. „Ein wirklich seltsamer Bursche. Wirkte so unnatürlich. Sein Gesicht war makellos rein, kein Fältchen, keine Pickel, keine schiefer Mund, die Zähne blendend weiß, wie einem Werbespot für Zahncreme entsprungen.“

Weiters erinnerte er sich an die kalte Hand des Eindringlings, als ihm dieser die Hand geschüttelt hatte. Es fühlte sich an, als hätte er nicht einem lebenden Wesen, sondern vielmehr einer Tonfigur die Hand geschüttelt. Keine Körperwärme war zu spüren.
Da war doch noch etwas gewesen, was ihm aufgefallen war… Das Glas, aus dem er den Whiskey getrunken hatte. Es war makellos sauber gewesen, als hätte der Fremde es mit Handschuhen angefasst.
Ben ging ins Wohnzimmer, um das Glas auf Fingerabdrücke zu prüfen. Um nicht seine eigenen aufs Glas zu pressen, benutzte er ein ein Papiertaschentuch und hob damit das Glas. Er konnte keine Abdrücke feststellen. Belinda nahm Gläser meist mit einem Geschirrtuch aus dem Geschirrspülautomaten, um keine Fettränder zu verursachen. Makellos sauber.
Um ganz sicher sein zu können, suchte Ben im Spielzimmer seiner Tochter nach dem Detektivkasten, den er ihr vor zwei Jahren gekauft hatte.
Unter einem großen Karton mit Spielzeugsteinen entdeckte er ihn. Er zog ihn hervor und öffnete ihn. Dutzende Ausrüstungsgegenstände für einen Detektiv lagen ordentlich sortiert in einer weißen Lade. Die Plastik-Handschellen wirkten täuschend echt, ebenso wie der Revolver, eine perfekte Miniaturausgabe einer 38er Magnum.
Aus einer schwarzen Schachtel entnahm er ein weißes Säckchen und eine Feder. Sorgfältig stülpte er den Deckel über den ganzen Karton und stellte ihn in den Kasten zurück.
In der Küche las er die Gebrauchsanweisung. Es handelte sich beim Inhalt um Pulver, welches man zur Spurensuche verwendet. Laut Herstellerhinweis würde das Pulver auch von der Polizei benutzt, was Ben aber doch stark anzweifelte. Er riss das Säckchen auf und ließ etwas Pulver auf das Whiskyglas rieseln. Danach nahm er die Feder, offenbar ein kleines Geschenk einer glücklich gerupften Gans, und wischte vorsichtig das Pulver vom Glas ab. Mehrere Minuten verbrachte er mit der völligen Obduktion des Glases. Keine Anzeichen eines Fingerabdruckes waren zu erkennen.
Ben wusch das Glas heiß ab, um das Pulver vollständig abzulösen und kam zu drei möglichen Erklärungen: Hrog trug eine Art Handschuh, der sich der Haut perfekt anpasst und auch den kalten Händedruck erklären würde.
Hrog hinterließ keine Fingerabdrücke, weil er gar keine Linien an den Fingerspitzen hatte. Tatsächlich gab es Menschen, die keine Linien an ihren Fingern haben; ein äußerst seltenes, wenn auch reales Phänomen.
Die dritte Möglichkeit gefiel Ben am Allerwenigsten. Vielleicht existierte dieser Hrog nur in seiner Phantasie? So wie auch der Spinnenmann, der im Schrank auf seine kindlichen Opfer lauerte, nur Produkt seines Geistes war?
Grübelnd saß er auf dem Sessel und dachte darüber nach, ob er den Vorfall der Polizei melden sollte, als die Türglocke schrill läutet. Einen Moment lang fürchtete er, Hrog sei zurückgekehrt, um mit einem Hammer in der Hand einen weiteren Nagel einzuschlagen.
Als das zweite Mal der Ton der Klingel erklang, verwarf er diesen Gedanken sofort wieder. Schließlich würde dieser verrückte Bursche doch nicht läuten. Wenn er es auf Ben abgesehen hatte, so würde er den Ersatzschlüssel benutzen.
Verdammt – er hatte vergessen, ihm den Schlüssel abzunehmen!
Missmutig ging Ben zur Tür und warf einen Blick durch den Türspion. Auf der anderen Seite standen zwei ihm unbekannte Männer. Ben leckte über die Lippen und öffnete die Tür einen Spalt breit.

„Ja, bitte?“

Der ältere der Beiden trug Satinhosen und eine scheußliche, gelb karierte Krawatte, wie Ben amüsiert feststellte. „Polizei. Dürfen wir reinkommen.“

“Polizei?“

Ben war überrascht und beunruhigt zugleich. “Ist etwas geschehen?“

“Könnte man sagen, ja. Dürfen wir das in Ihrer Wohnung besprechen?“

“Natürlich“, sagte Ben und entriegelte die Tür.“

Die beiden Polizisten traten ein. “Ich bin Inspektor Lambert und das ist Mister Foreman von der Spurensicherung.“

Ben beschlich eine Vorahnung. Hrog . oder wie auch immer er tatsächlich heißen mochte - musste die Ursache für den unerwarteten Polizeibesuch sein. Ben schätzte den Inspektor auf Anfang Fünfzig. Der andere Mann mochte höchstens Anfang Dreißig sein. Seltsamer Weise war er etwas enttäuscht über das Erscheinungsbild der beiden Beamten. Das Klischee vom Inspektor mit Hut, zerknittertem Mantel und Zigarre im Mundwinkel wurde bei weitem nicht erfüllt. Statt dessen sah er sich ordentlich gekleideten (die Krawatte ausgenommen), gepflegten Durchschnittsbürgern gegenüber.
Er führte sie in die Küche und bot ihnen etwas zu trinken an, was die Beiden jedoch ablehnten. Foreman kramte aus der Innentasche seines grauen Sakkos einen Notizblock und einen Kugelschreiber hervor. Er blätterte einige Seiten des Blocks um.

Lambert begann das Gespräch, “Ehe ich Ihnen einige Fragen betreffs dieser Sache stellen werde möchte ich Ihnen versichern, dass Sie keinerlei Grund zur Sorge haben müssen. Wir wollen lediglich einige Aussagen auf ihre Richtigkeit hin überprüfen und dazu brauchen wir Ihre Hilfe.“

Ben wechselte den Blick von einem Polizisten zum Nächsten. „Wären Sie so freundlich mir zu sagen, was überhaupt geschehen ist?“

“Das werden Sie nach einigen kurzen Fragen erfahren“, fuhr Lambert fort. „Wo waren Sie heute Nachmittag zwischen sechzehn Uhr und halb-fünf?“

“Brauche ich ein Alibi?“, antwortete Ben und zwang sich zu einem Lächeln.

„Nicht nötig. Sie haben bereits eines, ein ziemlich gutes sogar.“

“Dann verstehe ich nicht –

“Der Hausmeister, Mr. Mahoney, ist ermordet worden.“

Bens Puls raste höher, als bei der unerwarteten Begegnung mit Hrog. War es möglich, dass Hrog ein Mörder war?

„Mr. Sullivan? Sind Sie in Ordnung?“

Ben rang nach Worten. „Ich weiß nicht. Das ist ein ziemlicher Schock für mich.“

„Das verstehe ich“, sagte Lambert mit überraschend sanfter Stimme. Er konnte auch nicht ahnen, welche tieferen Gründe hinter Bens Reaktion steckten.
Ben blickte aus dem Fenster. Es sah nach Regen aus.

„Bitte beantworten Sie meine Frage. Reine Routine.“

„Meine Frau und meine Tochter sind heute zu einem Flug nach Philadelphia aufgebrochen. Ich habe Sie auf der Fahrt zum Flughafen begleitet. Wir nahmen ein Taxi. Fragen Sie in der Zentrale von „Blue Car“ nach. Man wird Ihnen dort sicher bestätigen können, dass-“

„Das haben wir bereits, Mr. Sullivan! Vielen Dank“, unterbrach ihn Lambert. „Um etwa siebzehn Uhr zehn hat Sie ein Taxifahrer vor der Tiefgarage abgesetzt. Von einem anderen Taxifahrer wissen wir, dass er Sie, Ihre Frau und Ihre Tochter zum Flughafen fuhr. Fleißig wie wir sind haben wir erfahren, dass der Flug Nummer 1307, den Ihre Frau gebucht hatte, um fünfzehn Uhr zwanzig ausgerufen wurde. Eine Autofahrt vom Flughafen zu Ihrer Wohnung dauert etwa vierzig bis fünfzig Minuten. Da der Taxifahrer Sie vom Flughafen abholte, müssen Sie logischerweise dort auf das Taxi gewartet haben. Daraus folgt, dass Sie unmöglich vom Flughafen hierher gefahren, den Hausmeister ermordet, wieder zurück zum Flughafen und dort das Taxi gerufen haben können, das Sie wieder nach Hause fuhr. Zeitlich völlig unmöglich. Und die Zeiten wissen wir ziemlich genau, weil jede Fahrt protokolliert wird.“

So erleichtert Ben auch war, dass er für den Mord nicht in Frage kam, so entsetzt war er über die Gewissheit, dass er den Mörder kannte. Dennoch hielt er es für besser, nichts von seiner seltsamen Begegnung mit dem Verrückten zu erwähnen, Beweise für dessen Existenz konnte er nicht erbringen. Und dann war da vor allem noch die Sache mit seiner Vorahnung. Der Inspektor würde unangenehme Fragen stellen und Ben vielleicht sogar in die Rolle eines Mittäters drängen wollen.

“Sie haben aber ziemlich rasch mit den Ermittlungen begonnen.“

“Ehrlich gesagt, Sie sind der einzige Anhaltspunkt den wir momentan haben. Aus dem Schlüsselschränkchen, in dem Mister Mahoney die Wohnungsschlüssel aufbewahrte, war nur jener zu Ihrer Wohnung entnommen worden. Wir haben also Grund zu der Annahme, dass der Täter den Schlüssel gestohlen hat.“

“Wieso ausgerechnet meine Schlüssel?“

Er bemühte sich, möglichst überrascht zu wirken. “Denken Sie, dass der Mörder es von Anfang an darauf abgesehen hatte sie zu entwenden, um Zugang zu meiner Wohnung zu haben?“

“Ehrlich gesagt, ja! Soweit wir feststellen konnten, wurden keine Wertgegenstände mitgenommen. Auf einem Regal lag Mahoneys Brieftasche in der fast 200 Dollar steckten. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Lassen Sie den Türschlosszylinder auswechseln.“

„Danke, das werde ich tun. Aber sagen Sie, woher kennen Sie die Tatzeit?“

“Eine gewisse Miss, wie hieß sie noch gleich?“

Lambert sah Foreman fragend an, worauf dieser in seinem Notizblock blätterte.

“Stone. Margarete Stone.“

„Danke. Diese Miss Stone erzählte uns, sie hätte zwischen sechzehn und sechzehn Uhr zwanzig seltsame Geräusche gehört. Erst eines, das wie das Klirren von Glas klangen, wenig später einen dumpfen Schlag und einen Aufprall.“

Seine Blicke wanderten zu einem Bild an der Wand. “Wie ich hörte sind Sie Schriftsteller?“

Er riss sich vom Bild los und sah ihn an. Lambert verheimlichte ihm irgend etwas. “Ja, so sagt man jedenfalls. Vermutlich haben Sie noch keinen meiner literarischen Ergüsse gelesen, oder?“

“Stimmt. Allerdings finde ich selten Zeit, mich bei einem guten Buch zu entspannen. Vielleicht hole ich das Versäumte nach.“

Lambert stand auf und deutete seinem wortkargen Assistenten ihm zu folgen. Foreman erhob sich ebenfalls und steckte Kugelschreiber und Notizblock wieder in die Tasche. Während der ganzen Unterredung hatte Foreman nur einige wenige Notizen gemacht.

“Danke für Ihre Kooperation.“

Ben geleitete sie zur Tür. “Wahrscheinlich dürfen Sie mir das gar nicht sagen. Aber ich frage trotzdem: Haben Sie Fingerabdrücke auf dem Hammer gefunden?“

Lambert und Foreman sahen einander an. “Nein, keine.“

„Dann besteht wohl nicht viel Hoffnung, dass Sie den Mistkerl fassen, oder?“

„Wir tun unser Bestes.“

Ben öffnete die Tür. “Wenn wir noch Fragen haben sollten, werden wir uns wieder bei Ihnen melden. Schönen Abend noch. Und vergessen Sie nicht, den Zylinder austauschen zu lassen, ja?“

“Bestimmt nicht. Danke.“

Er schloss die Tür mit zitternden Händen. Was hatte das alles nur zu bedeuten? Offensichtlich existierte dieser Hrog. Genau so unzweifelhaft hatte er einen Mord begangen. Und er war aus irgend einem obskuren Grund an Ben interessiert.
Ben ging ins Badezimmer und nahm zwei Aspirin aus dem Medizinschränkchen und beschloss, den Rat des Polizisten anzunehmen. Morgen.

