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Vielleicht doch lieber Alex

Kew

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26.05.2009
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Vielleicht doch lieber Alex

Durchs Zugfenster sah Kevin Novemberfelder. Erster Schnee bedeckte die Erde und die vereinzelten Bäume, die wie Funktürme im Niemandsland standen, trugen keine Blätter mehr. Vor Langeweile müde lehnte er seinen Kopf an die Scheibe. Er hatte Durst, aber nichts zu trinken. Er fuhr zu seiner Freundin.
Keine zwei Wochen, nachdem er Sara kennengelernt hatte, war Kevin zum Studieren in eine fremde Stadt gezogen. Seitdem hielten sie Kontakt über Skype und Telefon. Ihr verpixeltes Kamerabild war Kevin gegenwärtiger als die realen Treffen - eine Handvoll Sommernächte, lauwarm und sternenreich, leiser Sex bei offenem Fenster.
Ein Mädchen setzte sich neben Kevin. Sie trug Jeansjacke, Rock und Strumpfhosen. Ihre Haare erinnerten Kevin an ein Bild, das er auf Alex‘ Laptop, dem Mitbewohner seiner Freundin, gefunden hatte. Zwei Manga-Mädchen knieten nackt am Boden, ihre Fotzen trieften. Als Kevin Alex nach dem Bild fragte, gab es dieser als Arbeitsmaterial für ein Romanprojekt aus. Kevin spürte, dass er eine Erektion bekam. Um sich abzulenken, spielte er mit dem Gedanken, dem Mädchen in Jeansjacke den Fuß abzusägen. Er zog ihr Schuh und Socke aus. Mit einem Fuchsschwanz zeichnete er eine faserige Linie oberhalb des Knöchels. Blut tropfte vom Sägeblatt und färbte den Teppichboden glitschig schwarz. Zu Beginn ließ Kevin sich Zeit, damit die Säge nicht aus der Spur sprang, dann zog er durch wie sein Vater es ihm beigebracht hatte, gleichmäßig und nie auf Stich belastet.
Kevins Erregung ging zurück, das Bild der Manga-Mädchen trat beiseite, er dachte nicht mehr an Fuß und Säge. Vorm Fenster zog eine Überlandleitung vorbei. Kevin gähnte. Seine Gedanken hingen an Sara. Mit fünfundzwanzig war sie fast sechs Jahre älter als er. Er liebte sie dennoch, liebte ihre Füßen mit zierlichen Zehen und schwarz lackierten Nägeln, ihr Igelhaar, blond und aufgegelt. Wenn sie, träge vom Sex, auf seinem Schoß lag, zerzauste er die Stacheln.
„In Kürze erreichen wir …“ Die Zugansage zerschnitt Kevins Gedanken. Draußen verzweigten sich die Schienen. Eine S-Bahn fuhr gleich auf, wurde dann schneller und zog davon. Der Zug ruckte in den Weichen.
Das Mädchen verließ ihren Platz und verschwand Richtung Tür. Auch Kevin stand auf und wuchtete seinen Rucksack vom Gepäcknetz. Er reihte sich ein in die Schlange wartender Passagiere. Im Augenwinkel zog der Bahnsteig vorüber. Unruhe kam auf, Kevin spürte sie in Bauch und Kniekehlen. Er würde Sara wiedersehen. Der Zug bremste ab, die Gesichter vorm Fenster bekamen Kontur. Kevin sah eine Familie mit Kinderwagen. Die Kleine zappelte an der Hand der Mutter.
Der Zug hielt. Zischend öffneten sich die Türen. Die Schlange vor Kevin kroch Richtung Ausgang.

Auf dem Bahnsteig war die Luft nebelkalt. Wiedervereinte Familien und Paare standen dicht beisammen. Ihre Wangen glänzten vor Begeisterung. Dagegen wirkten die Gesichter der Einzelgänger, die mit ihrem Gepäck zum Bahnsteigende eilten, grau und übermüdet. Kevin suchte Sara in der Menge und fand sie nicht. Und die Zweifel kehrten wieder – vielleicht war sie nicht gekommen. Mit fliegendem Blick prüfte er die Menschen, während er den Bahnsteig abschritt. Seine Hosentasche pfiff zwei Töne, hoch und tief - auf seinem Handy stand: Willkommen daheim. Ich warte am Ende des Bahnsteigs. Er beschleunigte seine Schritte und fand sich albern dabei.
Sara lehnte an der Gleisabsperrung. Sie trug einen schwarzen Mantel, eine lila Strickmütze und Stiefel, die Kevin nicht mochte. Sie winkte und lächelte dabei und doch fehlte die kindliche Begeisterung, die Kevin von seiner Ex-Freundin kannte. Sie lief ihm nicht kreischend entgegen. Sie warf ihn mit ihrer Umarmung nicht aus dem Gleichgewicht. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt. „Hi. Wie war deine Fahrt?“
„Ganz gut. Ich …“
Sara schluckte die Worte mit einem Kuss, ihre Lippen weicher als seine, die rissig waren von der Kälte, und streichelte mit behandschuhten Fingern seine Wange. Die Wolle kratze auf der Haut.
„Was wolltest du sagen?“ Sie grinste ihn von unten her an.
„Ich …“ Der Satz war verloren. Um seine Verlegenheit zu überspielen, strich er eine widerspenstige Haarsträhne unter ihre Mütze zurück.
„Du bist echt süß, du lässt dich so leicht aus dem Konzept bringen.“ Sie griff ihm in den Schritt und Kevin, der eine Erektion bekam, kämpfte um Fassung.
„He. Nicht vor den Leuten.“ Er wandte den Kopf, ob jemand zusah, aber die Reisenden zogen weiter, mit Rucksäcken, Koffern, Taschen, mit Blick auf Fahrkarten und Wagenstandanzeigen. Unbehaglich fühlte er sich dennoch und beobachtet.
„Manchmal bin ich echt froh, kein Mann zu sein.“ Sie zog ihre Hand zurück. „Komm wir gehen.“

Auf dem Bahnhofsplatz verharrten Busse und Straßenbahnen im Regen. Ihre Scheinwerfer fingen die Tropfen aus der Dämmerung. Windböen wanderten von links nach rechts. Kevin fror an Hals und Händen.
„Scheißwetter.“ Sara duckte ihren Kopf zwischen die Schultern. „Eigentlich wollte ich mit dir zu Fuß gehen. Jetzt müssen wir fahren.“
Sie stiegen in eine der Straßenbahnen. Die Luft war muffig-warm und abgestanden. Die Gesichter der Fahrgäste wirkten müde. Sie setzten sich ans Zugende. Im Anschluss wartete eine zweite Straßenbahn, Kevin konnte den Fahrer sehen, ein Mann mit Schnurrbart und Sonnenbrille – es dauerte Sekunden, bis er benennen konnte, was seltsam daran war. „Ich lauf gerne im Herbst durch die Stadt“, fuhr Sara fort. „Wenn es schon kalt ist. Aber die Sonne scheint noch so kräftig, dass sie das Gesicht wärmt.“
Sie lispelte leicht, stieß mit der Zungenspitze zwischen den Zähnen hervor, wie immer, wenn sie von schönen Dingen sprach, die in der Zukunft lagen – eine der wenigen Eigenheiten, die Kevin an ihr kannte.
Die Straßenbahn fuhr an. Die Schienen wuchsen unter dem Zug hervor, zwei Fährten, denen Autos folgten, ihre Scheinwerfer verschwommenes Gelb und Xenon-Blau. An der Scheibe lief Regen herab.
„Vielleicht haben wir ja morgen mehr Glück.“
„Darauf kommt es doch nicht an.“
Sara suchte Kevins Mund und er schloss die Augen, tastete mit der Hand nach Hals und Wange. Unter seinen Fingern erwärmte sich ihre Haut. Er spürte ein Flattern von Glück im Bauch.
„Ich glaube wir sollten aufhören. Sonst stirbt der Alte noch vor Geilheit.“
Zwei Sitzreihen entfernt saß ein Mann um die sechzig. Mit nikotingelben Fingern drehte er seine Zeitung zu einem Rohr. Seine Augen, halb versunken in den Höhlen, fixierten Kevin und Sara. In ihrer Leblosigkeit erinnerten sie an bemalte Holzkugeln. Am liebsten wäre Kevin ausgestiegen.
„Nun werd doch nicht wieder rot.“ Sara schüttelte den Kopf und Kevin dachte an Erzieherinnen im Kindergarten und Kinder, die beschämt zu Boden sahen.
„Gern, wenn ich was dagegen machen könnte …“
„Du bist echt süß.“ Und sie fuhr mit den Fingern über seine Wange. „Wir müssen hier raus.“

Sie betraten die Wohnung mit regennassen Haaren, froh, ins Warme zu kommen. Kevin ließ seinen Rucksack fallen und schälte sich aus Jacke und Pullover – die WG schien überheizt zu sein und ein Prickeln überzog Gesicht und Hände.
„Da seid ihr ja.“ Aus der Küche kam Alex, 27 Jahre und ewiger Student. Er trug Cordhose, Strickpullover und einen Schal aus roter Wolle. Seine Nase war geschwollen und gerötet, die Haut unter den Nasenlöchern schuppte sich. Kevin war versucht ihm ein Taschentuch zu reichen.
„Du machst besser einen Spaziergang“, sagte Sara.
„Klar. Viel Spaß euch beiden.“ Alex lachte, was Kevin nicht gefiel, die Situation war ihm peinlich.
Während Alex Mantel und Schuhe anzog, stieß Sara die Tür zu ihrem Zimmer auf. Hier hingen Poster von New York und L.A, von London und Paris, und Stecknadel vermerkten alle Länder, die Sara besucht hatte, auf einer Weltkarte. Auf dem Regal reihten sich Unibücher und Filme, meist Liebeskomödien, die Kevin nicht mochte und dennoch gerne sah. Nach dem Abspann hatte er meist Sex mit Sara.
„He, worauf wartest du?“
Sara lag nackt auf dem Bett. Auf ihrem Venushügel stand ein Dreieck Schamhaar.
Kurz bevor er kam, stellte Kevin sich vor, seine Freundin zu erwürgen – mit beiden Händen schnürte er ihre Kehle ab und während sie ihm Gesicht und Brust zerkratzte, färbten sich ihre Wangen bläulich-rot. Das Blut geplatzter Kapillaren durchsetzte ihre Augen. Ihre Bewegungen verloren an Kraft, wurden träge und halbherzig. Am Ende zuckten noch die Beine.
Heiße Flüssigkeit lief durch seine Nase und tropfte auf Saras Hals. „Oh. Scheiße.“ Sie ging auf Abstand, kramte auf dem Nachttisch nach Taschentüchern. „Ich hol dir einen nassen Lappen.“ Die Nasenlöcher mit Papier verstopft, verharrte Kevin auf dem Bett. Am liebsten wäre er gegangen, um Sara nicht sehen zu müssen. Sie kam mit dem Lappen zurück. Kaltes Wasser lief seinen Rücken hinab und ließ ihn frösteln.
„Und? Besser?“
„Ja. Tut mir leid.“
Sie streichelte seine Wange, die Finger kalt vom Wasser „Endlich blutet mal der Mann.“ Lachend erhob sie sich vom Bett. Kevin fühlte sich unwohl, weil seine Freundin Witze riss. Trost wäre ihm lieber gewesen. „Ich geh duschen und mach was zu essen. Du bist soweit okay?“
Mit Kevins Nicken verließ sie das Zimmer. Den Kopf in den Nacken gelegt, saß er am Bettrand, über ihm die Zimmerdecke, weiß und fad, und in der Mitte die Papierkugel der Lampe. Der Wunsch, zu gehen, blieb konstant. Als das Nasenbluten nachließ, warf er die durchtränkten Taschentücher in den Müll und ging unter die Dusche. Mit dem Schweiß verschwand auch ein Teil seiner Scham, nach dem Abtrocknen fühlte er sich besser.
Sara stand am Herd und wendete Steaks in der Pfanne. Im Ofen glänzte Baguette honiggelb und auf dem Tisch stand Rohkost in Streifen geschnitten, dazu Jogurt-Dip mit Pfeffer. Beim Geruch des Essens merkte Kevin, dass er Hunger hatte. Sein Magen fühlte sich bodenlos an.
„Setzt dich schon mal. Das Fleisch ist gleich gar.“ Sie trug jetzt Jogginghose und Kapuzenpulli – Kleidung, die Kevin mit Momenten nach dem Sex verband, wenn Sara den Kopf auf seinen Bauch legte und von der Zukunft sprach, von Reisen nach Russland und Taiwan. Jetzt wäre es ihm lieber, sie trüge Top und Jeans. Er setzte sich an den Tisch und aß Karotten, bis das Fleisch fertig war.
Vorm Fenster war die Welt verschwunden, an ihre Stelle stand ein Spiegelbild – Kevin und Sara am Küchentisch, im Hintergrund Regale voll Nudeln, Reis und Mehl. Sie tranken Wein, billig und süß, und er spürte eine Schwummrigkeit im Kopf, die nicht vom Alkohol stammen konnte – vielleicht der Wunsch, betrunken zu sein. Die Reste des Abendessens standen bereits in der Spüle. Nur auf Alex wartete noch eine Portion
„Ist was?“ Sie fasste nach Kevins linker Hand. „Du bist total abwesend.“
„Nein, nichts.“
„Du machst dir wirklich Gedanken wegen vorhin?“ Er wusste nicht, ob sie belustigt klang oder wirklich erstaunt. Er schüttelte den Kopf. „Bist du süß. Mach dir doch deswegen keine Sorgen.“
Sie küsste seine Fingerkuppen, spielte mit der Zunge über die feinen Rillen, und Kevin hörte die Wohnungstür – Alex war zurück, polternd fielen seine Schuhe zu Boden. Kevin hatte den Eindruck, er wäre absichtlich laut.
Sara stand auf. „Du bist zu spät. Dein Essen ist kalt.“
Mit roten Wangen von der Kälte kam Alex in die Küche und setzte sich an den Tisch. „He, ich dachte, ihr braucht länger.“
Kevin spürte, dass ihm Blut ins Gesicht stieg, Wangen und Nasenflügeln prickelten. Er fürchtete, seine Nase könnte wieder bluten.
„Ist was?“
„Nein, nichts.“
Nach einem Seitenblick auf Sara, die abwinkte, ließ Alex das Thema fallen.

