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Vielleicht ist ja etwas für mich dabei?

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12.05.2003
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Vielleicht ist ja etwas für mich dabei?

Vielleicht ist ja etwas für mich dabei?

8. Mai, 2067

Liebes Tagebuch,

da Timmys Kater Rael am heutigen Tage genau eine Woche tot ist, kam dem Jungen heute Morgen eine entzückende Idee: Er bat mich, ihm doch ein neues Haustier zu kaufen. Mit strahlenden Augen schaute er mich an und hüpfte freudig durch das Zimmer, nachdem ich mich mit Maria besprochen und ihm dann eröffnet hatte, dass wir ihm tatsächlich noch heute ein neues Tier kaufen würden. Wer könnte seinem elfjährigen, prächtig gedeihenden Sohn einen solchen Wunsch abschlagen? Die Trauer um Rael war wie weggeblasen und sofort begann Timmy, die Möglichkeiten nach neuen Tieren durchzugehen: Fische wollte er nicht, weil die zu klein sind und die meiste Zeit im Wasser sein müssten, ein Pferd war ihm zu groß – was ich natürlich aufgrund unseres bescheidenen Gartens durchaus unterstützte – und mit ihm könnte er nicht anständig genug herumtollen und die neuen Spezialfähigkeiten ausprobieren. Die neuen Spezialfähigkeiten – Gott segne die Forschung – waren es dann auch, die Timmy eine Entscheidung treffen ließen. Er wollte nach einiger Zeit des Überlegens unbedingt einen Hund haben, und zwar einen der neuen Lasalle 4 Reihe. Ob das nicht ein bisschen übertrieben sei, fragte ich Timmy, aber er ließ sich – ganz der Papa – von seiner einmal in den Kopf gesetzten Meinung nicht abbringen. „Sie haben doch jetzt Supersinne, Papa, und man kann sich das Fell nach eigenem Wunsch zusammenstellen. Man kann aus über 250 Farben wählen und ein spezielles Muster kann man sich auch aussuchen."
Und so kam es, dass ich meine kleine Familie in den Van einlud und mit ihr am Nachmittag in die Monod-Straße fuhr, wo sie immer die neuesten Tiere im Lager haben. Timmys Wahl fiel dann ziemlich schnell auf Einstein, einen ganz jungen Schäferhund III. Er hatte als Spezialsinn ein überdimensional ausgeprägtes Gehör und konnte 1,5 Kilometer weit jedes einzelne Geräusch ausmachen. Zudem wurde seine Lautstärke beim Bellen hinabgesetzt, damit er nicht so einen lauten Radau macht wie seine Vorgänger. Außerdem dient dies natürlich als Schutz für den Hund, da er nämlich sonst, aufgrund seines überarbeiteten Gehörs, viel zu laut für sich selbst ist. Die Forscher denken wirklich an alles, um gute Tiere zu basteln. Einstein hatte ein geschmackvolles Hellgrün als Grundfarbe für das weitmaschige Caromuster, das Timmy sofort gefiel. Einsteins Brüder und Schwestern aus gleicher Herstellung hatten andere Farben, aber Timmy entschied sich spontan für die Farbgebung Einsteins. Den guten Geschmack muss er von seiner Mutter haben. Nun, vor etwa einer Stunde kamen wir zu Hause an und wie es aussieht, beginnt Einstein jetzt schon, sich einzuleben. Er hat noch nicht ein einziges Geräusch von sich gegeben und wedelt permanent mit seinen großen, gelblichen Ohren, was ich als Zeichen für Zufriedenheit deute. Vorhin sagte Timmy noch zu mir, er wolle auch, wenn er groß ist, Forscher werden und solche Tiere wie Einstein oder gar neue Menschenklassen entwickeln. Timmy ist ein guter Junge. Ich denke, wir haben mit Einstein einen vernünftigen Kauf gemacht und werden mit ihm glücklich zusammenleben.

