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Vielleicht ich, vielleicht nicht.
Vielleicht Ich, Vielleicht nicht
Na toll, dachte Hannah und blickte zu dem rot blinkendem Punkt vor ihr.
Als sie sich heute Morgen fröhlich mit einem Geschenk in der Hand auf den Weg gemacht hatte, wäre ihr nie in den Sinn gekommen in eine solche Situation zu geraten. Geburtstagskuchen, alberne Spiele die dennoch Tradition hatten und eventuell ein paar Interessante Begegnungen mit dem anderem Geschlecht, das waren die Dinge die sie mit der Geburtstagseinladung automatisch verknüpft hatte. Aber niemals hätte sie den Geburtstag ihrer besten Freundin mit solchen Qualen in Verbindung gebracht.
Schweiß perlte ihr von der Stirn und tropfte auf den Aluminiumboden ihres Gefängnisses.
Einatmen. Ausatmen. Das gehörte zum Test, das gehörte alles zu der Prüfung die sie ablegen musste. Verzweifelt und den Tränen nahe versuchte sie die Wände des Fahrstuhls etwas weiter auseinander zu drücken. Gleich würde er sich wieder in Bewegung setzten, die Tür würde aufgehen und sie würde ihrer Freundin für diesen bösen Scherz ein paar Minuten grollen ehe sie sich wieder vertrugen.
21, 22, 23
Nichts. Hannah wurde noch ein bisschen panischer und nestelte an ihrer Bluse um sie einen Knopf weiter zu öffnen. Langsam tastete sie in dem viel zu engen Raum nach dem Schalter auf dem ein Telefonhörer abgebildet war. Sie drückte ihn. Kurz darauf meldete sich eine männliche Stimme.
„Ja hallo? Hallo? Hören sie mich?“
„Ja hallo hier ist..ist...“ Ihre Stimme bebte so sehr, dass sie sich zusammenreißen musste ihren Namen richtig auszusprechen.
„hier ist Hannah Goldmann. Ich wollte nur mit dem Aufzug nach oben fahren und und ich fürchte meine Freundinnen haben sich einen Scherz daraus gemacht ihn anzuhalten, können Sie ihn vielleicht wieder in Gang bringen, bitte? Es ist wirklich schrecklich heiß hier drin.“
Die Stimme schwieg. Für ein paar Minuten dachte Hannah er hätte vielleicht aufgelegt angesichts eines solchen Mädchenstreiches. Doch als sie ein leises Tippen hörte beruhigte sie sich wieder.
„Können sie mir die Hausnummer sagen Hannah?“
„J..ja Enzianweg 33.“
Wieder tippen. Ein längeres Schweigen folgte. Der nächste Knopf öffnete sich.
Warum war es nur so schrecklich heiß hier drin....
Der Mann meldete sich wieder.
„Hannah deine Freundinnen haben sich keinen Scherz mit dir erlaubt. Es gibt in diesem Block schon lange ein kleines technisches Problem, ich schicke ihnen jemanden vorbei so in 30 Minuten dürfte sich das Problem behoben haben.“ Klicken.
Hatte er gerade 30 Minuten gesagt. 30 Minuten. In völligem Schockzustand sank Hannah zu Boden.
Sie saß hier fest....30 Minuten lang. Ihr Hals schnürte sich zu. Die Wände schienen noch ein bisschen näher zu kommen. 30 Minuten. Wenn du deine Angst besiegen willst musst du dich ihr stellen. Der Satz der sie überhaupt erst in dieses Dilemma gebracht hatte hallte immer wieder durch Ihre Gedanken. Eine Mutprobe ist nichts anderes als ein Weg deine Angst zu besiegen.
Das ist keine Mutprobe, dass ist die Hölle. Hannah sprang auf und versuchte irgendwie die Lucke über Ihr zu öffnen. Leider musste sie nur allzu schnell feststellen, dass sie zu klein war. Hilflos und panisch schaute sie sich um. Ich muss hier raus. Die Wände kamen immer näher, wenn sie es nicht schaffte hier heraus zu kommen würde sie den Verstand verlieren. Hannah durchwühle ihre Tasche auf der Suche nach irgendetwas, das auf magische Weise die Tür öffnen würde.