***

Das Telefon läutete.
Schweißgebadet erwachte Ben, rieb sich die Augen und wusste einen Moment lang nicht, wo er sich befand. Das Telefon klingelte energisch.
Ben stand auf und nahm den Hörer ab.

“Sullivan?“

“Na so ein Zufall, hier ebenfalls Sullivan! Ben, ich wollte dir nur sage, dass wir bei Mum und Dad angekommen sind.“

Ben gähnte gemächlich. “Seid ihr noch am Flughafen?“

“Nein, wir sind bereits in der Wohnung. Ich glaube das ist das erste Mal, dass die Maschine pünktlich landete. Wir sollten uns bei der Flugleitung darüber beschweren. Bei dir alles klar?“

Er überlegte, ob er es ihr sagen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen. Sie würde es noch früh genug erfahren und sollte die Zeit bei ihren Eltern genießen.

“Nein, nichts.“

„Schön. Vergiss nicht, an deinem Buch weiter zu arbeiten. Sollte was geschehen, du weißt ja, wo du mich telefonisch erreichen kannst.“

„Kein Problem. Falls ich vergessen sollte wie man den Kühlschrank öffnet, werde ich die Bar, in der du strippst, schon ausfindig machen.“

Ihr kurzes, verschämtes Lachen ließ einige Zentner der Tonne, die auf ihm lastete, verschwinden.

“Bei einem Dummkopf wie dir bin ich wirklich erleichtert, dass du nicht ihr leiblicher Vater bist. Tut mir Leid, dir das auf diesem Weg sagen zu wissen. Ben, stell bloß nichts an, bis wir wieder zu Hause sind, ja?“

“Ich werde mich bemühen, Mami. Und denk an meine Worte: Finger weg vom Hackbraten deiner Mutter!“

Wieder lachte sie und ihm kam erneut zu Sinn, dass Liebe dann am Schönsten war, wenn man körperlich voneinander getrennt war. Vielleicht sollte er Liebesschnulzen schreiben.

„Du unverschämter Kerl! Ich liebe dich. Bis dann.“

Er legte den Hörer auf die Gabel und ging zu Bett. Er fühlte sich erschöpft, als wäre er rastlos umher geirrt. Und irgendwie stimmte das auch.

2

Während er an diesem Samstagmorgen sein Frühstück zubereitete, beschäftigten sich Lambert und Foreman im Polizeirevier. das nur wenige Häuserblocks entfernt lag, mit dem Mord an Mahoney. Foreman sah gerade einige ältere Akten durch.

“Wollen Sie was wirklich Seltsames hören, Inspektor?“

“Etwas das Seltsamer ist als die Tatsache, dass dieser Sullivan wusste, dass die Mordwaffe ein Hammer war?“

“Vielleicht hat er das einfach abgeleitet aus dem dumpfen Schlag, den Miss Stone gehört hatte?“

“Schon möglich“, pflichtete ihm der Inspektor bei. “Los, erzählen Sie schon. Was ist seltsam?“

“Nun, es hat zwar mit unseren Ermittlungen an sich nichts zu tun, ist aber merkwürdig. Seine Herkunft ist ungeklärt. Er wurde buchstäblich auf der Straße von einem Streifenpolizisten aufgelesen. Der Junge sprach kein Wort, jedenfalls kein Wort Englisch. Angeblich sprach er einige völlig unverständliche Wortfetzen, denen der Polizist keinen Sinn entnehmen konnte.
Keine Vermisstenanzeigen bezog sich auf den Jungen. Sein Foto wurde in mehreren Lokalzeitungen abgebildet - Nicht eine einzige Anfrage ging bei der Polizeistelle ein. Niemand schien ihn zu kennen.
Man brachte ihn schließlich in einem Kinderheim unter. Später wurde er in ein Waisenhaus überstellt. Seine Lebensgeschichte beginnt doch schon sehr interessant, finden Sie nicht?“

„Ich bin begeistert.“

Lambert trank einen Schluck Kaffee aus dem Plastikbecher. “Wie alt war er damals?“

“Man schätzte ihn auf vier oder fünf Jahre. Sein Geburtsdatum wurde auf den 23. Juli 1958 festgelegt, da man ihn an einem 23. Juli gefunden hatte.“

„Schön. Und wo bleibt der versprochene Knalleffekt?“, unkte Lambert.

„Kommt noch. Anfangs hielt man ihn für schwachsinnig, weil er nicht ein einziges Wort Englisch beherrschte. Man musste es ihm erst einmal beibringen. Schreiben und lesen bereiteten ihm ebenfalls große Schwierigkeiten. Im zweiten Schuljahr hängte er dann aber leistungsmäßig sämtliche Klassenkameraden ab!“

Als Ben genüsslich einen Cracker seinen Körpersäften zur Einäscherung übergab um die Überreste später in einem urnenförmigen Gefäß auszuscheiden, unterhielten sich Lambert und Foreman über seine Vergangenheit.

„Schön und gut, aber was hat das konkret mit unserem Mordfall zu schaffen?“

“Eigentlich nichts. Aber ich habe all das angeführt, um Ihnen einen kleinen Eindruck von Sullivans Vorgeschichte zu vermitteln. Was ich eingangs als seltsam bezeichnete, steht mit seiner Studentenzeit in Philadelphia in Verbindung, Da er als ‚beinahe genial’ galt, wurde ihm der Zugang zu einem ziemlich guten College ermöglicht. Sämtliche Kosten übernahm der Staat im Rahmen der Begabtenförderung. Und nun kommt‘s: Während seiner Studienzeit ereigneten sich zwei ungeklärte Morde; und beide Morde hatten einen gemeinsamen Nenner - Sullivan!“

“Im Ernst?“, sagte Foreman verblüfft und trank den Becher zur Neige.

“Ja. Ein Kollege aus Philadelphia, der mit einer meiner Cousinen verheiratet ist, hat mir Sullivans Akte kopiert und geschickt. Natürlich konnte man Sullivan nie auch nur die geringste Mitschuld an einem der Mordfälle nachweisen. Trotzdem hat Rutherford, der Name dieses Kollegen, Nachforschungen über Sullivan angestellt.“

“Wurde er denn nie verhört?“

“Doch. Aber er hatte immer entweder ein Alibi oder es lag kein einziger Anklagepunkt gegen ihn vor. Sein Hemd ist weißer als ein gebleichtes Eisbärenfell.“

Lamberts Neugierde war fast zu greifen.

“1974 trat Sullivan in das College ein. Am siebten Oktober gab es den ersten der bis heute ungeklärten Morde. Ein 18jähriger Student namens Mark Stankovic wurde ertränkt.“

***

Ben wollte den Vormittag nützen, um das siebte Kapitel seines Romans zu Ende zu bringen.. Er nannte es ‚Der schwarze See’. Behände schlugen seine Finger gegen die weißen Tasten des Keyboards.
„Als Ralph am Seeufer stand, auf Pat wartend, erblickte er die herbe Schönheit des Lake Parishstone, von den Einheimischen ‚Der Schwarze See‘ genannt. Durch das massive Voranschreiten der Umweltverschmutzung war dieses einst so klare Gewässer wenig mehr denn eine riesige Chemiekloake. Vor vielen Jahren, als Ralph noch einen kleinen Jungen, und nicht jenen Computervirtuosen seiner Zeit verkörperte, hatte er hier von seinem Vater Schwimmunterricht erteilt bekommen. Mittlerweile-“

Der See. Der herrlich klare See, der nur zwölf Meilen vom College entfernt lag. Montagabend gegen sechzehn Uhr fuhr Mark mit seinem rostigen Ford an den See. Wie so oft zuvor war er auch an diesem, dem letzten Tag seines Lebens, alleine unterwegs. Mark war ein Einzelgänger, hatte praktisch keine Freunde außer Ben. Oft fuhr er zum See um Gedichte zu verfassen.
An diesem Tag hätte er seine eigene Totenklage schreiben können.
Es war kühl und kein Mensch hielt sich in der Nähe auf, da die Badesaison längst beendet war. Er legte seine gesamte Kleidung ab und sprang ins kalte Wasser. Nach einigen Minuten schwamm er wieder zurück ans Ufer. Plötzlich stand er vor ihm. Entsetzen packte Mark, er wollte ihm entkommen, doch er, dessen Gesicht unkenntlich war, riss ihn nieder.
Mark stürzte und schlug mit dem Kopf gegen einen Stein. Blut ergoss sich aus einer tiefen Platzwunde und färbte das Gewässer allmählich rot.
Mark wehrte sich verzweifelt, doch der Griff war erbarmungslos. Er zog Mark ins Wasser. Wild schlug der l7jährige mit den Armen um sich, rettungslos in der Umklammerung des Peinigers gefangen. Immer und immer wieder wurde Marks Kopf unter Wasser gedrückt. Vergeblich nach Luft schnappend quälte sich Mark durch die letzten Minuten seines kurzen Lebens.
Endlich war sein elender Todeskampf beendet. Seine Wangen verfärbten sich in ein leicht bläuliches Schimmern, sein Körper trieb regungslos und friedlich an der Wasseroberfläche. Marks Leiche war keine Ruhe beschieden. Sein Mörder zerrte den starren, toten Körper an das steinige Ufer und zückte ein großes Fleischmesser.
Geschickt trennte er den Kopf vom Hals seines Opfers. Behutsam schnitt er die Schädeldecke so weit auf, bis er sie wie ein Fell abziehen konnte. Vorsichtig befreite er Marks Gehirn aus dem dunklen Gefängnis und steckte es in ein mit Formaldehyd gefülltes Einmachglas. Als die graue Masse wie ein Papierschiffchen in der Flüssigkeit schwamm, schloss er den dicken Glasdeckel und versiegelte den Behälter mit einem starken Gummi. Fröhlich pfeifend, seine Beute in der rechten Hand haltend, verschwand er wieder in jene Richtung, aus der er gekommen war. Er ging, ohne sich noch einmal umzudrehen.

„- existierten in der zähen, schwarzen Masse nur noch Bakterien. Jegliches andere organische Leben war erstickt und-„

***

“Wo?“

“In einem kleinen See nahe dem College. Früher vergnügten sich noch viele Studenten und Einheimisch in diesem Gewässer. Angeblich leitete eine Fabrik, die vor etwa zwanzig Jahren dort stand, ihre hochtoxischen Abwässer in den See, der daraufhin gekippt ist.“

“Hat man Spuren des Täters gefunden?“

Foreman schüttelte den Kopf. “Nein, nichts.“

“Nicht mal Haare oder einen Stofffetzen, den das Opfer während des Todeskampfes herausriss?“

“Fehlanzeige.“

“ In welchem Zustand war dieser Stankovic?“

“Er war tot.“

„Witzbold“, sagte Lambert und zupfte an seinem Oberlippenbart, “Trieb er auf der Wasseroberfläche?“

“Nein“, antwortete Foreman, ein Lächeln auf den Lippen. “Er wurde am Ufer aufgefunden. Hier, sehen Sie selbst.“

Er reichte Lambert einige Schwarz Weiß-Fotos. “Scheiße. Dieser Psychopath hat den Schädel geöffnet und das Hirn entnommen? Und welcher Zusammenhang besteht mit Sullivan?“

“Er war ein Freund von Mark, wahrscheinlich sogar sein Einziger.“

***

Bens Gedanken wanderten zu Mark, den er während einer kleinen Party kennen und schätzen gelernt hatte. Mark war sehr introvertiert und wirkte etwas unbeholfen. Bei der allgemeinen Grüppchenbildung, ein Phänomen das bei Partys üblich ist, bildete er für sich selbst ein Grüppchen.
Ben empfand Mitleid mit ihm. Niemand schien den ordentlich gekleideten Jungen zu bemerken. Von einer Ecke des Raumes in die andere blickend stand er als stiller Beobachter des Geschehens völlig abseits. Keiner fragte ihn, ob ihm die Party gefiele, niemand drückte ihm ein Glas in die Hand, niemand erzählte ihm einen anstößigen Witz.
Er stand einfach nur da.
Ben kannte ihn. Sie belegten zwei Kurse in der selben Gruppe.
Als Ben freundlich “Hallo Mark“ sagte, zuckte dieser erschrocken zusammen.

