Was ist neu

Vergessenheit

Mitglied
Beitritt
25.03.2002
Beiträge
12

Vergessenheit

Ich habe gerade festgestellt, dass es im Bereich Fantasy eine Geschichte gibt, deren Anfang sehr ähnlich klingt, wie der meines Machwerks. Ich hoffe mal, man glaubt mir, dass ich diese Geschichte nicht gelesen hatte, bevor ich mich ans Schreiben gemacht habe :rolleyes:

Wie auch immer: Hier die Geschichte. Könnt euch selbst euren Reim drauf machen...

Vergessenheit
Der Regen prasselt auch mich herab. Er durchdringt meinen Mantel und lässt mich zittern. Kalt läuft er meine Wangen herunter. Mein dunkles Haar klebt klamm am Kopf. Die Straße ist aufgeweicht vom Wasser, braun und matschig, und immer wieder stolpere ich über Ranken, die über den schmalen Weg wachsen. Spitze Dornen haben sie, die Ranken. Sie schneiden meine Haut auf, ich blute an den Knöcheln.
Ich friere erbärmlich, einsam und allein hier draußen im Wald. Um mich herum ist alles schwarz, außer dem Regen rührt sich nichts. Nicht einmal die Tiere wagen sich aus ihren Höhlen. Nur ich setze beständig, wenn auch taumelnd einen bloßen Fuß vor den anderen. Hinter jeder Wegbiegung hoffe ich auf die Lichter des Dorfs. Doch hinter jeder liegt nur eine weitere Kurve, ein steiler Anstieg oder ein wucherndes Gestrüpp.
Ich beginne zu phantasieren. Ich sehe Lichter im Regen und die Schatten greifen nach mir. Ich bleibe mit dem zerschlissenen Mantel an einem Zweig hängen, der in den Weg ragt. Ich zerre daran und fluche. Ein Stück des Mantels bleibt an dem Zweig hängen. Ich erinnere mich nicht mehr daran, dass ich verfolgt werde und stolpere weiter, ohne den Fetzen mitzunehmen.
Der Weg führt jetzt wieder nach unten, hinein in die Dunkelheit. Ich trete auf etwas Glitschiges und verliere den Halt. Ein erstickter Schrei entweicht meiner Kehle und ich falle. Ich rolle den Hang hinab, verliere die Orientierung, und ächze geschunden, als ein entwurzelter Baum meinen Abstieg beendet. Mein Kopf schmerzt, und das Wasser auf meiner Stirn mischt sich mit warmem Blut. Ich will aufstehen, doch mein Bein ist gebrochen. Ich kann nichts sehen, aber ich spüre, dass ich in einer Pfütze liege.
Was hat dich hierher getrieben? Ich frage es mich immer wieder, doch ich habe die Antwort vergessen. Die Nacht scheint ewig zu dauern und nichts kündigt den Morgen an. Der Regen lässt jetzt nach. Ich merke es nicht. Ich habe auch den Regen vergessen, nehme ihn nicht mehr war. Plötzlich bemerke ich, dass es still geworden ist. Völlig still. Der Regen ist verschwunden, doch alles ist feucht um mich herum. Es ist immer noch dunkel. Nur noch wenig Wasser tropft von den Bäumen herab und weicht den Waldboden auf.
Ich muss zurück zur Straße, denke ich und stütze mich auf die Hände. Mein Bein schmerzt und ich kann nicht aufstehen. Dann finde ich einen langen Ast mit einer Gabelung. Ich klemme ihn mir unter den Arm und benutze ihn als Krücke. Ich stöhne vor Schmerz als ich mich aufrichte und beiße mir auf die Zunge. Blut strömt nun auch in meinen Mund. Es schmeckt süßlich und ist warm.
Schemenhaft erkenne ich die Bäume um mich herum und will meinen Weg fortsetzen. Dann höre ich die Stimme. Wie ein Glockenspiel klingt sie in meinen Ohren. Die Stimme ist aus Silber und Gold, aus Schneeflocken und Frühjahrswind. Melodisch und zauberhaft klingt sie in meinen Ohren, doch ich kann nicht verstehen, was sie sagt. Vielleicht spricht sie in einer fremden Sprache, vielleicht sind auch meine Ohren schon blutig und verzerren den Klang der Stimme. Ich weiß es nicht, ich habe es vergessen.
Ich will wissen wo die Stimme ist, ich will zu dem Wesen, dem diese Stimme gehört, doch ich kann die Richtung nicht bestimmen. Ich taumle ziellos durch den Wald, mein Bein tut immer noch weh. Bald höre ich die Stimme nicht mehr. Sie ist verschwunden und ich bin wieder allein. Ich atme erleichtert auf, und wundere mich gleichzeitig darüber.
Mein Weg führt mich tiefer in den Wald, oder in Richtung seines Randes. Ich weiß es nicht. Ich habe mich verlaufen, weiß nicht woher ich gekommen bin und weiß nicht wohin ich gehe. Die Nacht dauert an und ich vergesse immer mehr. Ich vergesse die Stimme und den Schmerz, die Kälte und die Dunkelheit, und schließlich vergesse ich den Wald und mich selbst.
Ich werfe die Krücke zur Seite und gehe weiter. Ich weiß nichts mehr von meinen Wunden, nichts von der Nacht und nichts von meinem Ziel. Warum bin ich aufgebrochen? Woher komme ich? Ich kenne die Antworten nicht. Ich werde nachdenklich und setze mich auf den Waldboden. Mein Bein kracht laut, als ich mich hinsetze, und der Knochen durchbricht am Schienbein die Haut und steht heraus. Ich vergesse zu stöhnen und ohnmächtig zu werden.
Ich habe vergessen, weil ich in Vergessenheit geraten bin, vergessen worden bin. Der Klang des Wortes liegt bitter auf meiner Zunge, es ist ein hässliches Wort, hart und klanglos, und ich versuche mich an eine Sprache zu erinnern, in der es angenehm klingt – vergessen.
Wortspiele kommen mir in den Sinn. Sinnlose Spielereien der Sprache. Ich vergesse, ich vergaß, vergaste. Alles ist vergessen und vergeben. Ironie kocht in mir hoch, brodelt wie heißes Wasser und ich muss lachen, ich weiß nicht warum, denn auch das habe ich vergessen. Es ist noch immer still. Die Welt schwindet um mich herum. Dann blicke ich nach oben und schließe die Augen und vergesse zu leben.

