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Verraten

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23.08.2001
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Verraten

Blicke verhaken sich ineinander, die Luft ist voller Energie, aufgeladen von verbotenen Gedanken. Ihr Blick schweift durch den Raum, bleibt immer wieder an ihm hängen. Wie zufällig verändern sich ihre Positionen, kommen sie sich immer näher. Die anderen gehen nach und nach, sie allein sind übrig. Endlich können sie reden, aussprechen, was ihre Gedanken schon seit Stunden schreien: Ich will dich.
Das letzte Bier in der Kneipe, dann ein Spaziergang zu ihm. Sie sitzt im Sessel, er ihr, durch den Tisch getrennt, gegenüber. Zu gefährlich wäre es, keine Barrieren zu bauen, da nur einer von beiden frei ist, zu tun und zu lassen, wonach ihm der Sinn steht. Sie will ihn, will seine Finger auf ihrem Körper spüren, will sein Zeichen tragen, stolz und erhobenen Hauptes, doch will sie zugleich keinen Verrat begehen und hält sich so mühsam zurück.
Stunden vergehen voller Gespräche, Lachen und lustvoller Blicke; es ist, als würde gerade das Verbot die Gier noch steigern. Als die Sonne wieder aufgeht, nimmt er sie in den Arm, zärtlich und doch mit festem Griff, sieht ihr in die Augen und sagt nur ein Wort: Biest.
Dann küsst er sie, und die aufgestaute Energie scheint sich in diesem einen Moment zu entladen. Wie Ertrinkende klammern sie sich aneinander, ihre Münder verschmelzen zu einem Mund, ihre Hände wandern immer sehnlicher erforschend über ihre Körper. Dann trennen sie sich abrupt, sehen sich mit einem schuldbewussten und zugleich zärtlichen Lächeln an und versuchen, wieder zu Atem zu kommen.
Er nimmt ihr Gesicht in seine Hände und sagt ihr die Worte, die sie nicht mehr vergessen wird: Was auch immer geschieht, wie auch immer du dich entscheidest, ich stehe hier und warte auf dich. Diese Tür steht dir offen, wann immer dir der Sinn danach steht, mich zu sehen. Ob zum Reden, Anlehnen oder Küssen, ich bin da. Du bist mir wichtiger als die meisten Menschen, die ich kenne.
Eine letzte Umarmung, ein sehnsuchtsvoller Blick zurück, dann ist sie in ihrem Auto, fährt heim, um wenigstens noch ein paar Stunden Schlaf zu bekommen.

Eine Woche, zwei, in denen sie die wenigen Stunden nutzen, die sie haben. Zum Reden, Lachen, aneinander Festklammern. Und wieder seine Worte: Ich habe alles so gemeint, wie ich es sagte. Das Gefühl des Angekommenseins ist stark auf ihrer Seite. Seine Augen sind ehrlich, seine Hände auch. Nichts wird er tun, was ihr missfällt, nichts, was sie verrät. Sie fühlt sich sicher, gibt ihm, was er fordert und nimmt sich, was sie sich ersehnt.
Es ist nicht alles, was sein könnte, aber es ist gut, wie es ist. Sie will nicht mehr, will nur ihn.
Der Montag gehört Dir.
Sie weiß, dass sie dieses Versprechen um alles in der Welt einhalten wird. Er nimmt an und lacht, weiß, dass sie bereits alles für ihn tun würde.
Ich bin beziehungsunfähig. Seine Worte. Ihr fällt ein Stein vom Herzen, denn das war nie ihr Ziel. Nicht schon wieder die harte Bürde der Verantwortung, lieber die Leichtigkeit des Moments, ohne Reue, ohne Fragen, ohne Plan.

Ein Montag mit Freunden. Ein neues Gesicht, argwöhnisch von ihr betrachtet. Die Neue sieht gut aus, zu gut, und sie sitzt zu nah an ihm, trägt sein Zeichen, trinkt seine Worte. Eifersucht macht sich breit, für die es keine Erlaubnis gibt. Sitzt sie doch auch mit ihrem Freund in der Runde, dürfen ihre Blicke sie doch niemals verraten. Doch in ihr lodert die Glut, sie will die andere mit Gehässigkeiten überhäufen, ihr sagen, der Mann sei nichts für sie, würde bereits ihr gehören. Nichts dergleichen tut sie, stattdessen rennt sie Stunde um Stunde durch die Straßenschluchten, läßt sich den Wind durch das Gehirn blasen, bis nichts mehr übrig ist. Erschöpft schläft sie ein, eine letzte Nachricht an ihn schickend: Der Montag gehört Dir.

Er reagiert nicht. Keine Mail, keine Nachricht auf dem Telefon. Sein Anrufbeantworter von einer Fremden Frau besprochen, sie legt gelähmt auf. Ihre Wut steigert sich, sie will ihn sehen, ihn anschreien, ihn zerstören. Will seine Rechtfertigungen hören, seine Ausreden, seine Fluchten, um ihn entlarven zu können, ihn zu beschimpfen und zu bespucken, will mit ihren Fäusten auf ihn einschlagen, hoffend und bangend, er könnte ihre rasenden Hände festhalten und sie wieder in seinen Bann ziehen.
Weinend bricht sie zusammen, seinen Namen verfluchend, voller Hass, voller Verzweiflung.
Er hat sie verraten, leichten Herzens Worte gesagt, die er niemals meinte, ohne Gedanken ihr seine Neue vorgesetzt.
Das Messer in ihrer Hand sucht noch seine Bestimmung.

