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Verlustangst

Beitritt
15.12.2003
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Verlustangst

Verlustangst

Es ist drei Uhr am Morgen und ich kann nicht schlafen. Tausend Gedanken blitzen in meinem Kopf auf. Alles dreht sich um diese wunderbare Frau, die ich heute getroffen habe. Ich habe sie vor einiger Zeit auf einer Feier kennen gelernt. Wir waren uns sofort sympathisch. Auf jeden Fall von meiner Seite aus, war ich sofort von ihr begeistert. Ich rief sie daraufhin vor einigen Tagen an, ob wir uns nicht mal treffen könnten. Sie sagte zu und wir verabredeten und für gestern. Wir schlenderten stundenlang an einem romantischen See entlang. Es war so schön, dass ich alles um mich herum vergaß. Es regnete in Strömen an diesem herrlichen Tag aber für mich war es, als strahlte die Sonne. Sie schien nur für uns beide. Die Bäume wiegten sich im Takt meines Herzens. Die Luft trug einen betörenden Duft zu mir herüber. Alles war so wunderbar. Ich glaube, ich bin in sie verliebt. Das Beste ist, dass sie wahrscheinlich auch in mich verliebt ist. Mein Blutdruck steigt an, wenn sie mich mit ihren wunderbaren klaren Augen ganz keck ansieht. Jede Berührung von ihr lässt meine Haut kribbeln. Eigentlich könnte man sich darüber freuen aber ich habe solch große Angst sie zu verlieren. Meine Angst, ich könnte irgendetwas falsch machen, macht mich noch wahnsinnig. Wann soll ich sie küssen? Gefällt es ihr, wenn ich sie küsse? Was soll ich zu ihr sagen? Ist sie beleidigt, wenn ich etwas Falsches sage? Mag sie mich wirklich? Es gibt so viele Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Was soll ich nur machen? Wenn ich nichts unternehme, verliere ich sie vielleicht. Wenn ich etwas unternehme und es ist falsch, verliere ich sie auch. Wieso muss es immer so schwer für mich sein? Andere Männer bekommen eine Frau nach der anderen und ich stehe immer da und überlege mir, was richtig und was falsch ist. Aber es ist wie bei all den anderen Frauen, denen ich bis jetzt begegnet bin. Langsam kriege ich das Gefühl, egal was ich mache, es ist genau das Falsche. Aber ich liebe und begehre sie doch so. Mehr als alles andere auf der Welt. Ich will sie einfach nicht verlieren indem ich etwas falsch mache. Vielleicht sollte ich das Gleiche machen, was ich mit all den anderen Frauen gemacht habe. Jedes Mal, wenn ich mich verliebt habe, war es genau das gleiche. Ich dachte tagelang darüber nach, was ich unternehmen sollte. Es war bis jetzt bei jeder Frau das gleiche. Letztendlich kam ich jedes Mal zu dem Schluss, ich konnte es gar nicht richtig machen. Aber ich wollte sie nicht verlieren. Ich konnte es nicht ertragen von ihnen abgewiesen zu werden. Ich wusste ich konnte sie nie besitzen aber ich wollte sie besitzen.