Durch leichten Nieselregen gingen sie zu einer Kneipe nahe der Isar. Gelbes Licht fiel durch die Fenster auf den Gehweg und ließ nassen Stein und Pfützen glänzen. Drinnen waren Studenten zu sehen, die Wangen heißgeredet, die Gestik ausladend und fröhlich. Vor der Tür drängte sich ein Rauchergrüppchen, ihre Zigaretten glommen zaghaft im Wind.
„Ist ja richtig was los.“ Alex klang begeistert. Kevin wäre lieber mit Sara allein gewesen.
Beim Eintreten schlug ihnen atemfeuchte Luft entgegen und der Lärm zu vieler Simultangespräche. Sie fanden einen Tisch nahe dem Tresen und bestellten Bier für alle. Kevin fiel auf, dass er der Jüngste war im Raum – keinen der Anwesenden schätzte er auf unter dreiundzwanzig. Die meisten Männer trugen Bärte, wie sie ihm so dicht nie wachsen würden und die Frauen hatte nichts gemein mit den Mädchen, die er aus der Schule kannte. „Ich bin mal kurz weg.“
Die Toiletten waren unerwartet sauber – kein Geruch nach Pisse oder Zigarettenrauch. Der Lärm der Gaststube war zu einem Hintergrundrausch gedämpft und beinahe angenehm. Nachdem er sich erleichtert hatte, wusch Kevin Hände und Gesicht und zupfte seinem Spiegelbild die Frisur zu Recht.
Kaum aus der Toilettentür getreten, hörte Kevin Saras Lachen. Sie schien Alex etwas zu erzählen, und beide lagen sie fast auf dem Tisch. Als Kevin sich setzte, verstummten sie.
„Was ist?“
„Nichts.“
„Kommt schon, was ist?“
„Es ist nichts, wirklich.“ Kevin fiel auf, dass Alex nicht ernst bleiben konnte – hinter vorgehaltener Hand stand er kurz vor einem Lachanfall, in seinen Augen standen Tränen.
„Was hast du ihm gesagt?“
„Lass gut sein, ja.“ Ihre Stimme klang besänftigend und ruhig, als spräche sie mit einem Pferd.
„Hast du ihm von vorhin erzählt?“
„Natürlich nicht. Können wir damit aufhören, okay?“ Sie küsste Kevin, der sich schlecht fühlte und ausgeschlossen.
„Was meinst du mit vorhin?“, fragte Alex.
„Jetzt fang nicht damit an“, erwiderte Sara und an Kevin gewandt: „Willst du eigentlich deine Eltern besuchen?“
„Eher nicht. Die wissen nicht mal, dass ich da bin. Hab ihnen nichts gesagt. Ich wollt die Zeit für uns zwei.“
„Wie romantisch.“
Kevin lachte verlegen – in Gedanken sägte er Alex Fuß und Hände ab.
„Nun hör schon auf, ihn zu ärgern.“
„Ich mach doch nichts.“
Kevin trank zu viel und als sie die Bar verließen, fühlte er sich körperlos wie ein Gespenst, das zwischen Tischen und Stühlen schwebte. Auf der Straße war der Regen zu Schnee geworden. Die Flocken brannten auf der Haut. Kevin stütze sich auf Saras Schulter. Autos kamen den Hügel herab, ihre Lichter hell wie Flak-Scheinwerfer, und er flüsterte Sara Zärtlichkeiten ins Ohr. Zwei Meter entfernt schwankte Alex nahe dem Straßenrand. Den Kopf in den Nacken gelegt, sang er unverständliches und Sara rief ihm zu, er solle vorsichtig sein. Kevin war glücklich. Er spürte die Wärme seiner Freundin durch den Handschuh.
Halbnackt fiel Kevin aufs Bett. Weit hinten in seinem Kopf spürte er die Erdrotation – das Haus kippte immerfort zu Seite weg und Kevin wusste nicht wie er im Bett bleiben sollte. Durch die Wand zu Alex Zimmer hörte er leise Musik. Es dauerte, bis ihm einfiel, warum Alex sich nicht einfach schlafen legte. Sara war noch im Bad. Kevin stellte sich vor, wie sie den Lippenstift abwusch, Lidschatten und Wimpertusche mit einem Wattebausch fortwischte. Er stand in ihrem Rücken, die Hände um ihre Hüften gelegt, ihren Geruch in der Nase, und küsste ihren Hals und ihre Schulter. Er schlief ein, bevor Sara ins Zimmer kam.

Beim Erwachen schien Sonnenlicht durch Kevins Lider - die Welt reduziert auf roten Samt und grün-gelbe Glanzlichter, auf das Gefühl von Wärme auf der Haut. Traumreste schwappten wie Flüssigkeit durch seinen Kopf. Er fühlte sich träge und schwer. Aus der Küche hörte er Saras Stimme. Er lauschte darauf und war so glücklich, als läge sie neben ihm, die Hand auf seiner Schulter. Er setzte sich auf. Er hatte Durst, aber keinen Kater. Die Sonne hing bereits über den Häusern und malte Reflexe auf Fenster und Dachziegel. Auf der Straße standen die Autos im Schatten, Raureif verklebte ihre Fenster.
Mit dem Bademantel seiner Freundin über den Schultern, betrat Kevin die Küche. Als er Sara und Alex am Küchentisch sah, fühlt er sich in einen Film versetzt: Beide trugen nur Boxer-Short und T-Shirt, Saras Brustwarzen zeichneten sich deutlich unterm Stoff ab. Ihr Haar war noch feucht vom Duschen – eigentlich mochte es Kevin, wenn ihre Haare dunkler waren als gewöhnlich und erst mit der Zeit ihre ursprüngliche Farbe zurückgewannen. Er liebte es auch, ihren Kopf zu streicheln, mit Wassertropfen zwischen den Fingern. Jetzt aber glich das Ganze einem Hollywood-Streifen – nach der Liebesnacht saß das Pärchen am Frühstückstisch und tauschte Zärtlichkeiten.
„Nah, du Langschläfer.“ Sara stand auf und gab Kevin einen Kuss. Wieder fiel auf, dass seine Lippen rissig waren. „Willst du Kaffee?“
„Danke, Wasser reicht.“
„Du weißt ja, wo du die Gläser findest.“
Es brauchte drei Gläser, um seinen Durst zu stillen. Durch seinen Kopf schwappte noch immer der Schlaf. Gerne hätte er Sara mit ins Bett genommen, um den Vormittag im Halbschlaf zu verbringen, um sie verträumt zu küssen und die Konturen ihrer Brüste nachzufahren.
„Sorry, dass ich euch keine Gesellschaft leisten kann.“ Sara wuschelte mit der Hand durch Kevins Haare und verließ die Küche. Als sie wieder kam, trug sie Jeans und Pullover. „Also bis nachher.“
Während er Rührei und Toast frühstückte, unterhielt sich Kevin mit Alex über die Uni, über Musik und Filme. Obwohl die Themen unverfänglich waren, fühlte er unwohl. Ähnlich war’s ihm beim Vater seiner Ex-Freundin ergangen – sie saßen damals auf dem Sofa , während Fußball im Fernsehen lief, und sprachen über Tina, und Kevin hatte das Gefühl, dass der Alte ihn zwar mochte, seine Tochter aber anders sah, als Kevin seine Freundin.
Später schaltete Alex den Fernseher ein. Sie sahen Arte und Zdf-Kultur – Dokus über den Regenwald und über Bands, die Kevin nicht kannte.
„Wie läuft’s eigentlich mit deinem Schreiben?“, fragte Kevin, um nicht zu schweigen.
„Gut, gut. Hab gerade was fertig. Kannst mal lesen, wenn du willst.“
„Klar.“
Alex stand auf und kam mit einem Stoß Papier zurück, zwei Büroklammern hielten die Seiten zusammen. „Soll ich den Fernseher derweil ausmachen?“
„Danke, geht schon.“
Die Geschichte erzählte aus dem Leben einer Frau. Sie war Bankkauffrau und schüchtern, mit 22 noch Jungfrau. Mehr erfuhr Kevin nicht über sie, denn im Fokus der Erzählung stand ihr Chef, ein Schönling sondergleichen und Liebhaber klassischer Musik – unfehlbar lief Chopin auf dem Teakholz-Plattenspieler, als die Angestellte in die Knie ging vor seinem Charme. Mit Finger, so zittrig, so aufgeregt, öffnete sie seine Hose und er stand souverän über ihr, auf dem Gesicht das Lächeln des Roués. Kevin fühlte sich an die Manga-Mädchen erinnert mit gespreizten Beinen und geschwollenen Brüsten, und an manche seiner Masturbations-Fantasien, wenn er mit seiner Lehrerin schlief oder der Kassiererin im Supermarkt.
„Hat’s dir gefallen?“
„Sind alle deine Geschichten so, nun, so explizit?“
„Ja. Hat mit den Verkaufsmöglichkeiten zu tun. Solche Sachen wird man am besten los. Die Leute wollen so was lesen. Meine Geschichte davor wurde in einer Anthologie veröffentlicht“
„Cool. Glückwunsch.“ Alex dankte mit einem Lächeln. „Spielt da eigentlich auch Eigeninteresse rein?“
„Wie meinst du das?“
„Nun ja, findest du es selbst toll über solche Sachen zu schreiben. Ich meine, erregt es dich?“
„Nein.“ Kevin überkam das Gefühl, sich verrannt zu haben. Eigentlich war die Sache als Scherz gedacht, aber Alex ging nicht darauf ein, Gesicht und Stimme blieben ernst.
Kevin sprach weiter: „Ich hab meinen 18. zu Hause gefeiert. Meine Eltern waren übers Wochenende auf einem Tennisturnier. Eigentlich hatte ich nur ein paar Freunde eingeladen. Aber natürlich hat jeder seinen Anhang mitgebracht. Am Ende war ich nur damit beschäftigt, mir Sorgen um die Einrichtung zu machen. Als ich durch den ersten Stock gehen, wollte schauen, ob alles in Ordnung ist, hör ich Stöhnen aus dem Schlafzimmer meiner Eltern. Ich dachte, da vögeln zwei. Ich mach also die Tür auf, um die beiden rauszuschmeißen. Aber da sitzt nur ein Kerl vorm Fernseher und zieht sich einen Porno rein. Ist auch gar nicht überrascht mich zu sehen oder peinlich berührt. Fragt nur, ob ich mit schauen wolle. Er erklärt mir dann auch, dass er das häufiger mache. Also Pornos kucken. Aber nicht, um zu masturbieren, sondern als Unterhaltung. So wie andere Leute Liebeskomödien sehen. Und fängt dann auch die Gemeinsamkeiten runter zu rattern. Dass es in beiden Fällen klar definierte Rollen gibt, dass nur ein Schema variiert wird. Und die ganze Zeit versichert er, dass ihn das ganze sexuelle überhaupt nicht erregt. Ist nur sein Zeitvertreib. Aber während er redet und redet, bekomm ich meinen Blick einfach nicht von dem Ständer in seiner Hose los. Sah aus wie ein Zirkuszelt.“
„Stört es dich, wenn ich umschalte?“, fragte Alex.
„Nein, nein.“
Danach gab es lange kein Gespräch. Kevin wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, gab sich aber die Schuld am Schweigen. Er hatte das Gefühl, mit Alex nicht klarzukommen. Der Sonnenschein wanderte durchs Zimmer. Später trafen sie Sara in der Stadt.

„Schlaf mir nicht wieder ein, ja?“
Mit einem Augenzwinkern verließ Sara ihr Zimmer. Kevin lag auf dem Bett und hörte Wasserrauschen im Badezimmer. Wangen und Ohren glühten vom Alkohol. Das Bild von Saras Gesicht, als das Blut auf ihren Körper tropfte, ging ihm nicht aus dem Kopf – ihre Mimik, eben noch von Lust beherrscht, gefror und sie schlug die Augen auf.
Im Bademantel betrat Sara das Zimmer.
„Du bist ja noch wach.“
„Dachtest du wirklich, ich würde wieder einschlafen.“
„Warum nicht?“
Kevin war verunsichert.
„Nun schau nicht so. Ich bin weder hässlich, noch ein Monster.“ Sie knipste das Licht aus. Im Dunkel hörte Kevin den Bademantel zu Boden gleiten. Der Körper seiner Freundin war ein Schattenriss gegen das Fenster. Er kniete sich hin und küsste ihre Lippen. Ihr Körper roch nach Bier und Moschus, ihr Mund schmeckte nach Zahnpasta.
Später lagen sie nebeneinander. Auf Kevins Körper trocknete der Schweiß, leichte Frostschauer liefen über Bauch und Arme. Er fühlte sich glücklich – alles war gut gegangen, vielleicht etwas schnell, aber ohne Nasenbluten.
„Bist du noch wach?“ Saras Stimme war ein Flüstern.
„Ja.“
„Kann ich dir was sagen?“
„Klar.“ Saras Zögern kam ihm seltsam vor. Er drehte sich auf die Seite, stützte den Kopf auf die Hand.
„Versteh das jetzt nicht falsch. Aber können wir beim Sex mal nicht was anders machen?“
„Was meinst du?“
„Naja, immer Missionarsstellung.“
„Findest du das langweilig?“
„Jetzt verstehst du es doch falsch.“
„Mach ich nicht.“
„Tut mir leid. Vergiss es, okay?“ Ihre Lippen streiften seinen Mund, ihre Finger streichelten seine Wange. „Schlaf gut. Ich liebe dich.“
Kevin lag noch lange wach und beobachtete das Mondlicht auf seiner Pilgerschaft durchs Zimmer.

Kevin schreckte aus dem Schlaf. Vorm Fenster glommen die Straßenlaternen neon-weiß und kalt. Ihm fror, Sara hatte seine Decke weggezogen. Halbaufgerichtet, das Kinn auf die Hand gestützt, betrachtete er ihr Gesicht. Selbst im Schlaf wirkte sie erwachsen. Ihr Haar umrahmte das Gesicht wie ein Dornenkranz. Von Verletzlichkeit keine Spur, Sara brauchte keinen Beschützter und niemanden, der ihr den Rücken stärkte.
Kevin wälzte sich aus dem Bett. Er ging duschen und saß, mit nassen Haaren und in Saras Bademantel gewickelt, vorm Fernseher, bis Alex aus seinem Zimmer kam. Dessen Gesicht war blass vom Schlaf, seine Frisur zerdrückt. Beim Gehen glich er einem Affen. „Schon wach?“ Und gähnte herzhaft. Kevin konnte Rachen und Zäpfchen sehen.
„Konnte nicht mehr schlafen.“
„Hat sie dir deine Decke geklaut? Du musst dich durchsetzten, musst Stärke beweisen. Nimm einfach, was dir gehört.“ Und er wankte ins Bad, während Kevin sitzen blieb und schlucken musste, dass Alex solche Dinge von Sara wusste. Vermutlich hatte er schon bei ihr geschlafen.
Zurück in der Küche, ein Handtuch um die Lenden gewickelt, fragte Alex: „Kommst du eigentlich mit zum Schwimmen?“
„Jo, klar.“
„Cool.“
Auf der Fahrt zum Schwimmbad sagte Sara kein Wort. Ihre Mütze ins Gesicht gezogen, die Arme verschränkt, verkroch sie sich in ihrem Sitz am Fenster. Hinter ihrem Kopf zogen Geschäftszeilen vorbei – gelbe Lichter, erste Kunden – und Kevin wusste nicht, ob er Schuld hatte an Saras Schweigen oder, ob seine Freundin ein Morgenmuffel war – sonst wachte er Stunden nach ihr auf, sie weckte ihn nie. Vielleicht lag’s auch am Wetter: Nebelschwanden befuhren wie Geisterautos die Straßen. Ihre Ränder leuchteten im Licht der Laternen. Von der Sonne sah Kevin nur den Wiederschein am Himmel, blass und grau.
Als sie das Schwimmbad betraten und die Welt hellblau wurde und ozongeschwängert, kehrte Saras Fröhlichkeit zurück – ein Lächeln teilte ihr Gesicht, sie lachte über einen Witz von Alex und verabschiedete sich vor den Umkleiden mit Kuss und Winken von Kevin. Er zog sich um, verschloss seine Sachen in einem der Schränke, duschte heiß und anhaltend.
Sara wartete vorm Schwimmbecken. Kevin hatte gedacht, sie würde im Bikini schwimmen, aber sie trug einen schwarzen Badeanzug, dazu Badekappe und Schwimmbrille. Auch Alex lief in Profiausrüstung auf und Kevin fühlte sich unpassend bekleidet mit seiner Bade-Shorts, die an Hawaii erinnerte und Surfer am Strand.
„Auf geht’s.“ Sara sprang vom Startblock, ihr Körper tauchte ohne Spritzen ins Wasser. Verschwommen schoss ihre Gestalt in der Tiefe vorwärts. Als sie auftauchte, zog sie mit ruhigen Armbewegungen davon. Alex sprang ihr nach.
Kevin ließ sich vom Beckenrand gleiten. Das Wasser war so kalt, dass er sich zum Atmen zwingen musste. Vor ihm lag eine freie Bahn und dahinter schwebte eine Uhr auf halber Hallenhöhe – ihr Sekundenzeiger kroch einen Viertelkreis und Kevin kraulte los. Bereits auf den ersten Meter versagte sein Atemrhythmus, er pumpte seine Lungen auf, bis er nicht mehr atmen konnte. Er hob den Kopf aus dem Wasser. Der Sekundenzeiger war fortgeschritten, die Bahn noch nicht zu Ende.
Zurück am Startblock gab Kevin auf. Er klammerte sich an den Beckenrand und hielt Ausschau nach Alex und Sara. Die Beiden zogen synchron durchs Wasser. Ihre Arme schnellten durch die Luft und stießen abwärts. Sie schwammen Bahn um Bahn.
„Hey, alles okay?“ Sara nahm ihre Schwimmbrille ab.
„Ja. Klar.“
„Wir schwimmen noch ein paar Runden. Wenn du willst, kannst du zum Whirlpool gehen. Wir kommen nach.“
Außerhalb des Beckens, Gänsehaut überzog Brust und Arme, fiel Kevin auf, wie leer das Schwimmbad war. Außer ihrer Dreiergruppe gab es nur ein Seniorenpaar, das träge seine Bahnen schwamm, und eine Mutter mit Kind im flachen Wasser – das Quieken der Kleinen füllte die Stille.
Im warmen Wasser schloss Kevin die Augen und die Müdigkeit schwappte in Wellen heran, sein Denken verlangsamte sich. Die Luftblasen fühlten sich kühl an auf der Haut.
„Hey, nicht schlafen.“ Alex und Sara setzten sich. Ihre atemlose Fröhlichkeit stach ab gegen Kevins Gefühl der Traurigkeit. Er verstand ihre Scherze nicht und ihre lachenden Gesichter erschienen ihm wie hinter Glas. Am liebsten wäre er gegangen. Und vielleicht würde Sara ihm folgen – ihre Finger, faltig vom Wasser, streichelten seine Wange und ihr Mund gab Worte wie Balsam: Ich liebe dich, Alex spielt keine Rolle.
„Was ist denn?“, fragte Sara. „Schlecht geschlafen?“
„Ach, nichts.“
Sie kamen in die Wohnung zurück, als die Sonne bereits gesunken war. Auf der Straße glühte erste Weihnachtsdeko. Sara war aufgekratzt, sie hatte getrunken - weit mehr als Kevin, dem heute weder Bier noch Cocktails schmeckten. Sie hing an seinem Arm und flüsterte ihm Schlafzimmerversprechen ins Ohr.
„Tut mir leid. Ich hab Kopfschmerzen.“
„Oh.“ Kurz huschte Enttäuschung über ihr Gesicht. „Soll ich dir etwas bringen? Willst du eine Aspirin?“
„Ich denke Schlaf ist am besten.“
Sara zog sich ihren Pyjama an, ein erwachsenes Modell in schwarz und grau, während Kevin sich im Bett verkroch. „Stört es dich, wenn ich noch lese?“
„Mach nur.“
„Gute Nacht dir und gute Besserung.“
Kevin drehte Sara den Rücken zu und sie las beim Licht der Nachttischlampe ein Buch, von dem er sicher war, dass er es nicht verstehen würde.

