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Verstehst du es jetzt?
Sarah seufzte, als es an der Haustür klingelte, und legte das Buch ins Gras. Sie streckte ihre Arme aus und erhob sich von dem Liegestuhl, den sie vor ein paar Minuten in den Garten gestellt hatte, anstatt ihre Hausaufgaben zu machen. Langsam schlenderte sie durch das Wohnzimmer und öffnete die Tür. Vor ihr lag der leere gepflasterte Weg, der auf die Straße führte. Sie sah sich um, konnte aber niemanden sehen. Gerade wollte sie wieder hineingehen, als ihr der Zettel auffiel, der mit Tesafilm am Holz befestigt worden war.
Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Zuckerstück! Dein Geschenk wartet schon auf dich. Zuerst musst du aber ein paar Hinweisen folgen. Erinnerungen an unsere lange Freundschaft werden dir dabei helfen.
Nummer eins: Wo hast du mir gebeichtet, dass du Fettes Brot in Wahrheit nicht ausstehen kannst und nur meinetwegen mit auf das Konzert gekommen bist?
Keine Unterschrift. Aber Sarah wusste auch so, dass Lisa diese Nachricht geschrieben hatte. Zuckerstück.
Sarah zerknüllte den Zettel, zog die Haustür hinter sich zu und setzte sich aufs Rad. Vorbei an Ein- und Mehrfamilienheimen radelte sie die Sperlingstraße entlang und bog an der nächsten Kreuzung links ab. Sie stellte ihr Fahrrad vor der in die Jahre gekommenen Turnhalle ab, in deren Keller sich das Jugendzentrum befand, und ging die Stufen hinunter.
Hier hatte sie ein paar Tage nach dem Konzert mit Lisa gesessen. Sie tranken Puschkin Blutorange, den ihnen Thomas aus der Elften besorgt hatte, und Sarahs Kopf fühlte sich schon ganz weich an.
Die Worte purzelten einfach aus ihrem Mund. „Das hab’ ich nur dir zuliebe gemacht. Ich kann die drei Typen nicht ausstehen. Und die Mucke ist auch scheiße!“
Lisa hatte sie angestarrt, ganz steif war ihre Haltung geworden. Sie trank einen Schluck, stierte vor sich hin und sagte dann achselzuckend: „Halb so wild. Lieb, dass du trotzdem mitgekommen bist.“
An der Eingangstür zum Aufenthaltsraum hing ein weiterer Zettel.
Du hast dich also erinnert, bravo! Ich weiß noch genau, wie enttäuscht ich im ersten Moment von dir war. Ich kann Lügen nicht ausstehen! Andererseits war es ein toller Freundschaftsbeweis, dass du etwas getan hast, worauf du eigentlich keine Lust hattest. Mir zuliebe.
Nummer zwei: Hier habe ich vergebens auf dich gewartet.
Sarah sah auf und stieß die Luft aus. Ich kann Lügen nicht ausstehen! Das gefiel ihr nicht. Sie rutschte auf der Bank hin und her und rieb ihre feuchten Handflächen an der Hose trocken. Das hier fühlte sich seltsam an. So wie ihre Freundschaft.
Als sie noch klein waren, hatten sie jeden Tag miteinander gespielt, hatten die umliegenden Felder erkundet, sich geheime Plätze auf den Ästen großer Bäume gesucht und zusammen gehalten, Ausreden erfunden, wenn sie zu spät nach Hause kamen. Lisa brachte Sarah zum Lachen, sie verteidigte sie vor jedem, der es wagte, schlecht über sie zu sprechen oder es auch nur anzudeuten. Das imponierte Sarah, es gab ihr ein Gefühl von Sicherheit. Doch seit sie zusammen aufs Gymnasium gingen, wurde Lisas Beschützerinstinkt erdrückend, Sarah hatte das Gefühl, sich dafür rechtfertigen zu müssen, was sie tat oder mit wem sie sich traf, und das machte sie wütend.