„Oh, hallo! Kennen wir uns nicht vom Zeichenkurs?“

“Na klar, ich bin Ben.“

Verlegenheit zauberte ein schiefes Lächeln auf Marks Gesicht. “Ben, natürlich! Entschuldige, dass ich dich nicht sofort erkannt habe.“

“Schon okay. Willst du nicht zu uns rüber komrnen? Wahrscheinlich wirst du keinen meiner Freunde persönlich kennen. Aber ich versichere dir, die sind in Ordnung.“

“Ich weiß nicht so Recht, ob ich –“, begann Mark und wurde von Ben bei der Hand gepackt und einige Meter weit zu der Gruppe mit Bens Freunden gezerrt
Tatsächlich wurde es noch ein lustiger Abend, auch für Mark. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich bei einer Veranstaltung nicht nur als Zaungast oder unerwünschte Person. Nein, er durfte selbst aktiv werden. Als er eine hervorragende Bogart-Parodie bot, hatte er für einige Minuten sogar die Lacher auf seiner Seite.
Und er war glücklich. Bislang war seine Person selbst der Anstoß für Witze und dumme Streiche gewesen. Doch Ben versuchte nie, ihn vor Freunden lächerlich zu machen, um als cool zu gelten. Ganz im Gegenteil: Stets hielt er seine schützende Hand über ihn.
Marks Integration in das soziale Umfeld des Colleges gelang zwar dank Bens Hilfe, doch als echten Freund sah er nur Ben an.
Nur ihm konnte er all das anvertrauen, was ihn belastete; nur ihm las er seine Gedichte vor; nur bei ihm fand er das, was ihm in seiner eigenen Familie versagt geblieben war: Freundschaftliche Geborgenheit, die Gewissheit, nicht verspottet, sondern unterstützt zu werden.
Seine Eltern waren zu beschäftigt gewesen, um ihm auch noch Zuneigung zu geben. Und dafür verachtete er sie. Ben wurde so rasch zum Elternersatz stilisiert, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Lächelnd erinnerte sich Ben daran, als er ihm ein Gedicht vorgelesen hatte.
“Es heißt ‚Totenfelder““, hatte Mark stolz verkündet.
„Gewalt´ger Donner
Die Erde erzittert ehrfürchtig!
Unverhallte Schmerzensschreie!
Der Tod erntet reich
Seine Saat wird erblühen
Rauch bedeckt den grauen Himmel!
Die Horizonte, sie verblassen
Die Zeit! Sie bedeckt die Felder der Namenlosen, deren Schreie niemals enden.“

Ben wischte sich eine unsichtbare Träne aus dem Auge. “Gott, wie schön! Ich kann nicht anders, ich muss einfach weinen.“

“Ach, hör schon auf, verarschen kann ich mich selber.“

Listig zwinkerte Ben ihm zu. “Ja. aber nicht so gut.“

Mark war tot, seit vielen Jahren tot. Würden sie auch heute noch Freunde sein? Die gleiche Musik hören? Die gleichen Filmstars verehren? Niemals würde er es erfahren.
Die unerbittliche Endgültigkeit trieb ihm Tränen in die Augen.
Blau. Marks Lieblingsfarbe. Blau, das Symbol innerer Ruhe und geistiger Konzentration.
Eigenschaften, die Mark benötigt hatte, um nicht verrückt zu werden, um nicht am Spott, der ihm lange Zeit entgegen geschlagen war, zu verzweifeln. War es nicht letztlich Mark, der Bens schriftstellerische Betätigung erwirkt hatte?

Nach Marks Tod hatte er damit begonnen, Briefe, die an seinen Freund gerichtet waren, zu verfassen. Niemals zuvor hatte er jene große Leere verspürt, die ihn in diesen schweren Stunden seines Lebens bedrängte. Einige Wochen lang verfiel er in völlige Apathie. Er nahm kaum noch Nahrung zu sich, sprach kaum noch. Es dauerte fast zwei Monate, bis er sein inneres Gleichgewicht wieder ins Lot bringen konnte. Und nun, da er seines Freundes gedachte, lief er erneut Gefahr, sich im Labyrinth der Depressionen zu verirren. Seltsam, dass ihm ausgerechnet zu dieser Stunde die Erinnerung an Mark übermannte.

***

“Wurde Sullivan verhört?“

“Ja, natürlich. Aber nach Ansicht der zuständigen Polizisten kam er für den Mord auf keinen Fall in Frage. Laut Zeugenaussagen verbrachte er fast den ganzen Nachmittag in der Studienbibliothek.“

Lambert ging zur Kaffeemaschine, die einem Stapel unbearbeiteter Fälle stand. “Schon im Februar mussten sich die Jungs in Philadelphia mit dem nächsten, nennen wir es ‚Unglück’ beschäftigen.“

Lambert goss Kaffee in zwei Tassen. „Sullivan war anwesend, als Brian Sheever von einem Auto erfasst und getötet wurde.“

***

Es war kurz vor 19 Uhr. Ben stand an der Haltestelle der Hillbury Street und wartete ungeduldig auf den Linienbus, der gemäß Fahrplan Punkt 19 Uhr Richtung Innenstadt fahren sollte.
Es war ein kalter, ungemütlicher Abend. Schnee bedeckte die gesamte Landschaft, als hätte ein neckischer Riese dutzende Fässer mit Zuckermasse verschüttet. Obwohl er einen dicken Pullover und einen Anorak trug, fror er ganz erbärmlich. Zitternd saß er auf einer Bank und rieb sich mit den Händen das kalte Gesicht. Vereinzelt stapften vermummte Menschen durch den Schnee. Einsam beobachte sie Ben. Sie wirkten für ihn wie jahrtausende alte Pharaonen, die aus ihren Gräbern entstiegen waren und sich zufällig in diese Winterlandschaft verirrt hatten. Gespenster aus einer längst vergessenen Vergangenheit.
Ben sah auf die Uhr. Es war kurz vor sieben. Als er seinen Blick von der Uhr abwandte, stand Brian Sheever vor ihm, aufgerichtet wie ein Bär, die Hände in die Hüften gestemmt. Wegen der Kälte hauchte er Wölkchen in die Luft.

“Na, wartest du auch auf den Bus?“

“Nein, ich bleibe hier so lange sitzen, bis es Frühling wird.“

Ben wusste, wie lahm das klang. Aber auf die schnelle war ihm keine schlagfertigere Antwort eingefallen.
Ein hämisches Grinsen nahm auf Brians Gesicht, das wie eine vertrocknete Pizza aussah, Platz. “Was mit deinem Freund passiert ist, das tut mir Leid. Aber keine Angst. Hier am College gibt es genug andere Wichser, die du anmachen kannst.“

Seine eigene, nicht sehr geistreiche Bemerkung, versetzte ihn in wieherndes Lachen. Es klang tatsächlich wie ein Pferd und Ben verstand jetzt, weshalb ihn viele Studenten ‚Gaul’ nannten. Es war nicht nur sein Lachen. Seine Zähne erschienen Ben fast so lang wie jene eines Pferdes. Der Bus war bereits zu hören.
Ben war wütend; nicht so sehr wegen Brians dämlicher Bemerkung. Es war vielmehr die Erinnerung an Mark. Brian, der keine zwei Meter von Ben entfernt stumpf in die Dämmerung starrte, hatte seine Wurstfinger auf einen wunden Punkt gelegt. Einen Moment lang dachte er daran, Brians Nase zu brechen, was seiner Visage kaum noch schaden hätte können, Doch was würde es ihm schon einbringen, außer einer Disziplinarstrafe?
Der Bus war noch höchstens vierzig Meter entfernt, als ein blauer Toyota gerade aus einer Nebenstraße einbiegen wollte. Der Lenker, ein 42jähriger Obsthändler, ahnte nicht, dass dieser Tag sein Leben in den Grundfesten erschüttern würde. Ausgerechnet sein Wagen sollte Brians Existenz ein abruptes Ende setzen.
Als das vermoderte Etwas, das keinen Kopf hatte und aus dessen aufgerissener Bauchdecke Myriaden Würmer sich auf den Sitz ergossen, das Lenkrad ergriff, schrie er auf. Dass sein Wagen einen auf dem Gehsteig wartenden jungen Mann erfasst und zermalmt hatte, war ihm erst viel später bewusst geworden.
Der Busfahrer trat die Bremse voll durch und die wenigen im Bus befindlichen Personen beobachteten den Tod des Jungen mit einer Mischung aus Entsetzen und Faszination. Wie eine Flickenpuppe wurde Brian vom Wagen erfasst und durch die Luft geschleudert, ehe er die Windschutzscheibe des Greyhound wie einen Kanonenkugel durchstieß. Reflexartig hob der Busfahrer seine Hände, um von den Glasscherben nicht getroffen zu werden. Die Scheibe zerbarst mit einem lauten Knall. Als der Busfahrer zögernd seine Augen wieder öffnete, lag das Haupt des Jungen auf seinem Schoß, als suchte er Trost.
Während all dem saß Ben auf der kleinen, schmutzigen Bank im Wartehäuschen und wurde von einer wohligen Wärme erfüllt. Gäule starben nicht, sie werden geschlachtet.

***

Ungläubig schüttelte Lambert den Kopf. “Der Wagen geriet also nicht ins Schleudern, sondern hat den Jungen bewusst umgemäht?“

“Ja“, bestätigte Foreman und nahm einen Schluck aus der Kaffeetasse. “Die Story mit dem unheimlichen Etwas hat dem Autolenker natürlich niemand abgenommen. Dass er nicht mehr ganz nüchtern war, hat auch nicht gerade zu seiner Glaubwürdigkeit beigetragen.“

***

Dieser Mistkerl hatte es nicht anders verdient. Mehr als einmal hatte er Mark gedemütigt. Ben sah in seinem Tod eine Form überirdischer Gerechtigkeit. Vielleicht war es Marks Geist gewesen, der den Wagenlenker beeinflusst hatte.
Brians Tod erweckte Ben zu neuem Leben, tröstete ihn über Marks Ableben hinweg. Moralisch gesehen waren diese Gedanken verwerflich, das wusste Ben, doch als er sich in Jener verzweifelten Situation, dem Tod eines Freundes, befand, war Mitgefühl lediglich ein abstraktes Wortgebilde.

***

“Nun gut, Sullivan scheint seinen Mitmenschen nicht gerade Glück zu bringen: Aber deshalb können wir ihn doch nicht in einen Zusammenhang mit zwei Morden bringen.“

“Nein, das nicht“, gab Foreman zu. “Jedenfalls nicht direkt.“

Nervös strich er sich durch die Haare. Zwischen den beiden Polizisten herrschte einige Sekunden lang gespannte Ruhe. “Ich hege da so einen Verdacht, der sich aber als falsch herausstellen könnte.“

“Welcher da wäre?“

“Im Moment möchte ich lieber nichts Konkretes sagen. Dazu fehlen mir noch einige Teile des Puzzles. Es würde außerdem völlig verrückt klingen, wenn ich es Ihnen sagen würde. Sicherheitshalber werde ich noch einige Nachforschungen anstellen. Sobald ich eine echte Spur habe, lasse ich es Sie sofort wissen.“

“Bei aller Freundschaft, Foreman. Aber glauben Sie nicht, dass ich als Ihr unmittelbarer Vorgesetzter ein Anrecht auf Ihre Vermutungen hätte?“

“Wenn das ein gewöhnlicher Fall wäre, gewiss. Aber meine Vermutung zielt in eine andere Richtung ab.“

“Inwiefern anders?“

„Exotisch“, antwortete Foreman, trank die Tasse leer und verließ das Büro.

3

Bens Stimmung war mittlerweile auf den absoluten Nullpunkt gefallen. Die Arbeit an seinem Roman ging schleppend voran und niemand war hier, um ihm ein tröstendes Gefühl der Anerkennung zu vermitteln.
„Verdammt, was ist nur los mit dir? Ich dachte, du wärst über die Vorfälle damals hinweg gekommen. Nun reiß dich endlich mal zusammen! Konzentriere dich und schreib weiter!“
Ben kam sich töricht vor, Selbstgespräche zu führen. Doch die kalte Stille einer leeren Wohnung verleitete ihn stets dazu, Trost in seinen eigenen Gedanken zu finden.
Seine Hand hatte große Schwierigkeiten, den Kippschalter seitlich des Computers zu ertasten. Als es ihm gelang, zogen seine zitternden Finger den roten Hebel nach unten. In diesem Augenblick war es Ben egal, dass er die Arbeit eines ganzen Tages unwiderruflich gelöscht hatte. Schwankend, als wäre er betrunken, stolperte er aus dem Arbeitszimmer und bahnte sich seinen Weg ins Bad. Vorbei an schwebenden Schuhkästchen und drohend baumelnden Hängelampen.
Im Bad suchte er nach dem kleinen Valiumfläschchen. Seiner Orientierung beraubt war es ein schwieriges Unterfangen, zielstrebig einen Gegenstand zu finden, der kleiner als etwa ein Wäschetrockner war. Schwarze Flecken zuckten wie Stroboskop-Blitze vor seinem Auge hin und her.
Irgendwie fand er das Fläschchen..Zwei Tabletten rollten in seine zitternde Hand. Ohne zu zögern schluckte er sie augenblicklich. Unsicher torkelte er aus dem Badezimmer ins Schlafzimmer und fiel ins Bett, wo unerqickliche Alpträume auf ihn warteten.