Als Kevin die Küche betrat – er hatte wieder lang geschlafen und fühlte sich müde und zerschlagen – saß Sara allein am Küchentisch, ein Lächeln im Gesicht, die Haare zu Stacheln frisiert.
„Morgen Langschläfer. Alex ist bereits los. Möchtest du Rührei.“ Sie klang so fröhlich, so bereit für den Tag. Er sah ihr ins Gesicht – das kleine Grübchen unterm Mund, die Nasenspitze, die eine Spur nach oben zeigte – und spürte die Distanz – 1 Meter Luftlinie, 6 Jahre Abstand und unendlich viele Kleinigkeiten: Sara mochte Sushi, Kevin nicht.
„Hey. Was wollen wir heute machen? Hast du Lust auf Kekse backen?“
„Tut mir leid, ich kann nicht.“
„Immer noch Kopfschmerzen?“
Kevin schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht.“ Auf ihrem Gesicht stand Überraschung geschrieben. „Ich fahr heute zu meinen Eltern. Ich finde es doch komisch, hier zu sein, und nicht mal kurz hallo zu sagen. Heut Abend bin ich wieder da.“
„Okay.“ Sara sah unglücklich aus. Kevin glaubte, sie wolle noch etwas sagen.
Das restliche Frühstück verlief in gedrückter Stimmung und Kevin unternahm keinen Versuch, etwas daran zu ändern. Sara wirkte nachdenklich und sprachlos, sie fixierte einen Punkt links von Kevins Kopf. Vorm Fenster schien die Sonne, Regen wäre Kevin lieber gewesen. So waren zu viele Menschen auf der Straße, als er die Wohnung verließ.
Mit der Straßenbahn fuhr er Richtung Innenstadt. Er betrat ein Café - rosa Wände, Stühle aus gehobenem Kunststoff - bestellte Tee und wartete, dass die Zeit verging. Seine Gedanken hingen an Sara. Der Tee, den eine Kellnerin mit roter Schürze und kleine Silberohrringen brachte, schmeckte fad. Nach zwei Schlucken ließ er ihn stehen. Die ersten Vormittage in Saras Wohnung kamen wieder – damals war Sommer gewesen und sie hatte bei offenem Fenster im Bett gesessen und die Menschen auf der Straße gehört und Sara lehnte den Kopf an seine Schulter und malte Figuren auf seine Brust, ihr Haar glänzte golden und Kevin küsste ihre Stirn.
Es wurde Nachmittag und die Sonne näherte sich den Giebeln der Häuser. Jeder Platz im Café war besetzt. Touristen, Familien, alte Ehepaare und Freunde vernichteten Kuchen, Törtchen und Sandgepäck; ihre Lippen schlürften Kaffee, Tee und Wasser. Die fremden Stimmen gingen Kevin auf die Nerven, aber er wollte nicht alleine sein.
Als er das Café verließ, schrieb er Sara eine Sms, dass er heute bei seinen Eltern schlief. Anschließend suchte er ein Hotel seiner Preisklasse.

Sein Handy klingelte und Kevin dachte, es sei Sara und wollte nicht abnehmen. Aber die Nummer des Anrufers war unbekannt.
„Kevin?“ Am Telefon klang Alex Stimme fremd und Kevin brauchte Zeit, um zu begreifen, wen er in der Leitung hatte. Er überlegte wieder aufzulegen.
„Ja.“
„Kannst du in einer halben Stunde am Hauptbahnhof sein?“
„Ja.“
„Ich warte bei den Straßenbahnen.“
Kevin erreichte den Bahnhof vor der Zeit und verbrachte zehn Minuten in einem Zeitungsladen, umgeben von Reisenden, die Koffer und Kinder mit sich zogen, ihre Gesichter genervt oder ausdruckslos, ihre Stimme zu viele, zu laut – und er wünschte allen den Tod. Die Vorstellung, über Bahnsteige voller Leichen zu wandeln, über Blut und Knochenmark, entlockte Kevin ein schiefes Lächeln.
Auch Alex kam zu früh. Vermummt mit Schal und Kapuze, winkte er Kevin. Durch leichten Schneefall gingen sie in ein nahes Café, wo Romantik-Kitsch an den Wänden hing und die Kellnerin ein grünes Hemd trug zur braunen Schürze. Alex bestellte einen Latte Macciatto, Kevin Tee.
„Sag mal, was ist eigentlich los mit dir?“
„Nichts.“
Dass Alex den Kopf schüttelte, erinnerte Kevin an Sara.
„Hallo? Sie ist total fertig. Sie liegt auf dem Bett und heult. Jetzt schau nicht so überrascht.“ Kevin fühlte sich seltsam bei der Vorstellung, dass Sara seinetwegen weinte – er hatte sie noch nie weinen sehen und so drängten Filmsequenzen in sein Bewusstsein, einsame Tränen auf kalkweißer Wange, Heulkrämpfe und gerötete Augen, stumme Schreie, in den Armen das tote Kind. „Also, was ist los?“
„Habt ihr beiden was miteinander?“ Die Frage war so einfach.
„Was? Das ist dein Problem?“ Alex lachte so laut, dass Gäste von den anderen Tischen herübersahen. Kevin war peinlich berührt. „Entschuldigung, aber das ist totaler Schwachsinn.“
„Naja. Ihr, ich mein, du weißt fast alles von ihr.“
„Dafür muss ich sie doch nicht ficken. Du schläft schließlich mit ihr und weißt fast nichts.“ Alex blieb beim Kopfschütteln und Kevin fühlte sich dümmer denn je. „Eigentlich finde ich dich ganz nett. Aber manchmal kannst du echt ein Arschloch sein. Du hast nicht überrissen, wie Beziehungen laufen.“
„Tut mir leid.“
„Du hast es immer noch nicht kapiert. Du sollt dich nicht bei mir entschuldigen, sondern bei ihr.“ Kevin nickte, wieder fühlte er sich klein – ein Neuling, der nicht wusste wie der Hase lief und am Ende ohne Essen blieb. „Und noch was. Dass sie dir das mit dem Sex gesagt hat, heißt, dass sie dir vertraut. Denk mal drüber nach. Und jetzt hau ab.“
Die Sonne war bereits hinter die Häuser getaucht, nur ihr Widerschein erhellte noch den Himmel. Im Süden stand eine Wolkenbank, krebsrot und schwanger. Die Autos stockten im Feierabendverkehr, die Straßenbahnen quollen über von Menschen. Kevin lief über Bürgersteige, auf denen bereits der erste Streusplitt lag. Seine Wangen brannten. Vor dem Portal einer Kirche saß ein Obdachloser mit seinem Hund. Der Atem des Mannes kroch in Wolken aufwärts.
Kevin stand vor Saras Wohnung. Im Treppenhaus roch die Luft nach feuchter Tapete und Katzenfutter. Die Zeit verging. Er klingelte.

Lidschatten hatte Saras Tränen in schwarzen Linien festgehalten. Ihre Augen wirkten entzündet. Sie lächelte zaghaft, als suche sie alte Erinnerungen und Kevin fühlte sich schuldig. „Es tut mir leid.“
Sie ging voran in ihr Zimmer. Die Vorhänge waren zugezogen, das Licht gelöscht – Schatten hockten auf Schreibtisch und Schrank. Die Luft roch verbraucht. Kevin setzte sich neben Sara aufs Bett. Ihr Blick verlor sich im Raum. Ihre Haare waren zerzaust wie nach unruhigem Schlaf. Zögernd berührte er ihre Schulter. Die Nervosität in Bauch und Knien erinnerte an die Unsicherheit der ersten Nacht. Auch damals war es Dunkel gewesen und er öffnete Knopf für Knopf ihre Blue, streifte ihre Hot-Pants ab. Wie ein Pin-Up-Girl lag sie auf dem Lacken, das Becken seitlich gedreht, dass ihre Scham verborgen blieb und ein Lächeln auf dem Gesicht – sie wusste um ihre Wirkung.
„Ich versteh dich nicht.“ Sara Stimme klang erstickt, als wäre sie nicht sicher, ob sie sprechen sollte. „Warum bist du weg?“
„Ich dachte Alex passt viel besser zu dir.“
„Ach, du Idiot.“ Sie weinte wieder – ihre Tränen waren die einer Sechszehnjährigen. Kevin nahm sie in den Arm und streichelte ihr Haar. Diesmal klebte kein Haarspray daran. Die Strähnen waren weich und seidig.
„Es tut mir leid.“
Schließlich wurde ihr Atem ruhiger und Kevin lauschte mit geschlossenen Augen auf das Ticken des Weckers und die Autos auf der Straße. Zum ersten Mal fiel ihm auf, wie vertraut Saras Zimmer roch, nach Yasmin und den Räucherkegeln, die sie manchmal aus Langweile abbrannte.
„Ich mach uns mal Tee.“
„Die Tassen …“
„Ich weiß.“
Vorm Fenster war es Nacht geworden. In der Küche schaltete Kevin das Licht an und setzte Wasser auf. Als dünner Strahl schoss Dampf aus der Tülle des Wasserkochers. Kevin goss die Teebeutel auf und kehrte zu Sara zurück. Sie hatte die Nachttischlampe angeknipst. Im gelben Licht wirkte der verwischte Lidschatten grotesk. Aber ihre Augen blickten nicht mehr traurig.
„Danke.“ Ihr Lächeln wurde kräftiger und sie blies mit gespitzten Lippen über den Tee – Wellen wanderten zum Tassenrand.
Kevin trank in kurzen Schlucken und der Tee kroch kochend die Speiseröhre hinab und wärmte von innen. Dagegen ließ Sara sich Zeit, sie hielt ihre Tasse noch in der Hand, als Kevin seinen ersten Kuss wagte, auf die Wange gehaucht, die Lippen berührten kaum ihre Haut. Die letzte Anspannung wich aus Saras Körper, ihre Schultern sackten herab, er dachte, sie würde wieder weinen, aber sie stellte ihre Tasse beiseite und suchte mit der Zunge seinen Mund, mit den Fingern sein Gesicht. Zaghaft wie beim ersten Mal fuhren Kevins Hände unter Pulli und T-Shirt, trennten voneinander Stoff und Haut – ihre Wärme, ihre Weichheit, ihre Brüste, die keine Halbkugeln waren, die Knospen steif und glänzend.
„Was möchtest du ausprobieren?“ Die Frage in ihr Ohr gehaucht und Kevin wusste, dass sie lächelte.
„Du darfst nicht lachen.“
„Mach ich nicht.“
„Das kannst du vorher gar nicht sagen.“ Sie biss ihn zärtlich in die Schulter.
„Also?“
„Kannst du in mein Ohr ejakulieren?“
„Wirklich?“
„Ja. Findest du das komisch?“
„Klar.“ Kevin grinste. „Aber was macht das schon.“
Kurz bevor er kam, verließ Kevin ihren Körper. Sara hatte den Kopf zur Seite gedreht und die Augen geschlossen. Schweiß glänzte auf Hals und Ohrmuschel. Dass Gefühl etwas Seltsames zu tun, überkam Kevin in Wellen. Er ejakulierte und füllte Saras Gehörgang mit Sperma.
Während Kevin auf dem Rücken lag, sein Herz schlug in Hals und Schläfen, stand Sara auf und verließ das Zimmer. Sie hielt den Kopf zur Seite geneigt und presste eine Hand auf ihr Ohr. Kevin fühlte sich leer, seine Gedanken schwiegen.
Frisch geduscht und im Bademantel kehrte Sara wieder. Kevin setzte sich auf. „Und wie war’s?“
„Nicht so toll. Ich hab immer noch das Gefühl, mein Ohr ist total verklebt.“
Kevin lachte. „Aber es hat sich gelohnt?“
„Natürlich. Und jetzt geh duschen, du stinkst.“

Wieder saß Kevin im Zug. Regen querte die Fensterscheibe in Diagonalen, die Landschaft dahinter erschien wie durch Milchglas betrachtet – Felder und Bauernhöfe nur fließende Flächen, Wälder wie aus dem Malkasten getuscht, braun, grau und schwarz. Die Flügel von Windrädern kraulten durch die Wolken.
Neben Kevin saß ein Mädchen. Ihr Haar war blond, ihr Rock zeigte viel Wollstrumpfhose. Sie hörte Musik über Kopfhörer, Kevin konnte das Schlagzeug und die Gitarren unterscheiden, manchmal sogar die Stimme des Sängers.
Das Gefühl, dass Sara mit jeder Minute weiter zurückfiel, nagte an Kevin. Er dachte an den Abschied – sie mit Tränen in den Augen und er um Worte verlegen, die Kehle trocken und abgeschnürt, und die Reisenden eilten vorüber, hunderte Menschen, die Familie und Freunde verließen, und Kevin fühlte sich den Fremden seltsam nah.
Sein Handy vibrierte zweimal – auf dem Bildschirm Saras Nachricht.

 

Hallo Kew!

Ich steige mal hier ein:

Ihr Haar umrahmte das Gesicht wie ein Dornenkranz. Von Verletzlichkeit keine Spur, Sara brauchte keinen Beschützter und niemanden, der ihr den Rücken stärkte.

