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Verliebt

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03.09.2003
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Verliebt

"Nun mach doch endlich den Discman aus, dass ist ja nicht auszuhalten!"
Meine Mutter zündete sich eine weitere Zigarette an, kurbelte das Fenster vom Auto
etwas weiter runter und wurde merklich ungeduldig.
Genervt drehte ich den Knopf von meinem Discman höher und ließ mich von
irgendeiner Agro-Band zudröhnen.
Sollte ich dankbar dafür sein, dass meine Eltern mir meine Sommerferien
versauten?
Ich sah mir den Sonnenaufgang vom Beifahrersitz aus an. Spanien! Ich!
Ganz alleine unter völlig Fremden. Lust dazu hatte ich nicht, nein, ich wollte
mit meiner Clique nach Dänemark. Und jetzt saß ich im Auto auf dem Weg zum Bahnhof, dort
würden wir nämlich mit dem Bus losfahren.

Gegen Mittag war es schon so heiß, dass ich meinen Pullover gegen ein T-shirt ersetzte.
Eng anliegend natürlich.
"Ich geh mal schauen, wann ihr losfahrt." Und weg war sie. Unter zig anderen Jugendlichen, die
alle in feinen Cliquen geordnet lustig schwatzten, sich amüsierten oder flirteten.
Ganz normaler Jugendwahnsinn eben. So wie sich das gehört. Und ich stand alleine da.
Ich scannte die gesamte Truppe in Gedanken ab, von allem war etwas dabei: Die "Coolen",
die "Zicken", die "Kiffer und eben so weiter. Ich gehörte definitiv nicht zu ihnen. Ich war alleine.
"Wir haben noch eine Stunde Zeit, was meinst du, sollen wir bei McDonalds frühstücken?"
Meine Mam lachte mich an, als hätte ich heute Geburtstag. Ich wühlte im Rucksack nach meinen Zigaretten,
zündete mir eine an.
Warum auch nicht. Frühstück kann ich gebrauchen.

Zwei Cheeseburger und ein Milchshake später stand ich wieder am Bahnhof.
Die ersten waren schon in den Bus gestiegen, ich kickte mit meinem Fuß ein Steinchen weg.
Am liebsten würde ich jetzt weglaufen. Einfach weg von diesen Leuten hier.
"Sag mal, du weißt nicht zufällig wann dieser Bus hier losfährt?" Ich blickte direkt
in blaue Augen die zu einem etwas schüchtern dreinblickendem Mädchen gehörten.
Sie schien in meinem Alter. "Keine Ahnung, ich denke mal gleich. In zehn Minuten oder so."
Ich zog nochmal an meiner Zigarette um sie dann mit einem geübten Schnipper auf die Straße
zu befördern. "Mh. Du fährst auch allein oder?" Erwartungsvoll sah sie mich an.
Und da war klar, dass ich eine Freundin gefunden hatte. Zumindest eine Freundin auf Zeit.

"Los hopp! Zack, dalli, wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!"
"Oh Gott, ist das unser Gruppenleiter? Na das kann ja spaßig werden", ich lachte,
so langsam bekam ich wirklich gute Laune und vergaß schon fast meiner Mam noch einen
Abschiedskuss aufzudrücken.

Die Fahrt verlief eher schlecht als Recht. Und nach 36 Stunden waren wir dann auch endlich da.
Fasziniert sah ich aus dem Fenster, direkt auf das türkis schimmernde Meer.
"Jenny, schau mal!" Ich stupste meine neu gewonnene Freundin vom Bahnhof an.
"Mh?" Etwas verschlafen blinzelte sie an mir vorbei, ebenfalls auf das Meer.
"Sieht fein aus" und schon war sie erneut eingeschlafen. Ich musste grinsen.
Jenny hatte es drauf von einer Sekunde auf die andere einzuschlafen.
Ich jedenfalls war völlig hin und weg, ich hatte mich sofort in dieses Land verliebt.

"So. Ich werde euch in den nächsten zwei Wochen betreuen. Ich hoffe, ihr stellt mir nichts an, ich habe eine
Menge mit euch vor.." bla bla bla.. dieser Vortrag ging eine halbe Stunde und ich konnte es kaum
erwarten mein Zimmer zu sehen.
Ich schaute mich in der Gruppe ein wenig um. Es waren mehr Jungen als Mädchen, aber mich sollte das nicht stören.
Einer nach dem Anderen wurde von mir "durchgescannt", ich liebte es, die Menschen zu beobachten.
Aber an einem Augenpaar blieb ich hängen. Mandelartige, braune Augen die mir fast zuzulächeln schienen.
Und der Besitzer dieser wunderschönen Augen lächelte mir zu.
Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und sah weg. Ich hatte ja zwei Wochen Zeit um ihn kennen zu lernen.
Und ich würde ihn kennenlernen! Das hatte ich mir soeben vorgenommen.