***

An diesem ganz gewöhnlichen Samstagnachmittag wollte Foreman Nachforschungen anstellen, die seine, wie er sich freimütig eingestand, obskuren Spekulationen ausräumen und Platz für herkömmliche Ermittlungsmethoden schaffen sollten.
Die Hände in den Taschen der legeren Sportjacke verstaut, stand er vor dem Haus. Die Fassade glänzte fast wie neu. Seine Hand begann in der Tasche der Jeans zu wühlen und zog kurze Zeit später den Zettel heraus. Foreman verglich die darauf enthaltene Hausnummer mit der Tafel über dem Hausbogen.
Nachdenklich starrte er die Klingel an. Sollte er es wirklich tun?
Seine Gedanken glitten zurück an den vergangenen Abend, wo er die Adresse erhalten hatte.
Er hatte in der Lesehalle der Bibliothek in Büchern geschmökert, die er an gewöhnlichen Tagen geflissentlich ‚übersehen“ hätte. Die angeblich ‚wahren Geschehnisse’ nagten an seinem Verstand wie ausgehungerte Ratten.
Menschen, die von einem nie entfachten Feuer verzehrt wurden.
Menschen, die mit Tieren sprachen.
Menschen, deren Leichname auch nach dem Tode nicht verwesten.
Vieles war einfach zu lächerlich als dass es Foreman akzeptieren konnte. Dennoch fesselte ihn das Buch so stark, dass er die neben ihm stehende Frau anfangs gar nicht bemerkt hatte. Erst als sie ihn angesprochen hatte, war er auf sie aufmerksam geworden.
Ihr Blick schien wie Röntgenstrahlen durch ihn zu gehen, und tatsächlich hatte er das seltsame Gefühl, als könnte sie seine Gedanken erahnen. Foreman hatte sich einen Dummkopf gescholten, der besser die Finger von dieser Art Literatur lassen sollte.
„Kann ich Ihnen helfen?“
Die Frau hatte nur gelächelt und in ihm Erinnerungen an Geschichten über Hexen wach gerufen, die ihm seine Großmutter nur zu gerne erzählt hatte. Aber Himmel: Damals war er ein kleiner Junge gewesen der davon überzeugt war, dass im Keller ein Spinnenmonster auf ihn lauerte.
Endlich begann die Frau zu reden. „Ich glaube eher, dass Sie es sind, der Hilfe benötigt. Nur sollten Sie sich an einen Fachmann wenden und diese von Laien und Wahnsinnigen geschriebenen Schundbücher vergessen.“

Foreman hatte die Stirn gerunzelt. „Pardon?“

„Vielleicht sind Sie auf der richtigen Spur. Aber Sie vertrauen den falschen Fährtenlesern.“

Ihre stechend grünen Augen hatten etwas Unerbittliches an sich, etwas, das von einem bitteren Leben zu erzählen wusste. „Kennen wir uns?“

„Möglicherweise. Und deshalb mein guter Rat: Wenden Sie sich an jemanden, der etwas von diesen Dingen versteht. Der Mann heißt dePalma. Ich gebe Ihnen die Adresse.“

Daraufhin hatte sie ihm einen Zettel in die Hand gedrückt. „Ich weiß nicht, ob-“

„Manchmal ist es besser, nicht dem Wissen, sondern der Intuition zu vertrauen“, hatte sie ihn unterbrochen und ihr unheimliches Lächeln erneut aufgesetzt.

Foreman hatte entschieden, dass diese Begegnung seine durchwegs guten Zensuren im Abschlussexamen des Colleges als erstaunlichstes Erlebnis seines Lebens ablösen würde.

Zögernd drückte er die Klingel und fragte sich, was er zu diesem Mann sagen sollte. „Guten Tag. Eine Frau, die ich noch nie zuvor gesehen habe, hat mir Ihre Adresse gegeben“?
Foreman wartete eine halbe Minute ab. Niemand öffnete. Seltsamerweise empfand Foreman eine gewisse Erleichterung darüber.
Er machte kehrt und wollte zu seinem Auto gehen, als die Tür doch noch geöffnet wurde.
„Ja bitte?“, sprach eine kräftige Männerstimme.
Der Polizist drehte sich um und sah sich einem gut gekleideten Mann gegenüber, der so gar nicht die Erwartungen, die er gehegt hatte, erfüllte. Er sah nicht im Geringsten verrückt aus.

“Mister DePalma?“

„Der bin ich“, bestätigte er. Foreman schätzte ihn auf Anfang sechzig. Ein bisschen erinnerte er ihn an seinen Vater, der ein gutmütiger Mann gewesen war.

„Mein Name ist Foreman. Ich hörte, Sie sind auf, nun ja, übersinnlichen Gebieten ziemlich bewandert. Und ich hätte diesbezüglich ein paar Fragen.“

„Sagt man das?“, antwortete dePalma und kratzte sich die Bartstoppeln. „Vom wem haben Sie meine Adresse?“

Foreman leckte sich über die Lippen. „Von einer Frau, die ich in der Bibliothek kennen lernte. Wobei kennen lernen wohl der falsche Ausdruck ist.“

„Ah“, seufzte dePalma und sein Blick schweifte kurz ab. „Aber kommen Sie doch rein.“

„Ich hoffe, ich störe nicht.“

DePalma lachte glucksend auf. „Keineswegs. Ehrlich gesagt bin ich froh, endlich mal wieder Besuch zu erhalten. Sehen Sie, die meisten Menschen halten mich für einen alten Spinner.“

Er führte ihn das Vorzimmer entlang. „Sogar meine eigene Verwandtschaft hat jeglichen Kontakt zu mir abgebrochen. Sie schämen sich meiner.“

Als sie in das Wohnzimmer eintraten, war Foreman angenehm überrascht von der Schlichtheit des Raumes. Anstatt zahlloser Bilder mit schwebenden Menschen, Ufos oder dergleichen verschönerten kopierte Stiche bekannter Meister die Wand. Das Mobiliar war weder zu pompös, noch zu spartanisch. DePalma bedeutete ihm sich zu setzen.

„Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?“

„Nein danke. Ich habe Bereitschaftsdienst“, sagte Foreman.

DePalma zuckte leicht zusammen. „Sind Sie Arzt oder Polizist?“, fragte er, sichtlich bemüht, nicht allzu nervös zu wirken.

“Zweiteres. Ich bin gekommen, um mit Ihnen über ein außergewöhnliches Phänomen zu sprechen.“

Die Gesichtsmiene seines Gastgebers hellte sich schlagartig auf. „Ach so. Ich habe schon befürchtet Sie wären gekommen, um mir den Aufenthalt in einer dieser Kliniken schmackhaft zu machen.“

Mit kreisenden Bewegungen seines Zeigefingers in Schläfenhöhe machte er Foreman verständlich, an weiche Art von Klinik er dachte.
Nun nahm auch DePalma in einem der Sessel Platz. “Also, Mister Foreman, worüber möchten Sie mit mir sprechen?“

Foreman zog für kurze Zeit in Erwägung die ganze, verrückte Sache auf sich beruhen zu lassen und abzuhauen, was aber gar nicht sein Stil wäre. “Folgendes: Kann ein Mensch an zwei Orten gleichzeitig sein?“

DePalmas Antwort kam rasch und ohne Zögern. “Natürlich. Es gibt genügend dokumentierte Fälle welche zeigen, dass es Menschen gibt, die sich gewissermaßen ‘teilen‘ können. Während die Aura dieser Menschen an Ort und Stelle verweilt, kann sich der sozusagen ‚echte’ Mensch frei bewegen und den Ort verlassen.“

“Kann diese Aura selbständig handeln? Ich meine, kann sie beispielsweise ein Buch zur Hand nehmen oder ein Auto lenken?“

DePalma schüttelte den Kopf. “Mir ist kein diesbezüglicher Fall bekannt. Fragen Sie aus reinem Eigeninteresse oder steckt da mehr dahinter?“

“Beides. Aber Sie werden verstehen, dass ich darüber nicht reden möchte. Noch nicht.“

Sein Gegenüber nickte. “Verstehe. Warten Sie mal, ich glaube mir ist da soeben ein Gedanke gekommen. Wo habe ich das nur gelesen … Einen Augenblick, bitte. Ich hin gleich wieder zurück.“

DePalma stand auf und hastete in eines der Nebenzimmer. Foremans Blick wurde von einem großen Bücherbord angezogen und er stand gleichfalls auf, um sich die Bücher eingehender anzuschauen. Seltsamerweise fiel die überwiegende Mehrheit der Bücher nicht in jene Kategorie, die er vermutet hätte. Lexika, Ratgeber, Wissenschaftliche Abhandlungen, klassische Werke des Barock und viele andere Bücher, die auch in den Wohnzimmern des Durchschnittsamerikaners hätten stehen können. Allerdings bezweifelte Foreman, dass der typische Amerikaner jemals eines solcher Bücher zur Hand nehmen, geschweige denn mehr als den Titel des Buches lesen würde.

“Nehmen Sie ein Buch heraus, wenn es Sie interessiert. Ich habe nichts dagegen. Schön zu sehen, dass es noch Menschen gibt, die an Büchern interessiert sind.“

„In meinen Anfangsjahren bei der Polizei untersuchte ich mal den Einbruch in einem Antiquariat“, erzählte Foreman. „Die Täter, zwei Jugendliche, wie sich später heraus stellte, hatten alles mitgenommen, das sie für wertvoll hielten. Alles, bis auf die Bücher, von denen einige beträchtlichen Wert hatten.“

„Wir leben in einer dunklen, kulturlosen Zeit. Wohin soll das alles noch führen?“, sagte dePalma und fügte lächelnd hinzu: „Hat schon mein Vater gesagt.“

Nachdem beide wieder Platz genommen hatten, schlug DePalma das Buch, das er gesucht hatte, auf. “Hier.
‚Das Phänomen der ‘tulpa‘ . Eine Sorbonne, welche als anerkannte Tibetkennerin galt, berichtete nach 14 Jahren Aufenthalt im Himalaja unter anderem über die Technik zur Hervorbringung eines Phantoms durch starke Gedankenkonzentration. Sie machte um die Jahrhundertwende sogar eigene Experimente, schloss sich zur Meditation monatelang ein, vollzog die vorgeschriebenen Riten und versuchte das Phantom eines Mönchs zu schaffen, was ihr auch gelang. Das Phantom, ein Mönch, klein und dick, von unschuldiger und heiterer Wesensart, nahm ein lebensnahes Aussehen an und entwickelte sich zu einer Art Gast, der mit in ihrer Unterkunft wohnte. Als die Tibetforscherin auf Reisen ging, folgte ihr der Mönch. Das Phantom erschien auch, wenn sie gar nicht an den Mönch dachte, Er bewegte sich wie ein Reisender und tat Dinge, die sie ihm gar nicht befohlen hatte. Allmählich entglitt die ‘tulpa‘ der Kontrolle ihrer Schöpferin. Der Mönch wurde schlanker, sein Gesicht nahm einen leicht spöttischen, gerissenen Ausdruck an. Er wurde lästig und dreist. Als auch andere Leute begannen, das Phantom zu sehen und die Forscherin nach ihrem Freund, den Mönch, fragten, beschloss sie, das Experiment abzubrechen. Aber es dauerte sechs Monate und kostete viel Mühe, das Phantom aufzulösen.’ Na, was sagen Sie dazu?“

“Könnte die Frau nicht Wahnvorstellungen auf Grund der Meditation manifestiert haben? Ich meine, viele Kinder haben einen eingebildeten Spielkameraden. Zuletzt könnte die Vision so stark gewesen sein, dass sie sich auf andere Menschen übertrug, ähnlich einer Massenhysterie.“

DePalma zuckte resignierend die Schultern. “Das ist durchaus möglich. Aber sehen Sie, manchmal ist die so genannten rationale Erklärung um vieles unlogischer als die auf den ersten Blick absurd anmutende “

„In meinem Geschäft erwiesen sich die rationalen Erklärungen jedoch stets als die Richtigen“, gab Foreman zu bedenken.

DePalma lächelte. „Dann wird es wohl so sein.“

Darauf wusste Foreman nichts zu erwidern.

***

Während er seine Katze fütterte, überdachte er seine weitere Vorgangsweise, Am vernünftigsten erschien ihm, einige von Sullivans ehemaligen Studienkollegen zu befragen, wobei das Problem darin bestand, deren Adressen herauszufinden. Montag wäre noch früh genug dafür.
Wenngleich kein gläubiger Mensch, war ihm die Sonntagsruhe sprichwörtlich heilig. Meistens suchte er sonntags das italienische Restaurant an der Pascow Avenue auf, spielte Schach im ‚Quadrilion’ und verbrachte den Rest des Tages zu Hause in seiner kleinen Mietwohnung.
Eine Wohngemeinschaft mit einer Katze hatte viele Vorteile. Kein Streit darüber, wer morgens um acht das Bad für sich in Anspruch nehmen darf, keine unangemeldeten Besuche einer vollkommen unbekannten Person und keine wilden Partys ohne allgemeine Zustimmung sämtlicher Wohnungsteilhaber. Jedenfalls nicht, wenn Foreman zu Hause war.

4

Verwirrt öffnete Ben seine schweren Augenlider. Er konnte. sich an nichts mehr erinnern. Wie spät war es? Zögernd richtete er sich auf, setzte den Fuß tappsend auf den Boden, zog seinen widerwilligen Körper nach.
Klingeln. Ein Telefon. Verwirrt blickte er sich um. Wo befand er sich eigentlich? Das Klingeln verstummte nicht und Ben ging dem Geräusch nach. Neben einer Couch fand er das Telefon. Mit der stockenden, lähmenden Bewegung eines Greises ergriff er den Telefonhörer.

“Hallo.“

Seine eigene Stimme war ihm fremd.