________
10.09.02

 

Hallo Chaosqueen!

Danke für deinen Eintrag in meinem Thread. Stimmt, irgendwie haben unsere Geschichten was gemeinsam. Besonders dieser Abschnitt

Ein Montag mit Freunden. Ein neues Gesicht, argwöhnisch von ihr betrachtet. Die Neue sieht gut aus, zu gut, und sie sitzt zu nah an ihm, trägt sein Zeichen, trinkt seine Worte. Eifersucht macht sich breit, für die es keine Erlaubnis gibt. Sitzt sie doch auch mit ihrem Freund in der Runde, dürfen ihre Blicke sie doch niemals verraten. Doch in ihr lodert die Glut, sie will die andere mit Gehässigkeiten überhäufen, ihr sagen, der Mann sei nichts für sie, würde bereits ihr gehören.

hätte auch in meiner Geschichte vorkommen können.

Denn du hast Recht, Erfahrungen werden in der Geschichte verarbeitet ;)

Und deine Geschichte gefällt mir wirklich sehr gut.
Hoffe auf zukünftigen Gedankenaustausch

Lieben Gruß
DSP

 

Hallo Königin des Chaos,

Sie wird ihn doch nicht... mit dem Messer...

Also sie will keine Beziehung, sie ist aber trotzdem eifersüchtig, will ihn ganz für sich. Er will auch keine, hat dann aber doch eine mit einer anderen. Sie wird fuchsteufelswild. Der Montag verläuft anders als erwartet.

Ich habe die Geschichte dreimal gelesen und das herausgefiltert für mich halt.

Deinen Stil fand ich in dieser Geschichte diesmal sehr ansprechend, ein wenig anders, knapper, nüchtern, "würzig". Auch, daß zwischen Imperfekt/Perfekt und Präsens gewechselt wurde finde ich hier interessant.

Zweierlei nur:


seine Fluchten
, wäre da "seine Ausflüchte/Ausreden/" nicht besser?

Erschöpft schläft sie ein, eine letzte Nachricht an ihn schickend: Der Montag gehört Dir.

Sie schläft ein und schickt im Schlaf eine Nachricht an ihn. Ich hätte es der Logik halber umgedreht, oder nicht das Gerundium verwendet. "Erschöpft schickt sie noch eine letzte Nachricht an ihn, dann schläft sie ein" oder so ähnlich...

Jedenfalls hab ich es nicht bereut, hier geklickt und die Geschichte gelesen zu haben.


liebe Grüße

Echnaton

 

Hallo zusammen!

@DSP:
Freut mich, daß Dir meine Geschichte gefällt! Mal sehen, vielleicht inspiriert sie Dich ja zu Deinem Ende...

@Echnaton:
Oh Mist, danke für die Hinweise, da muß ich noch mal ran! *seufz*

Freut mich, daß Dir dieser Stil gefällt, das ist mein ganz ureigener Stil, den ich in letzter Zeit etwas vernachlässigt hab...

Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Queen!

Auch mir hat diese Geschichte gefallen. Bis auf das Ende. Die Sache mit dem Messer gefaellt mir nicht wirklich... Ja, man ist verzweifelt... Aber... ja, wie sag ich das jetzt... meine Erfahrungen laufen in die andere Richtung... die Wut kommt (vielleicht) spaeter. Zuerst ist da die Fassungslosigkeit... das Nicht-verstehen... wieder werden die Knie weich... aber eben aus einem andern Grund. Dann rennt man weg, und sinnlos durch die Strassen, und versucht Antworten zu finden. Aber zumindest meine Erfahrung zeigt, dass man auf diese Person nie wuetend sein kann... zumindest nicht, wenn es DIE Liebe gewesen ist. Auch wenn sich der andere anders entschieden hat...

Gruss
Dany

Aja, falls jemand von Euch noch was zu "meinem" Thema lesen will ;) Telefonat mit der Vergangenheit

 

Hi Dany!

Danke für Deine Kritik!
Du schreibst: "zumindest nicht, wenn es DIE Liebe gewesen ist." - Da liegt vielleicht der Unterschied in meiner Intention und Deinem Verständnis: Sie liebt ihn nicht. Sie will ihn, aber sie will keine Beziehung. Eher ein loses Verhältnis, eine "Bratkartoffel-Beziehung", wie ein Freund von mir das mal nannte, eben jemanden, der da ist, wenn man reden oder Sex will, aber der keine Ansprüche stellt.
Selbstverständlich will meine Protagonistin die Exklusivrechte, und da liegt ihr Problem.
Das Messer wäre niemals mein Stil, aber manchmal verselbständigen sich Figuren, und diese nahm halt das Messer. Ich hab sie gebremst, indem ich an dieser Stelle aufgehört habe. :)
Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 

Hey Chaosqueen,

muss erstmal wieder tief Luft holen, bevor ich ein Wort über die Lippen bringe. *tieflufthol*

Ich muss zugeben, dass mich die Geschichte unheimlich gefesselt hat. Deine Schreibstil ist brilliant, so dass man jedes einzelne Wort wieder und wieder umdrehen möchte, um es ganz auszukosten. Meine Hochachtung ist dir gewiss.