Es überrascht ja, bei so modernen jungen Menschen so etwas Altmodisches wie ein Symbol aus der Bibel, die Dornenkrone, zu finden! Auf den ersten Blick passt es nicht in deinen Text, aber nur auf den ersten Blick!

Die Dornenkrone, die Christus von den römischen Soldaten aufgesetzt wird, ist ein Symbol der Verspottung. Man hat ihn zum Hohn zum König der Juden gekrönt. Aber in Wirklichkeit ist er kein König, sondern ein armer Kerl, ein Opfer, das zur Hinrichtung geführt wird. Dieses Motiv der Verhöhnung passt gut in deine Geschichte, da Kevin ja Minderwertigkeitsgefühle hat und sich von Sara und Alex verspottet fühlt - Kevin mit der Dornenkrone.

Nun trägt in seiner Fantasie aber nicht er selbst diese Spottkrone, sondern Sara, was man so erklären könnte: Er will den Spieß umdrehen: Nicht er, sondern Sara soll, wenn es nach ihm ginge, die Verhöhnte sein und leiden.

Zum Symbol des Dornenkranzes gehört natürlich auch, dass seine Dornen den "Gekrönten" verletzen, so dass er blutet. Hier sehe ich einen Zusammenhang mit Saras Igelhaar, eine Vorstellung, die ja nicht gerade sehr idyllisch und romantisch ist - denn Aufgabe der Stacheln eines Igels ist ja, zu verletzen - sie symbolisieren, dass Kevin durch Sara verletzt, und zwar in übertragenem, psychischen Sinne verletzt, also in seiner Männlichkeit gekränkt wird.

Christus, den die Dornen ritzen, ist ein blutiges Opfer - so fühlt sich auch Kevin, der im entscheidenen Moment aus der Nase blutet. Wieder würde er gerne den Spieß umdrehen und dem Mädchen, das sich im Zug neben ihn setzt und in seinem Unterbewusstsein Sara vertritt, den Fuß abschneiden, also ihr eine blutige Verletzung zufügen - wie die Dornenkrone als Symbol organisch in deine Geschichte eingewebt ist, gefällt mir.

Gerne gelesen
gerthans

 

Hallo Kew,

ich mag sehr gerne wie du schreibst. Ich habe auch die beiden Versionen von "Spiel ein Spiel mit mir gelesen". Die haben mir auch gefallen und ich wollte eigentlich immer was dazu schreiben, aber dann ... Diese Geschichte gefaellt mir dann aber im Vergleich doch deutlich besser. Bei den anderen hatte ich das Gefuehl, dass Du ein recht abstraktes Konzept im Kopf hattest, das Du beleuchten wolltest. Hier wirkt der Text auf mich etwas weniger durchkonstruiert und verkopft, irgendwie organischer und mueheloser. Da konnte ich mich einfach mit Deinen Beschreibungen treiben lassen. Und Du beschreibst so schoen, auch scheinbar Unspektakulaeres wie Atemprobleme beim Schwimmen, oder wenn sich das Bett dreht, weil man betrunken ist, so dass es mir ganz wichtige und eindrueckliche Szenen werden (natuerlich auch die typisch kew'schen Regendiagonalen auf Fensterscheibe). Ich koennte viele schoene Saetze rauspicken, aber das Besondere an Deinem Schreiben ist fuer mich, dass Du Deinen Text eben nicht mit einzelnen stilistischen Perlen verzierst, wo dann jeder sagt "Boah, was fuer'n starker Satz", sondern dass Du Liebe und Sorgfalt in jeden einzelnen Satz (obwohl hier und da mal ein Wort fehlt), schoene Details in jede einzelne Beobachtung steckst. Das finde ich eigentlich viel besser, weil man den Stil geniesst, ohne dasss er sich eitel in den Vordergrund draengt, weil der Text fliesst, statt in starke Einzelsaetze zu zerfallen.
Also schoen fand ich es zu lesen, aber auch spannend, weil ja die ganze Zeit unterirdischer Konflikt brodelt und weil dieser Kevin echt mal creepy ist mit seinen Splatterphantasien. Ich dachte echt, gleich zerlegt er alles mit ner Axt. Der Showdown mit Alex, wenn man es mal so nennen moechte, ist da natuerlich recht antiklimaktisch. Vielleicht geht es auch Leuten so, die meine Texte lesen und sich um den Ausbruch des lange gekoechelten Konflikts betrogen sehen. Also ueberhaupt dieses "schwuler Freund" und "kein Sex", war mir etwas seltsam. Ich kann mir keinen echten Typen vorstellen, der so ein Gespraech fuehrt, so von sich selbst spricht. Waerst Du jetzt eine Autorin, wuerde man Dir eventuell mangelnde Maennerseelenkenntnis unterstellen ;)
Das echte Ende fand ich wiederum gut. Das hab ich so als deprimierende Erkenntnis gelesen, dass das was zwischen ihnen steht ohnehin niemals Alex war, sondern Inkompatibilitaet miteinander, so reizvoll es anfangs auch fuer beide ist. Den Sex hast Du da auch gut reingekriegt - diese Ohrszene, das ist wirklich frustrierend.

Doch, fand ich sehr schoen.

lg,
fiz

 

Hallo gerthans,

eine coole Interpretation hast du da. Für mich hat ich die Dornenkrone vor allem drin, weil es Sara etwas hartes gibt, etwas, das eben nicht niedlich ist oder romantisch. Aber was du hast, geht ja viel tiefer.

Die Dornenkrone, die Christus von den römischen Soldaten aufgesetzt wird, ist ein Symbol der Verspottung. Man hat ihn zum Hohn zum König der Juden gekrönt. Aber in Wirklichkeit ist er kein König, sondern ein armer Kerl, ein Opfer, das zur Hinrichtung geführt wird. Dieses Motiv der Verhöhnung passt gut in deine Geschichte, da Kevin ja Minderwertigkeitsgefühle hat und sich von Sara und Alex verspottet fühlt - Kevin mit der Dornenkrone.
Ja, er fühlt sich da ausgeschlossenen, weil er da in eine "Beziehung" reinkommt, die schon ewig besteht. Alex und Sara kennen sich so gut, dass bei ihnen teilweise eine Nähe drin ist, die über die von Kevin und Sara hinaus geht und das trifft ihn halt.

Nun trägt in seiner Fantasie aber nicht er selbst diese Spottkrone, sondern Sara, was man so erklären könnte: Er will den Spieß umdrehen: Nicht er, sondern Sara soll, wenn es nach ihm ginge, die Verhöhnte sein und leiden.
Das war jetzt nicht ganz meine Intention. Für mich interpretiert Kevin einfach die Beziehung zwischen Alex und Sara falsch und ist dann froh, dass dem nicht so ist.
Aber: Mit dieser Sicht kann ich auch sehr gut lesen. Ich will nicht vorschreiben, was der Leser zu sehen hat. Ist generell so, dass meine eigene Textwahrnehmung fast nie mit der der Leser übereinstimmt. Solange der Text funktioniert, bin ich glücklich.

er sehe ich einen Zusammenhang mit Saras Igelhaar, eine Vorstellung, die ja nicht gerade sehr idyllisch und romantisch ist - denn Aufgabe der Stacheln eines Igels ist ja, zu verletzen - sie symbolisieren, dass Kevin durch Sara verletzt, und zwar in übertragenem, psychischen Sinne verletzt, also in seiner Männlichkeit gekränkt wird.
Ja, die Haare wollte ich genau dafür. Also sie sollten halt zu diesem Erwachsenen, Eigenständigen gehören, dass Kevin überfordert, er hätte lieber eine Freundin, "über" der er steht.

wie die Dornenkrone als Symbol organisch in deine Geschichte eingewebt ist, gefällt mir.
Freut mich

Und danke fürs lesen und kommentieren.

@feirefiz
Deinen Kommentar kann ich mir ja ausdrucken und an die Wand hängen :).

Diese Geschichte gefaellt mir dann aber im Vergleich doch deutlich besser. Bei den anderen hatte ich das Gefuehl, dass Du ein recht abstraktes Konzept im Kopf hattest, das Du beleuchten wolltest. Hier wirkt der Text auf mich etwas weniger durchkonstruiert und verkopft, irgendwie organischer und mueheloser.
Das ist mir echt das wichtigste. Also dass es einen Fortschritt gibt. Das motiviert mich jedesmal. Und ja, ist weniger theoretisch. Bin da eigentlich nur von zwei, drei konkreten Bildern ausgegangen.

Da konnte ich mich einfach mit Deinen Beschreibungen treiben lassen. Und Du beschreibst so schoen, auch scheinbar Unspektakulaeres wie Atemprobleme beim Schwimmen, oder wenn sich das Bett dreht, weil man betrunken ist, so dass es mir ganz wichtige und eindrueckliche Szenen werden (natuerlich auch die typisch kew'schen Regendiagonalen auf Fensterscheibe).
Das ist auch schön. Ist eine Sache, dir mir viel Wert ist, also so einzelne Details, die was her machen. Die dann insgesamt eine Stimmung erzeugen, einen stimmigen Text. Ich hab das mal bei Nabokov bemerkt und versuch das seit dem ein wenig nachzuahmen.
Und ja die Regenstreifen. Mein Bildvorrat ist leider nicht ungebrenzt. Umso schöner, wenn's quasi ein Markenzeichen wird. :)

Ich koennte viele schoene Saetze rauspicken, aber das Besondere an Deinem Schreiben ist fuer mich, dass Du Deinen Text eben nicht mit einzelnen stilistischen Perlen verzierst, wo dann jeder sagt "Boah, was fuer'n starker Satz", sondern dass Du Liebe und Sorgfalt in jeden einzelnen Satz (obwohl hier und da mal ein Wort fehlt), schoene Details in jede einzelne Beobachtung steckst. Das finde ich eigentlich viel besser, weil man den Stil geniesst, ohne dasss er sich eitel in den Vordergrund draengt, weil der Text fliesst, statt in starke Einzelsaetze zu zerfallen.
Was soll ich sagen? Ist wieder so ein Schulterklopfen, hast alles gut gemacht. :). Freut mich natürlich.

Also schoen fand ich es zu lesen, aber auch spannend, weil ja die ganze Zeit unterirdischer Konflikt brodelt und weil dieser Kevin echt mal creepy ist mit seinen Splatterphantasien. Ich dachte echt, gleich zerlegt er alles mit ner Axt. Der Showdown mit Alex, wenn man es mal so nennen moechte, ist da natuerlich recht antiklimaktisch. Vielleicht geht es auch Leuten so, die meine Texte lesen und sich um den Ausbruch des lange gekoechelten Konflikts betrogen sehen. Also ueberhaupt dieses "schwuler Freund" und "kein Sex", war mir etwas seltsam. Ich kann mir keinen echten Typen vorstellen, der so ein Gespraech fuehrt, so von sich selbst spricht. Waerst Du jetzt eine Autorin, wuerde man Dir eventuell mangelnde Maennerseelenkenntnis unterstellen
Spannend ist ja auch gut und das mit Alex ist eine Hausaufgabe, für die ich mir noch was überlegen werde. Also antiklimatisch soll's schon bleiben, nur eben so, dass es mir abgekauft wird. Dass es mit der Spannung klappt ist natürlich toll.

Das echte Ende fand ich wiederum gut. Das hab ich so als deprimierende Erkenntnis gelesen, dass das was zwischen ihnen steht ohnehin niemals Alex war, sondern Inkompatibilitaet miteinander, so reizvoll es anfangs auch fuer beide ist. Den Sex hast Du da auch gut reingekriegt - diese Ohrszene, das ist wirklich frustrierend.
Eigentlich hatte ich das Ganze positiv gedacht :D. Ich wollt eine Geschichte mit positivem Ende. Scheint nicht geklappt zu haben.

Vielen Dank auch dir fürs Lesen und Kommentieren.

Später mehr.

Gruß,
Kew

 

Hey, ich mach den ersten Absatz mal Satz für Satz, ist natürlich sehr subjektiv alles, wenn man auf Satzebene anfängt, ich schreib nur alles, was mir dazu einfällt.

Durchs Zugfenster sah Kevin Novemberfelder.
Den Satz find ich toll. Dieses u-a-o. Der Satz fällt sehr schön. Ich denke „November“ ist ohnehin klanglich eines der schönsten deutschen Worte, weil es einen Klang mit reinbringt, der sonst im Deutschen oft fehlt. Das ist so als würde man der deutschen Küche noch ein paar Gewürze hinzufügen, um ein bisschen Pep reinzukriegen.

Auf der Erde lag erster Schnee und die wenigen Bäume, die wie Funktürme im Niemandsland standen, trugen keine Blätter mehr.
Ich frag mich, ob das „lag“ hier die beste Wahl ist. Bei „wenige“ genau so.

Müde vor Langeweile, lehnte er seinen Kopf an die Scheibe. Er hatte Durst, aber nichts zu trinken. Er fuhr zu seiner Freundin.
Hm, es wirkt im Bruch etwas zu gewollt, finde ich, es fällt noch nicht so schön wie am Anfang. Vor Langeweile müde lehnte er den Kopf an die Scheibe. Er hatte Durst, aber nichts zu trinken. Er fuhr zu seiner Freundin.

Keine zwei Wochen, nachdem er Sara kennengelernt hatte, war Kevin zum Studieren in eine fremde Stadt gezogen. Seitdem hielten sie Kontakt über Skype und Telefon.
Jau, das ist okay.

Ihr verpixeltes Kamerabild war Kevin gegenwärtiger als die realen Treffen - eine Handvoll Sommernächte, lauwarm und sternenreich, leiser Sex bei offenem Fenster.
„gegenwärtig“ - bin ich kein Fan von, klingt gesucht hier
„real“ -vielleicht: von Angesicht zu Angesicht?
Lauwarm und sternenreich – lau und sternenreich?

*das er auf Alex Laptop, dem Mitbewohner seiner Freundin, gefunden hatte.*
Ich mag es auch nicht, aber :Alex' Laptop. Sonst sieht es so aus als heißt der Mensch Alex Laptop, Sohn von Max und Corinna Laptop.

Zwei Manga-Mädchen knieten nackt am Boden, um ihre analen Öffnungen die rosa Kreise überdehnter Haut, ihre Fotzen trieften.
„Anale Öffnungen“ ist total doof. So verschämt. Anale Öffnungen, als hätte da jeder Mensch acht verschiedene, die von Mensch zu Mensch anders angeordnet wären.

Mit einem Fuchsschwanz zeichnete er eine faserige Linie knapp überm Knöchel.
knapp über den Knöchel – Diese Zeitebenen: Her noch Alex' Laptop, da die neue Situation im Zug. Das gleitet ineinander, das ist ein interessanter Effekt, ich weiß nicht, ob er von dir so gewollt ist. Man fragt sich natürlich, wann er den Ständer kriegt: Beim Laptop oder hier beim Fuchsschwanz.

*Mit fünfundzwanzig war sie fast sechs Jahre älter als er. Er liebte sie dennoch,
Na ja „dennoch“ setzt man irgendwohin, wo ein vernünftiger Mensch einen Widerspruch erwarten würde. Als 19jähriger eine 25jährige zu vögeln … also das ist was, was man Kumpels sagt, und die klatschen einen ab und rufen Jackpot.

Wenn sie, träge vom Liebesspiel, auf seinem Schoß lag, zerzauste er die Stacheln.
Bitte nicht „Liebesspiel“ - das klingt als wär der Erzähler 70.

Eine S-Bahn fuhr gleich auf,
gefällt mir nicht, das „gleich“ liest man temporal eher. „fuhr – auf“ liest sich auch nicht so gut.
„schloss auf“ oder so?

Nervosität kam auf,*
Das liegt für mich auf der anderen Skala von November. Nervosität – weiß nicht. Ich finde „Unruhe“ wirkt beunruhigend. „nervös“ ist auch okay, aber dieses Nervosität – das ist so ein Wort … wie gesagt, alles sehr subjektiv. Sag mal „unruhe“ und sag mal „Nervosität“, wie der Mund sich dabei anfühlt, wie das klingt.

