Was ist neu

Verwässert

Mitglied
Beitritt
16.09.2017
Beiträge
3
Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Verwässert

Unaufhaltsam fiel der Schnee, schon den ganzen Tag. Wie weißes Rauschen, nicht stark genug, um das Signal zu überdecken. Es war kein schöner Schnee. Unangenehm war es, von den dicken, wässrigen Flocken getroffen zu werden. Nichtsdestotrotz trugen sie viel mehr Wasser in sich, als man annehmen sollte. Jede war übervoll und gab alles erst frei bei ihrem abrupten Ende auf dem unnachgiebigen Asphalt, auf dem sich der Schnee im scharfen Kontrast zu den wenigen, rettenden grünen Inseln einfach nicht halten konnte.

Niemand hatte mich verabschiedet, niemand würde mich begrüßen oder erwarten, und doch würde ich mit viel zu vielen Personen ungewollte Gespräche führen müssen. Derart ungewollte Gespräche, dass mich allein der Gedanke daran in genau die angst- und zugleich hasserfüllte Stimmung versetzte, die die Grenzen meines guten Vorsatzes aufdeckte. Also klärte ich all die Dinge, denen ich nicht ausweichen konnte, so schnell wie möglich und dann stand ich auf dem großen Platz, der so ungewohnt leer war. Ich stand dort und es war 11 Uhr und ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Dabei hatte auf dem Papier alles, was man braucht, um ein glückliches Leben zu leben. Es gab sogar Orte, an denen sich meine Anwesenheit vermutlich positiv ausgewirkt hätte, aber ich wollte nicht in die WG. Ich wollte nicht den Handwerkern begegnen und mir wie immer so fehl am Platz vorkommen. Und selbst der Gedanke an den echten menschlichen Kontakt, den ich so dringend gebraucht hätte und den ich hätte haben können, indem ich mich mit Christian unterhalten hätte war es in diesem Moment nicht Wert, abgewiesen zu werden. Es wäre Abweisung in ihrer schwächsten Form gewesen, aber es wäre Abweisung gewesen, ich wäre allein in meinem Zimmer gesessen, hätte mich selbst und alle anderen gehasst und diesen Hass dann online betäubt. Wäre ich nur gegangen.

Aber ich ging nicht und so stand ich alleine auf dem großen leeren Platz, auf dessen unebenem Kopfsteinpflaster sich riesige Pfützen ansammelten. Die Schneeflocken wurden immer dicker und trieben mir ins Gesicht und durchnässten mich bei ihrem Auftreffen mit ihrer gewaltigen nassen Last. Ich hielt es nicht mehr aus und ging los, hastig in verschiedene Gebäude, ohne zu wissen, was ich dort wirklich wollte. Jeder fragende Blick, der mich traf, ließ mich weiter taumeln in eine Richtung, die kein Mensch mit einem klaren Kopf jemals einschlagen würde.

Am Ende landete ich in der ebenfalls noch vollkommen leeren Kantine, vor mir eine zu meinem nicht vorhandenen Appetit unverhältnismäßige Portion Essen als Schutzwall vor jenen Blicken, vor denen mich nichts schützen konnte außer Isolation. Und so saß ich dort und genoss in einer seltsamen Art und Weise wie mir mein Essen mit jedem Biss mehr widerstand. Es schmeckte nach genau der überflüssigen, lieblosen Nahrung, die sie auch war, und nach nichts sonst. Und mir wurde schlecht davon, schlecht von dem ganzen, noch so jungen Tag, schlecht von der pummeligen Asiatin, die ein paar Tische weiter ebenfalls alleine aß und dabei auf ihrem Laptop eine Serie anschaute. Ich erhob mich über sie, ich schaute mit Abscheu auf sie herab und lechzte gleichzeitig nach der schützenden Betäubung, die sie erfuhr, statt wie ich qualvoll meiner bewussten Wahrnehmung jedes einzelnen dieser Momente ausgeliefert zu sein. Ein Ende schien der Natur meiner Situation zu widersprechen.

Niemand saß neben mir, aber der Zug war voll mit Kindern nach Schulende. Voll mit pubertären Lakaien, geleitet von einer unsichtbaren Hand, bereit alles zu tun für ein bisschen Popularität. Ich fühlte mich ihnen überlegen in ihrer unwissenden, unüberlegten, verletzenden Art. Der Geruch ihrer billigen Snacks aus dem Automaten am Bahnhof wurde zu purem Hass sobald ihn meine Sinne aufnahmen.