12. September, 2074

Liebes Tagebuch,

jetzt ist Einstein bereits seit 2 Wochen tot und Timmy redet immer noch von ihm. Er scheint den Tod seines Hundes nicht so einfach wegzustecken. Ich kann ihn verstehen, schließlich war Einstein sein ein und alles, und für einen jungen Kerl wie Timmy ist es sicherlich kein allzu feiner Anblick, wenn dem geliebten Haustier das Trommelfell plötzlich herausfällt und das Tier vor seinen Augen verblutet. Nun, ich sehe das alles allerdings von einer etwas anderen Warte. Bis zu seinem Tode hat uns Einstein gute Dienste erwiesen und wir haben viel Freude an ihm gehabt. Zwar mussten wir oft zum Tierarzt, die Neon-Leuchtkraft des Fells überprüfen oder später auch seine Stimmbänder entfernen lassen, aber alles in allem war ich sehr zufrieden mit der Arbeit der Watsoncrick-Forscher an Einstein und ich denke, wir können dieses Thema jetzt abschließen. Der heutige Tag wird nämlich sicherlich für die Zukunft unserer Familie immer wichtig bleiben. Meine Frau und ich haben uns heute Morgen nach reiflicher Überlegung – schließlich sind wir vernünftige Leute – entschlossen, ein weiteres Kind zu erwerben. Da wir kein echtes mehr zeugen können – Maria leidet seit ihrer Operation an diesem schrecklichen Genitalscharlach – wir aber dennoch gerne noch ein weiteres Kind hätten und ich momentan aufgrund der Gehaltserhöhung über etwas mehr Geld verfüge, fiel uns die Entscheidung leicht. Zunächst wollten wir bei eChild ein Kind ersteigern, aber ziemlich schnell besannen wir uns dann doch eines Besseren und entschieden uns für die bewährte Qualität der Watsoncrick-Forscher. Selbstverständlich haben wir das Thema zuvor ausführlich mit Timmy besprochen und ihn gefragt, ob er Einwände gegen den Kauf eines Brüderchens oder Schwesterchens hege, aber er stimmte sofort zu. Ein weiterer Grund für den Erwerb ist natürlich, dass Timmy mittlerweile achtzehn ist und damit bald aus dem Haus. Seine Schule verläuft bestens und nach der Highschool wird er Humanimalbiogenetik studieren, wenn alles glatt läuft. Meinen Segen hat er. Nach dem Mittagessen also war es beschlossene Sache. Und wer sollte einem alterndem, unfruchtbarem Ehepaar einen weiteren, ehrlich gemeinten Kindeswunsch verwehren wollen? Also haben sich meine liebe Maria und ich uns an den Computer gesetzt und im Interweb die Seite von Watsoncrick aufgerufen. Sie haben ihren kompletten Katalog online! Wir konnten uns aufgrund der enorm großen Auswahl zunächst gar nicht einigen. Gott sei Dank bemerkten wir dann den individuellen Kindesmixer, bei dem man sich je nach ureigenen Vorstellungen einen entsprechenden Jungen oder ein entsprechendes Mädchen zusammenstellen konnte. Somit konnten wir die Vorstellungen Marias – dunkle Rehaugen und dunkle Haare – mit den meinigen Vorstellungen – große, kräftige Statur – vereinen. Watsoncrick macht einem das Bestellen im Interweb wirklich leicht, ich kann die Firma nur loben. Selbstverständlich interessierten wir uns nach den Grundeigenschaften des Kindes – wir entschieden uns für ein Mädchen, das wir gleich online Melissa tauften – auch für die Spezialfähigkeiten. Wir nahmen das volle Programm, schließlich sollte man bei seinen Kindern am wenigsten sparen, oder? Also wird Melissa besonders ausgeprägte Sinne haben, nie anfällig sein für Fettleibigkeit, Schwerhörigkeit oder Taubheit und generell auch von den allermeisten anderen Krankheiten vollkommen befreit bleiben. Wir ließen uns präkognitiv erstellte Bilder von Melissas zu erwartendem Aussehen in der Zukunft zeigen und waren verblüfft. Mit 16 wird Melissa bereits aussehen wie eine kleine Miss Intercontinental World. Ihr Busen wird sich schnell entwickeln und sie wird eine besonders weibliche Statur haben. Auch geistig wird unsere hübsche Tochter voll auf der Höhe sein und echte Kinder möglicherweise sogar übertreffen. Voller Freude füllten wir also die ausführliche, automatische Bestellroutine aus und wiesen den Computer an, die Bestellung abzuschicken. Ich küsste und umarmte Maria und wir beide saßen noch lange Zeit am Computer und ergötzten uns an den Bildern unserer wunderschönen, hoffentlich bald eintreffenden Tochter.

