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Verkauft

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03.10.2001
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Verkauft

Mein kleiner Laden liegt am Rande der Stadt in einer kleinen, unscheinbaren Seitenstraße. Jeden Morgen gehe ich hoffnungsvoll zu meinem Geschäft und bin überzeugt, dass heute -ganz bestimmt heute- jemand vorbei kommt und etwas kauft. Leider passiert das nur sehr selten, genaugenommen so gut wie nie. Doch ich bin Optimist. Dieser Optimismus kommt nicht von Ungefähr. Langjährige Übungen der Selbstüberzeugung sind dem voraus gegangen. Jeden Tag pünktlich um 8.20 Uhr stehe ich vor dem Spiegel in meinem unscheinbaren Badezimmer, betrachte mich und sage zu mir selbst:
„Sonja, dein Laden ist klasse. So etwas wie diesen Laden gibt es nirgendwo sonst. Was du verkaufst, ist einzigartig wie jede Pore deines Körpers.“

Für Sie muss das natürlich total lächerlich klingen, aber mir hilft es.

Seit über 24 Jahren gibt es mein kleines Geschäft und ich bin stolz darauf, obwohl ich noch nie Gewinn erzielt habe. Darum geht es mir auch nicht. Es geht um Ethik, Überzeugung und um die Tatsache, stolz darauf zu sein, dass man anders ist. Und eines können Sie mir glauben: Ich binanders.

Niemals habe ich mich im Leben den verkümmerten Idealbildern der Gesellschaft hingegeben. Niemals habe ich das getan, was andere von mir erwarten. Warum auch? Als ich mit 19 schwanger wurde, haben mir alle –besonders meine Eltern- gesagt: „Sonja, Dein ganzes Leben liegt noch vor Dir. Alleine wirst du es niemals schaffen. Ohne Ausbildung und ohne Job wirst Du in der Gosse landen. Du musst unbedingt abtreiben.“ Stundenlange Diskussionen habe ich über mich ergehen lassen; habe über die Worte meiner Familie nachgedacht. Doch meine Entscheidung stand schon lange fest. Was ist der tollste Job der Welt wert, gegen das unschuldige, bezaubernde Lachen eines Kindes? Was sind Abitur, Doktortitel und Villa, gemessen an dem Glück, zu sich selbst zu stehen? Täglich sehe ich abgehetzte Anzugträger durch die Straßen eilen. Kriechend bewegen sie ihre automatisierten, rückradlosen Körper durch verstopfte S-Bahn-Abteile. Sie leben nicht, sie vegetieren. Sie laufen nicht, sie rennen. Sie kämpfen gegen die Zeit, die ihnen noch bleibt, ohne dabei zu verstehen, dass man diesen Kampf nie gewinnen kann. Ich belächle sie. Was soll ich auch sonst tun? Gegen Dummheit gibt es kein Mittel, nur Wege.

Ich verkaufe solche Wege. Sie glauben mir nicht? Können Sie aber ruhig!

Heute morgen kam ein Mann in meinen Laden. Anders als meine sonstigen Kunden rannte er nicht durch die Regale, sondern schlenderte zwischen ihnen hindurch. Jedes meiner Bilder sah er sich genau an. Er nahm jedes Einzelne in die Hand, betrachtete es und bat mich, ihm die Bedeutung zu erklären. Wir redeten lange. Plötzlich unterbrach er unser Gespräch, um vor dem großen Spiegel im Gang stehen zu bleiben. Ich hatte diesen Spiegel irgendwann auf einem Flohmarkt entdeckt. Der Verkäufer, ein alter, verwirrtes Zeug redender Mann, erklärte mir, es wäre der Spiegel der Seele. Ich lachte ungläubig und kaufte den Spiegel.
Ich versuchte dem Mann in meinem Geschäft zu erklären, dass dieser Spiegel nicht verkäuflich sei. Er schaute mich mit großen Augen an, sagte aber nichts.

Er hat ihn mitgenommen. Ich weiß, dass er mich verstanden hat.


© Pandora (K.B.), 2001

 

Nicht schlecht. Das Motiv des Spiegels aus dem ersten Paragraph wird später unerwartet wieder aufgegriffen, und steht hier wohl für das "zu sich selbst stehen".
In gewissser hinsicht ist die Geschichte aber ein bisschen zu einfach. So findet man hier auch das Klischée von Gesellschaftsanpassung = schlecht, Alleingang = gut, wieder.

Was sind Abitur, Doktortitel und Villa, gemessen an dem Glück, zu sich selbst zu stehen?