Dagegen wirkten die Gesichter der Einzelgänger, die mit ihrem Gepäck zum Bahnsteigende eilten, grau und übermüdet.
Ja, gibt eine wunderbare Nummer von Lous C.K. Da beschreibt er eine Schlange am Flughafen, wo sich Leute anstellen, um eine üble Kalorienbombe zu essen, und er sagt dann auch, alle da hassen sich selbst dafür und sind alleine und unglücklich und es ist furchtbar. Das find ich interessant immer, also aus der Tätigkeit dann eine Gruppe bilden und diese Gruppe einordnen, dieses Denken.

Mit dem Schweiß verschwand auch ein Teil seines Schams, nach dem Abtrocknen fühlte er sich besser.
seiner Scham

*Die meisten Männer trugen Bärte, wie sie ihm so dicht nie wachsen würden und die Frauen hatte nichts gemein mit den Mädchen,*
Ja, kann ich mich voll mit identifizieren mit dem Bartwuchs.
Ich hab das Gefühl in der Geschichte, dass Kevin Zugang zu einer Welt hat, die Welt für sich entdecken soll, und sich nicht darauf vorbereitet fühlt. Ständig zweifelt er an sich selbst, an seinen Empfindungen, denkt er müsse weiter sein, als er ist, denkt, er müsse sich für alles interessieren, auf alles eine Antwort haben, schlagfertig, dominant, gefasst, maskulin sein – so eine völlige Überforderung spüre ich in der Figur. Das scheint mir ein gefährliches Alter zu sein, wenn man die Welt aus Romanen und Filmen kennt, wenn man reflektiert ist, aber extrem breit gefächert, wenn man sich nicht traut, zu sagen: Das weiß ich nicht. Damit kenne ich mich nicht aus. Dafür interessiere ich mich nicht.Die Figur kommt mir wie jemand vor, der lesen gelernt hat, die ersten Bücher gelesen hat, sie liebt total inspiriert davon ist und dann sieht er eine riesig große Bibliothek und denkt: Überall dort ist ein Kosmos. Und alles dort müsste ich kennen, kenn ich aber nicht.
Wei verhalt ich mich zu der Freundin? Wie geh ich mit dem Mitbewohner um? Wie verhalte ich mich auf einer Party?
Das Problem der Figur ist letztlich: Wie kann ich vortäuschen jemand zu sein, der ich gar nicht bin. Was müsste ich hier fühlen und warum fühle ich das nicht.
Und wenn man so ist, dann weiß man wahrscheinlich auch nicht, ob es okay ist, sich vorzustellen, seiner Freundin das Bein abzuschneiden, weil alles irgendwie fingiert und falsch ist, was man so denkt und tut.

und küsste ihr Hals und Schulter
ihren Hals und ihre Schuler – wenn du einen Satz nachträglich umstellst, lies ihn am Ende noch mal mit frischem Blick … das sind oft so Überarbeitungsreste.

Um aus der Peinlichkeit heraus zu kommen, erzählte Kevin eine Partyanekdote.*
Unelegante Überleitung, zu plump, das sollte der Leser denken und erkennen, wenn es gut gemacht ist.

Kevin wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, gab sich aber die Schuld am Schweigen. Er hatte das Gefühl, mit Kevin nicht klarzukommen.
Jau, Freud'sche Fehlleistung, ich denke auch das Kevin mit Kevin nicht klar kommt, aber hier ist wohl Alex gemeint. Das ist eigentlich so von der Struktur her die schönste Szene, du kriegst nur Alex nicht richtig ins Bild, find ich. Der Blick aus Kevins Sicht verstellt da das Bild. Wenn du halt auch die Kurzgeschichte von ihm nur so in 3 Sätzen abhandelst … ja, da gibst als Architekt deiner Geschichte dem Maurer, der das dann wirklich machen muss, einen unheimlich schweren Auftrag. Dein Pech ist, dass du halt der Maurer auch noch bist.
Also zeichne ein „starkes“ bild von Alex. Er schreibt Kurzgeschichten, stell doch mal die Kurzgeschichte vor, so dass man ein klareres Bild von Alex kriegt, aber langweil den Leser nicht und mach nicht zu lang und lass nicht aus dem Text rausführen usw. - das geht halt nicht.

Sara wartete vorm Schwimmbecken. Kevin hatte gedacht, sie würde im Bikini schwimmen, aber sie trug einen schwarzen Badeanzug, dazu Badekappe und Schwimmbrille. Auch Alex lief in Profiausrüstung auf und Kevin fühlte sich unpassend bekleidet mit seiner Bade-Shorts, die an Hawaii erinnerte und Surfer am Strand.
Ja, das gefällt mir gut. Kevin ist im Prinzip die 3. Person in einem 2 Personen-Stück: Die Geschichte von Sara und Alex, und er ist grad in dem Kapitel dazu gekommen, als die beiden eine Pause voneinander brauchen, um sich selbst zu finden und dann einander finden zu können. Das wäre auch Stoff für eine Liebesgeschichte.
Und es wirkt auch so, als wäre der Typ, der Kevin spielt, nur von der C-Liste und die beiden Hauptfiguren von der A-Liste.
Das ist auch sowas, wo man dann sagen muss: Solche Beziehungen, wenn die Leute emotional blind füreinander sind, beide aber hochsensibel – ist das gut? Also die Frau da – gut, ist die sensibel? Wahrscheinlich nicht, die wirkt sehr rustikal, aber der Junge ist ja hochsensibel und dann kriegt die Freundin nicht mit, wie unwohl er sich fühlt und dass sie ihm das Gefühl gibt, da bei dem bad z.b.. also … tjo.
Ich find das interessant, welche Art von Frau wirklich hinter welcher Art von Mann steht oder umgekehrt. Vor ein paar Wochen kam eine lange Dokumentation über Mehmet Scholl. Und da kam auch die Frau von Uli Hoeneß zu Wort, und wenn man Uli Hoeneß so erlebt in der Öffentlichkeit – mir geht das jedenfalls so -, dann frag ich mich schon, was für eine Frau das mit ihm all die Jahre ausgehalten hat. Und in ihren kurzen Gesprächsbeiträgen war das eine unheimlich kluge, milde, weise Frau, die den Mehmet Scholl praktisch vom Fleck weg adoptiert hat. Im Gegensatz dazu: auch jemand, der in der Öffentichkeit stand: Christian Wulff. Da „kennen“ wir auch die Frau und wir wissen, wie das ausging.
Es müsste mal eine detaillierte Persönlichkeitsanalyse geben von markanten Persönlichkeiten und ihren Frauen bzw. Männern.
Ich lauer ja drauf, dass irgendein Enthüllungsbuch mal rauskommt über Oskar Lafontaine und Sarah Wagenknecht.

, bis er nicht mehr Atmen konnte.
das ist ein ganz normales Verb hier: atmen; machst du häufiger den Fehler. Guck dir mal die Regeln zur Substantivierung von Verben an, so oft ist das auch nicht.

Hm. Also ich hab jakommentiert, während ich das gelesen hab, dann hab cih das Ende gelesen und hab gesehen, dass feirefiz kommentiert hat und hab das aml durchgelesen … uhm. Also feirefiz findet den Showdown mit Alex antiklimatisch und das Ende sehr gut. Ich finde ab dem Gespräch mit Alex ist die Geschichte für mich nicht aus einem Guss, ich versteh das nicht so ganz. Also das mit dem „Ohr“ find ich … uhm. Ins Ohr? Was hat das mit dem Rest der Geschichte zu tun? Es löst sich dann so auf in: Kevin hat seine Unsicherheit über sich selbst in Selbstsicherheit in die anderen reinprojeziert, aber die sind alle auch furchtbar unsicher über sich selbst und noch viel schlimmere Wracks als er.
Eins hab ich dann anders gesehen. Da ist Alex mit seinen Kurzgeschichten, in denen er Sexphantasien auslebt, halt nicht der Macho, der Womaninzer, der aus seinem eigenen Leben berichtet, sondern der Spinner, der sich irgendwas zurechtdenkt. Wenn ich jetzt die Geschichte von Alex gelesen hätte oder wenn das eine größere Rolle gespielt hätte ind er Geschichte, fände ich das eine tolle Pointe. So hab ich das nicht gesehen, hab das Gespräch von Kevin und Alex nur als „unbequem“ abgespeichert und fertig.
Und dass Sara, die mir als jemand erschien, der sich hier auch mal ausprobiert und ganz bewusst sagt: Ich will einen jungen, ich will einen, derm mich vergöttert, der es mir richtig macht, die wird dann im Endteil zu der 15jährigen, die Kevin am Anfang verlassen hat. Da war dann die Distanz und so auch wieder alles Show, und sie hat ihn ja so lieb und er ist ihr so wichtig und bitte, bitte, spritz mir doch mal ins Ohr, wenn dir langweilig ist.
Also … ja, wenn man das Ende so kennt, dann geht das alles „irgendwie“ auf, dann muss man sagen: Ja, der Kevin ist halt so schräg, dass ich die Figuren durch seine Augen die ganze Zeit falsch wahrgenommen habe und es ist so am Ende. Aber irgendwie ist das auch ein bisschen enttäuschend dann. Ich hab mir ein schönes Ende zurecht gelegt und es kommen sehen und hab die Geschichte so und so verstanden, und du löst den Konflikt – im Prinzip – als großes Mißverständnis auf.
Und die Konflikte, die ich und die auch Kevin in der Geschichte hatten und gesehen haben, verpuffen.

Ich weiß nicht, bei so einem Text ist ein Geschmacksurteil immer blöd., Ich seh viel Potential bei dir. In der Geschichte sehe ich es ein gutes Stück besser umgesetzt als in der letzten, finde ich. Du hast so dieses „altväterliche“ gut rausgekriegt.
Aber mal Hand aufs Herz: Wann hast du gewusst, dass die Geschichte so ausgehen wird, wie sie hier ausgeht? Ich hab das Gefühl bei der Geschichte das ist dir erst als mögliche Lösung eingefallen, kurz vor der Szene am Bahnhof mit Alex.
Diese Geschichte mit dem Ende im Hinterkopf geschrieben oder mit einem anderen Ende im Hinterkopf konstruiert, hätte mir unglaublich gut gefallen. Ich weiß, dass es nicht chic sowas zu sagen, aber ich steh auf konstruierte, strukturierte Geschichten.
Ich weiß, dass Menschen und Geschichten, die ihnen passieren, nicht konsequent sind. Aber als Leser hätte ich gern, wenn man so Terrain betritt, dass man es konsequent zu Ende geht; und wenn sich ein Konflikt aufköst, soll er vorher schön explodieren.

Der Titel ist lahm!


Ich hab das gern gelesen, ich bin mir sicher, das ist ein sehr guter Weg, auf dem du bist, ich bin gespannt, was noch von dir kommt.

Gruß
Quinn

P.S.: Lieber Sperma im Ohr als einen Fuchsschwanz am Knöchel? Herrje …

 

Und weiter geht's.

@Nora Frizzante

Hey, danke fürs Lesen und Kommentieren.

Du schreibst flüssig und sicher, Deine Figuren haben eine erkennbare Kontur, und die Welt, in der sie sich bewegen, ist realistisch und in den Details gut getroffen. Man liest das leicht und auch mit einem gewissen Vergnügen.
Das ist schonmal was. :). Kann ich gut mit leben.

Zu Beginn dachte ich: Fein, da lässt sich einer mal wirklich Zeit, entwickelt seine Figuren und Konflikte aus winzigen Details heraus, baut die Spannung ganz sachte auf und steigert seine Sache dann immer mehr. Das hätte mir gefallen. Doch irgendwie reißt es mich dann doch nicht wirklich mit, alles bleibt sich irgendwie immer gleich, auch sprachlich. Da gibt's weder Höhen noch Tiefen, keine Ausreißer, die Sprache plätschert so vor sich hin, meistens ist alles durchaus "korrekt" beschrieben und gesagt (Es gibt ein paar Ausnahmen, z.B. die "ausharrenden" Busse), aber mir fehlt die Hitze oder die Kälte oder der Wahnsinn oder die Verzweiflung oder der Humor oder der Sarkasmus oder die Metaphysik, also: something outstanding.
Hm jo. Zugegeben in der Geschichte wird nichts bis zum absoluten Zerreissen gespannt. Das war nicht meine Absicht und ich hab's wohl nicht so gut hinbekommen, dass man das nicht als Mangel empfindet. Ich denke, das ist einfach eine Sache, die mit mehr Übung kommt. Hoffe ich mal. Und mit der Sprache: Die ist halt auch ein Sorgenkind bei mir. Solche Feinheiten wie den Sprachrhythmus bewusst an die Situationen anpassen, das braucht bei mir noch. Ich bin froh, wenn ich's mit der Zeit schaffe, die Anzahl der Fehlformulierungen zu reduzieren.

Als Kevin diese kleine sadistische Phantasie beim Orgasmus hat, da spätestens hätte "es" irgendwie losgehen können, ab da hätte dieses unterirdische Unterlegenheitsgefühl, das ja sein "Thema" zu sein scheint, sich stärker artikulieren, zentraler und deutlicher werden können. Doch so bleibt alles ein bisschen klein-klein, verliert sich in seichten Dialogen oder Gesten und Beobachtungen, die eigentlich nicht bedeuten oder kraftlos sind. Und dass es am Ende, nach all dem langen Hin & Her, bei dem man sich schon fragt, welche perverse Ungeheuerlichkeit Sara wohl von ihm verlangen wird, um nichts anderes geht als um eine Ohr-Abspritzung, naja. Hättest Du das Ganze als Satire aufgezogen und Dich über unsere Lesererwartung lustig gemacht oder hättest Du das Thema "Körperöffnungen" thematisiert, von den triefenden Nasenlöchern über die Vagina bis hin zum abgefüllten Ohr usw., wäre vielleicht eine ganz spannende Sex-Groteske daraus geworden.
Das mit dem Klein-klein ist meinem Vorsatz geschuldet, eine Geschichte mit positivem Ende zu schreiben. Und dazu sollte halt Kevin seine Beziehung zu Sara und Sara generell halt verkennen. Er baut sich da Komplexe auf und merkt halt lange nicht, dass die mit der Realität gar nichts zu tun haben. Da kann ich dann auch nicht einfach was super Krasses am Ende bringen. Nicht den Supergau. Aber kann gut sein, dass diese Überlegung ein Fehler war, dass die Geschichte so einen Teil ihres Potentials einbüsst. Aber das ist mehr was, was ich mir versuche beim nächsten Versuch vor Augen zu halten. Ich wüsste zur Zeit schlichtweg nicht, wie ich das Ändern sollte. Also was ich als alternatives Ende nehme.

Das ist "besonders", ungewöhnlich, kreativ. Gefällt!

@ Alexander Schuchmann

Hi, danke fürs Lesen und Kommentieren.

auch der Einstieg, die Szene im Zug, hat mich angelockt. Wirklich ein sehr guter Leserfänger
Das ist toll. Danke.

Ich check's nicht. Warum legt er sich nicht schlafen? Holt er sich noch einen runter, wartet er auf Sara, kotzt er, will er den beiden beim Sex zuhören? Es scheint ja recht offensichtlich zu sein, aber irgendwie bin ich zu blöd dafür.
Also gedacht ist: Er lässt die Musik laufen, um sie eben nicht zu hören. Würde er sich schlafen legen und alles ist leise, würde er sie hören.
Ich lass es erstmal so stehen, wenn sich noch wer dran stößt, mach ich das klarer.

Ich bin beeindruckt. Das ist die erste Geschichte, die ich von dir lese, und sie hat mich wirklich gepackt. Alle Szenen empfand ich als lebensecht. Das Verhältnis zwischen Show und Tell ist mehr als nur ausgewogen. Auch das Ende, diese stille Lücke, das Ungesagte, was zwischen den beiden steht. Ich finde das sehr gut gelöst.
Das freut mich. Das sind alles so Sachen, die mir so als Begriffe im Hinterkopf schwirren, für die ich aber keine Rezepte habe, wie ich das in Geschichten umsetzte und dann ist es wirklich toll, wenn's damit klappt.