“Hallo Ben“, flötete eine Frauenstimme.

“Ja. Ben Sullivan. Mit wem habe ich das Vergnügen?“

“Ben, lass das. Du machst mir Angst. Deine Stimme klingt so anders. Du bist doch nicht etwa betrunken?“

Keine Antwort. “Ben? Was ist los? So antworte doch!“

Nun wusste er wieder, wem die besorgte Stimme am anderen Ende der Leitung gehörte. Herrgott, was war nur los mit ihm?

“Ich bin okay. Hatte wieder diese Alpträume, du weißt schon.

„Wo warst du gestern? Mindestens achtmal hatte ich angerufen. Warum bist du nie ans Telefon gegangen?“

Belinda misstraute ihm also. “Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht den ganzen Tag neben dem Telefon zubringe! Warum rufst du jeden Tag an?“, knurrte er verärgert in den Hörer. Gleich nachdem er es gesagt hatte, bereute er es zutiefst. Das hatte er wirklich nicht sagen wollen.

“Ben, was ist los?“

“Entschuldige, ich weiß auch nicht. Ich bin in letzter Zeit nervös und gereizt.“

“Bitte sag mir die Wahrheit. Was ist los mit dir?“

“Mahoney wurde ermordet. Und die Polizei war hier und hat mir Fragen gestellt. Das hat mich doch ein bisschen mitgenommen.“

“Das ist ja furchtbar! Aber dennoch kein Grund für dein Verhalten.“

“Ich weiß“, sagte Ben und ringelte die Telefonschnur um seine Finger. „Aber weswegen wolltest du mit mir sprechen?“

“Wir werden morgen um etwa 13 Uhr ankommen.“

“Soll ich euch vom Flughafen abholen?“

“Wenn es keine Umstände bereitet gerne.“

Der Vorwurf war nicht zu überhören. Wie viele Jahre hatte es gekostet, ihr Vertrauen wiederzuerlangen. War es nun im Begriff zu schwinden?

Bens noch immer müde Beine schleppten den schweren Körper in die Küche. Er öffnete die Kühlschranktür und fischte eine Cola-Dose heraus. Während er schluckweise trank fragte er sich, ob er im Begriff war verrückt zu werden. Zu viel war in den letzten Tagen geschehen, als dass er sein Leben so wie bisher weiterführen könnte. Erinnerungen, grausame Erinnerungen an seine Vergangenheit hatten sich in seinem Verstand verselbstständigt. Seine Phantasie gaukelte ihm bizarre Erscheinungen vor, denen er sich nicht zu erwehren wusste. Kein Psychiater würde ihm seine morbiden Gedanken und Erinnerungen einem Exorzisten gleich entreißen können. Ben zerknüllte die Dose, bis sie ein missratenes Abbild ihrer selbst war, und warf sie in den Plastikeimer. Er musste unbedingt mit irgend jemandem darüber reden. Aber mit wem?

5

Das raue, glitschige Schlecken seiner Katze riss Foreman aus einem tiefen Schlaf. Reflexartig zog er seine Hand weg, was seine Katze zu einer Flucht veranlasste. Als sie unter der Tür innehielt und ihn mit großen, runden Augen misstrauisch beäugte, wischte er den Speichel an seiner Hand in das frische Bettlaken.
Ein kleines Teufelchen hämmerte munter in seinem Gehirn wie an einem Amboss. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, nach dem Gespräch mit dePalma auf ein paar Bierchen ins Quadrilion zu gehen.

6

Die riesige Sonntagsausgabe der Daily News füllte beinahe die ganze Breitseite des Tisches aus. Eher zufällig fiel sein Blick auf die Rubrik ‚Bizarres’. Irgend ein Perverser war in die Leichenschauhalle der Stadt eingedrungen und hatte einem erst vor kurzem ermordeten Hausmeister das Gehirn aus dem Schädel entfernt. Der Täter hatte sauber gearbeitet. Die Schädeldecke war präzise geöffnet worden…
Er musste raus, ganz schnell raus, ehe er ersticken würde in dem Netz aus Einsamkeit und quälenden Fragen. Ben sprang auf, stürzte zu den Kleiderhaken, packte den erstbesten Anorak und stürmte raus auf die Straße, wobei er eine ältere Frau beinahe gerammt hätte.
Ziellos irrte er umher, wohlwissend, dass auch alle anderen Menschen ihre Probleme hatten. Aber sie schienen sich davon nicht aus der Bahn stoßen zu lassen. Ganz im Gegensatz zu ihm.
Er fühlte sich inmitten der Menschen plötzlicher einsamer denn je.

***

„Matt.“

„Was?“, sagte Foreman ungläubig und betrachtete das Spielfeld. Tatsache: Der König befand sich in der tödlichen Umklammerung des Springers, des Turmes und eines Kardinals.
„Matt“, wiederholte er seufzend.

So unfassbar es war – er hatte gegen John Harrow verloren. Jener John Harrow, den er für gewöhnlich selbst dann schlagen könnte, wenn er nebenher zwanzig Dosen Bier kippen und Armdrücken würde.

“Was ist los mit dir, George? Bist du krank? Du wirkst so abwesend.“

Der schiefe, sorgenvolle Blick Harrows amüsierte Foreman. “Ja, die Ärzte meinen, dass diese unheilbare Krankheit ansteckend ist.“

“Im Ernst, du siehst wirklich nicht gut aus!“

Foreman lehnte sich zurück. “Kann schon sein. Ich arbeite an einem unlösbaren Fall.“

„Du redest nicht zufällig von dem Mord an diesem Hausmeister, dem irgend ein Verrückter auch noch das Hirn rausgenommen hat?“

Foreman zögerte, ob er die Frage bejahen sollte, immerhin liefen die Ermittlungen noch auf Hochtouren. “Du weißt doch, dass ich nicht darüber sprechen darf.“

„Ach komm schon! Wir sind doch Freunde. Ich weiß sogar, wann du dir das erste Mal einen abgewichst hast. Also komm mir nicht mit der Tour.“

Foreman lachte hell auf. „Nein, kein Chance, alter Freund!“

Harrow verdrehte die Augen. „Das darf doch nicht wahr sein! Da lasse ich dich fast jedes Spiel gewinnen um dein Selbstvertrauen zu stärken und dann so was.“

„Na schön“, sagte Foreman und beugte sich über den Tisch nach vor, wobei er eine Spielfigur umstieß, die klackend zu Boden fiel. „Ich glaube, dass eine Art Geist Menschen ermordet. Was sagst du nun?“

Wortlos starrte ihn Harrow mehrere Sekunden lang an. „Weißt du was? Lass uns lieber weiterspielen.“

***

Als Ben die Treppen emporstieg, fühlte er sich schon sehr viel besser. Vier Stunden Stadtspaziergang hatten ihm neue Kraft verliehen. Nachdem er die Tür ins Schloss hatte fallen lassen, vernahm er das bekannte, klirrende Geräusch. Mein Gott, er war wieder hier! Warum hatte er nicht auf den Rat des Polizisten gehört und hatte den Türzylinder austauschen lassen? Hrog besaß ja immer noch die Reserveschlüssel.
Diesmal blieb Ben nicht wie angewurzelt stehen, sondern steuerte sogleich das Wohnzimmer an. Wenig überrascht sah er Hrog, der es sich auf der Couch gemütlich gemacht hatte.

“Verdammt, was tun Sie hier! Ihre Frechheit ist ja geradezu penetrant!“

Ben war dieses Mal nicht ängstlich, sondern wütend. Kurz malte er sich im Kopf aus wie es wäre, Hrog niederzuschlagen.

„Ich verlasse Sie gleich wieder. Aber vorher muss ich Ihnen noch eine unangenehme Mitteilung machen. Unser Forschungsleiter ist sehr verärgert über Ihre Dickköpfigkeit. Sie sollten jetzt wirklich mitkommen, ehe er böse wird. Und glauben Sie mir, er kann sehr unangenehm werden, wenn er böse wird.“

„Das kann ich auch werden. Und momentan bin ich es, das versichere ich Ihnen. Verschwinden Sie auf der Stelle!“

“Einen Moment noch, Mister Sullivan oder wie auch immer Sie sich nennen. Ich-“

In diesem Augenblick fiel Ben wie ein Berserker über seinen uneingeladenen Gast her. Der Sprung erfolgte so schnell und ansatzlos, dass Hrog keinen Versuch zur Gegenwehr erkennen ließ. Bens Hände legten sich um seinen Hals wie ein großer Schraubstock und drückten zu.
„Verschwinden Sie endlich! Lassen Sie mich in Ruhe!“, schrie Ben und registrierte zufrieden, wie kleine Rinnsäle Blut aus dem Mund des Fremden quollen. Als Ben sah, welche Farbe das Blut hatte, löste er seinen Griff.
Es war grün.
Dann fiel sein Blick auf Hrogs Hals. An jenen Stellen, wo er den Fremden gewürgt hatte, traten graue, pulsierende Fleischmassen hervor. Schlaff lag der fast regungslose Körper des Eindringlings auf dem Sofa. Sein Atem war schwer und unregelmäßig, seine Augen weit geöffnet. Vorsichtig, fast zärtlich, glitten Bens Finger am Hals entlang. Langsam ergriff er einen der lose baumelnden Hautfetzen und spürte, dass dieses seltsame Gewebe gewiss nicht menschlich war. Es war ein Imitat. Er zog den Hautstreifen nach unten, so, als schälte er eine Banane. Graues Fleisch, weich und pulsierend.
Nun musste er es genau wissen. Ben schluckte, eher begann, Wangen und Kinnpartie zu untersuchen. Das selbe Imitat hatte die grausige Wahrheit verborgen, die Ben nun erkannte. Die gelben Augen glichen zwei riesigen Manschettenknöpfen; sie waren weit aufgerissen, starrten ins Nichts. Kein Augenlid schützte sie. Das Ding hatte keine Nase, dafür vier horizontale Schlitze, übereinander angeordnet, jeder etwa halb so lang wie Bens Ringfinger. Am meisten entsetzte Ben jedoch der groteske Mundes, sofern von einem Mund die Rede sein konnte. Ein ovaler Schlund ragte knapp unterhalb der Schlitze aus dem Gesicht. Keine Lippen. Nur ein Schlund, ein riesiger Schlund, der einige Zentimeter aus dem Gesicht heraus entsprang.
Im Schlund des Wesens bewegte sich ein langes, dünnes Etwas. Ben wollte nicht wissen, was es war. Vielleicht eine Zunge, oder ein Rüssel, oder … Ben hatte panische Angst vor dem Lachen, dem langen, hysterischen Lachen, welches nie wieder enden würde. Seine Frau könnte ihn zweimal die Woche besuchen und ihm Zeichenstifte mitbringen. Zeichenstifte, damit er malen könnte, was er sah, was er berührte, was ihn in den Wahnsinn trieb. Es würden schöne, bunte Zeichnungen werden, der Anstaltsleiter würde ihn dafür loben.
Das Ding riss den Kopf nach oben und blickte Ben direkt in die Augen. Es waren hasserfüllte, riesige Augen die ihn anstarrten, wütende Augen, die für andere Welten geschaffen waren. Rasselnd keuchend und nach Luft ringend, erhob sich das Ding. Während es sich mühsam aufrappelte, fielen weitere Fetzen des Hautimitats von ihm ab.
Ben sah und lachte. Das brüchige Schiff namens Verstand drohte in die Gefilde des Wahnsinns zu segeln.
Als das Wesen unter dem Türstock stand und Ben ansah, verspürte er für kurze Zeit Mitleid mit dem Ding. Doch die wütenden Augen tilgten diese Gefühle sofort wieder.

„Wir holen dich“, sprach das Ding unter dem Türstock. “Wir werden dich nach Hause bringen, Ben, dich und deine verirrte Seele.“

„Nein, niemals“, entgegnete Ben, der sich kraftlos fühlte.
Das Wesen blickte ihn bösartig aus seinen lidlosen Augen an, ehe es die Wohnung verließ.
„Niemals“, wiederholte Ben und holte sich erneut Schlaftabletten aus dem Bad.


7

Der schrille Summerton des Radioweckers schien einer anderen Welt zu entspringen. Bens Verstand, vom Valium in Dämmerzustand versetzt, ignorierte das Geräusch. Als er schließlich doch erwachte, war es bereits halb zwölf.
Aus der tröstlichen Distanz eines Tages betrachtet, erschien ihm das Geschehen des Vortags wie ein beängstigend realer Alptraum, der immerhin etwas Gutes brachte: hervorragenden Stoff für sein nächstes Buch. Ben bestellte ein Taxi und versuchte, sich um Belindas und Heathers Willen zu beruhigen.

In der Zwischenzeit hielt Foreman zehn Namen, auf einem Blatt Papier notiert, in der Hand. Zwei Namen waren durchgestrichen, da sie als endgültig letzte Adresse einen Friedhof aufwiesen. Weitere sechs Personen konnte er nicht mehr aufspüren. Möglicherweise hatten sie durch Heirat andere Namen angenommen oder waren ins Ausland gegangen. Immerhin konnte er die Wohnadressen zweier ehemaliger Studenten herausfinden.
Foreman war sich nicht sicher, ob es Zufall war, dass einer der beiden, ein gewisser Conrad Hampton, ganz in der Nähe wohnte. Er beschloss, dies als Schicksalszeichen zu nehmen und ihm einen kurzen Besuch abzustatten.