Schliesst das eine denn das andere aus?

 

Hi 13en,
danke für deine Kritik.
Die Geschichte ist aus Frust heraus entstanden, als ich mal wieder einen Streit mit meinen Eltern hatte.
Vielleicht ist sie aus diesem Grunde so "einfarbig".
Andererseits...Klischee hin oder her... so ist es aber nun mal, oder nicht?

so long, Pandora

 

Nachtrag:
Natürlich schließen diese Sachen sich nicht zwangsläufig aus, oft aber schon irgendwie.

 

Hallo Pandora!

Ganz zufällig bin ich heute auf diese Geschichte gestoßen und muß sagen, von allen, die ich bisher von Dir gelesen habe (das sind mehr als ich kommentiert hab), find ich diese am schönsten. :)

Den Spiegel hast Du hier ausgesprochen gut und stimmig eingesetzt. Gefällt mir wirklich sehr.
Nur ein paar Fehler haben sich eingeschlichen – aber ich glaub, die meisten findest Du eh selbst. Ich bin leider heute schon zu müde für eine Korrektur, vielleicht liefer ich sie noch nach. ;)

Natürlich schließen diese Sachen sich nicht zwangsläufig aus, oft aber schon irgendwie.
Das denke ich auch. Es kommt drauf an, ob man sich dafür verkaufen muß, also zum Beispiel, um die Villa zu erhalten, oder ob man alles einfach hat, durch Erbschaft oder schnell verdient und es nur genießen braucht (eine äußerst praktische Variante, leider gibt es sie so selten...).

stolz darauf zu sein, dass man anders ist
Hier möchte ich Dir allerdings widersprechen: Es kommt in meinen Augen nicht aufs „Anders-Sein“ an, sondern aufs „Selbst-Sein“ – da sehe ich einen Unterschied. Mit Anders-Sein grenzt man sich aus, fühlt sich mitunter nicht wohl, wenn man Seiten an sich entdeckt, wo man genauso ist wie die anderen. Mit Selbst-Sein kann man es auch zulassen, wenn man mal genauso denkt oder sich genauso anzieht oder genauso fühlt wie die anderen, ohne daß man sich selbst dabei untreu wird. – Wenn es allerdings nur auf die aufgezählten Beispiele zutreffen sollte, dann geb ich Dir Recht, da kann man sich nur wünschen, anders zu sein. ;)

Die Geschichte ist aus Frust heraus entstanden, als ich mal wieder einen Streit mit meinen Eltern hatte.
Du solltest eindeutig öfter mit Deinen Eltern streiten. :D

Liebe Grüße,
Susi :)

 

Hallo Pandora.
Eine sympathische Protagonistin, lebensbejahend und sich um Werte wie Ethik kuemmernd.
Komisch fand ich das Verhalten ihrer Eltern: "Alleine wirst du es nicht schaffen" usw.
Wollen sie ihr nicht helfen, sie alleine lassen? Realistisch gesehen jedoch wird es dieses Verhalten bestimmt und leider geben.
Seltsam jedoch besonders, dass das Geschaeft in den langen Jahren nie Profit abgeworfen hat. Von irgendwas muss die Protagonistin doch leben und hungrige Kindermaeuler stopfen.
Ansonsten moechte ich nicht zu sehr auf die Handlung und Intention eingehen. Warum nicht? Gestern waren wir in Miami, und der Wiskey hat mir nicht gut getan...
:D
Viele Gruesse,
...para

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Und eines können Sie mir glauben: Ich binanders.
Leerzeichen.

Kriechend bewegen sie ihre automatisierten, rückradlosen Körper durch verstopfte S-Bahn-Abteile.
"rueckgradlosen"

Er nahm jedes Einzelne in die Hand, betrachtete es und bat mich, ihm die Bedeutung zu erklären.
Der Bezug zu den Bildern ist deutlich, deshalb, glaube ich, wird "einzelne" klein geschrieben.

 

Hi Susi, hi Para,

ohje, ohje. Wieso habt ihr diese alte Story wieder ausgegraben? Ich finde sie scheußlich *g*
Werd sie unbedingt mal überarbeiten müssen.

Gruß, Pan

 

hallo hallo

deine story ist zweifelsohne sympathisch. aber wie ich leider finden muss, etwas polemisch, idealistisch, und doch etwas realitätsfremd.

für eine frustgeschichte aber durchaus gelungen. die einrahmung durch das spiegelmotiv hat mir auch gefallen

 

Da haste völlig recht. Etwas postpubertär und überarbeitungswürdig.

Danke fürs Lesen.

 

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