Ich fange mal von hinten an. Die Szene im Cafe zwischen Alex und Kevin. Im Laufe der Geschichte baut sich immer mehr dieses Bild von Alex dem Sexhengst auf. Erst der Kommentar "Ich dachte ich braucht länger". Dann die Geschichten, die Bilder auf dem PC, die Witze in der Kneipe usw. Klar ist das ein subjektives Bild, das hauptsächlich durch Kevins Eifersucht entsteht, aber dass Alex dann noch gar keinen Sex gehabt haben soll, das fand ich unglaubwürdig. Da dacht ich mir, dass du das als Autor so konstruiert hast, um den Leser zu schocken, aber ich fand es einfach bissel over the top.
Du bist da ja nicht der Einzige, der sich daran stößt. Eigentlich finde ich die Idee gut, dass einer der scheinbar ein "Sexhengst" ist, gar keinen Sex hat. Aber die Auflösung funktioniert so wohl nicht. Muss ich die Tage wohl noch mal ran an die Szene.

Dann geht es weiter mit der "Versöhnungsszene", die eigentlich keine ist. Die ist dir an sich sehr gut gelungen. Da steckt so viel Ungesagtes darin. Was ich ein schade finde, ist, dass sie fast ein wenig unter geht in der Geschichte. Die Story ist recht lang und im Vergleich dazu sind die Schlüsselszenen (Cafe und Versöhnung) fast minimalistisch. Im Kontext dieser Geschichte würde ich ihnen ein wenig mehr Raum zugestehen. Einfach aus Gründen des Timings und damit sie vom Leser mehr fokusiert werden.
Hm, das ist gar nicht so einfach. Weil dann müsste mir noch was einfallen, was ich in diesen Szenen einbauen kann. Muss ich schauen, ob ich hier und da noch Details unterbringe, vielleicht ein, zwei Dialogzeilen mehr. Aber die Café Szene steht ja eh auf der Überarbeitungsliste.

Mir persönlich wird ein bisschen zu viel über das Wetter geredet, aber das machst du ja sehr schön und eloquent. Und offenbar gehört es zu deinem Stil, wie ich aus den anderen Kommentaren erfahren habe. Wollte es trotzdem sagen.
Zugegeben ist schon viel drin. Werd's hier jetzt erstmal so lassen. Aber für die Nächste Geschichte nehm ich mir vor: Weniger Wetter, mehr anderes.

P.S.: Ich fand's übrigens bombastisch, das ganze aus der Sicht eines Kerls zu lesen. Die Szene mit den Kopfschmerzen als Gipfel des ganzen (vlt. sogar mit leicht ironischen Touch). Alles sehr interessant.
Ja, das war ironisch gedacht. :).

Nachher geht's weiter.

Gruß,
Kew

 

Hi Kew,

das ist die beste Geschichte, die ich bisher von dir kenne!
Und endlich kommentier ich auch mal ...

Vorab eine Meckerei, eine sprachliche Eigenheit von dir, mit der ich mich nicht anfreunden kann: diese Nachstellungen, Attribut 1 und Attribut 2.
Dieser Rhythmus, das ist so auffällig, und du benutzt es relativ häufig (ich kenn das noch von Spiel ein Spiel mit mir):

eine Handvoll Sommernächte, lauwarm und sternenreich, leiser Sex bei offenem Fenster.
Sie tranken Wein, billig und süß
zwei Fährten, denen Autos folgten, ihre Scheinwerfer verschwommenes Gelb und Xenon-Blau. (ok, das ist eine Variante)
Drinnen waren Studenten zu sehen, die Wangen heißgeredet, die Gestik ausladend und fröhlich
duschte heiß und anhaltend

Ansonsten gefällt mir der Text sprachlich besser als deine älteren.

Durchs Zugfenster sah Kevin Novemberfelder.
Novemberfelder ist schon das erste schöne Wort.

Ihre Locken erinnerten Kevin an ein Bild, das er auf Alex Laptop, dem Mitbewohner seiner Freundin, gefunden hatte. Zwei Manga-Mädchen knieten nackt am Boden, um ihre analen Öffnungen die rosa Kreise überdehnter Haut, ihre Fotzen trieften.
Ich krieg das Bild dazu nicht in den Kopf. Erst wollte ich sagen, dass Manga-Mädchen doch eigentlich nie Locken haben sondern … diese Manga-Haare halt, glatt oder schwungvoll großgewellt, sehr viele, sehr lange Haare, oder Pagenschnitt, aber Locken doch nie. Dann dachte ich, okay, vielleicht sind nicht die Kopfhaare gemeint. Aber aus welchem Winkel seh ich denn die Mädchen, dass man „anale Öffnungen“ und Schamhaar sieht, wenn jemand kniet? Ich bin wohl zu einfallslos.

Kevin spürte, dass er eine Erektion bekam. Um sich abzulenken, spielte er mit dem Gedanken, dem Mädchen in Jeansjacke den Fuß abzusägen. Er zog ihr Schuh und Socke aus. Mit einem Fuchsschwanz zeichnete er eine faserige Linie knapp überm Knöchel. Blut tropfte vom Sägeblatt und färbte den Teppichboden glitschig schwarz. Zu Beginn ließ Kevin sich Zeit, damit die Säge nicht aus der Spur sprang, dann zog er durch wie sein Vater es ihm beigebracht hatte, gleichmäßig und nie auf Stich belastet.
Hähä, da hab ich noch gedacht, du lässt es gleich im ersten Absatz schön krachen, damit der Leser auch ja dabei bleibt (funktioniert auch! ;)). Später wird dann klar, Kevin ist irgendwie „so drauf“. Gedanken wie ein Tarantino-Film, immer wieder. Und ich hatte erwartet, dass das irgendeine Bewandtnis hat, eine Bedeutung bekommt für die Geschichte – das ist dann gar nicht passiert. Muss wohl auch nicht, aber ich fühlte mich irgendwie enttäuscht. Gut, mit Nachdenken kann ich mir da sowas zurechtlegen von wegen „unterdrückte Aggressionen“, aber das ist eben mit Nachdenken und kommt mir irgendwie konstruiert vor.
Er beschleunigte seine Schritte und fand sich albern dabei.
Das ist eine schöne Variante des coming-of-age :) Kevin ist jetzt erwachsen, da rennt man seiner Freundin nicht mehr entgegen! Sie tut es ja auch nicht:
Sara lehnte an der Gleisabsperrung. Sie trug einen schwarzen Mantel, eine lila Strickmütze und Stiefel, die Kevin nicht mochte. Sie winkte und lächelte dabei und doch fehlte die kindliche Begeisterung, die Kevin von seiner Ex-Freundin kannte. Sie lief ihm nicht kreischend entgegen. Sie warf ihn mit ihrer Umarmung nicht aus dem Gleichgewicht. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt.

„Du bist echt süß, du lässt dich so leicht aus dem Konzept bringen.“ Sie griff ihm in den Schritt und Kevin, der eine Erektion bekam, kämpfte um Fassung.
Das ist meine Lieblingsstelle, da steckt das alles drin, die Freundin ist erwachsen und Kevin fühlt sich ihr gegenüber unsicher und unterlegen.

Und danach kommt über eine lange Strecke eine Situation nach der anderen, ein Gedanke nach dem anderen, eine Kleinigkeit nach der anderen, wo Kevin sich nicht reif genug, nicht Mann genug, nicht irgendwas genug fühlt, um mit seiner Freundin mithalten zu können. Nebenher schleicht sich Alex als Bedrohung ein. Vielleicht ließe sich da etwas kürzen. Wobei ich nicht auf irgendwas Bestimmtes zeigen könnte, das ich weniger gelungen fand. Es ist nur der vage Eindruck, dass du deine Botschaft ein paar mal zu oft wiederholt hast.

Lachend erhob sie sich vom Bett. Kevin fühlte sich unwohl, weil seine Freundin Witze riss. Trost wäre ihm lieber gewesen.
Da wollt ich ihm durch die Haare wuscheln, da tat er mir tatsächlich leid.

Weit hinten in seinem Kopf spürte er die Erdrotation – das Haus kippte immerfort zu Seite weg und Kevin wusste nicht wie er im Bett bleiben sollte.
Das ist ein super Satz!

„Hat’s dir gefallen?“
„Sind alle deine Geschichten so, nun, so explizit?“
„Ja. Hat mit den Verkaufsmöglichkeiten zu tun. Solche Sachen wird man am besten los. Die Leute wollen so was lesen. Meine Geschichte davor wurde in einer Anthologie veröffentlicht“
„Cool. Glückwunsch.“ Alex dankte mit einem Lächeln. „Spielt da eigentlich auch Eigeninteresse rein?“
„Wie meinst du das?“
Hehehe. Ja, man soll nicht mit Leuten reden, die schreiben, das gibt nur Stress.

Kevin wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, gab sich aber die Schuld am Schweigen. Er hatte das Gefühl, mit Kevin nicht klarzukommen.
Soll da eigentlich Alex stehen oder ist das Absicht? Wenn ja, dann ist das seltsam formuliert, ich kenn zwar das Gefühl, mit sich selbst nicht klarzukommen und es würde zu Kevin passen, aber hier wirkt es irgendwie wie ein Fehler im Satz.

und wendete Steaks in der Pfanne. Im Ofen glänzte Baguette honiggelb und auf dem Tisch stand Rohkost in Streifen geschnitten, dazu Jogurt-Dip mit Pfeffer.
Steaks und honiggelbes Baguette, da bekomm ich auch Hunger.

„Nein. Sie erzählt mir nur sehr viel, etwa über euch beide. Und wir machen viel zusammen. Das Schwimmen etwa. Aber das Ganze hat nichts, aber auch gar nichts mit Sex zu tun. Sie will nichts von mir.“
An der Stelle hätte ich Alex erstens noch lange nicht geglaubt, dass da nichts läuft, und zweitens wäre ich vor Eifersucht auf die Intimität zwischen den beiden explodiert. Aber vielleicht sind Männer da einfach anders ;)
Sie weinte wieder – ihre Tränen waren die einer Sechszehnjährigen. Kevin nahm sie in den Arm und streichelte ihr Haar. Diesmal klebte kein Haarspray daran. Die Strähnen waren weich und seidig.
Jetzt fühlt er sich endlich auf Augenhöhe (oder drüber), weil sie weint und ihre Haare nicht mehr so hart sind :D

Ja, der Ohrsex. Ich kann mich nicht entscheiden, ob mir das zu seltsam oder nicht seltsam genug ist :D

Das Gefühl, dass Sara mit jeder Minute weiter zurückfiel, nagte an Kevin. Er dachte an den Abschied – sie mit Tränen in den Augen und er um Worte verlegen, die Kehle trocken und abgeschnürt, und die Reisenden eilten vorüber, hunderte Menschen, die Familie und Freunde verließen, und Kevin fühlte sich den Fremden seltsam nah.
Sein Handy vibrierte zweimal – auf dem Bildschirm Saras Nachricht.
Das happy end freut mich für die beiden.

Ja, ich denke, im Mittelteil das Motiv zu oft wiederholt, mir ein paar Mal zu oft auf's Auge gedrückt, um was es dir ging ... aber trotzdem, ein sehr schöner Text und bisher mein Liebling von dir.

 

@ Quinn

Die meisten deiner Detailanmerkungen hab ich übernommen, bzw. überlege mir noch was dazu.

Na ja „dennoch“ setzt man irgendwohin, wo ein vernünftiger Mensch einen Widerspruch erwarten würde. Als 19jähriger eine 25jährige zu vögeln … also das ist was, was man Kumpels sagt, und die klatschen einen ab und rufen Jackpot.
Das Dennoch ist in diesem Fall aus Kevins Sicht. Für ihn macht das Alter ja einen wichtigen Unterschied aus. Außerdem wird's sonst von der Satzführung schwierigier :D
Ich werd's erstmal so lassen.

Ich hab das Gefühl in der Geschichte, dass Kevin Zugang zu einer Welt hat, die Welt für sich entdecken soll, und sich nicht darauf vorbereitet fühlt. Ständig zweifelt er an sich selbst, an seinen Empfindungen, denkt er müsse weiter sein, als er ist, denkt, er müsse sich für alles interessieren, auf alles eine Antwort haben, schlagfertig, dominant, gefasst, maskulin sein – so eine völlige Überforderung spüre ich in der Figur. Das scheint mir ein gefährliches Alter zu sein, wenn man die Welt aus Romanen und Filmen kennt, wenn man reflektiert ist, aber extrem breit gefächert, wenn man sich nicht traut, zu sagen: Das weiß ich nicht. Damit kenne ich mich nicht aus. Dafür interessiere ich mich nicht.Die Figur kommt mir wie jemand vor, der lesen gelernt hat, die ersten Bücher gelesen hat, sie liebt total inspiriert davon ist und dann sieht er eine riesig große Bibliothek und denkt: Überall dort ist ein Kosmos. Und alles dort müsste ich kennen, kenn ich aber nicht.
Wei verhalt ich mich zu der Freundin? Wie geh ich mit dem Mitbewohner um? Wie verhalte ich mich auf einer Party?
Das Problem der Figur ist letztlich: Wie kann ich vortäuschen jemand zu sein, der ich gar nicht bin. Was müsste ich hier fühlen und warum fühle ich das nicht.
Und wenn man so ist, dann weiß man wahrscheinlich auch nicht, ob es okay ist, sich vorzustellen, seiner Freundin das Bein abzuschneiden, weil alles irgendwie fingiert und falsch ist, was man so denkt und tut.
Jo, letztlich hat Kevin nicht viel Erfahrung. Der kommt halt direkt von der Schule und sieht dann die Welt und merkt, dass die Dinge irgendwie anders laufen als früher und hat Schwierigkeiten, sich richtig zu verhalten. Wobei ein Teil meiner Idee ist, dass er halt zu viel denkt, zu viel interpretiert und dadurch Probleme findet bzw. verursacht, die es sonst gar nciht gäbe.

Also zeichne ein „starkes“ bild von Alex. Er schreibt Kurzgeschichten, stell doch mal die Kurzgeschichte vor, so dass man ein klareres Bild von Alex kriegt, aber langweil den Leser nicht und mach nicht zu lang und lass nicht aus dem Text rausführen usw. - das geht halt nicht.
Ich werd die Kurzgeschichte nochmal angehen. Mal sehen, was ich drauß machen kann. Danke für den Hinweis.

Ja, das gefällt mir gut. Kevin ist im Prinzip die 3. Person in einem 2 Personen-Stück: Die Geschichte von Sara und Alex, und er ist grad in dem Kapitel dazu gekommen, als die beiden eine Pause voneinander brauchen, um sich selbst zu finden und dann einander finden zu können. Das wäre auch Stoff für eine Liebesgeschichte.
Und es wirkt auch so, als wäre der Typ, der Kevin spielt, nur von der C-Liste und die beiden Hauptfiguren von der A-Liste.
Das hab ich ja auch häufiger drin. Meistens gar nicht mit Absicht. Dass meine Prespektivträger eigentlich nicht die A-Klasse Figuren sind. Das sind irgendwie immer die Gegenspieler oder die generell die anderen. Mal sehen, wann ich eine Geschichte schreibe, in der das nicht so ist.

Das ist auch sowas, wo man dann sagen muss: Solche Beziehungen, wenn die Leute emotional blind füreinander sind, beide aber hochsensibel – ist das gut? Also die Frau da – gut, ist die sensibel? Wahrscheinlich nicht, die wirkt sehr rustikal, aber der Junge ist ja hochsensibel und dann kriegt die Freundin nicht mit, wie unwohl er sich fühlt und dass sie ihm das Gefühl gibt, da bei dem bad z.b.. also … tjo.
Für mich ist das halt, dass die beiden sich halt fast noch nicht kennen. Die stehen ja quasi am Anfang und haben sich nicht aufeinander eingestellt. Sie weiß nicht, dass er so sensibel ist, so ohne echtes Selbstvertrauen und er kommt mit ihrer Art nicht klar, die halt manchmal schroff ist, manchmal sachen nicht ernst nimmt, die ihn wirklich beschäftigen.

