Vertrauen
„Ich werde alles tun.“ dachte ich entschlossen . „Du wirst es für ihn wiederfinden!“ sagte ich mir immer wieder. Ich wiederholte den Spruch in Gedanken. Nichts war mir in dem Moment so klar. Ich durfte jetzt nicht den Bezug zur Realität verlieren. Ich durfte jetzt nicht loslassen, emotional werden, schweigen. Also schob ich es erneut beiseite.
Wer sollte ihm jetzt beistehen wenn nicht ich?
Ich hielt den Atem an. Um uns herum war es sehr still bis auf ein leises Vogelzwitschern aus den Baumwipfeln. Bedrückte Gesichter. Einige versteckten sich hinter ihrer Sonnenbrillen. Sonne war jedoch keine zu sehen. Seltsam eigentlich, denn normalerweise pflegte sie hier gerade zu solchen Anlässen herauszukommen, als ob sie einem an die Ironie des Schicksals unter die Nase reiben wolle. Doch heute war der Himmel grau. Verhangen.
Ich hielt immer noch seine Hand, dankbar dafür, dass er es zugelassen hatte, dass ich sie auf dem Weg zum Grab genommen hatte. Ich wusste nie wie nahe ich ihm in diesem Punkt kommen durfte. Er sprach nicht darüber und ich wollte ihn nicht dazu drängen. Vielleicht wäre alles einfacher, wenn er beginnen würde sich mir anzuvertrauen. Bei dem Thema begann ein Terrain, das für mich nicht zugänglich war
Es tat weh das zu realisieren.
Ab und zu unterbrach ein unterdrücktes Schluchzen von jemandem die Stille.
Ein Berg Blumen und Kränze lag auf dem Grab. Ich hatte eine pinke Blume mitgebracht und legte sie schweigend hin. Pink war die Lieblingsfarbe seiner Mutter gewesen .
Nachdem wir einige Minuten beinahe reglos am Grab gestanden hatten drehte er sich plötzlich um und wir gingen in zügigem Tempo den Weg zurück zum Parkplatz. Ich fragte nicht warum wir so plötzlich gingen. Ich sagte gar nichts. Ich schaute ihn nicht einmal an. Ich hielt einfach nur seine Hand. Aus den Augenwinkeln konnte ich ihn weinen sehen. Stille Tränen.
Wir setzten uns in seinen alten Toyota und er fuhr los. Immer noch hatte keiner ein Wort gesprochen. Ich schaute aus dem Fenster und ließ meine Gedanken schweifen. Er fuhr den Weg, der zum Meer führte. Als er parkte wurde es schon dunkel, es waren nur noch einige letzte blasse Lichtstreifen zu sehen, die sich auf dem Wasser spiegelten.
Wir stiegen aus, er nahm meine Hand und wir gingen zum Strand hinunter. Unsichere Blicke die ich ihm zwischendurch zuwarf wurden nicht erwidert. Ich setzte mich in den Sand und wartete ab. Weit entfernt am Horizont wurde der Himmel von fernen Blitzen erhellt. Der Wind war stärker geworden und peitschte das Meer, Im Vergleich zu der Stille zwischen uns wirkte das Geräusch der Wellen wie ohrenbetäubender Lärm. Als ich erneut seinen Blick suchte war ich erleichtert. Endlich sah er mich an und nicht durch mich hindurch. Ich lächelte schief, unsicher ob es dafür noch zu früh war, doch er erwiderte mein Lächeln und begann endlich zu sprechen. „Ist dir kalt?“ Ich schüttelte den Kopf und strich mir die Haare aus dem Gesicht, die vom Wind zerzaust wurden. „Nein es ist okay so.“ Er setzte sich neben mich und blickte gedankenverloren in die Ferne. „Möchtest du heute Nacht bei mir schlafen?“ Ich war immer noch unsicher was ich sagen konnte und was nicht aber ich hatte das Gefühl dass Reden die Situation auf seltsame Weise entspannte. Er nickte langsam.