Ich wusste, dass es falsch war, diese Kinder zu verurteilen. Ich wusste, wie brutal ihr Leben ist, erst recht wenn man sich nicht jenem barbarischen Gerangel um soziale Stände unterwarf. Normalerweise war ich bemüht, mich nicht davon überkommen zu lassen. Von der abgrundtiefen Abneigung, die mich gegenüber allem in meiner Umgebung überkam, mit dem ich mich nicht hundertprozentig vereinbaren konnte. Ein Video hatte mir vor einiger Zeit zu denken gegeben, dass ich mich in andere hineinversetzen solle und mir verständliche Gründe vorstellen solle, aus denen sie mir auf die Nerven gehen. Aber jeder gute Vorsatz hat seine Grenzen, dieser hatte seine mit jenem Tag gefunden. Und so ließ ich den Hass frei fließen, Hass auf die Kinder im Zug, Hass auf den so unangenehmen Schnee, der weiterhin ununterbrochen fiel, Hass auf alles und jeden, allen voran auf mich selbst.

Die Schneeflocken hatten die Größe von Tennisbällen als in nachts aus dem Fenster schaute, nachdem ich meine Zähne geputzt hatte. Den ganzen Tag über schienen die einzelnen Flocken oder inzwischen eher Klumpen dauerhaft an Größe und verborgenem Inhalt zugenommen zu haben. Aber viel größer konnten sie nicht mehr werden ohne unter ihrer Last zu zerbrechen, schon ihre jetzige Größe erschien mir unnatürlich in geradezu lächerlichem Ausmaß. Wieso war die gewaltige Schneemasse nicht auf viele kleinere Flocken verteilt, sondern sank in einem großen Haufen so langsam und scheinbar leicht zu Boden, als sollte einem vorgegaukelt werden, es handle sich einfach um eine ganz gewöhnliche Schneeflocke?

Ich strich mir mit einem stumpfen, alten, grob gezackten Messer aus der Küche meiner seit Jahren toten Großeltern über die Hauptschlagader, über die Kehle. Ich war mir nicht sicher, ob ich die ganze Situation herbeigezwungen habe, aber es fühlte sich zu meiner Überraschung tatsächlich gut an. Ich legte das Messer wieder in die Schublade, machte sie so leise wie möglich zu und ging ins Bett. Ich war noch zu vernünftig.

 

Hej Rundleger und herzlich willkommen,

vermutlich hört sich es nicht besonders vertrauenerweckend an, aber ich habe großes Verständnis für deinen Protagonisten, wie er durch diese nasskalte, kleine Welt läuft, in der er seinen Platz finden muss, sich fremd fühlt, nichts anzufangen weiß mit sich. Funktioniert und keine Freude daran hat.

Sprachlich schaffst du es, mir diese triste Welt aufzuzeigen und mir persönlich ist es dabei nicht so wichtig, eine erbauliche Handlung beizusteuern, denn ich bIn betroffen genug, ihm bis zum Ende des Tages begleiten zu können. Und froh, dass er mit geputzten Zähnen und unversehrtem Hals ins Bett geht.

Wo hingegen Schnee in der Literatur als etwas Reines, Weißes genutzt wird, als Sinnbild für Ruhe und Geborgenheit stehen kann, ist dein Schnee kalt, nass, übergroß und steht wohl eher für Schwere und Druck, Tod und Ballast.

Sogesehen habe ich dir gerne zugehört, weil du den Ton triffst und durchziehst, ich seinen Gedanken folge, ihm gerne zuhöre, wie er sich in allem sieht, urteilt und ablehnt.

Interessanter könnte es deine Geschichte machen, würde sie einer Handlung folgen, einer Begegnung, einer Auseinandersetzung mit außen, einer Konfrontation, die er gerade meiden und der er aus dem Weg gehen will, zu sehen, wie er damit umgeht. So ungefähr.

Mal sehen, was passiert und ein freundlicher Gruß, Kanji

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Kanji,

vielen Dank erstmal fürs willkommen heißen und vor allem natürlich fürs durchlesen.

Dazu freut es mich sehr, dass der Protagonist mit seiner Gefühlswelt angekommen zu sein scheint, darauf hatte ich gehofft. Insbesondere finde ich schön, dass du mit dem ganzen Schnee-Sinnbild etwas anfangen konntest.