Ich finde ab dem Gespräch mit Alex ist die Geschichte für mich nicht aus einem Guss, ich versteh das nicht so ganz. Also das mit dem „Ohr“ find ich … uhm. Ins Ohr? Was hat das mit dem Rest der Geschichte zu tun? Es löst sich dann so auf in: Kevin hat seine Unsicherheit über sich selbst in Selbstsicherheit in die anderen reinprojeziert, aber die sind alle auch furchtbar unsicher über sich selbst und noch viel schlimmere Wracks als er.

Und dass Sara, die mir als jemand erschien, der sich hier auch mal ausprobiert und ganz bewusst sagt: Ich will einen jungen, ich will einen, derm mich vergöttert, der es mir richtig macht, die wird dann im Endteil zu der 15jährigen, die Kevin am Anfang verlassen hat. Da war dann die Distanz und so auch wieder alles Show, und sie hat ihn ja so lieb und er ist ihr so wichtig und bitte, bitte, spritz mir doch mal ins Ohr, wenn dir langweilig ist.
Also … ja, wenn man das Ende so kennt, dann geht das alles „irgendwie“ auf, dann muss man sagen: Ja, der Kevin ist halt so schräg, dass ich die Figuren durch seine Augen die ganze Zeit falsch wahrgenommen habe und es ist so am Ende. Aber irgendwie ist das auch ein bisschen enttäuschend dann. Ich hab mir ein schönes Ende zurecht gelegt und es kommen sehen und hab die Geschichte so und so verstanden, und du löst den Konflikt – im Prinzip – als großes Mißverständnis auf.
Und die Konflikte, die ich und die auch Kevin in der Geschichte hatten und gesehen haben, verpuffen.
Also ehrlich gesagt, das Ende hatte ich schon fast ganz am Anfang so. Aber ich gebe gern zu, dass es nicht gerade die typische Konfliktverwertung ist. Ich wollt halt mal was Positives schreiben und hab mir gedacht, wäre doch ganz nett, wenn das sich alles auflößt, also ohne Krach und alles. Das ist wohl so eine Sache, die ich mal ausprobieren musste, dieses Abbrechen des Konfliktes. Und ich seh auch ein, dass ich da wahrscheinlich Potential verschenke. So beim Überlegen ist ein Ende mit Kevin, der total ausrastet aus Eifersucht und Sara schlägt und sie anschreit, ob das jetzt spannend genug sei, durch aus attraktiv. :D
Aber ich glaub ich werd's für diesmal so lassen.
Doch als Typ fürs nächste Mal ist das sehr wertvoll. Ich werd versuchen am Ende was Konfliktbetonteres stehen zu lassen und nicht alles vorher abzuwürgen.
Was mich schonmal freut, ist, dass es zumindest aufgeht das Ende. Gut ist vielleicht nicht das beste, aber auch nicht totaler Stuss.

Ich seh viel Potential bei dir. In der Geschichte sehe ich es ein gutes Stück besser umgesetzt als in der letzten, finde ich. Du hast so dieses „altväterliche“ gut rausgekriegt.
Das freut mich natürlich.

Der Titel ist lahm!
Werd ich mir nen neuen überlegen müssen. War zugegeben eine Notlösung.

Eins hab ich dann anders gesehen. Da ist Alex mit seinen Kurzgeschichten, in denen er Sexphantasien auslebt, halt nicht der Macho, der Womaninzer, der aus seinem eigenen Leben berichtet, sondern der Spinner, der sich irgendwas zurechtdenkt. Wenn ich jetzt die Geschichte von Alex gelesen hätte oder wenn das eine größere Rolle gespielt hätte ind er Geschichte, fände ich das eine tolle Pointe. So hab ich das nicht gesehen, hab das Gespräch von Kevin und Alex nur als „unbequem“ abgespeichert und fertig.
Das war eigentlich der Gedanke. Dass halt, was man sieht und hört, nicht immer die Wahrheit ist bzw. dass die wahrscheinliche Interpretation nicht immer die richtige ist. Aber an die beiden betreffenden Stellen werd ich mich eh noch mal ransetzten, mal sehen wie's dann klappt.

Ich weiß, dass es nicht chic sowas zu sagen, aber ich steh auf konstruierte, strukturierte Geschichten.
Hab ich auch nichts, dagegen. Aber selbst mit dem Vorsatz, wird da nicht immer was draus. :D

@ Möchtegern

Hast es ja ganz ohne Treten geschafft ;).

das ist die beste Geschichte, die ich bisher von dir kenne!
Was soll ich sagen? Freut mich sehr.

Vorab eine Meckerei, eine sprachliche Eigenheit von dir, mit der ich mich nicht anfreunden kann: diese Nachstellungen, Attribut 1 und Attribut 2.
Hm, also ich mag das. Und bis mir da noch wer auf die FInger haut, werd ich's erstmal dabei belassen. Und ist es wirklich so schlimm?

Ich krieg das Bild dazu nicht in den Kopf. Erst wollte ich sagen, dass Manga-Mädchen doch eigentlich nie Locken haben sondern … diese Manga-Haare halt, glatt oder schwungvoll großgewellt, sehr viele, sehr lange Haare, oder Pagenschnitt, aber Locken doch nie. Dann dachte ich, okay, vielleicht sind nicht die Kopfhaare gemeint. Aber aus welchem Winkel seh ich denn die Mädchen, dass man „anale Öffnungen“ und Schamhaar sieht, wenn jemand kniet? Ich bin wohl zu einfallslos.
Ich hoffe das Ganze ist jetzt klarer. Ohne Locken und so.

Hähä, da hab ich noch gedacht, du lässt es gleich im ersten Absatz schön krachen, damit der Leser auch ja dabei bleibt (funktioniert auch! ). Später wird dann klar, Kevin ist irgendwie „so drauf“. Gedanken wie ein Tarantino-Film, immer wieder. Und ich hatte erwartet, dass das irgendeine Bewandtnis hat, eine Bedeutung bekommt für die Geschichte – das ist dann gar nicht passiert. Muss wohl auch nicht, aber ich fühlte mich irgendwie enttäuscht. Gut, mit Nachdenken kann ich mir da sowas zurechtlegen von wegen „unterdrückte Aggressionen“, aber das ist eben mit Nachdenken und kommt mir irgendwie konstruiert vor.
Also: Ich hab da natürlich meine tolle Theorie: Die Gewaltgedanken im Zusammenhang mit dem Sex sind schlichtweg Hilfsmittel, um seine Erregung zu senken. Im Zug nervt ihn seine Erektion, die wird er dadurch los. Bei Sara, will er eigentlich seine Ejakulation hinauszögern, geht schief. Deswegen später der Hinweis, dass es jetzt zwar ohne Nasenbluten dafür recht zügig ging. Die Sache am Bahnhof ist dann bloßer Ärger. Ich geb zu, dass ist sicher nicht so ersichtlich. Aber ich kann auch mit einem psychisch angeknacksten Kevin leben.

Das ist meine Lieblingsstelle, da steckt das alles drin, die Freundin ist erwachsen und Kevin fühlt sich ihr gegenüber unsicher und unterlegen.
Wäre die Stelle bloß weiter hinten :).

Und danach kommt über eine lange Strecke eine Situation nach der anderen, ein Gedanke nach dem anderen, eine Kleinigkeit nach der anderen, wo Kevin sich nicht reif genug, nicht Mann genug, nicht irgendwas genug fühlt, um mit seiner Freundin mithalten zu können. Nebenher schleicht sich Alex als Bedrohung ein. Vielleicht ließe sich da etwas kürzen. Wobei ich nicht auf irgendwas Bestimmtes zeigen könnte, das ich weniger gelungen fand. Es ist nur der vage Eindruck, dass du deine Botschaft ein paar mal zu oft wiederholt hast.
Herje. Das wird ein Akt mir da Sachen rauszunehmen, auf die ich verzichten kann. Mal sehen, ob ich da was finde. Weil prinzipiell hilft da ja kein Kleinigkeiten Kürzen, da müssen ja ganze Bausteine weg.

Das ist ein super Satz!
:)

An der Stelle hätte ich Alex erstens noch lange nicht geglaubt, dass da nichts läuft, und zweitens wäre ich vor Eifersucht auf die Intimität zwischen den beiden explodiert. Aber vielleicht sind Männer da einfach anders
Die Szene wird überarbeitet. Das haben ja einige angemerkt. Kommt dann im Laufe der Woche, hoffe ich.

Ja, der Ohrsex. Ich kann mich nicht entscheiden, ob mir das zu seltsam oder nicht seltsam genug ist
Ich behalts drin, als das Detail, an das sich jeder erinnert, ob's ihm gefällt oder nicht. :silly:

Danke euch beiden fürs Lesen und Kommentieren. Freut mich wirklich. Und ich hab Hausaufgaben fürs nächste Mal.

Gruß,
Kew

 

Lieber Kew,

bevor du deinen Text gänzlich änderst, will ich auch mal schnell mein Scherflein beitragen zu den Gratulanten und Kritikanten.

Erst mal vorweg:
Ich finde auch, dass es zur letzten Geschichte, die mir ja auch schon gefiel, eine Steigerung ist. Ich hab sie sehr gern gelesen, vor allem weil du, wie vorher schon jemand bemerkte, war es fiz?, jeden Satz so liebevoll formulierst. Manche Sätze sind ganz knapp, reihen sich ein und treiben dann super voran, andere enthalten kleine sinnliche Einsprengsel, die das Erleben Kevins so schön spürbar machen.

Durchs Zugfenster sah Kevin Novemberfelder. Erster Schnee bedeckte die Erde und die vereinzelten Bäume, die wie Funktürme im Niemandsland standen, trugen keine Blätter mehr. Vor Langeweile müde (kein Komma) lehnte er seinen Kopf an die Scheibe. Er hatte Durst, aber nichts zu trinken. Er fuhr zu seiner Freundin.

Mothman schreibt immer, und da hat er Recht, dass man keinesfalls mit einer Wetterbeschreibung anfangen solle. Das habe ich mir gut gemerkt.
Du machst es hier trotzdem, und für mich funktoniert es.
Das liegt an dem neuen Bild "Novemberfelder", an dem Bild der Bäume und an der Abfolge der Sätze. Erster Satz normal, zum Glück kein Anfang mit einem Subjekt, schönes Bild dabei, dann ein verwickelteres Satzgefüge, das das Novemberbild aufnimmt, dann ein normaler Satz, aber auch nicht mit dem Subjekt beginnend. Dann ein Satz, der jetzt auf den Protagonisten zielt, eine Entgegensetzung, dann der kürzeste Satz als letzter. Wieder mit dem P. beginnend, ganz knapp gesagt, wohin er unterwegs ist. Und man weiß sofort, in dieser Beziehung herrscht November, da wird noch was kommen.
Das ist ein toller Aufbau und eine tolle Steigerung, die du da im ersten Absatz gemacht hast.
Wenn du es bewusst so konstruiert hast, Hut ab, kann man sich abgucken, wenn dus nicht extra gemacht hast, immer noch Hut ab und der Rest.

Zu dem Gespräch mit Alex wurde schon viel gesagt, du willst es eh überarbeiten, wäre mein Kritikpunkt auch gewesen, lass ich jetzt also, muss ja nichts wiederholen.

Den Ohr-Sex bitte unbedingt lassen. Das ist derartig schräg und abgefahren, das muss drin bleiben. Ich hab derartig gelacht, als ich das las. Ich fürchte, ich bin auf diesem Gebiet doch unwissender, als ich dachte.

Und mein allerletzter Punkt, ich trau mich kaum, es zu sagen, wie bitteschön, kann man denn seinen Protagonisten Kevin nennen? Das ist ein derartig verrufener Name. Aber ich befürchte, dieser Einwand wird dir herzlich egal sein.

Liebe Grüße
Novak

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey Novak.

Dank dir fürs lesen und kommentieren.

Ich finde auch, dass es zur letzten Geschichte, die mir ja auch schon gefiel, eine Steigerung ist.
:) Das ist und bleibt das wichtigste.

Ich hab sie sehr gern gelesen, vor allem weil du, wie vorher schon jemand bemerkte, war es fiz?, jeden Satz so liebevoll formulierst. Manche Sätze sind ganz knapp, reihen sich ein und treiben dann super voran, andere enthalten kleine sinnliche Einsprengsel, die das Erleben Kevins so schön spürbar machen.

Das ist ein toller Aufbau und eine tolle Steigerung, die du da im ersten Absatz gemacht hast.
Wenn du es bewusst so konstruiert hast, Hut ab, kann man sich abgucken, wenn dus nicht extra gemacht hast, immer noch Hut ab und der Rest.
Also bewusst war das sicher nicht, höchstens halbbewusst. Aber vielen Dank, dass du den Absatz rausgenommen hast und ihn für mich quasi zerlegt hast. Vielleicht hilft es mir, beim nächsten Mal sowas etwas bewusster zu konstruieren. Vielleicht, vielleicht ...

Mothman schreibt immer, und da hat er Recht, dass man keinesfalls mit einer Wetterbeschreibung anfangen solle. Das habe ich mir gut gemerkt.
Du machst es hier trotzdem, und für mich funktoniert es.
Da ist natürlich super, wenn's trotz Handycap funktioniert.

Zu dem Gespräch mit Alex wurde schon viel gesagt, du willst es eh überarbeiten, wäre mein Kritikpunkt auch gewesen, lass ich jetzt also, muss ja nichts wiederholen.
Jo, ist jetzt drin. Mal sehen, ob's besser ist. Auch die Kg von Alex hab ich überarbeitet.

Den Ohr-Sex bitte unbedingt lassen. Das ist derartig schräg und abgefahren, das muss drin bleiben. Ich hab derartig gelacht, als ich das las. Ich fürchte, ich bin auf diesem Gebiet doch unwissender, als ich dachte.
Wird gemacht.

Gruß,
Kew

 

Hey Kew

ich habe deine Geschichte schon vor ein paar Tagen gelesen und dann rannte mir die Zeit immer weg. Und ich muss auch in einer halben Stunde wieder los, aber ich will jetzt endlich was sagen :).

Das Gute zuerst. Obwohl es ein paar Tage her ist, ist mir die Geschichte noch sehr präsent im Kopf. Das ist nicht immer so und auch nicht oft. Meistens lösche ich recht schnell, um wieder Speicher frei zu haben.
Aber das Gefühl des "Nichtgenügen" hast Du so einprägsam beschrieben, vielleicht wegen der vielen Wiederholungen, und hier noch eine Situation und noch eine und dann noch mal drauf. Man fällt ja im Laufe des Lesens so richtig in ein Loch mit Kevin.

Novemberfelder
Ich auch - schönes Wort!

Ab davon, hatte ich zu Beginn des Textes wieder so Schwierigkeiten, mich auf deinen Stil einzulassen. Ich wollt ständig was an den Rand schreiben, schreib doch so oder so, und dann merkte ich wieviel es wurde und dachte, nee, dann ist ja nix mehr von kew übrig :). Aber so ab Seite 2 hatte ich mich echt dran gewöhnt und dann lief das Ding auch. Obwohl ich denke, was Möchtegern geschrieben hat dieses Gedopple, also da könntest du wirklich mal drüber nachdenken. Das hat so einen künstlichen Geschmack für mich, da verliert es immer das Natürliche und eigentlich macht genau das deine Schreibe aus, irgendwie, für mich.

Ein Mädchen setzte sich neben Kevin. Sie trug Jeansjacke, Rock und Strumpfhosen. Ihre Haare erinnerten Kevin an ein Bild, das er auf Alex‘ Laptop, ...