Liebe Grüße
Roman

 

Hallo Chaosqueen,

gern gelesen. Psychologisch sehr gut ausgearbeitet. Aber ich glaube, ein bißchen ist sie schon in ihn verliebt, sonst wär sie nicht so eifersüchtig. Klar, Exklusivrechte. Die andere sieht besser aus. - Aber, es besteht doch eine ungeheuerliche Anspannung zwischen den beiden, ein hohes Maß an erotischer Intensität. Besonders gemein daran, dass sie eigentlich kein "Recht" auf ihre Eifersucht hat und sie in sich vergraben muss.
Das Messer hat mir übrigens auch nicht gefallen. Es paßt nicht wirklich zu Deiner Protagonistin und wirkt als Ende "angeklebt". Das hat deine Geschichte nicht nötig.

Pe

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo chaosqueen,


ein wirklich gekonnt geschriebener Text. Wie sie mit sich selbst kämpft, um ihm treu zu bleiben, dann dieser Absturz... , dieser V e r r a t ! Ich glaube, so eine leidenschaftliche Frau greift dann zum Messer, doch es wird niemals seine Bestimmung finden, weil sie weiß, daß sie viel zu wertvoll und lebenshungrig ist, als sich selbst wegen so einem Kerl das eigene Leben zu versauen. (So kommt es mir jedenfalls vor).
„Ich bin beziehungsunfähig“ - dies war keine Lüge durch ein ausgesprochenes Statement, sondern eine durch Auslassung, psychologisch sehr interessant.

Liebe Grüße,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo zusammen!

Kaum bin ich mal eine Woche aus der Zivilisation, werden meine Geschichten ausgegraben... schön! :)

@Bo:
Danke. Freut mich, dass Dir auch dieser Text gefallen hat! Ich glaube, dass Der Schritt vom Mordgedanken zum Mord immer noch recht groß ist und von meiner Protagonistin wohl auch nicht ausgeführt wird, aber manchmal entziehen die sich ja ihrem Autor... ;)

@Prodi:
Danke, danke! Solche Sätze tun gut (auch wenn sie nur vorsichtig gestreut werden sollten, da Autoren sonst dazu neigen, faul zu werden! :D)!

@Petdays:
Ja, sie ist sicher ein bisschen in ihn verliebt, sieht es aber selber nicht so. Das mit dem Messer... Ich habe gerade überlegt, ob ich es auch rausnehmen kann, aber irgendwie fehlt mir dann der Schluss. Es bleibt vorläufig drin, bis mir eine stimmigere Lösung einfällt. Ob es nicht zu meiner Protagonistin passt, weiß ich gar nicht so genau, ich denke, Mordgdanken zumindest sind ihr nicht fremd.

@Woltochinon:
Deine Überlegungen zu dem Messer kommen meiner Intention am nächsten, denke ich.
Ich weiß nicht, ob ich Dich grad missverstehe oder ob das Missverständnis zwischen Dir und meinem Text besteht: Sie kämpft damit, ihrem Freund treu zu bleiben, während der Mann, mit dem sie ihn betrügt sie nach merhmaligen Versprechungen einfach austauscht, ohne sich Gedanken zu machen.
Deine Aussage zu dem "Ich bin beziehungsunfähig"-Satz hab ich jetzt nicht so ganz verstanden, fürchte ich - worin besteht die Auslassung? Bitte um Aufklärung! :)

Lieben Gruß Euch allen

chaosqueen :queen:

 

Hallo chaosqueen,

also das Verhalten der Frau hast Du schon verständlich dargestellt, da gibt es auch keine Mißverständnisse, mit „dieser Absturz“ meinte ich seinen Verrat.
Zu dem `Lügensatz´: Normalerweise lügt man, indem man etwas unwahres sagt. Das tut er nicht, sagt aber trotzdem nicht die Wahrheit, da er nicht sagt, seine Beziehungsunfähigkeit ist so tiefgreifend, daß ihre Gemeinsamkeiten wertlos sind, nichts darstellen, worauf sie bauen kann. Wahrscheinlich weiß er: Sie versteht das „ich bin beziehungsunfähig“ nur im Sinne von keine „ Bürde der Verantwortung“ und nicht im Sinne von `wenn eine „Neue“ kommt, wirst Du abserviert´.
Ich hoffe, es ist jetzt verständlich, was ich meine, entschuldige, wenn ich mich da undeutlich ausgedrückt habe.

Tschüß... Woltochinon

 

Hej Woltochinon!

Okay, jetzt hab ich Dich verstanden. So hab ich das noch nie betrachtet. Aber ja, natürlich kann man seine Aussage so sehen und damit ihn etwas besser verstehen.

Gruß

:queen:

 

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