Hier habe ich vergebens auf dich gewartet. Sarah verzog das Gesicht. Das war fast ein halbes Jahr her. Sie hatten sich an ihrem Geheimplatz verabredet, oben auf dem Flachdach ihrer Schule. Über die Äste eines Baumes konnte man hinter dem Gebäude hinaufklettern und heimlich Zigaretten rauchen. Doch dann hatte Valerie angerufen und gefragt, ob Sarah nicht Lust hätte, mit zum Rodeln zu kommen. Sie mochte Valerie, sie war lustig. Entspannt. So wie Lisa früher gewesen war. Sarah hatte sofort zugesagt und eilig ihre Sachen gepackt. Lisa hatte sie vollkommen vergessen.
Am nächsten Schultag bekam sie dafür die Rechnung serviert. Alle kriegten mit, wie Lisa ihr mitten auf dem Hof eine Szene machte. Es war peinlich, einfach nur peinlich. Sie entschuldigte sich, doch innerlich war sie stinksauer. Danach meldete sie sich kaum noch bei Lisa, aber die schien das nur anzuspornen, bei jeder Gelegenheit zu betonen, wie besonders ihre Freundschaft sei.
Sarah stand auf und stieg auf ihr Fahrrad. Sie wollte das hier so schnell wie möglich hinter sich bringen.
Schwer atmend kletterte sie auf den nächsten Ast. Von hier aus konnte sie die Kante des Schuldachs greifen und sich hinaufziehen. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und verfluchte diese verdammte Schnitzeljagd. Das war so typisch für Lisa. Von allem zu viel. Seit Valerie und Sarah sich öfter trafen, war es noch schlimmer geworden. Sarah hatte manchmal das Gefühl, Lisa wäre immer bei ihr, klammerte sich von hinten fest an sie und sah ihr bei allem über die Schulter.
Vor ihr führte das mit Steinen aufgefüllte Dach zur Turnhalle am Ende des Gebäudekomplexes. Rechts und links gingen Seitenarme ab, alle paar Meter ragten Erhebungen empor, in denen die Deckenfenster der einzelnen Schulzimmer verankert waren. Sarah lief los und bog auf den ersten Seitenarm nach rechts ab. Hier musste es sein, das war ihr Stammplatz. Sie ging um den Betonklotz herum und suchte die Wände mit den Augen ab. Nichts. Ihr Blick fiel auf die Steine unter ihren Füßen. Sie ging in die Hocke und schob die Steine rund herum zur Seite. Nach ein paar Minuten raschelte es zwischen ihren Fingern. Sarah ließ sich fallen und lehnte sich an die Wand. Noch ein Zettel.
Deine Entschuldigung damals war gelogen. Ich habe es dir angesehen, du hattest gar keinen Bock mit mir zu reden. Geschämt hast du dich für mich. Für uns. Ganz rot warst du im Gesicht und hast ständig nach links und nach rechts geschaut, anstatt dich auf MICH zu konzentrieren.
Aber ich schätze, eine tiefe Freundschaft muss auch Streit aushalten können, richtig?
Nummer drei: Du bist oft dort, obwohl du mir nichts davon sagst. Mit Flo, Dennis, Basti und all den anderen. Mich fragst du nie, ob ich mitkommen will.
Sarah spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Was wollte Lisa von ihr? Wozu das Ganze? Sie wollte nicht weitermachen. Früher hatte sie Schnitzeljagden gemocht. Aber diese hier nicht.
Sie kramte ihr Handy aus der Tasche und wählte Lisas Nummer.
„Hängst du fest?“, antwortete diese fröhlich nach dem zweiten Klingeln.
„Was soll das?“ Sarah umklammerte das Telefon.
„Was meinst du denn, Zuckerstück?“
„Hör auf, mich so zu nennen! Ich hab’ keinen Bock mehr! Was willst du?“
„Fühlt sich blöd an, was?“ Lisa klang noch immer bestens gelaunt. „Komm schon. Wo bist du?“
„Auf dem Dach“, zischte Sarah.