Doch sie fand nichts außer dem Lippenstift den sie ihrer Freundin schenken wollte, etwas Make-up, Taschentücher, ihr Haustürschlüssel, ein Apfel und ein Buch.
Verdammt, dachte sie bei sich. Da schleppt man so viel Zeug mit sich rum und wenn man mal wirklich in einer Notsituation ist bringt einem das gar nichts. Ruhelos ging sie in Ihrem Aluminiumgehäuse auf und ab. Einatmen. Ausatmen. Einatmen, Ausatmen.
Plötzlich viel sie über das Buch, das wie der Rest des Innenlebens ihrer Tasche auf dem Boden verstreut war.
„Vielleicht ich Vielleicht nicht.“
Ein schönes Buch. Hannah versuchte sich durch ihre Lieblingsgeschichte ablenken zu lassen und begann darüber zu philosophieren warum ihre geliebte Heldin es so einfach hatte ihre Ängste zu besiegen. Die kleine braunhaarige war gelernte Schauspielerin und sobald sie sich einer Angst gegenüber sah versuchte sie sich in eine ihrer Rollen zu versetzten. In eine die logischer weise keine Angst vor solchen Dingen hatte. Eine beneidenswerte Gabe...wenn Hannah doch nur auch.
Grübelnd beugte sie sich über das Buch und blickte die rot-angemalten Lippen des Charakters an.
Sorgfältig drehte sie das Buch um. Auf dem Klappentext war das Lieblingszitat von Denise in dicken großen Buchstaben abgedruckt. „Wenn du Angst hast und dich dafür hasst, dann sei jemand anderer. Tue etwas das nicht du bist und sei die Person die keine Angst hat sich zu stellen.“
Seufzend packte Hannah das Buch wieder in die Tasche, kurz darauf Griff sie nach dem Lippenstift um auch diesen wieder an seinen vorherigen Platz zu bringen. Kurz betrachtete sie die Farbe.
Ein helles Lila, wie lavendel schimmerte ihr entgegen. Hannah würde so etwas nie tragen, ihrer Freundin jedoch sah man sehr genau an welche ihre Lieblingsfarbe war.
„Wenn du Angst hast und dich dafür hasst, dann sei jemand anderer.“ Bevor Hannah wusste was sie tat öffnete sie die silberne Hülle des Lippenstiftes. Tue etwas das nicht du bist und sei die Person die keine Angst hat sich zu stellen. Ihre Freundin würde sich in so einer Situation nicht fürchten.
Sie würde das Beste aus der Situation machen und den anderen entgegen lächeln sobald die Türen sich wieder öffneten. In langsamen Zügen malte sie sich Ihre Herzförmigen Lippen nach.
Aus dem Spiegel über der Stange die eben noch kalt und bedrohlich nahe gewirkt hatte, blickte ihr nun eine lächelnde Version von ihr entgegen. Die violette Lippenfarbe sorgte für einen starken Kontrast so dass sie sich selbst fast nicht erkannt hätte. Ruhig betrachtete sie sich noch ein Weilchen ehe sie sich zu Boden setzte und ihr Buch zur Hand nahm.
Das rote Notfalllicht reichte gerade so um die schwarzen Buchstaben zu erkennen. Gelassen nahm sie das Lesezeichen in die Hand und begann sich nicht mehr um die engen Wände zu kümmern.
Als nach 30 Minuten die Fahrstuhlmelodie erklang und die Türen sich öffneten.
Fanden die Mädchen die gehetzt und besorgt vor dem Aufzug gewartet hatten, Hannah tief gebeugt über einen Roman. Zufrieden lächelnd mit einem violetten Ton auf ihren Lippen und einem abgeknabberten Apfelgehäuse zu ihren Füßen.