Um zwölf Uhr dreißig, als Ben im Taxi saß und sich auf Belinda und Heather freute, fuhr ein blauer Ford beim Haus von Mister Hampton vor. Der Polizist wurde von Hampton in ein modern ausgestattetes Wohnzimmer geführt. “Ein schönes Haus haben Sie, Mister Hampton. Ehrlich gesagt, ich beneide Sie, dass Sie es sich leisten können.“

“Wer behauptet, dass ich es mir leisten kann?“, antwortete Hampton trocken. „Nehmen Sie Platz.“

Die Männer setzten sich. „Der Stuhl ist übrigens ein Erbstück meines Großvaters. Es war sein Lieblingsplatz. Hat sich beim Reinigen seiner Pistole selber erschossen.“

Hampton verzog keine Miene, weshalb sich Foreman nicht sicher war, ob dieser ihn auf den Arm nehmen wollte. Irgendwie machte ihm der Mann Angst. Er schien völlig undurchsichtig. Und Foreman war es gewohnt, in den Gesichtern der Menschen, ihren Gesten, ihren Worten nach Emotionen Ausschau zu halten, die er deuten und interpretieren konnte. Doch dieser Hampton war für ihn ein Buch mit sieben Siegeln.

„Am Telefon sagten Sie, dass Sie über Sullivan mit mir reden wollen?“

Foreman nickte. „Ich habe mich beim Eastman-College schlau gemacht. Sie belegten viele der Kurse, in denen Ben gleichfalls war. Bitte erzählen Sie mir, wie er war. Ich meine, welchen Eindruck machte er auf Sie?“

In Hamptons Gesicht zeigte sich erstmals so etwas wie eine Gefühlsregung. Seine Miene verfinsterte sich schlagartig und er schien Zeit zu brauchen, um antworten zu können. Endlich sagte er: „Wissen Sie, das war eigenartig. Wir waren nur lose befreundet. Aber ich fand ihn ungemein sympathisch und witzig und im Allgemeinen genoss ich seine Gesellschaft, etwa, wenn wir auf unseren Zimmern kleine Partys abhielten oder in der Disco den Frust von der Seele tanzten.“

Erneut zögerte Hampton. Mit den Händen fuhr er über den dünnen Haarkranz, der sich verzweifelt gegen die sich unaufhaltsam ausbreitende Glatze erwehrte. „Dennoch war da etwas … Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Da war etwas Düsteres in ihn, etwas, das mir Heidenangst einjagte. Ich kann mich nur noch sehr schwach daran erinnern. Einmal, da schien er völlig weggetreten, sprach wirres Zeug in einer Sprache, die … Nun, die irgendwie erfunden klang. Ich bin natürlich kein Linguist, aber diese Sprache klang nicht so, als würde sie irgend ein Mensch wirklich sprechen. Klang völlig fremd, bizarr.“

„Das geschah einmal?“, wollte Foreman wissen und rutschte auf dem Stuhl nach vor.

„Zweimal“, antwortete Hampton. Das erste Mal einen Tag vor dem Tod eines Studenten. Mark irgendwas.“

„Stankovic“, ergänzte Foreman und fühlte ein Schaudern über seinen Rücken jagen.


„Ja, wahrscheinlich. Ich kannte den Jungen im Grunde gar nicht. Er schien ein Freund von Ben zu sein. Viel habe ich nicht mit ihm geredet. Komischer Typ. Das zweite Mal geschah es, als ein anderer Student starb. Keine Ahnung, wie der hieß. Wurde von einem Auto überfahren. Hören Sie-“

Bei diesen Worten beugte sich Hampton nach vor und leckte sich die Lippen. Es schien ihm Überwindung zu kosten, dies auszusprechen. „Ich will über Ben kein schlechtes Wort verlieren. Wie gesagt, er war ein netter Kerl. Aber das war schon eine sehr merkwürdige Sache, auf die ich mir keinen Reim machen konnte. Und dann war da noch der Streit mit diesem Kursleiter. Wir belegten einen Kurs für Kreatives Schreiben und Ben konnte diesen Kursleiter einfach nicht ausstehen und versuchte ständig, sich gewissermaßen über ihn zu stellen und ihn als verbohrten Idioten zu präsentieren. Was er ehrlich gesagt auch war. Trotzdem fand ich Bens Verhalten nicht in Ordnung. Eines Tages eskalierte ihr Streit und sie warfen sich sehr hässliche Dinge an den Kopf.
Am nächsten Tag kam der Kursleiter nicht mehr ins College. Er war aus dem Küchenfenster seiner Wohnung gesprungen. Sieben Stockwerke tief. Kein Abschiedsbrief, nichts, das auf diese Tat auch nur im Entferntesten hingedeutet hätte. Da habe ich mir doch Gedanken gemacht. Können Sie das nachvollziehen?“

„Oh, das kann ich! Glauben Sie mir, das kann ich!“, sagte Foreman. In seinem Kopf begann sich ein Bild zu formen.

9

Die Maschine war gelandet. Ben hatte noch schnell einen Strauß Blumen besorgt und wartete nun auf die zwei wichtigsten Menschen in seinem Leben. Sofort, nachdem er sie sah, rannte er los. Heather umschlang stürmisch seinen Hals.

“Daddy, ich bin ja so froh, wieder daheim zu sein. Ohne dich ist‘s einfach nicht so schön!“

Vor der Ankunftshalle wartete ein Taxifahrer bereits auf sie. In aller Ruhe verstaute er das Gepäck im Kofferraum, um sein Fahrgeld zu vergrößern.
Auf der Heimfahrt wurde zwar viel geredet, doch Ben hielt es nicht für angebracht, über diese seltsamen Alpträume zu sprechen, zumindest nicht in Gegenwart seiner Tochter. Inzwischen war er der festen Überzeugung gelangt, dass das grauenvolle Ding nur ein Produkt seiner vom Valium überwältigten Phantasie war. Zu Hause angekommen war es Heather, die die seltsamen, schleimigen Objekte auf dem Wohnzimmerboden entdeckte.

10

“Haben Sie was rausgefunden?“, fragte Lambert, als er das Zimmer betrat.

“Kann sein“, antwortete Foreman nebulös.

Der Artikel, den er in der Bibliothek aus einer alten Zeitung herauskopiert hatte, lag in seiner Hand. In eine Leichenschauhalle war eingebrochen und einem erst kürzlich verstorbenen Lehrer eines Colleges in Philadelphia das Gehirn entwendet worden. “Nichts konkretes.“

Der Inspektor nickte bedächtig. “Lassen Sie‘s gut sein, Foreman. Ich weiß ja nicht, was Sie sich von Ihren Nachforschungen versprachen. Aber Sie sollten Ihre Energie in andere Fälle investieren, die nicht dermaßen aussichtslos scheinen.“

“Tut mir Leid. Ich kann jetzt nicht einfach so aufhören, nicht jetzt!“

“Hören Sie, Sie wissen doch, wie die Chose läuft! Wir haben auch noch andere Verbrechen aufzuklären. Und irgendwann ergibt sich ein Anhaltspunkt, an dem wir anknüpfen können. Aber momentan sind wir an einem toten Punkt angelangt. Es gibt andere Fälle, bei denen wir stichhaltigere Spuren haben.“

Foreman seufzte tief durch. „Na schön, wenden wir uns den aufklärbaren Fällen zu.“
Den Artikel stopfte er in die Sakko-Tasche.

***

“Daddy, was ist das?“

Ben starrte das Imitat an, das seine Tochter zwischen Daumen und Zeigefinger hielt. Es war also doch kein Traum gewesen.

“Das ist doch nicht möglich!“

“Was ist nicht möglich, Ben? Was hast du denn?“

“Nichts, gar nichts. Das ist nur ein Stück Schonbezug vom Sofa, Heather. Wirf es weg.“

Belinda gefiel Bens abwesender Blick gar nicht.

11

Foreman sah auf seine Armbanduhr - es war nach neun. Sollte er es wagen? Er griff nach dem Telefonhörer, zog seine Hand dann aber doch zurück.
„Das ist doch blanker Unsinn, was du dir da zusammengereimt hast. Damit könntest du in der ‚Twilight Zone’ reüssieren. Aber das hier, das ist die Wirklichkeit“, sprach die Stimme der Vernunft.
Seine Katze sah ihn fragend an. “Was meinst du, soll ich oder soll ich nicht?“
Er erhielt keine Antwort.
Noch einmal atmete er tief durch, dann ergriff er den Telefonhörer und wählte eine Nummer, die er noch nie zuvor gewählt hatte.

***

Nach dem langen Flug schlief Heather tief und fest. Belinda und Ben sahen noch fern und unterhielten sich über Themen die man nur neben der Mattscheibe anschnitt, um die faden Werbepausen zu überbrücken, als das Telefon klingelte.

***

Foreman drückte den Aufnahmeknopf des Tonbandes, das ans Telefon angeschlossen war. Vor mehr als drei Jahren hatte er sich durchgerungen es installieren zu lassen, nachdem mehrere Morddrohungen eingegangen waren, die sich zum Glück als übler Scherz erwiesen hatten.

„Vielleicht interessiert es Sie zu erfahren, dass Sheever sich mit Ihnen treffen möchte“, begann Foreman und kritzelte nervös Strichmännchen auf den Telefonbucheinband.

Sekundenlang herrschte Schweigen in der Leitung. „Was will dieser Drecksack von mir?“, sagte Ben mit einer Stimme, die Foreman eine Gänsehaut bescherten.
Der Mechanismus war ins Rollen gekommen und füllte ihn vollkommen aus.
Foreman ballte triumphierend die Faust; er hatte ihn genau da, wo er ihn haben wollte.

„Er will nur mit Ihnen reden. Wir warten in der Pascow Avenue auf Sie, Ecke Main Street. Sie wissen schon, die Busstation. Wir warten auf Sie und-“

Die Leitung knackste, Ben hatte aufgelegt.
„Treffer“‚ dachte Foreman und legte zufrieden den Hörer auf die Gabel. Er wartete einige Augenblicke. Dann nahm er den Hörer erneut in die Hand.

***

Es war kalt und Foreman fror. Die Straßen waren völlig verwaist, die Nacht sternenklar und wie geschaffen, Kulisse für einen billigen Horrorfilm abzugeben. Und wie in einem solchen fühlte sich Foreman. Seine Vorgangsweise war mehr als unorthodox. Doch manchmal konnte man die Psychopathen nur auf diese Weise schnappen – und Ben war für ihn ein solcher.

„Warten Sie auf den Bus, Foreman?“

Erschrocken wirbelte Foreman herum. Sullivan hatte sich von hinten angeschlichen wie eine Katze, die sich auf Beutejagd befand. Foreman zitterte jetzt nicht nur wegen der Kälte.

„Was haben Sie vor? Wollen Sie mich umlegen, so wie Sie es bei Mark getan haben?“

Ben blieb stehen. „Es ist der Mechanismus, Foreman! Es geschieht seit Urzeiten. Und unter allen Menschen hat er mich erwählt. Verstehen Sie?“

Foreman schüttelte den Kopf und wischte mit der Hand über seine triefende Nase. „Erklären Sie es mir.“

„Wir sind nur Werkzeuge, Foreman. Ist Ihnen das nicht klar? Ich bin Werkzeug einer unmoralischen Macht aus einer anderen Welt. Einer kalten Welt mit bösen Augen, die argwöhnisch auf uns Normalsterbliche herabblicken und sich über uns lustig machen. Wie Marionetten hängen wir an ihren Fäden. Wir sind wenig mehr denn dumme Laborratten, die durch ein Labyrinth rasen und der Illusion erliegen, sie hätten es selber erschaffen.“

Langsam trat Ben näher an Foreman heran. Ebenso langsam wich dieser zurück. „Sie haben diese Menschen getötet. Aber es muss doch irgend ein Motiv geben?“

„Wer weiß? Ein kosmischer Scherz? Ein Experiment? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass der Mechanismus unsterblich ist und ich ihm dienen muss.“

Plötzlich schien in Ben eine physische Veränderung stattzufinden. Seine Augen wirkten auf Foreman größer und kälter. „Welches Motiv benötigt der Tod?“

Mit zwei schnellen Schritten überrumpelte Ben den Polizisten, fällte ihn und schloss die Hände um seinen Hals. Bens Worte kräuselten sich wie Meeresrauschen in seinen Verstand, bis sich Foreman nicht mehr sicher war, ob dieser tatsächlich gesprochen hatte oder er eine Stimme in seinem Kopf hörte.

„Es wird Zeit, Foreman“, flüsterte Ben und lächelte, ehe er ihn mit einem harten Schlag ins Gesicht außer Gefecht setzte. Nie zuvor hatte Foreman eine so perfekte Schwärze gesehen.