Also tötete ich sie. Ich brachte sie alle aus Liebe um. Es war nicht einfach für mich aber es musste sein. Was sollte ich sonst machen. Egal was ich anstellen würde, ich würde sie verlieren. Es gab nur diese eine Möglichkeit, sie mein Eigen zu nennen. Sie alle mussten sterben. Erst dann war ich mir sicher, nicht von ihnen verstoßen zu werden. Ich versuchte es so einfach und schmerzlos wie möglich zu machen. Schließlich wollte ich sie nicht leiden sehen, denn ich liebte sie ja. Am Anfang erstach ich sie. Es war einfach, billig und leicht zu erledigen. Diese Methode fand ich dann aber zu blutig. Jedes Mal musste ich ihr Blut von mir abwaschen. Es war auch für mich nicht einfach. Immerhin hatte ich das Blut eines von mir geliebten Menschen an den Händen. Meine Tränen tropften auf die roten Hände, so dass es ein faszinierendes Muster ergab, wenn sich die klaren Tränen mit dem trüben Blut mischten. Und mir gefiel der gequälte Gesichtsausdruck mit den vor Schreck aufgerissenen Augen nicht. Erdrosseln kam für mich nicht in Frage, weil es einfach zu lange dauerte. Es ist schwer einen Menschen so leiden zu sehen. Ich habe es einmal versucht. Es war schrecklich. Ich habe immer noch das Geräusch des Röchelns in meinen Ohren. Mittlerweile schütte ich immer einige Schlaftabletten in ihren Wein. Das ist schmerzlos und es bewahrt ein Lächeln auf den Lippen der Frauen. Wenn sie dann tot vor mir liegen weiß ich, sie gehören mir. Ich kann nicht mehr von ihnen abgewiesen werden. Damit ich lange etwas von ihnen habe lege ich sie dann sofort in die Tiefkühltruhe. Dort liegen sie dann einige Wochen. Fast jeden Tag gehe ich dann in den Keller und schaue mir meinen Besitz an. Manchmal nehme ich sie dann aus der Kühltruhe raus und setze sie mir gegenüber auf das Sofa. Dann blicke ich sie stundenlang nur an. Jedes Mal, wenn ich sie sehe, muss ich weinen. Erstens aus Trauer, weil diese Beziehung nicht für ewig ist. Zweitens aus Stolz, denn ich sitze meiner Geliebten gegenüber. Sie lächelt mich dann immer an. Ihre Augen sind zwar etwas trüber als vorher aber nur ich kann ihnen in die Augen blicken. Dann denke ich: ‚Sie gehört nur mir und sonst niemanden.’ Nach einigen Wochen ist es dann natürlich nicht mehr so angenehm, mit ihr in einem Raum zu sitzen. Langsam verändert sich ihre Haut, sie wird immer blasser und grauer. Dann lasse ich sie unauffällig verschwinden. Bis jetzt habe ich sie immer im Garten vergraben aber langsam wird es voll. Ich habe mir deswegen einen großen Ofen gekauft. Ich bin mal gespannt ob er funktioniert. Nachdem ich die Leichen losgeworden bin, kann ich dann lange Zeit keine Leute mehr sehen. Es ist einfach zu schwer für mich, meine Trauer und meinen Kummer zu verbergen. Alle fragen mich dann immer, was mit mir los sei. Aber ich kann ja schlecht erzählen, dass ich eine Beziehung hinter mir habe. Es dauert immer einige Zeit bis ich mich wieder unter Leuten traue. Mindestens einige Wochen. Wenn ich mich dann wieder etwas gefangen habe und einsam werde, ziehe ich los. Jedes Mal, wenn ich dann wieder eine hübsche Frau kennen lerne, hoffe ich, dass diese Beziehung normal verläuft. Genau wie heute. Hoffentlich läuft alles gut mit ihr. Ich liebe sie und will ihr nichts tun. Aber bevor sie mich verlässt werde ich auf jeden Fall handeln. Ich kann es einfach nicht ertragen sie zu verlieren. Ich will eine Frau die mich genauso liebt, wie ich sie liebe. Aber ich kann es ja nicht wissen, ob sie mich liebt. Es ist schon zum Verrückt werden. Vielleicht sollte ich mir die Gebrauchsanweisung des Ofens noch mal ansehen.

Ende
by Christoph Zerneke

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Christoph und herzlich willkommen auf der Seite. :-)

Zu deiner Geschichte - Hm. Keine Überraschungen ab der Stelle wo man weiß, dass der Ich-Erzähler ein Mörder ist, das Thema ist auch nicht gerade neu - aber das muss es ja auch nicht.
Was mir gefiel ist, dass der Ich-Erzähler mir trotz des recht knappen Inhaltes greifbar wurde ... wie er sich davor fürchtet verlassen zu werden und trotz seiner Liebe zu den Frauen keine andere Lösung sieht als sie umzubringen. So etwas gefällt mir meist besser als jemand der aus Hass mordet.
Trotzdem habe ich da ein paar Stellen zu bemängeln:

Auf jeden Fall von meiner Seite aus, war ich sofort von ihr begeistert.
1. Klingt umständlich formuliert in meinen Ohren, wenn nicht sogar falsch. Die Satzstellung müsste mM nach lauten: "Von meiner Seite aus war ich auf jeden Fall von ihr begeistert."
2. Das "von meiner Seite aus" ist eigentlich sogar überflüssig. Wenn er sagt, das er begeistert war ist ja klar, das er von seiner und niemandes anderen Seite spricht.

