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- Anmerkungen zum Text
Ich möchte anmerken, dass sich dieser Text auf keine selbst erlebte Geschichte zurück zuführen lässt!
Verloren im Nichts
Es war ein Schlag. Ein Schlag ins Gesicht, und schon flog ich wie seine Zigarettenstummel in die Ecke. Ich hielt mir mit meiner Hand die Wange und rappelte mich wieder auf. In meinem Kopf drehte sich alles. Ich fiel sofort wieder zurück in meine Ecke. Ich gab es auf und bewegte mich nicht mehr. Ich schloss meine Augen, damit er denkt, dass ich ohnmächtig wäre. Er bewegte sich auf mich zu. Ich höre auf zu atmen. Alles in mir stellte seine Tätigkeit ein, aber er ging einfach an mir vorbei. Er hatte sich endlich abreagiert.
Er kam zurück, es sind keine zwei Sekunden vergangen, bevor er mich hatte einfach liegen lassen wollen. Er hockte sich vor mich und strich mir über die Wange. Es tat ihm leid. Wie es ihm immer leid tat nachdem er es getan hatte. Ich öffnete meinen Augen wieder und schaute ihn an. Auch wenn er mich geschlagen hatte, liebte ich ihn. Er ist mein Vater, ich würde es komisch finden, wenn ich es nicht tun würde.
Ich lächelte ihn an und versuchte auf zu stehen.
,,Es tut mir so leid Honay.“ Ich konnte Tränen in seinen Augen sehen, sie liefen ihm über die Wange, er wischte sie weg und stand auf. Ich wusste, dass es nicht auf ewig so weiter gehen konnte. Aber ich hoffte es immer noch. Ich hoffte immer noch, dass es irgendwann vorbei sein würde, dass ich irgendwann wieder ein normales Leben mit einem normalen Vater führen kann. Obwohl ich mir zu diesem Zeitpunkt, kein normales Leben vorstellen konnte. Mein Vater hat sich verloren. Verloren im Nichts.
Er richtete sich wieder auf und verlies den Raum. Ich rappelte mich auf und ging zum Kühlschrank. Er war leer, bis auf ein paar gefrorene Erbsen konnte ich nichts finden, was sich auch nur annähernd als etwas Essbares herausstellen lässt. Also holte ich sie heraus und kippte sie in eine Pfanne. Ich brate sie an, während ich mir wieder Gedanken mache, wie ich meine Wunde morgen in der Schule verschwinden lasse.
Ich kippe meine Erbsen auf einen Teller, hole mir eine Gabel und setze mich an den Küchentisch. Ich lasse meinen Blick durch die Küche schweifen, ich versuche irgendwas zu finden, aber ich weiß nicht was. Alles was ich sehe sind leere Bierflaschen und Schnapsbullen. Der Aschenbecher neben meinem Teller, quillt schon fast über. Ich schiebe ihn angeekelt zur Seite. Ich schaue auf meinen Teller herab, ich stocher’ mit meiner Gabel in meinem Haufen voller Erbsen herum. Ich schiebe den Teller nach hinten und lehne mich an. Ich verschränke die Hände vor der Brust. Meine Gedanken schweifen ab, ich weiß nicht mehr was ich machen soll.
Ich schrecke auf, ich höre draußen eine Tür knallen. Ich sitze aufrecht da, meine Augen sind aufgerissen, ich starre die Tür an. Ich warte nur bis er hindurch stürmt. Aber es passiert nichts. Die Minuten verstreichen und ich sitze immer noch am Tisch. Es knallt wieder, und ich zucke zusammen. Was macht er? Ich traue mich nicht aufzustehen, also sitze ich weitere Minuten am Tisch.
Es ist eine halbe Stunde vergangen und ich habe nichts mehr gehört. Mittlerweile habe ich mich wieder angelehnt und schaue so vor mich hin.
Die Tür fliegt auf und er kommt hindurch gestürmt. Seine Fingerknöchel sind blutig und verfärben sich langsam blau. Er kommt auf mich drauf zu gerannt. Ich bleibe sitzen und schaue ihn an.
,,Was hast du getan?“ Ich schaue auf seine Hände, aber er sagt nichts. Er steht einfach vor mir und zittert. Mein Adrenalin Spiegel steigt Rapide. Als könnte er es riechen, weicht er einen Schritt zurück. Aber seine Augen sind immer noch auf mich gerichtet. Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich traue mich nicht auch nur irgendeine Sehne zu bewegen.
,,Was ist passiert?“ Ich frage behutsam, aber es hat gereicht. Seine Faust dämmert gegen meinen Wangenknochen. Mein Kopf wird zurück geschleudert und Tränen steigen mir in die Augen. Ich atme einmal tief ein, dann wende ich meinen Blick wieder auf ihn.
,,Was soll das?“ Ich schreie ihn an. Ich kann es nicht verstehen, was habe ich ihn getan? Was hat ihn gerade schon wieder aus der Bahn geworfen? Er schaut mich an. In seinen Augen sehe ich wie die Reue langsam seinen Körper beherrscht. Aber mein Blick bleibt hart. Ich kann nicht immer wegsehen. Ich kann es nicht immer ignorieren. Ich springe auf und verlasse die Küche. Ich renne den langen Flur entlang. Aber bleibe abrupt stehen. Die Tür vor mir ist eingeschlagen, zwei große Löcher bahnen sich ihren Weg durch die Tür. Es liegt ein Brief vor der Tür. Aber ich kann meinen blick nicht von den Löchern abwenden, was hat er getan? Ich gehe langsam in die Knie und hebe den Zettel auf. Es ist die Scheidung. Meine Mutter hat die Scheidung beantragt.
Es wird mir alles klar. Er hat versucht sich abzureagieren. Er hat versucht mich zu verschonen. Er wollte mich nicht weiter verletzen, aber er konnte nicht anders. Ich sinke in den Sitz und lehne mich an die zerschlagene Tür an.
,,Es tut mir leid!“ höre ich meinen Vater aus der Küche rufen.
,,Ist schon gut!“ Gebe ich ihm als Antwort zurück. Ich habe den Zettel immer noch in meiner Hand.
,,Du bist so stark weißt du das? Ich habe mich verloren und du stehst es einfach durch. Wie eine Heldin.“ Mein Kopf ist leer.
,,Wieso hast du es mir nicht gesagt?“ Ich höre nur noch ein rumpeln in der Küche, dann ist kurz stille. Ich dachte schon er wäre hingefallen, aber es war nur der Stuhl der ihm im Weg stand. Er kommt aus der Küche auf mich drauf zu gerannt. Ich schließe meine Augen, bin für alles bereit.
Es passiert nichts. Er setzt sich einfach nur neben mich und nimmt meine Hand.
,,Es wird weiter gehen.“ Ich schaue ihn an und schüttelt mit meinem Kopf. Nein.