Du hast echt 'nen Kevin-Lauf. So viele Kevins in den ersten Sätzen.

Zwei Manga-Mädchen knieten nackt am Boden, ihre Fotzen trieften. Als Kevin Alex nach dem Bild fragte, gab es dieser als Arbeitsmaterial für ein Romanprojekt aus. Kevin spürte, dass er eine Erektion bekam. Um sich abzulenken, spielte er mit dem Gedanken, dem Mädchen in Jeansjacke den Fuß abzusägen. Er zog ihr Schuh und Socke aus. Mit einem Fuchsschwanz zeichnete er eine faserige Linie oberhalb des Knöchels. Blut tropfte vom Sägeblatt und färbte den Teppichboden glitschig schwarz. Zu Beginn ließ Kevin sich Zeit, damit die Säge nicht aus der Spur sprang, dann zog er durch wie sein Vater es ihm beigebracht hatte, gleichmäßig und nie auf Stich belastet.

Jaa! Ein bisschen Zugfahren, ganz harmlos und so ein bisschen - ach die Freundin-Sehnsucht-Gedanken, dass ist ja irgendwie nicht so der Bringer, und dann zack, Fuss absäbeln. Leser ist wach, ist da und Kevin hat 'nen Schuss. Leider braucht er den ja später eigentlich nicht mehr, aber es macht in schon interessanter. Ich mach das auch gern, meinen Figuren so komische Phantasien anhängen.

„Du bist echt süß, du lässt dich so leicht aus dem Konzept bringen.“ Sie griff ihm in den Schritt und Kevin, der eine Erektion bekam, kämpfte um Fassung.

Aber Sara spielt das schon ganz schön aus, seine Unsicherheit. Ich habe mich ja manchmal im Text gefragt, ob sie ihn denn wirklich auch liebt. Will sagen, ich habe ihr das Geheule nicht abgenommen. Habe mich auch gefragt, woher sie denn weiß, dass er abgehauen ist. Geh mal zu meinen Eltern, da fängt man ja nicht unbedingt an zu heulen und weiß, man hat jetzt Krise.
Also, ich hatte beim Lesen echt Schwierigkeiten in den beiden einne gleichberechtigte Beziehung zu sehen. Für mich kam Kevin immer wie ein Spielzeug weg, so wie er sich eben auch fühlt, also ich war ganz bei ihm, aber von Sara habe ich null "Liebe" gespürt, bis du sagst, jetzt weint sie, weil er weg ist, okay, dann wird sie wohl doch was gefühlt haben.

Aber Kevin hat mir sehr gut als Figur gefallen. Die Schwimmbadszene fand ich schon echt brutal. Ich habe so mit ihm gelitten.Und eben da ist sie auch so schrecklich unsensibel. Wie die ganze Zeit auch schon. Aber ich wollte ja Kevin loben ... also, den mag ich als Figur, unbedingt. Und der hat ein Problem und das spüre ich als Leser auch durch den ganzen Text hinweg. Das ist mehr, als was dein letzter Text bei mir erreichen konnte und es ist mehr, als was viele Texte bei mir hier erreichen. Das sind eben die schnell wieder vergessenen.

Habe ich wirklich gern gelesen.
Beste Grüße Fliege

 

Hallo Fliege,

auch dir Dank fürs Lesen und Kommentieren.

Das Gute zuerst. Obwohl es ein paar Tage her ist, ist mir die Geschichte noch sehr präsent im Kopf. Das ist nicht immer so und auch nicht oft. Meistens lösche ich recht schnell, um wieder Speicher frei zu haben.
Aber das Gefühl des "Nichtgenügen" hast Du so einprägsam beschrieben, vielleicht wegen der vielen Wiederholungen, und hier noch eine Situation und noch eine und dann noch mal drauf. Man fällt ja im Laufe des Lesens so richtig in ein Loch mit Kevin.
Das ist ein tolles Kompliment für meine Geschichte. Danke dafür. Und schön auch, dass für dich diese Wiederholungen funktionieren.

Ab davon, hatte ich zu Beginn des Textes wieder so Schwierigkeiten, mich auf deinen Stil einzulassen. Ich wollt ständig was an den Rand schreiben, schreib doch so oder so, und dann merkte ich wieviel es wurde und dachte, nee, dann ist ja nix mehr von kew übrig . Aber so ab Seite 2 hatte ich mich echt dran gewöhnt und dann lief das Ding auch.
Weiß jetzt nicht so recht, ob das du ist oder schlecht. Immerhin scheint mein Stil gewisse Eigenheiten zu haben, auch, wenn das wohl nicht immer ganz eingängig ist. Ich nehm's mal positiv. Waren ja "nur" zwei Seiten um rein zu kommen.

Obwohl ich denke, was Möchtegern geschrieben hat dieses Gedopple, also da könntest du wirklich mal drüber nachdenken. Das hat so einen künstlichen Geschmack für mich, da verliert es immer das Natürliche und eigentlich macht genau das deine Schreibe aus, irgendwie, für mich.
Jetzt sind's zwei, die meckern. Jetzt werd ich wirklich mal drüber nachdenken, versuchen das beim nächsten Text zu reduzieren. Dass mein Stil natürlich wirkt, find ich interessant. Wusst ich vorher nicht. Danke, für den Hinweis.

Jaa! Ein bisschen Zugfahren, ganz harmlos und so ein bisschen - ach die Freundin-Sehnsucht-Gedanken, dass ist ja irgendwie nicht so der Bringer, und dann zack, Fuss absäbeln. Leser ist wach, ist da und Kevin hat 'nen Schuss. Leider braucht er den ja später eigentlich nicht mehr, aber es macht in schon interessanter. Ich mach das auch gern, meinen Figuren so komische Phantasien anhängen.
Jo, ist zum Teil auch Selbstzweck und weil's cool ist. Aber ich dachte mir das eigentlich auch als Überleitung zu der Nasenblutszene. Damit das vorher schonmal auftaucht und nicht erst während dem Sex. Aber auch, wenn das als ohne Fortsetzung gesehen wird, ist es für mich okay. Ich mag so Einsprengsel einfach.

Also, ich hatte beim Lesen echt Schwierigkeiten in den beiden einne gleichberechtigte Beziehung zu sehen. Für mich kam Kevin immer wie ein Spielzeug weg, so wie er sich eben auch fühlt, also ich war ganz bei ihm, aber von Sara habe ich null "Liebe" gespürt, bis du sagst, jetzt weint sie, weil er weg ist, okay, dann wird sie wohl doch was gefühlt haben.
Du immer mit deinen fiesen Ansprüchen :D.
Meine Idee war, dass sie halt ihre Liebe nicht sonderlich zeigt. Dass die da sehr cool ist nach außen und Alex halt nur diese Coolness sieht und sich deshalb nicht geliebt fühlt.
Scheint ja nicht so ganz zu funktionieren. Hab ich wieder ne Hausaufgabe fürs nächste Mal. Vielleicht schaff ich es da, dass der "Ekelpart" auch nette Seiten zeigt.

Aber Kevin hat mir sehr gut als Figur gefallen. Die Schwimmbadszene fand ich schon echt brutal. Ich habe so mit ihm gelitten.Und eben da ist sie auch so schrecklich unsensibel. Wie die ganze Zeit auch schon. Aber ich wollte ja Kevin loben ... also, den mag ich als Figur, unbedingt. Und der hat ein Problem und das spüre ich als Leser auch durch den ganzen Text hinweg. Das ist mehr, als was dein letzter Text bei mir erreichen konnte und es ist mehr, als was viele Texte bei mir hier erreichen. Das sind eben die schnell wieder vergessenen.
Das ist natürlich toll. Wenn ich schonmal eine gute Figur drin habe, schaff ich's vielleicht beim nächsten Mal mit zwei. Und dass ich damit mehr geschafft hab als beim letzten Text ist mir sehr wichtig. Hab ich ja schon oft hier geschrieben. Entwicklung ist mir erstmal das wichtigste. Dass ich neben bei besser bin als "viele" ist natürlich eine nette Dreingabe. ;)

Habe ich wirklich gern gelesen.
:)

Gruß,
Kew

 

Nur ein kleiner Kommentar,

lieber Kew(in).

Dass mir die Geschichte gefällt, habe ich dir ja schon gesagt. In vielen, kleinen Episoden zeigst du uns, wie Kevin Sara sieht, wie er sie liebt, wie er sie hasst, wie er eifersüchtig ist und sich immer wieder denkt, was findet sie eigentlich an mir? Alex ist doch viel besser, in allem. Weiß nicht, Quinn fand den Titel nicht so überragend, ich mag ihn: Vielleicht doch lieber Alex, das ist irgendwie witzig und trifft doch den lästigen Gedanken, der Kevin ständig an den Fußsohlen klebt. Von allen Personen ist Alex irgendwie am deutlichsten, ist auch logisch, Kevin betrachtet seinen Konkurrenten und verliert dabei ein bisschen Sara aus dem Blick. Dieses Ich-Gefühl trotz auktorialem Erzähler hinzubekommen, ist auch nicht immer leicht bzw. ist es verlockend zu allwissend daher zu kommen. Das machst du gut. Nur scheint mir Alex tatsächlich ein schwuler Freund zu sein, der nicht schwul ist. Das ist ein bisschen zu leicht, für dich und für Kevin. Ich hätte mir da eine kleine Grenzüberschreitung gewünscht und wenn sie im Schwimmbad nur die gleiche Umkleidekabine benutzen. Das würde Kevin doch total verrückt machen. Verwirrend fand ich die Hackphantasien deines Protagonisten, auch die triefenden Mangafotzen gleich zu Beginn haben mich ein bisschen heraus geworfen, das mag mir immer noch nicht so recht zum Rest passen. Vielleicht habe ich da einfach auch etwas überlesen. Den ausgefallenen Orosex fand ich genial, nur ein bisschen überraschend, nachdem sie ja vorher eher verschlossen war. Gewiss ist oftmals eine Übertreibung die Folge einer Kritik, aber diese hier fand ich ein bisschen übertrieben, auch wenn ich sie niemals streichen würde. Warum sind sie eigentlich so brav vorher? Wird das irgendwo erwähnt? Ich glaube nicht.

Zur Sprache könnte ich viele Kleinigkeiten aufzählen, aber eigentlich ist es ganz gut so, wie du in jeden neuen Satz rennst, ohne Rücksicht auf Verluste. Und das meine ich durchaus positiv. Unverhältnismäßig bildgewaltig manchmal, dann wieder schnörkellos, an einer anderen Stelle eine etwas umständliche Formulierung. Aber du schreibst nie gegen den Leser, sondern immer für ihn.

Deine Geschichte ist alles andere als verkopft, sie läuft in diese kleinen Szenen und man fühlt richtig mit - mit Kevin, wie er leidet und dieses Problem, das man hat, wenn seine eigene Freundin sich mit anderen Jungs so gut versteht - ich würde durchdrehen, glaube ich. Und das tut Kevin ja auch. Dieses Gefühl hast du eingefangen, unmittelbar aus dem Leben gegriffen und das mochte ich.

Beste Grüße
markus.

 

Hallo M. Glass,
sorry hat ne Weile gedauert.

In vielen, kleinen Episoden zeigst du uns, wie Kevin Sara sieht, wie er sie liebt, wie er sie hasst, wie er eifersüchtig ist und sich immer wieder denkt, was findet sie eigentlich an mir? Alex ist doch viel besser, in allem.
Ja, Kevin neigt dazu, an sich das Schlechte zu sehen und anderen das Gute. Er denkt ja nie, Alex kann gut Schwimmen und dafür kann ich ... Sondern der denkt nur Alex kann das, ich kann's nicht und ich bin deshalb schlechter. Er vergleicht sich quasi auf den flaschen Ebenen.
Das mit den vielen Episoden war mir wichtig, auch wenn das angemerkt wurde, dass es vielleicht zu viel ist, weil sowas ja nicht nach einer Begebenheit passiert, also diese Eifersucht/Distanzierung etc. Das ist ja immer ein Prozess. Und das hab ich versucht einzufangen.

Von allen Personen ist Alex irgendwie am deutlichsten, ist auch logisch, Kevin betrachtet seinen Konkurrenten und verliert dabei ein bisschen Sara aus dem Blick.
Hm, okay. Ich dachte, ich hätte dem gar nicht so viel Profil gegeben. Aber so lang es funktioniert und die andern beiden nicht zu platt sind.

Dieses Ich-Gefühl trotz auktorialem Erzähler hinzubekommen, ist auch nicht immer leicht bzw. ist es verlockend zu allwissend daher zu kommen. Das machst du gut.
Danke, dafür. Wobei mich ein "echter" auktorialer Erzähler sehr reizt. Werd ich in Zukunft mal ausprobieren. Momentan mach ich ja Perspektivmäßig immer das Gleiche.

Nur scheint mir Alex tatsächlich ein schwuler Freund zu sein, der nicht schwul ist. Das ist ein bisschen zu leicht, für dich und für Kevin. Ich hätte mir da eine kleine Grenzüberschreitung gewünscht und wenn sie im Schwimmbad nur die gleiche Umkleidekabine benutzen. Das würde Kevin doch total verrückt machen.
Jo, haben ja schon mehrere angemerkt, der Konflikt läuft ins leere. Werd ich fürs erste zu vermeiden suchen. Prinzipiell find ich die Idee ja toll, also dieses Verpuffen, aber das ist wahrscheinlich eine dieser Ideen, die in der Theorie besser aussehen als in der Praxis. Beim nächsten Mal gibt's wieder einen Knall am Ende - zumindest den Vorsatz dazu.

Verwirrend fand ich die Hackphantasien deines Protagonisten, auch die triefenden Mangafotzen gleich zu Beginn haben mich ein bisschen heraus geworfen, das mag mir immer noch nicht so recht zum Rest passen. Vielleicht habe ich da einfach auch etwas überlesen. Den ausgefallenen Orosex fand ich genial, nur ein bisschen überraschend, nachdem sie ja vorher eher verschlossen war. Gewiss ist oftmals eine Übertreibung die Folge einer Kritik, aber diese hier fand ich ein bisschen übertrieben, auch wenn ich sie niemals streichen würde. Warum sind sie eigentlich so brav vorher? Wird das irgendwo erwähnt? Ich glaube nicht.
Also die Hackphantasien: Ich mag persönlich solche überzogenen Details. Liegt an meiner Lesegewohnheit, aber ich werd noch dran Arbeiten, dass die weniger rausstechen, weniger Fremdkörper sind.
Das mit dem brav: Kevin ist halt unsicher und deshalb nicht gerade experimentierfreudig - so war's zumindest von mir gedacht. Scheint nicht ganz rauszukommen. Aber finde ich jetzt auch nicht so schlimm.

Zur Sprache könnte ich viele Kleinigkeiten aufzählen, aber eigentlich ist es ganz gut so, wie du in jeden neuen Satz rennst, ohne Rücksicht auf Verluste. Und das meine ich durchaus positiv. Unverhältnismäßig bildgewaltig manchmal, dann wieder schnörkellos, an einer anderen Stelle eine etwas umständliche Formulierung. Aber du schreibst nie gegen den Leser, sondern immer für ihn.
Mein Stil scheint ja ne ziemliche Rumpelkammer zu sein. :D Danke für deine Sichtweise hier, ist auch in Zukunft eine Baustelle. Und dein letzter Satz freut mich natürlich.

Deine Geschichte ist alles andere als verkopft, sie läuft in diese kleinen Szenen und man fühlt richtig mit - mit Kevin, wie er leidet und dieses Problem, das man hat, wenn seine eigene Freundin sich mit anderen Jungs so gut versteht - ich würde durchdrehen, glaube ich. Und das tut Kevin ja auch. Dieses Gefühl hast du eingefangen, unmittelbar aus dem Leben gegriffen und das mochte ich.
Was für mich ja ganz was neues ist. Und schön, dass es gefällt.

Gruß und Dank,

Kew

 

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