Verloren
In Hoffnungslosigkeit verloren sitze ich in diesem Raum, schwarz wie die Nacht ist es um mich...ich bin allein.
Meine Kraft zu kämpfen habe ich verloren, zu lange schon bin ich hier eingeschlossen, Tag für Tag – Nacht für Nacht.
Ich weiß nicht mehr wann Tag und wann Nacht ist. Mein Zeitgefühl hat mich verlassen.
Anfangs habe ich mich gewährt – habe nicht gegessen, was die beiden Männer mir brachten, in der Hoffnung sie würden mich gehen lassen.
Doch jetzt weiß ich, dass es sie nicht stören würde mich sterben zu sehen, nein ich glaube sogar es würde sie anmachen mich so hilflos und ohne Kraft am Boden wahrnehmen zu können.
Heute war noch keiner von ihnen da gewesen, es macht mich verrückt, dass sie nicht kommen.
Ich habe Angst vor ihnen, denn sie sehen furchterregend aus in ihren schwarzen Kutten, doch sie sorgen für mich jedenfalls bis heute.
Trotz der Angst sehne ich mich nach ihrer Gegenwart – sie sind die einzigen Menschen, die ich seit zehn vielleicht vierzehn Tagen zu Gesicht bekommen habe.
Was, wenn ihnen etwas passiert ist, soll ich traurig sein, soll ich mich freuen?
Meine Gedanken sind wirr, verlassen bin ich, von den Männern, die mich entführt haben, um mich leiden zu sehen.
Oder wollen sie das ich leide, mir Gedanken darüber mache, warum sie nicht erscheinen, um mir etwas zu essen zu bringen?
Beobachten sie mich?
Schon seit einigen Tagen habe ich die Vermutung, dass sie mich durch den Lüftungsschach, der sich hinter mir befindet belauschen und beobachten.
Habe ich mit mir selbst gesprochen?
Ich weiß es nicht mehr – ich kann mich nicht erinnern. Nur an die endlose Dunkelheit in diesem Gefängnis, meinem Gefängnis kann ich mich erinnern.
Wenn sie nicht kommen, werde ich hier sterben, wo bin ich überhaupt, wo haben sie mich hingebracht, nachdem sie mich beim Joggen in ihr Auto gerissen haben?
Sterben – ich kann dieses Wort nicht mehr hören.
Aufgeben, dass habe ich früher nicht gekannt, ich war eine Kämpferin.
Jetzt frage ich mich, wo diese Kämpfernatur in mir geblieben ist...ich muss Kraft sammeln...ich muss...
Da öffnet sich die Tür...im Dunkel des Raumes versuche ich einen Blick zu werfen, auf das oder den, was dort den Raum betritt.
Es ist wie jeden tag das gleiche Spiel – eine Mc Donalds Tüte wird mir vor die Füße geschmissen und eine unheimlich abstoßende Männerstimme ruft mir zu: „Los, iss das!“
Erst heute fällt mir auf, dass der Big Mac in meinen Händen noch warm ist, Hoffnung keimt in mir auf, die Zivilisation kann nicht weit entfernt sein.
Wenn ich es schaffe mich von meinen Fesseln zu befreien – könnte ich es schaffen.
Ich wunder mich über mich selbst, woher kommt diese Kraft zu kämpfen.
Doch ich entscheide mich sie zu nutzen.
Ich weiß nicht, wie lange es dauert, aber meine Fesseln lockern sich langsam.
Wie ein Tier kämpfe ich, um frei zu sein.
Kratze mit meinen bereits blutigen Findernägeln an den Seilen, die fest um meine Füße gebunden waren.
Jetzt, ja sie lockern sich ein bisschen.
Die Schmerzen in meinen Händen sind vergessen – ich kann aufstehen.
Ich bewege mich in dem finsteren Raum langsam vorwärts – taste an den Wänden entlang bis ich die Tür erfühlen kann.
Jetzt brauche ich eine Idee, wie komme ich hieraus?
Meine Füße brennen und meine Beine sind schwer von dem langen liegen, mir ist übel und ich kann mich nur schwer auf den Beinen halten, doch eine innere Kraft hält mich aufrecht.
Ich nehme den Stuhl beiseite, denn ich im Dunkel des Raumes ertastet habe und stelle mich an die Tür.
Wenn sie aufgeht, werde ich zuschlagen, denke ich mir...doch während ich dort stehe und warte, dass die Tür sich wieder öffnet verlässt die Kraft meinen Körper.
Ich merke, wie ich anfange zu zittern, kaum kann ich den Stuhl halten.
Doch da öffnet sich die Tür, ich höre wie der Schlüssel im Schloss umgedreht wird.
Das ist meine Chance und ich werde sie nutzen – ich bin eine Kämpferin.
Die Gestalt von vorhin betritt den Raum, so schnell und kräftig, wie ich kann schlage ich zu.
Der Mann geht zu Boden, das ist mein Moment – ich renne an ihm vorbei in den langen düsteren Gang.
Ich kenne den Weg nicht doch meine Beine tragen mich vorwärts.
Ich laufe weiter bis ich ein Licht erkenne am Ende des Gangs – plötzlich höre ich Stimmen hinter mir, sie verfolgen mich – ich muss schneller laufen.
Ich erreiche die Luke und steige hinaus, das Tageslicht brennt in meinen Augen – ich kann nichts sehen, doch ich laufe weiter in den Wald, der sich langsam vor meinen Augen entblößt.
Ich renne und renne doch weiß nicht wohin, plötzlich höre ich eine Straße, Autos, meine Rettung.
Ich werde wieder zurückkehren in mein Leben, meine Freunde wieder sehen, essen, trinken, den Tag und die Nacht erkennen, einfach nur LEBEN...
Als ich die Straße erreiche bin ich überglücklich, der Stress fällt von mir ab...ich bin gerettet, jetzt muss nur noch ein Auto halten, mich mitnehmen...zurück ins Leben.
Erst jetzt spüre ich die Verletzungen an meinen Füßen und Händen – ich blute überall. Der Waldboden hat meine Füße verletzt, die Sträucher meinen Körper zerkratzt.
Ich falle auf den Boden, doch der Wille zu Überleben lässt mich wieder aufstehen.
Ich erkenne ein Auto und kann sehen, das es langsamer wird als es mich sieht...ich sehe meine Rettung direkt vor mir, sehne mich nach einem heißen Bad und hoffe bald alles vergessen zu können.
Der Wagen hält neben mir, durch die getönten Scheiben kann ich nicht erkennen wer im Inneren sitzt.
Die Tür schnellt auf und eine Hand wird mir gereicht.
Ich steige in das Auto und fühle mich geborgen. Jetzt fahre ich nach Hause...
Da höre ich den Fahrer: „Jetzt bist Du in Sicherheit, komm ich helfe Dir an einen sicheren Ort zurückzukehren.“
Fast fühle ich mich sicher, doch da erkenne ich die unheimlich abstoßende
Männerstimme.