„Dann hast du es bald geschafft.“
„Ist mir egal, ich fahre jetzt nach Hause.“
„Das tust du nicht.“ Lisa lachte, aber da lag etwas in ihrer Stimme, das Sarah erstarren ließ. „Du wirst weitermachen.“
„Was soll der Scheiß?“
„Spiel – mit! Ich weiß nicht, was ich sonst tun werde.“ Lisa legte auf.
Sarah fuhr so schnell sie konnte. Ein Gedanke trieb sie an, der sich immer tiefer in sie hineinfraß. Vor ein paar Wochen hatte Lisa einen Satz gesagt, der nun vor ihr schwebte in dicken roten Buchstaben. Ohne dich bin ich verloren!
Sarah hatte nicht gewusst, wie sie darauf reagieren sollte und hatte Lisa unbeholfen in den Arm genommen. Aber nun schlug ihr Herz hart gegen die Brust, sie musste sich beeilen und diese absurde Schnitzeljagd zu Ende bringen, bevor … Sarah schüttelte den Kopf. Das war verrückt. Würde Lisa sich wirklich etwas antun? Sie kannte sie schon ihr halbes Leben lang, aber Sarah fiel es in letzter Zeit schwer, ihre Freundin zu greifen. Diese Andeutung, sie war nicht die erste gewesen. Sarah hatte es nicht ernst genommen. Bis jetzt. Da gab es etwas in Lisa, das ihr kalte Schauer über den Rücken jagte, in diesem Moment auf dem Fahrrad fühlte sie es ganz deutlich.
Sie bog nach links in den Park ab. Hinter dem Spielplatz standen drei Tischtennisplatten, bei denen sie sich seit ein paar Wochen abends mit den anderen traf. Ohne Lisa. Flo war ein smarter Typ aus der Oberstufe, er hatte einen Dreitagebart, ein breites Kreuz und dunkle warme Augen. Wie sollte sie eine Chance haben, an ihn heranzukommen, wenn Lisa ständig an ihr hing? Valerie war anders. Sie verstand die unsichtbaren Zeichen, Sarahs Blicke, wenn sie mit ihm allein sein wollte. Lisa würde das vollkommen ignorieren. Dennoch nagte das schlechte Gewissen an Sarah. Sie hätte von Anfang an ehrlich sein sollen. Sich nicht darauf verlassen, dass diese Freundschaft mit der Zeit einfach einschlafen würde.
Sie sprang vom Fahrrad, ließ es in die Hecke fallen, lief zu den Tischtennisplatten und umrundete sie. Nirgendwo war ein Zettel angebracht. Ihr Blick huschte über die Bänke, das Gras, die Büsche, die um den kleinen Platz herum gepflanzt worden waren. Sie begann, auf ihrer Unterlippe zu kauen. Wo konnte er sein? Sie bückte sich und inspizierte die Unterseiten der Steinplatten. Ihr Herz machte einen Satz. Dort, unter der mittleren war ein Stück Papier zwischen Platte und Tischbein eingeklemmt worden.
Sitzt du hier mit ihnen und redest schlecht über mich? Wir sind uns so nah, wir kennen uns schon so lange, alle meine Geheimnisse habe ich dir erzählt. Doch mitnehmen willst du mich nie. Valerie schon. Die schöne, lustige Valerie. Sie ist dir lieber. Stimmt’s? Sie wird dich mir wegnehmen, ich spüre es.
Nummer vier: Letzte Woche wollte ich mit dir ins Kino. In diesen Film mit Tom Hanks. Aber du warst plötzlich KRANK. Fahre dorthin, wo du an dem Abend WIRKLICH warst. Dein Geschenk wartet auf dich.
Sarahs Hände zitterten. Wie war Lisa dahinter gekommen? Es war falsch gewesen, zu behaupten, sie sei krank. Mies von ihr, dass sie heimlich zu Valerie gefahren war, aber sie hatte keine Lust gehabt auf Diskussionen. Sarah zerriss den Zettel – es reichte jetzt, endgültig. Was bildete sich Lisa eigentlich ein? Energisch riss sie ihr Fahrrad aus der Hecke. Lisa wollte die Wahrheit? Die sollte sie bekommen.
Vor dem Mehrfamilienhaus, in dem Valerie wohnte, standen dunkelgraue Mülltonnen auf dem Gehweg. Sarah stand mit aufgerissenen Augen davor, immer wieder glitt ihr Blick über die Buchstaben, die mit weißer Kreide auf die Vorderseiten geschrieben worden waren.
Hier entlang, ZUCKERSTÜCK!
Sarah sah hinauf zu den Fenstern des dritten Stocks. Hinter dem zweiten von links bewegte sich der Vorhang, ganz leicht nur, aber es reichte aus, damit Sarah aus ihrer Starre erwachte. Mit festem Schritt ging sie auf das Haus zu und klingelte bei Valerie. Der Türsummer ertönte sofort. Sie nahm jeweils zwei Treppenstufen auf einmal. Als sie im dritten Stockwerk ankam, sah sie, dass die Tür zu Valeries Wohnung offen stand. Sie atmete tief durch und ging hinein.
Im Flur herrschte Stille, Valeries Eltern arbeiteten oft bis spät in den Abend und ihr kleiner Bruder schien bei Freunden zu sein. Sarah schloss die Tür hinter sich und lauschte. Valeries Zimmer lag am Ende des Flurs auf der linken Seite. „Valerie?“, rief sie und ging langsam darauf zu. Aus dem Raum drang ein gehässiges Lachen.
„War ja klar, dass du zuerst nach ihr fragst.“ Lisas Stimme klang kalt.
Sarahs Wut verflog, ein anderes Gefühl legte sich auf ihre Schultern. Etwas Kaltes, Schweres, das ihr die Luft zum Atmen nahm. Sie zwang sich, weiter durch den Flur zu gehen. Vor Valeries Zimmer blieb sie stehen und hielt die Luft an. Vorsichtig schob sie die Tür auf und erstarrte. Bunte Luftballons schwebten an der Decke. Von der Lampe hingen Luftschlangen herunter. Lisa saß auf dem Bett und grinste. Sie trug Valeries Lieblings-T-Shirt und eine ihrer Hosen. „Happy Birthday!“, rief sie und breitete die Arme aus.
„Was soll das? Wo ist Valerie?“
„Valerie, Valerie, ich kann diesen scheiß Namen nicht mehr hören.“ Lisa schwang die Beine vom Bett und stand auf. Sarah wich einen Schritt zurück.
„Was denn, hast du Angst vor mir?“ Lisa lachte. „Ich wollte dir doch nur eine Freude machen. Dir etwas schenken, das du nie vergessen wirst.“
„Was willst du?“
Lisa funkelte sie an. „Wir waren unzertrennlich, wir zwei. Ich hab’ alles für dich gemacht. Du bist einfach …“, sie sah verträumt an die Decke, „… mein Gegenstück. Ich darf nicht zulassen, dass uns das jemand kaputt macht.“
Sarah stand wie festgenagelt vor ihr. Ihr Blick huschte durch das Zimmer. Außer ihnen war niemand da. Sie schluckte. Ihre Kehle fühlte sich enger an als sonst, sie spürte Schweißtropfen an ihrem Nacken herunterlaufen.
„Wo ist sie?“, fragt sie noch einmal. Sie ballte die Hände zu Fäusten.
„Verdammt, Sarah!“ Lisa stampfte mit dem Fuß auf und schüttelte den Kopf. „Hast du überhaupt gehört, was ich gesagt habe? Du bist mein –“
„Halt den Mund!“ Sarahs Stimme überschlug sich. „Du hast sie doch nicht mehr alle. Was soll dieser ganze Mist hier? Willst du eine Entschuldigung von mir? Die wirst du nicht bekommen. Es reicht. Wo – ist – sie?“
Lisas Gesicht zuckte und plötzlich lächelte sie wieder. „Beruhige dich, das ist doch dein Geburtstag. Valerie ist Sekt besorgen, wir wollten mit dir anstoßen."
Sarah musterte sie misstrauisch. „Wieso sollte sie ... Ihr mögt euch doch gar nicht."
„Wir haben uns ausgesprochen." Lisa trat vor den Spiegel, drehte sich herum und warf die Haare hinter die Schultern. „Die hübsche, tolle Valerie und ich. Sie wird sich in Zukunft ein bisschen mehr zurücknehmen. Vor allem, wo sie jetzt doch weiß, was für eine kleine Lügnerin du bist." Lisa drehte den Kopf und sah Sarah fest in die Augen.
„Was hast du ihr erzählt?" Sarah ging einen Schritt auf sie zu und spürte, wie ihre Fingernägel sich in die Handflächen bohrten.
„Süß", lachte Lisa und strich gedankenverloren über die Luftschlangen, die in Wellen vom Schrank herunter hingen. „Hat da jemand Angst um die frisch gewonnene Freundin?"
„Blödsinn!" Sarah riss die Papierschlange von der Lampe. „Valerie glaubt dir sowieso kein Wort, sie kann dich nicht ausstehen."
„Ach, ist das so? Mir hat sie erzählt, dass sie ganz scharf auf deinen Florian ist und froh wäre, wenn du endlich die Finger von ihm lässt."
Entgeistert starrte Sarah sie an.
Lisa schloss die Augen und nickte, ganz langsam bewegte sich ihr Kopf auf und ab. „Ja, Zuckerstück, ich weiß von Flo. Auch wenn du mir nie von ihm erzählt hast. Ich kenne dich nun mal, ich kenne dich besser, als alle anderen. Begreif das doch endlich." Sie ging auf Sarah zu und streckte ihr die Hände entgegen.
Angewidert schlug Sarah sie weg. „Fass mich nicht an!"
Lisa schnappte nach Luft. Plötzlich verzog sich ihr Gesicht zu einer wütenden Fratze, die Wangen liefen rot an und ihre Augen verengten sich zu kleinen Schlitzen. „Behandel mich nicht wie ein Stück Dreck!"
Sie griff nach ihr und erwischte ihr Handgelenk. Sarah schrie auf und schlug um sich. Sie traf Lisa am Hinterkopf, taumelte kurz, fing sich wieder und stieß sie aufs Bett. Ein tiefes Brüllen entfuhr Lisas Kehle, sie sprang auf und stürzte sich auf Sarah. Die beiden Mädchen fielen zu Boden, wälzten sich umher und stießen an den Schreibtisch, von dem eine Vase herunterfiel und zerschellte. Lisa griff nach einer Scherbe, riss Sarahs Kopf an den Haaren zurück und holte aus. Im letzten Moment drehte Sarah sich zur Seite und trat Lisa in den Bauch. Sie jaulte und krümmte sich auf dem Teppich zusammen. Sarah rappelte sich auf und rannte in den Flur. Vorbei am Zimmer der Eltern, der Küche, dem Bad -
Sie schrie auf. Stand vor dem Badezimmer und starrte hinein. Alles war voller Blut. Das Waschbecken, die Fliesen, selbst der Spiegel. Der Badewannenvorhang war zugezogen. Sarah schnappte nach Luft. „Was hast du getan?“, flüsterte sie und hielt sich eine Hand vor den Mund. Mit der anderen griff sie nach dem Vorhang, zählte bis drei und riss ihn zur Seite.
Valerie hatte die Augen geschlossen. Sie trug ihr gelbes Sommerkleid, das Sarah so mochte. Doch es sah anders aus als sonst, es war übersät mit dunkelroten Flecken. Die Hände lagen auf ihrem Bauch, die Beine waren angezogen, als hätte sie Schmerzen. Sarah fing an zu weinen. Durch Valeries Hände sickerte dickes, hellrotes Blut.
Panisch wühlte Sarah in ihrer Tasche und zog das Handy heraus. Es fiel ihr aus der Hand, sie heulte auf, bückte sich und hob es wieder auf. Sie drückte drei Nummern, doch bevor sie bei dem grünen Hörer ankam, hörte sie ein Geräusch hinter sich. Sie fuhr herum und starrte in Lisas Gesicht. Lässig lehnte sie am Türrahmen und sah auf sie herunter.
„Verstehst du es jetzt?“