13. September, 2074

eMail vom Watsoncrick-Kundenservice
Betreff: Tod ihres Tieres

Sehr geehrter Herr Coppalla,

mit tiefster Trauer empfingen wir heute die automatisch generierte Nachricht vom Tode ihres bei uns erworbenen Tieres. Schockiert mussten wir feststellen, dass die Mindestgarantiezeit von acht Jahren nicht eingehalten wurde. Sofern Sie also ein weiteres Tier bei uns erwerben wollen, bekommen Sie es selbstverständlich umsonst im Rahmen der Kosten für ihren verstorbenen Hund. Gegen einen geringfügigen Aufpreis können Sie noch ein Extratier dazu wählen, wie beispielsweise unseren neuen Elektrohamster HX4.

Hochachtungsvoll,
Watsoncrick Serviceteam

19. September, 2074

Liebes Tagebuch,
heute war ein aufregender Tag. Maria und ich waren beide absolut aufgelöst, bis heute morgen um 9 Uhr endlich der Postmann kam und unser Paket brachte. Wir unterschrieben und nahmen das schwere, natürlich mit besonderen Sicherheitsvorkehrungen verpackte Paket an und öffneten es. Da war sie! Melissa sieht schon als Baby wie ein Engel aus. Maria war sichtlich überglücklich und auch Timmy war interessiert an seinem kleinen Schwesterchen. Wir verbrachten den ganzen Tag damit, Melissas kleines Zimmer einzurichten und es ihr bei uns so gemütlich wir nur möglich zu machen. Alles erinnerte Maria und mich an die Zeit, als Timmy klein war. Besonders freute mich, dass Maria, mit der ich nun schon seit über 20 Jahren verheiratet bin, wieder einmal so richtig glücklich war. Ich bin mir sicher, wir werden viel Freude an Melissa haben und sehe einer hoffnungsvollen Zukunft entgegen.

17. Januar, 2079

eMail vom Watsoncrick-Kundenservice
Betreff: Anteilnahme am Tod von Wunschkind Melissa

Sehr geehrte Familie Coppalla,

in dieser dunkelsten Stunde gilt unsere volle Anteilnahme nur Ihnen. Der tragische, unerwartete Tod ihres individuell zusammengestellten Kindes Melissa Coppalla geht auch an uns nicht spurlos vorüber. Erneut zeigt dieser entsetzliche Schicksalsschlag, dass auch wir nicht perfekt sind. Jedoch handelt es sich bei diesem Missgeschick moderner Forschungstechnik in gewisser Weise um einen Einzelfall, denn unsere Erfolgsquote bei der Generierung von Menschen beträgt immerhin 82%, vier Prozent mehr als noch vor zwei Jahren. Sollten Sie erneut ein Kind bei uns bestellen, so können Sie sich also so gut wie sicher sein, dass es dieses Mal besser klappt. Zudem bekommen Sie von uns einen Treuebonus von 100 $, den Sie für weitere Dienstleistungen unseres Betriebes nutzen können.