***

Er schlug die Augen auf und erblickte eine Gestalt, deren Umrisse nur schemenhaft zu erkennen waren. Allmählich nahm sie deutlichere Konturen an.

“- in Ordnung, Mister Foreman?“

“Was?“, flüsterte Foreman kaum hörbar.

“Ich fragte, ob alles in Ordnung ist, Mister Foreman.“

“Officer Vance?‘

“Ja“

Foreman schluckte und spürte dabei einen Schmerz in der Kehle. “Sullivan?“

“Der sitzt mit angelegten Handschellen im Wagen.“

Foremans Stimme gewann an Stärke. “Wo, zum Teufel, wart ihr so lange? Wolltet ihr abwarten bis er mich umbringt, um ganz sicher zu gehen?“

„Natürlich nicht! Das würde den Lehrmethoden an der Polizeischule widersprechen“, sagte Vance freundlich.

13

Ein Jahr später saß Ben noch immer in der Todeszelle. Er akzeptierte seinen längst beschlossenen Tod, und mehr noch, er sehnte ihn herbei. Er wollte Erlösung. Er würde sie finden, hier und heute.
Die massive Stahltür schwang nach innen auf. Vier schwer bewaffnete Wärter betraten den kleinen, stickigen Raum. Ben blickte nicht auf.

“Mister Sullivan, gehen wir.“

Er nickte. Handschellen klickten. Draußen auf dem Gang standen Foreman und Lambert und unterhielten sich. “Mir geht´s gar nicht gut, Inspektor. Ich fühle mich entsetzlich mies, so, als wäre ich sein Henker.“

Lambert wollte Trost spenden, fand aber keine entsprechenden Worte.

“Ich hoffe, dass ich damit wenigstens der Gerechtigkeit, der gegenüber wir verpflichtet sind, entsprochen habe.“

“Das haben Sie, Foreman, das haben Sie. Wer weiß, vielleicht hätten noch mehr Menschen sterben müssen.“

„Es wäre viel leichter für mich, würde er nur eine lebenslängliche Strafe absitzen müssen. Aber das hier kommt mir so entsetzlich barbarisch vor.“

Sullivan wurde, von den Wärtern eskortiert, an Lambert und Foreman vorbeigeführt. Foreman wollte noch etwas sagen, beschloss dann aber, besser nichts zu sagen.

***

„Wieso weinst du, Mum? Was ist mit Dad? Kommt er bald wieder nach Hause?“

Mit tränen erstickter Stimme stammelte Belinda: “Nein, Schatz. Er kommt nie wieder nach Hause. Daddy hat etwas Schlimmes angestellt.“
Erneut begann sie zu weinen. Und drückte Heather fest an sich.

***

Als die Beamten in einem kleinen, verschlossenen Schränkchen in Bens Arbeitszimmer sieben Einmachgläser fanden, erlitt sie einen Nervenzusammenbruch. Niemals würde sie den unfassbaren Anblick dessen vergessen, was sanft und obszön friedlich in den Gläsern schwamm.

***

“Ich glaube, er will sterben. Warum sonst hätte er alle Morde gestanden?“

“Ja“, pflichtete Foreman bei. „Wir hätten ihn sonst niemals festnageln können. Seine Fähigkeit, quasi über seine Aura zu töten ist unfassbar. Und macht mir Angst.“

Lambert sah ihn fragend an.
„Was, wenn er Recht hat und es gibt diesen Mechanismus, der von einer Seele zur nächsten wandert?“

***
Endlich, endlich würde er erlöst werden! Zufrieden lächelte Ben, der endlich wieder er selbst war. Das Gas begann den Raum auszufüllen. Ben konnte es in jede Pore seines Körpers eindringen spüren.
Bald begannen die konvulsivischen Krämpfe. Zum Erstaunen der Augenzeugen lächelte Ben selbst in diesen Momenten seines Todes.

***

“Entschuldigen Sie, bitte. Wer von Ihnen ist Mr. Foreman?“, fragte der Gefängniswärter.

Foreman antwortete und erhielt eine schwarze Comba-Mappe. „Mr. Sullivan bat mich, Sie Ihnen zu geben.“

Neugierig öffnete sie Foreman. Hunderte, eng beschriebene Seiten befanden sich darin. Foreman gab nach wenigen Seiten den Versuch auf, die seltsamen Schriftzeichen einer ihm vertraut erscheinenden Sprache zuzuordnen.

***

Der Hauch des Todes trug chemische Zeichen und duftete herrlich, denn er bedeutete Erlösung. Ben spürte die sich verzweifelt windende Kreatur in ihm.
„Fahr zur Hölle, Hrog!“‚ dachte er, während er wie ein Sünder auf die Knie sank.

***

Herrlich blaue Formen tänzelten vor seinen Augen, vereinten sich zu einem einzigen, großen Gebilde, zerfielen wieder in zahlreiche kleinere Teile ihrer selbst. Am Horizont verblasste eine blaue Sonne. Seit Äonen zog sie ihre Bahnen in der Welt des Mechanismus.
Die Schriftzeichen ergaben plötzlich Sinn.

***

“Ihr kriegt mich nicht“, flüsterte Ben krächzend.

Es waren seine letzten Worte. Die Kreatur brach aus seinem Körper heraus - ein graues, pulsierendes Etwas, mit riesigen Augen. einem Schlund, vier horizontalen Schlitzen, furchtbaren Klauen. Sie schrie, kreischte, krümmte sich, versuchte die Glaswand zu zertrümmern. Grünes Blut besprenkelte die Scheibe, entsetzte Schreie hallten über den Gang des Todestrakts.

Foreman verstand jetzt, weshalb der Professor freiwillig aus dem Fenster gesprungen war.
Schlimmer noch: Er erkannte auch die Farben - und verstand deren Sinn.
Sullivan hatte Recht behalten: Der Mechanismus war unsterblich.

14

Fast drei Jahre waren seit Bernard Sullivans Hinrichtung verstrichen. Einige der Anwesenden, die der Hinrichtung beigewohnt hatten, hatten damals einen Schock erlitten, über dessen Grund sie sich ausschwiegen.

Belinda Sullivan saß im Schneidersitz auf ihrem weichen Bettchen und zeichnete merkwürdige Kreaturen mit großen, bösen Augen. Es waren bunte Zeichnungen. Doktor Johnson, der Leiter der Anstalt, lobte ihre hübschen Bilder.
Manchmal entließ sie der Wahnsinn kurzfristig aus seinen Klauen; dann entsann sie sich wieder der Kreatur, die ihrer Tochter entstiegen war, die Wand gurgelnd mit grünem Blut beschmiert hatte und röchelnd gestorben war.
Doch Sekunden später lachte sie wieder fröhlich und malte weitere schöne, bunte Zeichnungen. Sie war richtig gut darin, wenngleich das Motiv stets das gleiche war.
***

Mehr als zweihundert Studentinnen und Studenten drängten sich im Hörsaal. Sie alle waren gekommen um ihn, ihren Lieblingsautor, in Natura zu sehen und seinen weisen Worten zu lauschen. Geduldig beantwortete er alle Fragen, auch jene, die ihm ständig gestellt wurden, etwa: „Wie fühlt man sich, wenn man so berühmt ist?“, „Wann haben Sie angefangen zu schreiben?“, „Wann erscheint endlich Ihr nächstes Buch?“
Diesmal war aber eine höchst interessante Frage aufgetaucht. “In ‚Visions in blue’ spielt die Farbe Blau eine große Rolle. Hat Blau eine besondere Bedeutung für Sie?“, hatte eine junge, von Akne befallene Studentin gefragt.

“Ja“, hatte er geantwortet, „Oh ja!“, und gelacht.
Seit Lamberts mysteriösem Tod hatte er nicht mehr so herzhaft gelacht.

 

Nötige Anmerkungen:
Es handelt sich hierbei um meine zweite Geschichte überhaupt, die bis dato sogar meine längste Kurzgeschichte darstellt. Ich habe sie gekürzt und überarbeitet, was für mich selber eine interessante Erfahrung war, da ich heute einen solchen Text nicht mehr schreiben würde und mir manche Passagen selber völlig fremd erscheinen. Ich hoffe, die Story ist trotzdem nicht totaler Mist und wenigstens ein netter Zeitvertreib.

Ich möchte darauf hinweisen, dass die Geschichte 1992 geschrieben wurde, als ich selber noch auf einem DOS-basierten System arbeitete. Dies bitte beim Lesen des Anfangs beachten, da die Computerbeschreibungen extrem veraltet klingen.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Rainer,

ein netter Zeitvertreib ist die Story allemal. Ab und zu fand ich sie doch zu ausführlich geraten, aber ich hab mich beim Lesen gut unterhalten.

Für den extrem langen Aufbau finde ich das Ende aber zu kurz und zu abrupt geraten. Es passiert in wenigen Sätzen so viel - Ben gesteht die Morde und wird hingerichtet, seine Tochter stirbt, seine Frau kommt in eine Anstalt, auch Lambert ist tot - das ist mir etwas viel auf einmal gewesen. :confused:
Was mir nicht aufgegangen ist - vielleicht hab ich am Ende zu schnell gelesen und es übersehen: Für welche Morde wurde Ben denn nun hingerichtet? Beim Hausmeister, bei Brian und Mark hatte er doch ein Alibi ...
Wahrscheinlich hab ich da etwas nicht mitgekriegt ...

Ein paar Details:

Sein zweiter Roman, "Flashback", hatte sich als finanzielles Fiasko erwiesen
Fest stand lediglich, dass der Kauf eines Computers einen nicht unwesentlichen an den Geschehnissen trug.
Einen nicht unwesentlichen was? Mir scheint, da fehlt etwas ...
Manchmal saß Ben nur da und sah verzweifelt aus dem Fenster, denn keine Inspiration, kein guter Einfall übermannte ihn.
Vermutlich ganz subjektive Anmerkung: Das "übermannte" ist mir etwas zu stark. Ich denke, man kann auch eine Inspiration haben ohne direkt von ihr übermannt zu werden. Offenbar hat Ben aber auch das nicht, deswegen würde ich den Ausdruck ein wenig abschwächen.
Ist aber nicht wichtig.
Zuvor hatten ihn wochenlang jede Nacht Alpträume geplagt, an die er sich nur noch vage hatte erinnern können, und ihn schweißgebadet erwachen lassen.
Der letzte Teil des Satzes klingt etwas konfus für mich: Müsste es nicht vollständig heißen: Zuvor hatten ihn wochenlang jede Nacht Alpträume geplagt, an die er sich nur noch vage hatte erinnern können, und die ihn schweißgebadet hatten erwachen lassen"?
und in einer viertel Stunde würde der Schulbus Heather zur Schule bringen.
Während er die Morgenzeitung studierte, packte Heather ihre Hefte und Bücher sorgfältig in ihre Schultasche.
Dreimal "Schule" bzw "Schul-" in zwei Sätzen; ich würde das Wort "Schule" einfach durch "Unterricht" ersetzen.
Bens Gedanken schweiften Jahre zurück, in eine Zeit, die die Wurzel ihrer Probleme waren.
Wieso "waren"? Bezeiht sich doch auf die Zeit und müsste im Singular stehen, oder?
einzutreten in die Welt des absurd spießeigen Bürgertums,
<_ "spießigen"
davon gefaselt hatte, dass er als Schriftsteller Fuß fassenwollte.
-> "fassen wollte"
Es hätte keiner besonders feinfühligen Intuition bedurft um zu bemerken, wie tief der Graben zwischen ihnen war.
Den Konjuntiv würde ich weglassen, warum nicht "hatte" statt "hätte", denn die Aussage trifft doch zu?
Und in der Tat war es einfach verrückt, Hrogs Worten
Wieder lachte sie und ihm kam erneut zu Sinn,
Vielleicht bin ich die Einzige, aber ich kenne nur "in den Sinn kommen".
dass Liebe dann am Schönsten war, wenn man körperlich voneinander getrennt war.
:-(
Aber auch nur dann, wenn man weiß, dass/wann man sich wiedersieht ...
"Schön. Und wo bleibt der versprochene Knalleffekt?", unkte Lambert.
"Unken" finde ich hier völlig unpassend. Erstens stellt er eine Frage und zweitens bedeutet "unken" so viel wie "Unglück prophezeihen" ... finde ich hier deplatziert.
Sein Mörder zerrte den starren, toten Körper
Ein, zwei Sätze zuvor ist bereits von der "Leiche" die Rede, also würde ich das "toten" weglassen.
was seiner Visage kaum noch schaden hätte können,
Diese Satzstellung klingt etwas holperig; besser: "... was seiner Visage kaum noch hätte schaden können."
"Nein, das nicht", gab Fr:oman zu. "Jedenfalls nicht direkt."
:D
"Das ist ja furchtbar! Aber dennoch kein Grund für dein Verhalten."
Da habe ich mich geärgert: Wenn ich gerade erfahre, dass in der unmittelbaren Umgebung meines Mannes ein Mord passiert ist würde ich mir als erstes Sorgen machen, ihn fragen ob der Täter gefasst ist und ihn bitten auf sich aufzupassen! Selbst wenn die beiden mit dem Hausmeister keinerleih weiteren Kontakt hatten ist es doch ein verdammt unangenehmes Gefühl, dass der Mörder sich im gleichen Haus aufgehalten hat!