Dass in der Geschichte nun eigentlich nicht viel passiert, ist mir natürlich auch nicht entgangen und das hat mich auch ein wenig zögern lassen, das Ganze hier überhaupt zu posten. Allerdings ist mir aufgefallen, dass mir derartige Beschreibungen einer inneren Gefühlswelt scheinbar leichter von der Hand gehen als tatsächliche Interaktionen und Konfrontationen, besonders in Echtzeit. Und da das ohnehin mehr oder weniger mein erster Versuch ist, bin ich dafür zunächst mal in meiner Komfortzone geblieben.

Aber selbstverständlich will ich mich auch außerhalb davon versuchen, allerdings würde ich ungern mit einer unpassenden Herangehensweise die Stimmung kaputtmachen. Ich werde also sehen müssen, ob mir etwas einfällt, das mir passend genug scheint oder ob ich mich an den Interaktionen erstmal in einer separaten Geschichte versuche.

Viele Grüße,
Rundleger

 

Hallo Rundleger,

vielen Dank für deine Geschichte und herzlich willkommen.

Mir fällt der Einstieg schon ziemlich schwer, hier meine Gedanken dazu:

Wie weißes Rauschen, nicht stark genug, um das Signal zu überdecken.
Welches Signal? Die Welt? Wenn das weiße Rauschen eine Metapher für das Schneegestöber ist, erwarte ich auch ein Gegenstück für das Signal.

Nichtsdestotrotz trugen sie viel mehr Wasser in sich, als man annehmen sollte.
Wieso nichtsdestotrotz? Ich finde der Satz kann weg.

wenigen, rettenden grünen Inseln einfach nicht halten konnte.
Das Bild macht für mich keinen Sinn. Der Schnee kann sich auf dem Asphalt nicht halten, auf den grünen Inseln aber schon – müssten diese dann nicht weiß sein?


In dem zweiten Abschnitt gibt es einige schöne Stellen, die das Gefühlsleben des Protas gut beschreiben:

und doch würde ich mit viel zu vielen Personen ungewollte Gespräche führen müssen. Derart ungewollte Gespräche, dass mich allein der Gedanke daran in genau die angst- und zugleich hasserfüllte Stimmung versetzte, die die Grenzen meines guten Vorsatzes aufdeckte.
Dabei hatte auf dem Papier alles, was man braucht, um ein glückliches Leben zu leben.
Ich wollte nicht den Handwerkern begegnen und mir wie immer so fehl am Platz vorkommen.

Die Person fühlt sich einsam, ausgeschlossen und unglücklich und weiß selbst nicht warum. Von außen betrachtet, müsste sie doch einfach glücklich sein. Dieser Konflikt führt dazu, dass sie sich immer mehr zurückzieht und sich so immer weniger dazugehörig fühlt.

Trotzdem gibt es hier einige anstrengende Satzstellungen und Füllwörter.

ungewollte Gespräche führen müssen. Derart ungewollte Gespräche,
Doppelung

11 Uhr
elf Uhr

Und selbst der Gedanke an den echten menschlichen Kontakt, den ich so dringend gebraucht hätte und den ich hätte haben können, indem ich mich mit Christian unterhalten hätte war es in diesem Moment nicht Wert, abgewiesen zu werden. Es wäre Abweisung in ihrer schwächsten Form gewesen, aber es wäre Abweisung gewesen, ich wäre allein in meinem Zimmer gesessen, hätte mich selbst und alle anderen gehasst und diesen Hass dann online betäubt.

Kompliziert geschrieben. Den Konjunktiv würde ich umformulieren.
Wieso braucht er den menschlichen Kontakt? Ich dachte er flieht davor? Was für eine Abweisung?

So ähnlich geht es weiter im Text. Du schreibst eigentlich nicht viel Neues. Nur weitere Situationen, die das Unwohlsein des Protas beschreiben. Er will dazugehören, fühlt sich einsam, flieht in die Nähe von Menschen, merkt dass er nicht dazu gehört, empfindet Abscheu und Ekel gegenüber sich und der Welt und flieht weiter.

Ich finde, du schaffst es gut zu vermitteln, wie der Prota sich fühlt. Aber mehr ist es dann nicht. Wie auch Kanji, fehlt mir hier die Handlung, die Geschichte.


Liebe Grüße,
Nichtgeburtstagskind

 

Puh, mit so vielen Rückmeldungen in so kurzer Zeit hatte ich gar nicht gerechnet, danke, dass ihr euch alle die Zeit genommen habt.