Hochachtungsvoll,
Watsoncrick Serviceteam

14. Februar, 2079

Liebes Tagebuch,

der anhaltend schlechte Zustand von Maria scheint kein Ende zu finden. Die schwere Depression, in die sie vor einigen Wochen nach dem unerwarteten, widerwärtigen Tod Melissas gefallen war, wirkt so, als spitze sie sich jeden Tag noch weiter zu. Beinah hätte sie ihren Schock, der auf den plötzlich einsetzenden, überschnellen Alterungsprozess unserer Tochter folgte, nicht überwunden. Als Melissa dann nach und nach immer kranker wurde, erblindete und schließlich erstickte…Meine arme Frau! Ich könnte jedes Mal heulen, wenn ich sie so flehentlich weinen sehe. Hinzu kommt, dass Maria zusehends verbittert. Timmy ist schon seit zwei Jahren aus dem Haus und sie scheint dies nicht zu verkraften, genauso wenig wie sie sich an ihr fortschreitendes Alter gewöhnen kann. Sie wirkt mir gegenüber zwar immer noch durchaus freundlich und liebevoll, aber ich weiß ganz genau, dass sie ihren alternden Körper – immerhin ist sie schon 54 Jahre – insgeheim hasst. Also machte ich ihr vor einigen Tagen einen Vorschlag. Ich erzählte ihr, dass ich lange gespart habe und dass ich es ihr ermöglichen würde, an dem Körpertransplant-Programm von Watsoncrick teilzunehmen. Ich wusste, dass sie es sich wünschte, da sie in der letzten Zeit schon viel darüber in den einschlägigen Fachzeitschriften gelesen hatte. Natürlich ist diese neue Methode in manchen Kreisen ein wenig umstritten, aber da Watsoncrick schon eine Vielzahl an Erfolgen verbuchen konnte, entschlossen wir uns dann, den Schritt zu gehen. Ich brachte Maria also ins Jeffreys-Krankenhaus und wir suchten uns im Wartezimmer einen entsprechenden, besonders schönen und gesunden Körper aus der ausliegenden Broschüre aus. Heute war es dann soweit: Ich konnte Maria aus dem Krankenhaus abholen.
Was für ein Anblick! Natürlich war es erst eine Umstellung, ihren gealterten Kopf auf einem so quietschfidelem, jungen Körper zu sehen, aber jetzt bin ich schon seit vier Stunden mit meiner neuen Maria zusammen und alles scheint bestens. Sie selbst ist überglücklich über die Operation, vor allem, da die Gyllenhaals sich dem gleichen Programm unterzogen haben und Maria nun nicht mehr älter aussieht als unsere Nachbarin. Und was für einen Körper sie hat! Ich war wie aus dem Häuschen und bin es immer noch. Ich muss mit einer leichten Verlegenheit zugeben, dass wir recht schnell, nachdem Maria aus dem Krankenhaus kam, die – nun, wie soll ich sagen – Funktionalität des Körpers genau prüften. Von wegen Genitalscharlach! Ich habe wieder richtige Freude an meiner Frau. Wir stehen wieder da, wo wir vor 30 Jahren waren, und sind ebenso glücklich. Vielleicht werden wir noch ein weiteres Kind zeugen. Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?

23. Juni, 2084

Liebes Tagebuch,

heute ist möglicherweise der schwärzeste Tag meines Lebens. Ich werde mich kurz fassen, um nicht in Selbstmitleid zu ertrinken, aber dennoch muss ich es loswerden. Meine geschätzte, wundervolle, von mir zeitlebens über alles geliebte Frau Maria ist heute morgen an Herzstillstand gestorben. Dieser Schicksalsschlag konnte überraschender für mich nicht kommen. Dabei waren die letzten Jahre, die ich mit ihr verbrachte, eventuell sogar die schönsten und glücklichsten unserer Ehe, ja unserer beider Leben. Was soll nun aus mir werden? Timmy habe ich natürlich direkt informiert, aber er kann frühestens in zwei Wochen hier sein, da er an einem wichtigen wissenschaftlichen Projekt arbeitet. Ich fühle mich so leer, ohne meine Frau. Aber ich bin ein zeitlebens ein Mann gewesen, der in die Zukunft blickt. Vielleicht sollte ich die Episode mit meiner lieben Frau als etwas Schönes aber Vergangenes ansehen und nach vorne blicken. Ich glaube, ich werde mich an den Computer setzen und ein wenig im Interweb stöbern.

Vielleicht ist ja etwas für mich dabei?

 

Hi tobbi,

zuerst ging mir der Tralalastil Deines Helden ganz schön auf die Nerven. Selbst, als ich schon gemerkt hatte, daß der wirklich gut zur Geschichte paßt. Aber dann verlor sich das, und ich hab sie gern zu Ende gelesen.
Den Originalitätspreis kannst Du mit der Idee zwar nicht gewinnen, aber es geht ja viel mehr um diesen komischen Helden, der sein Liebes Tagebuch Jahr für Jahr diesem naiv-sachlichen Zuversichtsterror füllt. Der es einfach nicht kapiert. Das hat was.

Es sind ein paar Rechtschreibfehler drin, aber ich bin so erkältet ... vielleicht schreibt sie Dir ein anderer Leser raus. :)

Gruß,
Makita.

 

Hey Tobbi,

trotz der Kürze ist mir deine "Briefgeschichte" schon fast zu lang. Und vom Inhalt her: ein ganz alter Hut. Zu viel "AI" drin, meiner Meinung nach; hättest das Kind nur noch Spinat kotzen lassen müssen ... ;)

Nö. Nicht so wirklich! :)

Der Dante

 

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