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Verschont
Das Herz des kleinen Mädchens schlug bis zum Zerspringen. Immer enger kauerte es sich zusammen und hüllte sich in die Bettdecke ein, als wäre es ein schützender Kokon, als könnte das Mädchen so seine Existenz verheimlichen. Dumpfe Schritte halten träge durch den dunklen Hausflur. Die Zimmertür verschlossen, doch war dies ein ebenso trügerischer Schutz wie die kalte Bettdecke.
Fahles Mondlicht kroch zwischen den Blättern des Baumes am Fenster hindurch in das Zimmer des Mädchens und wurde dabei ständig vom unregelmäßigen Rhythmus der Schritte verfolgt. Wie gierige, gebrechliche Finger griffen die Lichtstrahlen durch den Raum, waren jedoch nur stark genug, um den Raum in Nuancen von verschiedenen Schatten und Formen zu verwandeln.
Das Zimmer der Eltern. Die Tür quietschte, öffnete sich dann jedoch mit einem Ruck, als hätte der Öffnende für einen Augenblick gezögert. Das Mädchen wusste, was nun geschehen würde, dabei war es doch nur ein Traum gewesen, nur ein dummer Traum…
Mit weit aufgerissenen Augen versuchte das Mädchen zitternd die abscheulichen Geräusche, die wie eine Armada von Lawinen auf es hereinstürmten, aus seinem splitternden Geist zu verbannen. Ein verräterisches Kreischen wollte über die Lippen dringen, flüchtete dann jedoch nach innen.
Das Mädchen war nicht da. Da war nur eine verdächtig gepolsterte Decke, nicht mehr. Gar kein Mädchen, kein Mädchen. Wie zum Hohn schlug das Herz pochend, als wäre jeder seiner Schläge der letzte.
Die dumpfen Schritte nahmen ihren Weg wieder auf. Kamen näher. Ein Kratzen an der Tür. Die Tür öffnete sich, doch diesmal nicht so zögerlich wie zuvor.
Das Mädchen gab es nicht, gar nicht da, gar nicht da, nur ein Traum.
Die Augen fest zugedrückt, den Atem angehalten, das Herz ermahnt, wollte es verschwinden, immer weiter verschwinden. Heißer Atem im Nacken. Etwas strich über den kalten, schweißbedeckten Hals des Mädchens. Etwas Scharfes.
Dann schnitt sich langsam etwas durch den Hals und das Genick des Mädchens. Wachsende Schmerzen und dann erlösende Schwärze.
Das Mädchen schlug die Augen auf. Ein Traum? Die Realität? War dies nun ein Traum?
Fröstelnd blickte es um sich und begab sich gedankenverloren mit leerem Blick zur Schaukel.
Ob Traum oder Wirklichkeit, die kühlen Mondstrahlen streichelten über das tränenheiße Gesicht. Warum Tränen? Das wusste das Mädchen auch nicht, aber es hatte Hunger.