Es gibt noch eine Stelle die mich gestört hat, und sie steht mit dieser in Zusammenhang: Als der mysteriöse Hrog das erste Mal in Bens Wohnung auftaucht und sagt, dass er den Schlüssel vom Hausmeister hat, ahnt Ben schon, dass er diesem Gewalt angetan hat.
Als Hrog dann verschwunden ist würde ich an Bens Stelle als erstes nach dem Hausmeister sehen - entweder, er wurde tatsächlich überfallen, oder er hat den Schlüssel freiwillig herausgerückt, dann gäbe es eine saftige Beschwerde.
Dass Ben aber zuerst an die Fingerabdrücke denkt und Untersuchungen anstellt ist aus meiner Sicht nicht so überzeugend.

Der König befand sich in der tödlichen Umklammerung des Springers, des Turmes und eines Kardinals.
Welcher Figur meinst Du mit "Kardinal"?
Den mickrigen Läufer etwa? *g*

Bis kurz vor Schluss hat die Geschichte fast epische Ausmaße. Viele Details werden ausgeführt, die Nebenhandlungen bei der Polizei und Bens Vorgeschichte sind auch nicht zu knapp gehalten.
Deswegen fühlte ich mich vom dann doch sehr schnellen Ende überrumpelt und mir blieben zu viele Punkte offen, die ich mir selbst zusammenreimen musste. Das führt meiner Meinung nach einen zu starken Bruch in die Erzählung ein, eine Überarbeitung könnte auch da noch einmal ansetzen.

Parallelwelten tauchen bei Dir, soweit ich mich erinnere, nicht das erste Mal auf. Die Idee ist interessant.

Beim Auftauchen Hrogs und Bens Zweifel, ob es diese Gestalt wirklich gibt, habe ich übrigens entfernt an Kings Geschichte "Das heimliche Fenster, der heimliche Garten" denken müssen.
Später gab's natürlich keine Parallelen mehr.

Insgesamt - gerne gelesen.

Ginny

 

Hi Rainer!

Nun, sagen wir es mal so: Anhand solcher Geschichten kann man sehr gut feststellen, welche Wandlung manche Autoren durchmachen. :D
Versteh mich nicht falsch; wäre die Geschichte von einem neuen User, würde sie mir wahrscheinlich recht gut gefallen, aber im direkten Vergleich zu Deinen anderen Werken ist das hier doch eher Schmus. Hätte die Story aber mal gerne vor der Überarbeitung gelesen. ;)

Übrigens bin ich mir nicht ganz klar darüber, welche Art von Reaktionen Du erhoffst. Willst Du die Geschichte noch weiter überarbeiten oder nur ein Stück Vergangenheit präsentieren?

Was mich ehrlich gesagt ziemlich geärgert hat, ist die scheinbar eher doch nachlässige Korrektur deinerseits. Mal ein paar Beispiele:

Sein zweiter Roman, „Flashback“, hatte sich als finanzielles Fiasko erwieBen
Fest stand lediglich, dass der Kauf eines Computers einen nicht unwesentlichen an den Geschehnissen trug.
Und in 1er Tat war es einfach verrückt
“Nein, das nicht“, gab F:oreman zu
Tut mir Leid, dir das auf diesem Weg sagen zu wissen.
Er hätte es allerdings ohnedies verfallen lassen, Belinda schloss die Kühlschranktür, öffnete die Dose, nahm einen Schluck und ging ins Schlafzimmer um die Koffer zu packen.
Nach kurzem Zögern langte er in die Hosentascheund zog den Zettel hervor.
Gerade Du hast ja auch den Anspruch an andere Autoren, dass sie vor dem Posten ihre Geschichten gescheit überprüfen. Und solche Patzer, wie die oben zitierten, sind nun wirklich nicht nötig. Die fallen doch eigentlich sofort auf.

Er nahm sich keine Zeit die Zähne zu putzen, was sehr ungewöhnlich war.
Endlich ging er
Ich finde, hier sieht man ziemlich gut, wie sich Dein Stil verbessert hat. Denn so plump würdest Du den Leser ja nicht mehr darauf hinweisen, wie er eine Situation einschätzen soll.

„Zuletzt hatte er mir gedroht. Ich darf ihn auf keinen Fall unterschätzen, Verrückte sind unberechenbar“, murmelte er. „Ein wirklich seltsamer Bursche. Wirkte so unnatürlich. Sein Gesicht war makellos rein, kein Fältchen, keine Pickel, keine schiefer Mund, die Zähne blendend weiß, wie einem Werbespot für Zahncreme entsprungen.“
Hehe, sorry, aber das ist für mich ein absolutes Negativbeispiel: Wer bitte führt solche Selbstgespräche? Klarer Fall von "Autor mißbraucht Prot, um irgendetwas darzustellen" :p

Sein zweiter Roman, „Flashback“, hatte sich als finanzielles Fiasko erwieBen und ihn an seinen Fähigkeiten zweifeln lassen.
Mitten in jene dunkle Phase der Selbstvorwürfe und der Flucht in die Arme des Dämons Alkohol, war Heather hinein geboren worden.
[...]
Vier Jahre nach Abschluss seines zweiten Romans
[...]
Er wartete auf die gleiche Art und Weise wie vor sieben Jahren, als er im Wartezimmer der Entbindungsstation gehofft und gebangt hatte
[...]
Noch dazu bei einem Roman, an dem er erst seit kurzer Zeit arbeitete?
Da bist Du irgendwie mit der erzählten Zeit durcheinander gekommen. Den ersten Beschreibungen kann man entnehmen, dass Ben nun schon seit drei Jahren am dritten Roman schreibt, also kann man wohl kaum von "kurzer Zeit" sprechen, oder?

Die beiden Polizisten traten ein. “Ich bin Inspektor Lambert und das ist Mister Foreman von der Spurensicherung.“
Hm. Spezialist bin ich zwar nicht, aber sind die Beiden nicht eher von der Mordkommission? Ist die Spurensicherung nicht nur für das reine Spuren-Sichern zuständig?

Als Ben genüsslich einen Cracker seinen Körpersäften zur Einäscherung übergab um die Überreste später in einem urnenförmigen Gefäß auszuscheiden, unterhielten sich Lambert und Foreman über seine Vergangenheit.
Öhm. :confused: Fäkalhumor seitens des Autoren? Ist das hier tatsächlich notwendig?


Teilweise konnte ich das Verhalten von Ben nicht nachvollziehen, plausible und weniger klischeehafte Charakterisierungen hast Du heute viel besser drauf. Wobei Du scheinbar schon von Anfang an mit viel Talent geglänzt hast, von solchen Anfänger-Geschichten können andere Autoren nur träumen. Das Ende kam mir persönlich etwas zu schnell, bzw. die ganzen neuen Geschehnisse. Gerade im Hinblick auf die doch recht lange und teilweise auch etwas öde Vorgeschichte. Hat mich ein wenig an King erinnert, der schwafelt am Anfang auch viel. Überhaupt meine ich, dass Du zur Zeit der Entstehung dieser Geschichte King als Vorbild hattest, vielleicht bilde ich mir gewisse erzählerische Parallelen aber auch nur ein.

Meiner Meinung nach hast Du inhaltlich zu viele verschiedene Ansätze vermischt. Die Grundidee mag ich gern, aber die Dimensionswanderung, die Enttarnung von Hrog als Alien(?), das tulpa-Phänomen, die eigene "Kurzzeit-Klonung" und der obskure Mechanismus - für mich persönlich too much. Mir hätte es besser gefallen, wenn Du Dich auf maximal zwei Ideen konzentriert hättest. So schneidest Du alles zwar kurz an und versuchst es schlüssig zu verbinden, aber richtig geklappt hat dieses Vorhaben in meinen Augen nicht. So kann ich mir unter dem Mechanismus eigentlich noch immer nichts Konkretes vorstellen.


Naja, lange Rede, kurzer Sinn: Im Endeffekt ist Deine Geschichte schon okay. Aber wenn man einen aktuellen Rainer erwartet, wird diese Erwartungshaltung mE enttäuscht.

 

Dank euch fürs Lesen und Kommentieren! Um ehrlich zu sein hatte ich doch Bedenken, die Story zu posten. Die erwähnten Fehler (ausgenommen Rechtschreibung) sind typische Anfängerfehler, das gebe ich unumwunden zu. Aber wie das eben so ist: Man hängt an manchen Geschichten einfach, besonders an jenen, in die man viel investiert hat (ich glaube, schon rein vom Umfang her dürfte das bewiesen sein :D ).
Ich weiß nicht, wie das bei euch ist. Aber ich finde es spannend zu verfolgen, wie sich ein Autor verändert (und hoffentlich zum Positiven entwickelt). Ob das jetzt erwähnter Stephen King ist oder ein Autor hier spielt keine Rolle.
Ich möchte aber zugleich beruhigen: Nachdem ich meine allererste (grauenhafte) Geschichte hier reingesetzt hatte und nun diese ebenfalls, folgt keine Flut an uralten Storys, okay? Diese werden dort bleiben wo sie hingehören: In mein Archiv, bis sie verschimmeln oder von künftigen Generationen ausgebuddelt und verehrt werden. :D

 

Servus Rainer,

ich habe die Geschichte auch gerne gelesen. Wenn ich auch sagen muß, daß ich das Ende nicht ganz verstanden habe. Es liegt vermutlich an der brütenden Hitze. Die Fehlerlein findest sicher allein, beim nächsten Durchlesen. Bei den Anführungszeichen happerts diesmal. Im Deutschen immer typographisch zuerst unten dann oben.

Ich dachte Ben wäre der Schriftsteller, wird hingerichtet. Wer ist dann der ominöse Autor, der berühmt wurde? Deine neuen Geschichten gefallen mir einfach viel besser, sind stimmiger auch stilistisch. Aber wie gesagt, ich hab auch diese gerne gelesen und mich nicht gelangweilt.

liebe Grüße

Echna

 

Tjaaa, leider muss ich den Leuten Recht geben. Die Story ist wunderbar und fesselnd, aber zum Schluss wird alles ein bisschen konfus. Ausserdem sind mir einige Dinge unverständlich... Was ist mit dem +30h? War zu dem Zeitpunkt etwas Wichtiges?

Und entstand dieser Hrog... entstand der aus Ben??? Ist/war seine Tochter ein fürchterliches Monster???

Schlimmer noch: Er erkannte auch die Farben - und verstand deren Sinn.

Was für Farben?

Ist der "Mechanismus" an den Polizisten weitergegangen?

Ist er dann dieser Schriftsteller am Ende? Oder hat Ben selber irgendwie überlebt?

Wenn er so leicht und aus "Versehen" tötet, warum kommt es dann so selten vor? Am Ende schien es so, als hätte er es die ganze Zeit gewusst, was mit ihm war, im Text ist er aber immer "überrascht" oder erscheint so, als ob er keine Ahnung hat.

Was hat das Entnehmen des Gehirns für eine Bewandniss?

Das Vieh in ihm bekommt ja irgendwie zum Schluss die Kontrolle... Warum versucht er den Polizisten in seiner eigenen Form zu ermorden? Warum fällt er/es auf den Trick rein?

Fragen über Fragen...

Sonst aber eine nette Geschichte...

 

Hi Rainer,

auch ich muss mich Pains Meinung anschliessen - am Ende, wo es gerade besonders spannend wird, passiert alles so schnell, dass die Ereignisse durcheinanderkullern und man als Leser den Überblick verliert.

Aus dem Ende hättest Du noch weitaus mehr machen können, aber es scheint (mir so), als hättest Du endlich fertig werden wollen.

Das Thema hatte viele spannende Varianten, nur war Dein Stil teilweise zu langatmig. Wahrscheinlich wolltest Du zu sehr den Protagonisten als ganz alltägliche Person darstellen, deswegen bist Du auf so viele Kleinigkeiten (des täglichen Lebens) eingegangen, die man auch hätte weglassen können.

Achja, könntest Du für mich jetzt mal bitte genau aufdröseln, was wem passiert ist:
Hat die Tochter die "Geburt" des Wesens überlebt?
Ihre Mutter ist ja in der Klapse und der Vater am gas gestorben.
Was ist mit den beiden Polizisten?
Der Eine wurde Autor und schrieb einfach die Geschichte auf, während das Wesen in seinem inneren sich eins lacht?
Und der andere Polizist?

Ansonsten ganz nett, aber eigentlich schon zu lang für ne Kurzgeschichte...

Henry Bienek

 

Uffff...Chaosinmeinemkopf
ich kann die Paralleldimensiongeschichte und den Mechanismus :confused: :messer: :sconf: überhaupt nicht miteinander in Verbindung bringen

Hrog hinterließ keine Fingerabdrücke, weil er gar keine Linien an den Fingerspitzen hatte. Tatsächlich gab es Menschen, die keine Linien an ihren Fingern haben; ein äußerst seltenes, wenn auch reales Phänomen.
WIRKLICH?:confused: [naivundneugierigguck]

 

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