Mein Zimmer gefiel mir nicht, es war dunkel, lediglich der Balkon bekam Sonne ab. Und auf dem hielt ich mich am
liebsten auf. Der Ausblick war herrlich. Ich hatte zwar keinen Blick aufs Meer, oder sonstige Sehenswürdigkeiten,
aber dennoch war der Ausblick wunderschön. Mir gegenüber lebten Einheimische, nach ein paar Tagen hatte ich raus, dass der mir
gegenüberlebende Mann Kellner war und unter ihnen eine Familie mit zwei Kindern wohnte, die es bevorzugten auf
dem Balkon zu frühstücken.
Der Kellner saß Abends, wenn es dunkel wurde, am liebsten mit einer Flasche Wein und einem Freund
auf dem Balkon und pokerte.
Jeden Abend saß ich dort, immer eine Stunde bevor wir zu irgend einer Strandparty oder einer Dorfdisco fahren wollten,
saß ich dort und schrieb. Ich schrieb einfach. Ich schrieb Briefe an meine Freundin, doch ich wusste schon da
insgeheim das ich sie alle selbst behalten würde.
Und immer wenn ich dort saß, war es, als wäre das hier mein Zuhause. Ich war glücklich.
Für mich bedeutete das innerer Frieden, mit meinem Collegeblock hier zu sitzen und dem Kellner mit seinem
Freund beim Pokern zuzusehen. Sie lachten, tranken und schienen jedes Mal viel Spaß dabei zu haben,
obwohl sie es jeden Abend taten.

Mittags tobten ich und meine sogenannte "Ferienclique" uns am Strand aus. Der Sand dort war eher körnig als weich
und jedesmal so heiß, dass wir ins Meer rannten so schnell wir konnten.
Auch der Junge mit den Mandelaugen sah ich öfters. Während ich auf meinem Strandtuch lag, blinzelten wir uns
an. Aufällig zufällig. Wir lächelten uns an, sahen uns tief in die Augen und irgendwie war es, als würden wir uns schon ewig kennen.
Beim Abendessen saßen wir immer so, dass wir uns direkt im Blick hatten.

Abends war es am schönsten. Die Menschen hier waren alle so lebensfreudig, jeden Abend konnte man
die Straßenmusiker beobachten, die von Kneipe zu Kneipe wanderten, tanzten, sangen und spielten.
Verdient haben sie wohl nie recht viel, aber scheinbar machte es ihnen nichts aus.
Sie taten es, weil es ihnen Spaß bereitete. Und mir gefiel es. Ich hätte ihnen stundenlang zusehen können.
Ich fühlte mich gut in meinen hochgekrempelten Jeans, meinem zerfleddertem Top und meinen FlipFlops.
Nachts gingen wir auch öfters schwimmen, einfach so, es war immer irgendwie etwas Besonderes.

Natürlich lernte ich viele Leute kennen, die aus meiner Jugendgruppe waren alle wirklich sehr nett.
Viele unter ihnen wurden zu guten Freunden, mit denen ich bei Sangria Abends auf dem Balkon oder am Strand saß
und über Gott und die Welt plauderte.
Und einmal, ich saß gerade mit Christian auf meinem Balkon, da sah ich eine Sternschnuppe.
Spontan fiel mir nur eines ein, was ich mir wünschen könnte:
Ich würde hier herziehen. Irgendwann. In diese wunderschöne Kleinstadt, die noch fast unberührt
von Tourismus und dem Rest der Welt, mir das gab, was ich suchte.
Es war wie ein Zauber, diese Nacht mit der Sternschnuppe.
Ich hatte gefunden, wonach ich suchte. Meinen Lebenstraum. Mein Ziel.
Wenn auch etwas unrealistisch mit meinen siebzehn Jahren, dennoch ein schöner Traum.

Am letzten Tag regnete es. Wir standen alle am Bahnhof und warteten auf den Bus, der reichlich Verspätung hatte.
Ich saß auf dem Bordstein und ließ mich von Jenny massieren, dabei sahen ich und der Unbekannte mit den Mandelaugen
uns immer wieder an. Heute war es aber besonders intensiv.
Auf einmal stand er direkt vor mir, sah mich ruhig an und lächelte. Und ich sah zurück.
Ich atmete tief durch. Sollte ich ihn ansprechen?
Aber da drehte er sich schon um, schnappte seine Tasche und stieg in den mittlerweile angekommenen
Bus ein. In Gedanken wünschte ich ihm eine gute Heimreise und Auf Wiedersehen.
Niemals Lebwohl. Denn man sieht sich immer zweimal im Leben.

Und so endeten meine zwei Romanzen.
Die Romanze, die sich nur mit einem Lächeln abspielte und meine Romanze mit diesem Land.
Ich war verliebt. Und irgendwann bin ich auch bereit, dieser Liebe nachzugeben
und hier zu leben. Da war ich mir ganz sicher.
Jedenfalls damals. Im letzten Sommer.
Den ich wohl nie vergessen würde.

 

hallo Existence :)

Also erstmal danke für deine Kritik.
Ja, du hast Recht, sie ist halt eher "gewöhnlich", aber mehr sollte es auch gar nicht sein.
Ich wollte einfach mal etwas für mich recht "einfaches" ausprobieren, um mich ans Schreiben "heran zu tasten"..

die Fehler sollte ich nochmal ausbessern, vielen Dank dafür!

Gruß zurück ;)

 

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