Der ganzen vergessenen Kommas, Wörter etc. nehme ich mich mangels Zeit später an, jetzt möchte ich erstmal auf eure Kritik der Geschichte als solche (oder eben auch nicht) eingehen:

Nichtgeburtstagskind:

Wie weißes Rauschen, nicht stark genug, um das Signal zu überdecken.
Welches Signal? Die Welt? Wenn das weiße Rauschen eine Metapher für das Schneegestöber ist, erwarte ich auch ein Gegenstück für das Signal.
Die Metapher ist in der Tat seltsam unspezifisch. Ich glaube die stand auch nur noch drin, weil sie quasi die erste war, die ich aufgeschrieben habe, macht das Ganze aber wohl nicht wirklich zugänglicher.

wenigen, rettenden grünen Inseln einfach nicht halten konnte.
Das Bild macht für mich keinen Sinn. Der Schnee kann sich auf dem Asphalt nicht halten, auf den grünen Inseln aber schon – müssten diese dann nicht weiß sein?
In meinem Kopf – gewissermaßen zu der unangenehmen Stimmung passend – blieb der Schnee nicht richtig liegen, so dass schon noch einiges an Grün zu sehen bliebe, aber das hätte wohl besser beschrieben werden müssen. Andererseits klingt es dann gleich so umständlich, muss ich mal drüber nachdenken…

Auch der Konjunktivabschnitt ist natürlich reichlich schwer zu lesen, werde ich umformulieren.

Wieso braucht er den menschlichen Kontakt? Ich dachte er flieht davor? Was für eine Abweisung?
Das sind alles sehr zentrale Fragen. Jetzt wo ich den Text nochmal versuche, als Nicht-Autor zu lesen, bleibt das wohl tatsächlich alles ein bisschen zu unklar, das war mir vorher nicht ganz so bewusst. Sobald ich die Zeit finde, werde ich versuchen, die Zusammenhänge da etwas deutlicher zu machen.

Ich finde, du schaffst es gut zu vermitteln, wie der Prota sich fühlt. Aber mehr ist es dann nicht. Wie auch Kanji, fehlt mir hier die Handlung, die Geschichte.
Damit wäre mein Ziel absolut erreicht. Zumal die Geschichte sehr subjektiv die (nicht ganz optimistische) Sich des Protagonisten auf alles Geschehene wiederspiegelt, habe ich mich wie gesagt schwer damit getan, eine tatsächliche Handlung in dem Sinne einzubringen. Ich werde mich aber garantiert daran versuchen.

maria.meerhaba:

Sehr schade, dass du nichts mit dem Text anfangen konntest, andererseits kann ich deine Erklärung dafür auch gut nachvollziehen.

Ich sag’s mal so: Das ist eine dieser Geschichten, die grundlos großartig zu sein versuchen und daran natürlich scheitern.
Das ist mit Sicherheit der Fall, vielleicht teilweise einen Nebenwirkung der Hoffnung, dass die erste Kurzgeschichte gleich ganz toll wird. Allerdings:

Es gibt hier genug Leute, die irgendetwas interpretieren und irgendetwas in den Geschichten finden, doch ich interpretiere nie etwas in eine Geschichte, sondern nehme sie, so wie sie ist, und in diesem Fall hat diese Geschichte weder Hand noch Fuß.
Liegt ein großer Teil des Problems auch hierin wie ich glaube. Auf der einen Seite ist das wohl eine gute und legitime Einstellung, insbesondere als derart erfahrenes Mitglied (wenn ich das mal in dein Profil reininterpretieren darf). Andererseits war ich noch nie ein Fan von Geschichten, die sich so ganz selbst genügen, ohne dass man hineininterpretieren muss. Dementsprechend ist der Text wohl sehr am einen Ende dieses Spektrums gelandet und die Mitte ein bisschen mehr anzupeilen kann ganz sicher nicht schaden.

Bas:

Es freut mich sehr, dass bei dir mehr Seele angekommen ist, die Stimmung und die Atmosphäre rüberzubringen war mir wie gesagt das wichtigste. Außerdem danke für dein Lob zum Schreibstil, damit hätte ich sicher nicht gerechnet :D.

Ich glaube das sind so Dinger, auf die Maria anspielte, als sie davon sprach, dass dein Text "groß wirken will". Und ja, das ein oder andere davon schadet wohl einfach dem "Textbild", weil es nicht zum Klang der übrigen Sprache passt, wenn du weißt, was ich meine.
Wie schon gesagt, kommt das mit Sicherheit zum Teil daher, dass die erste Geschichte gleich ganz toll sein soll. Andererseits neige ich auch im Alltag zu unnötig geschwollener Sprache, scheinbar konnte ich das auch hier nicht ganz unterdrücken.

m Ende landete ich in der ebenfalls noch vollkommen leeren Kantine
Warum ebenfalls? Würde ich streichen
Der Platz davor war genauso leer.