und wir verabredeten und für gestern.
-> "uns"
Hm - das "für gestern" klingt recht umgangssprachlich. Grundsätzlich gefiele mir "für den gestrigen Tag" besser, aber da kurz zuvor schonmal von "Tagen" die Rede ist und es dann nur eine unnötige Wortwiederholung wäre, ist es wohl doch besser es so zu belassen ...
Mein Blutdruck steigt an, wenn sie mich mit ihren wunderbaren klaren Augen ganz keck ansieht.
Wortwiederholung von "an". Vorschlag: Das erste "an" einfach streichen - "steigen" und "ansteigen" bedeutet ja das gleiche.
Meine Tränen tropften auf die roten Hände, so dass es ein faszinierendes Muster ergab, wenn sich die klaren Tränen mit dem trüben Blut mischten.
Noch eine Wortwiederholung. Vorschlag: Das zweite "Tränen" durch "Tropfen" ersetzen.
Ich habe immer noch das Geräusch des Röchelns in meinen Ohren.
Liest sich für mich umständlich. Vielleicht einfach: "Ich habe immer noch ihr Röcheln in meinen Ohren" oder: "Ich höre immer noch ihr Röcheln ...".
Es war auch für mich nicht einfach.
Hm - es wird zwar klar, warum er dies sagt, aber es verwirrt (mich zumindest) ein wenig, dass es kurz zuvor einmal hieß:
Es war einfach, billig und leicht zu erledigen.
Liest sich widersprüchlich.
Ich verstehe zwar, dass sich das erste "einfach" auf die Handhabung und das zweite auf die emotionale bei der Durchführung bezieht, trotzdem wären zwei verschiedenen Begriffe hier ratsam.
Allerdings verstehe ich sowieso nicht so ganz den Unterschied zwischen "einfach" und "leicht zu handhaben" - möglicherweise ist es am besten, das erste "einfach" ersatzlos zu streichen?

Das waren die sprachlich-stlistischen Anmerkungen. Jetzt folgen noch Details/Fragen zum Inhalt:

Aber ich kann ja schlecht erzählen, dass ich eine Beziehung hinter mir habe.
Warum eigentlich nicht? - Vielleicht nicht den engsten Freunden, die würden dann genaueres wissen wollen, aber grundsätzlich spricht da doch nichts gegen.

Was ich mich frage: Gerät er nie als Mörder in Verdacht? Frauen verschwinden spurlos, und es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Frauen jemandem von ihm erzählt haben, dass jemand weiß dass sie ihn besucht haben ... warum kommt niemand und überprüft, wann die Frauen das letzte Mal gesehen wurden und ob er etwas damit zu tun hat?

Nicht ganz sicher bin ich mir bei der Bedeutung des Ofens ... heißt das, er hat vor die Frauen in Zukunft zu essen? Das würde mir als Schluss gefallen, weil es logisch wäre, dass er sie isst um sie in sich aufzuenehmen, um ihnen so nah wie möglich zu sein. Fände aber gut, wenn diese Komponente nochmal explizit gesagt würde, also dass er sie nicht nur isst um sie zu beseitigen, sondern vor allem aus emotionalen Gründen. Das würde zu seinem Charakter passen.

Ich hoffe, du kannst mit meiner Kritik etwas anfangen. :-)

Ginny

 
Zuletzt bearbeitet:

@BenSisko:

- Er schüttet ein paar Schlaftabletten in den Wein? Ich bin zwar kein Experte auf diesem Gebiet, aber soweit ich weiß,
braucht man doch einige Tabletten, um den Tod herbeizuführen und ich bin mir ziemlich sicher, dass sich diese Tabletten
nicht auflösen, oder?
Ähnliches hatte ich auch zuerst in meiner Kritik geschrieben, dann habe ich es wieder herausgelöscht, weil ich mir nicht ganz klar darüber war, ob er sie mit den Schlaftabletten wirklich umbringt, oder ob er damit jetzt meint, dass er sie nur betäubt um das anschließende Erwürgen, das vorher erwähnt wurde, für das Oper angenehm zu gestalten. Ob sich die Tabletten auflösen weiß ich nicht, ich dachte nur daran, dass der Bodensatz ziemlich unübersehbar sein müsste.
Es sei denn, er macht die Frauen vorher irgendwie betrunken.

Was den Ofen angeht ... da hast du Recht wenn du meinst, dass es für meine Interpretaion keinerleih Hinweise gibt und er nur zum Vrbrennen gedacht ist. Fände ich aber schade, denn so könnte man noch eine kleine Pointe daraus machen, wenn der Ich-Erzähler beschließt seine Frauen aufzuessen, um sie diesmal wirklich nicht zu verlieren.

Ginny

 

Hallo Ihr.

Ich bedanke mich erstmal über Eure konstruktive Kritik. Hat mir sehr gefallen. Aber ich werde die Geschichte nicht überarbeiten. Ob das mit den Schlaftabletten klappt weiß ich nicht. Habe noch keine Erfahrung mit Tabletten auflösen gemacht. Aber ich denke schon, dass sie sich in Alkohol auflösen. Sieht man dich immer in irgendwelchen Krimis.
Ich werde versuchen, Eure Vorschläge in meine laufenden Projekte einfließen zu lassen.

Und Entschuldigung wegen den Ausdruck sein. Habe erste Geschichte vom mich. Und gehen für dafür. :D

Bis dann CHRIS.

 

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