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Vier Todesfälle und ein Jeep
Quietschende Bremsen, Blut, Schmerzen, Schreie. Die letzten Eindrücke seines Lebens nahm er nur schemenhaft wahr. Doch Tobias wusste, dass dies ein Ende war. Keins, das er sich gewünscht hätte, aber immerhin ein Ende. Die endgültige Erkenntnis, dass mit diesem Moment sein kümmerliches Dasein beendet war überkam ihm mit einem lächeln. Endlich war es vorbei. Nur dass es ausgerechnet ein Jeep Wrangler (Baujahr 92, mit Ledersitzen) war, der seinem Leben ein Ende setzte störte ihn, in Anbetracht der Tatsache, dass er gerade auf dem Weg war sein Schicksal selber in die Hand zu nehmen, ein wenig. Aber nicht lange. Zur Musik von Britney Spears (Hit me, Baby) starb an diesem Morgen Tobias Metzler am Kuhfänger eines Jeep Wranglers. (Baujahr 92, mit Ledersitzen) Ein wenig bedauerlich, wenn man bedenkt, dass er die Passende Musik für seinen Sprung vom Fernsehturm bereits gewählt und auf eine Lifetec Rohling gebrannt hatte. (Pink_-_Just_like_a-Pill.mp3)
Der Fahrer des Jeeps, der bis vor wenigen Sekunden noch lauthals zur Musik aus seiner nagelneuen 1400 Euro teuren Car-Hifi Anlage mitsang, verstummte.
Noch bevor dieser Begriff, was passiert war versammelten sich die Passanten um den leblosen Körper, der gerade dabei war einen verdammt großen Blutfleck auf der Straße zu hinterlassen. Die Gaffer schienen sich einig zu sein, dass Tobias den Aufprall nicht überlebt hatte. Die klaffende Kopfwunde, aus der unentwegt Blut strömte ließ jedoch auch nicht viel Platz für Überlegungen, die sich mit dem überleben des Jungen beschäftigten.
Um 10 Uhr 26 an diesem Morgen, exakt 19 Sekunden nach dem Aufprall, erreichte die Polizei ein Anruf von einem Nokia 6310 Handy. Eine Stimme, eine Frau, offensichtlich die Stolze Besitzerin des Handys, verkündete, dass soeben ein Junge gestorben sei. Weitere Details über den Unfallhergang mussten zugunsten einer blumigen Umschreibung der Kopfwunde sowie der Blutlache verständlicherweise ausgelassen werden. Auch die Tatsache, dass sich der Jeep, der eine solch unerwartete Wendung im Leben des Tobias K. verursachte, während des Telefonats vom Unfallort entfernte blieb unerwähnt.
Ohne es zu wollen wurde auch Elfriede F., eine 74-jährige Rentnerin, Opfer eines Mannes, dessen Jeep Wrangler (Baujahr 92, mit Ledersitzen) sich zum Zeitpunkt ihres Todes unmittelbar über ihr befand. Obwohl dieser Zustand nicht besonders lange währte bescherte er den Hinterbliebenen ein nicht zu verachtendes Erbe in Form von Immobilien und Bargeld. Zur Freude der Boulevardpresse und der Gaffer erwies sich dieser Vorfall als ein noch viel blutigeres Spektakel als der Unfall in der Rathausstraße.
Auch Friedrich K. staunte nicht schlecht, als er Zeuge dessen wurde, was sich vor der Lidl-Filiale am Bäckerweg 4 abspielte. Gerade hatte er seine 9-Cent Plastiktüte, auf der Majestätisch der Rot-blaue Lidl Schriftzug prangerte, mit Waren im Wert von 12,54 Euro bepackt und war auf dem Weg zu seinem roten Opel Astra, (Baujahr 95, keine Ledersitze) als er versehentlich Elfriede F., eine 74-jährige Rentnerin aus Obereschenheim, umstieß. Dies allerdings ignorierte er und lenkte seine Aufmerksamkeit stattdessen auf den schnell herannahenden Jeep Wrangler, (Baujahr 92, mit Ledersitzen) dessen Blutbeschmierter Kuhfänger sich bereits bedrohlich nah an den Kopf der Rentnerin befand und diesen bereits wenige Sekundebruchteile später, sehr zum Leidwesen der Zuständigen Straßenreinigung, massiv verformte und dadurch eine ernstzunehmende Verschmutzung des Straßenbelags durch Blut und Hirnstücke verursachte. Innerhalb kürzester Zeit jedoch verschwand auch hier der Jeep, dessen Trip durch die Siedenbeckener Innenstadt bereits auf Sat1, Pro7, RTL und RTL2 live übertragen wurde, vom Ort, an dem er dem Sozial verträglichen Frühableben der Elfriede F. ein wenig auf die Sprünge half.
Ähnlich wie die meisten anderen Opfer des Jeep Wrangler, (Baujahr 92, mit Ledersitzen) hätte auch Dietmar F., der just an diesem Tage seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag feierte, sich wahrscheinlich eine andere Art des Ablebens gewünscht. Wirklich gefallen hätte ihm sein spektakulärer Zusammenprall mit dem inzwischen tiefroten Kuhfänger des Jeeps wohl nur, wenn er ein unbeteiligter Zeuge gewesen wäre, der diesem Blutbad, das den bisherigen Missgeschicken des Jeeps in Sachen Brutalität jedoch nicht das Wasser reichen konnte, beigewohnt hätte. Doch bedauerlicherweise beschränkte sich seine Rolle in diesem Schauspiel lediglich auf die des Opfers, dessen Rippen sich in diesem Moment in die Lungen bohrten und somit sein junges Leben beendeten. Das laute krachende Geräusch, dass das Bersten einiger anderer Knochen untermalte, schien den Eindruck einiger Gaffer, dass dieser Zusammenstoß äußerst schmerzhaft für zumindest einen der Beteiligten war, nur zu bestätigen.
Der andere direkte Beteiligte dieser Episode aus dem Leben des 27-jährigen Dietmar F. zog es unterdessen vor, seine Fahrt im Jeep Wrangler (Baujahr 92, mit Ledersitzen) fortzusetzen und sich seinem Ziel, dem örtlichen Finanzamt, weiterhin zu nähern. Leider musste diese Fahrt jedoch frühzeitig aufgrund einer Installation der Lokalen Stadtwerke, einer Straßenlaterne, beendet werden, da sich diese, kurz bevor der Wagen zum Stillstand kam, unmittelbar vor diesem befand. Einen kurzen Augenblick später wurde der Fahrer des Jeep Wranglers (Baujahr 92, mit Ledersitzen) zum vierten und letzten seiner Opfer.