Ich werde, wie du schon gesagt hast, jetzt nicht auf alles einzeln eingehen. Du machst viele gute Punkte, die zu bedenken sind. Das mit dem Amoklauf ist auch gar nicht so weit her geholt, würde der Protagonist vielleicht ganz gerne wenn ihn die Angst lassen würde.

So oder so, würde mich freuen, wenn wir bald noch mehr von dir zu lesen bekommen.
Danke für die Kritik und die ermutigenden Worte, ich hoffe auch, bald noch mehr zu schreiben… :D.

Rundleger

 

Hallo Rundleger,
Deine kleine Winterreise habe ich gestern schon gelesen und habe sie heute noch einmal überflogen. Da steht also jemand im Schnee und ihn überkommt ein gewaltiger Weltekel, der ihn am Ende fast selber in den Abgrund reißt. Die Metapher dafür ist die Schneeflocke, die ja eigentlich in der Verniedlichung als Flöckchen Weißröckchen harmlos-lieblich erscheint, hier aber zum Brockenmonster mutiert, das dennoch lautlos zu Boden flockt. Diese Spannungsanlage finde ich im Grunde interessant, sie hat am Ende etwas Absurdes und Fantastisches. Aber es gibt zwei Gründe, warum mich der Text als persönliche Innenschau nicht überzeugt. Der erste wiegt für mich nicht so schwer. Es ist keine Geschichte, die Szene lebt fast ausschließlich von Atmosphäre, von Positionen, Haltungen, die reflektiert werden. Es tut sich kaum was. Könnte ich damit leben, wenn ich nicht eine gehörige Bremse empfinden würde und das ist die Sprache. Schon der Anfang schreckt mich ab:
Wer sollte den Schnee auhalten? Wer soll Niederschläge überhaupt aufhalten?

Unaufhaltsam fiel der Schnee
Ich sehe keine Kongruenz von Rauschen und Schneefall, von daher kann ich das Bild nicht einordnen.
Wie weißes Rauschen
Für mich klingt die Wortstellung aufgesetzt. Ich fände die natürliche Folge "Es war unangenehm" flüssiger. Das hat so einen antiquierten Gestus.
Unangenehm war es
Das ist so eine sperrige Konstruktion. Dann: Trägt die Flocke Wasser, oder besteht sie daraus? Sie ist ja Wasser, halt in Eiskristallform.
Nichtsdestotrotz trugen sie viel mehr Wasser in sich, als man annehmen sollte.
Das klingt auch so aufgepolstert. Asphalt ist unnachgiebig, auf alle Fälle. Aber die Erwähnung bringt einen so bedeutungsschwangeren Tonfall hervor, der mit großer Geste das Selbstverständliche als etwas Besonderes verkündet. In der poetischen Sprache mag das gehen, wenn man unheimlich theatralisch sein will oder auch grotesk oder humoresk. Da passt es auch. Aber da nicht, finde ich.
abrupten Ende auf dem unnachgiebigen Asphalt
Der Kontrast ist scharf und die Inseln sind wenig, rettend und grün. Eine weniger scharf umrissene Kulisse würde auch reichen.
scharfen Kontrast zu den wenigen, rettenden grünen Inseln

Das war der erste Absatz und im weiteren Verlauf werde ich noch an etlichen Stellen fündig, wo es mir ähnlich geht. Da sehe ich das Bedürfnis, Dinge ganz genau auf den Punkt zu bringen, aber im Versuch, es möglichst genau festzuhalten, entgleitet es, weil es sprachlich zu verknotet wird.
Beispielhaft auch der Satz:
Am Ende landete ich in der ebenfalls noch vollkommen leeren Kantine, vor mir eine zu meinem nicht vorhandenen Appetit unverhältnismäßige Portion Essen als Schutzwall vor jenen Blicken, vor denen mich nichts schützen konnte außer Isolation.
Das ist ein wenig Hacksteak aus Wörtern, einfach zu viele Ideen nacheinander an der Leine aufgehängt. Lass doch einfach das "noch" weg. Dann "vollkommen", weil, wenn die Kantine leer ist, ist sie leer. Unverhältnismäßig ist ein großes Wort. Vielleicht ein Kleineres.
Also, mein Rat wäre, das Wortknotenlevel ein wenig herunterzudimmen und dann bleibt immer noch eine Menge an langen Sätzen mit vielen Mäandern übrig. Aber: meine Meinung, versteht sich.
Herzlich
rieger

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom