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Versetzt

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26.02.2016
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Versetzt

Versetzt

Fünf Reihen vor mir. Ich zähle die jungen Männer und Frauen. Fünf Reihen sind nicht viel, doch weil die Stühle versetzt stehen und die Menschen einzeln sitzen, wirkt alles weit, geht der Raum auf und der Blick verliert sich. Links und rechts am Rand sehe ich niemanden mehr, wenn ich nach vorn schaue. Die meisten sind nach vorn gebeugt, einige schauen in die Ferne oder haben den Kopf in die Arme gelegt, nehmen nicht teil, sind woanders.
Kaffee? Phillip schaut von links, unrasiert, Haare zottelig und ungeschickt mit Gel durchzogen, trotzdem hübsch. Wann hast du beim Werkvertrag nen Annahmeverzug? Die Klausur ist übermorgen. Übrigens, Anja hat es auch geschafft. Jetzt hat sie sogar nen Freund, viel Zeit und ist ganz glücklich.
Das blasse Gespenst hatte beim dritten letzten Versuch ihr Examen tatsächlich genommen. Seine Freundinnen wechselte Phillip periodisch im Quartal, in etwa. Solidität ab Dreißig, festen Job, eine wird wohl bleiben. Bis dahin studieren, billige Partys, nackt mit Freunden am Strand.
Wieso hast du heute Abend keine Zeit? Reste von gestern verwerten? Ihr seid komisch.

Perlhühner sehen komisch aus. Als ob sie eine teure Robe mit gläsernen Swarovski-Kristallen im Schlussverkauf erstanden hatten, die jeden Blick auf sich ziehen sollte. Viel zu aufgeplustert mit Schleppe. Das Gesicht leuchtend blau, manchmal fahl. Roter Lippenstift mit Hakennase, manchmal hackend. Das Häubchen wirkte albern. Die Haut wurde knackig, wenn man sie sorgfältig einstrich und mit heißer Luft grillte. Das war gestern. Heute ist das Fleisch fest, aber noch zu beißen. Die Haut lappig, wirkt wie angeklebt auf dem festen Fleisch und wirft fette Falten. Durch heiße Luft konnte man sie noch angrillen und für zwei Bisse Illusionen erzeugen. Das Risotto (Sättigungsbeilage) ist nicht mehr genießbar. Der Käse ist alt und hatte die Reiskörner zu einem festen Block verklumpt. Wirtschaftlich denken und verwerten.

***​

Der Film im Kino war langweilig. Polizist mit Kind verliebt sich in seinen Kollegen. Die viel zu späte Entscheidung und Unverständnis seiner Umwelt verhindern das Glück. Melodramatisch. Träume eines Drehbuchautors, der nackte Männer am Strand sah, die er lieben wollte, die ihn aber nicht liebten. Er wiederum wollte die nicht lieben, die ihn im Hühnerstall begehrten. Dramatisch, aber langweilig.
Du musst alles schlecht finden! Nur weil du wieder Pech hattest!
Daniel und Sascha lernten sich an der Uni kennen. Sascha war Austauschstudent und blieb bei Daniel. Elektroingenieure wurden gerade gesucht und Sascha war nachgefragt. Groß, athletisch, jung, mit Akzent, motiviert und unverdorben. Das war sechs Jahre her. Jetzt wohnten sie zusammen in 110 Quadratmetern in der lauschigen Provinz- und Universitätsstadt, hatten seidene Vorhänge und kauften Teppiche im Türkeiurlaub. Wir kochen manchmal zusammen. Perlhuhn auf Risotto war beliebt und ich hatte einige Übung. Beide waren eigentlich auch langweilig. Nach dem Zusammenzug traf man sich meist nur noch zu Hause oder im Restaurant. Hühnerstall nur mit noch mehr Freunden und noch mehr Flaschen Wein.
Was war die Begründung? Katzen und Großmütter waren dieses Mal gesund?
Gegen sieben hatte ich das Essen fertig. Halb acht fragte ich das zweite Mal und der Fotograf hatte angerufen. Das Modell war abgesprungen.
Modell?
Er lässt sich fotografieren. Lifestyle-Magazin, „schwules Beziehungsleben“. Der Andere war krank geworden. Jetzt musste er Ersatz suchen. Die suche kostet Zeit.
Originell. Dein viertes Date dieses Jahr?

Der Teller klappert in die volle Spüle. Die Töpfe von gestern stapeln sich, Sauce und Risotto backen an und werden krustig. Phillip soff am Strand, liebte ein Mädchen. Daniel und Sascha tranken sicher Champus im Bett bei noch einem Film. Die warme Sommerluft weht die seidenen Vorhänge hinein. Viele andere hängen im Internet und suchen. Es ist bald Mitternacht und die virtuellen Räume sind immer noch voll. Ein nach Berlin gezogener Freund schreibt mir von einem Gespielen, der sich zu seinem 26. Geburtstag eine Bukkake-Party wünscht. Die Gangbang-Partys sind gut besucht und auch Dreißiger werden bei entsprechendem Körper noch geladen, wenn sie drei Gesichter hintereinander einsahnen können.

1. Klingt nach einem brauchbaren Mann.
2. :) Was machst du Schönes? Studieren?
3. ja, wieso?
4. Und was so?
5. Jura, wieso? Du?
6. Eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten, kann provokant wirken 
Wie man meinem Profil entnehmen kann: Ich arbeite im ÖD. Habe ein Masterstudium erfolgreich abgeschlossen.

7. ach, provokant
8. Ist das dein Bild? Bist du Raucher?
9. nö, ist nur Spaß
10. Dann zeig doch bitte mal dein Bild.
13.ok, und was suchst du so?
14. ich denke, in meinem Profiltext steht ja einiges.

Ich stelle mir vor, wie ich mir die Sommerluft verdürbe, wenn ich rauchte. Vorhänge habe ich keine in der Küche und ich spüre mit geschlossenen Augen, wie sich der hitzige Tagesdunst im nächtlichen Lüftchen aufhebt und an meinem Gesicht vorbeistreicht. Neugierig schnuppernd, ob ich noch den Geruch einer Grillgruppe aufnehmen kann, muss ich mich mit dem jubelnden Geblöke von Gruppen junger Leute im Park begnügen. Da kommt er ja. Trainingshose, breitbeinig und ein T-Shirt, weiß mit Print. Er rennt fast, stolpert beinahe über die Turnschuhe. In dem Zustand Auto fahren. Das Mädel wird sich auch gleich über ihren angesoffenen Freund freuen, wenn er neben ihr im Bett einschnarcht.
Ideaaal
Ich spüre die warmen Spritzer in meinem Gesicht und wie er den letzten Tropfen an meinen Lippen abstreift.
Ok, tschüss.
Ich schließe hinter dem Grinsenden die Tür und bin allein.

 

Siii :lol:

Habe mich bemüht, aber mich beim ersten Lesen nicht so reingefunden. Sie ist interessant. Und ich werde sie bei Gelegenheit noch ein bis ... mal lesen.

Gruß, Kanji

 
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Kaffee?
[…] Wann hast du beim Werkvertrag nen Annahmeverzug? Die Klausur ist übermorgen. Übrigens, Anja hat es auch geschafft. Jetzt hat sie sogar nen Freund, viel Zeit und ist ganz glücklich.
[…] Wieso hast du heute Abend keine Zeit? Reste von gestern verwerten? Ihr seid komisch.
Hmm.
Sind diese kursiven Einschübe … äh, SMS-Nachrichten, Giovanni? Die der Erzähler von … äh, diesem Phillip bekommt?

Das blasse Gespenst hatte […] ihr Examen tatsächlich genommen.
Wessen Examen? Das von … äh, Anja?

Solidität ab Dreißig [dreißig],

Perlhühner sehen komisch aus. Als ob sie […] erstanden hatten,
Als ob“ leitet einen irrealen Vergleichssatz ein, und dementsprechend muss das Verb im Konjunktiv I oder II stehen, wobei der Konjunktiv II üblicher ist. Ergo: hätten

Der Käse ist alt und hatte [besser: hat] die Reiskörner zu einem festen Block verklumpt.

Tja, das war der erste Abschnitt, Giovanni, und ich habe null Ahnung, wer da warum wovon redet.

***​

Und ja, jetzt bin ich durch und … äh, kein bisschen schlauer. Okay, das Ding ist stellenweise ganz witzig formuliert, aber echt, ich kapier einfach nicht, worum’s da geht.
Hab ehrlich gesagt mittendrin auch ein bisschen die Lust dran verloren, einfach weil ich das Gefühl hatte, es würde irgendein Insider-Wissen vorausgesetzt, das ich halt nicht habe. Oder anders gesagt, für mich ist das so ein Function follows Form-Text, wo es doch genau umgekehrt sein sollte, nicht nur beim Schreiben.

Trotz allem, willkommen im Club, Giovanni.

offshore

 

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