[Beitrag editiert von: Talwyn am 26.03.2002 um 00:22]

 

Also nicht dass ihr mich falsch versteht. Ich mag die Geschichte ganz gern. Aber jenseits von aller Kritik ist sie trotzdem nicht. Ich halte sie weder für so gut, noch für so schlecht, dass man dazu nichts weiter sagen könnte....

 

Hallo,

ja, ich habe die Geschichte gelesen, auch gestern schon.

Aber ich weiß nicht, was ich dazu schreiben soll, denn ich habe sie, ehrlich gesagt, auch beim zweiten und dritten Durchlesen nicht verstanden. Und Kritiken der Sorte "Gefällt mir" oder "Gefällt mir nicht" ohne Begründung werden, wenn ich das richtig mitbekommen habe, hier nicht so gern gesehen. Man kann ja nicht alles kritisieren oder etwas dazu schreiben, zumal wenn sich der Sinn einer Geschichte einem noch nicht erschlossen hat.

Momentan ist hier wirklich viel los, also kann es ein Weilchen dauern, bis du dein Feedback bekommst. Eine meiner eigenen Geschichten wurde nach einem Monat (!) plötzlich aus der Versenkung geholt, und seither hagelt es Kritiken.

Also, nur Geduld.

Liebe Grüsse
P.

 

Wollte auch gar nicht ungeduldig wirken. Hat mich nur gewundert. Die Geschichte ist auch nicht ganz einfach zu verstehen, vor allem weil es keinen eigentlichen Handlungsfaden gibt. Ein paar Stellen sind drin, an denen man sich aufhängen kann, wenn man will, und alles in allem ist es auch gar nicht mein Ziel eine klassische Geschichte zu erzählen.

Worum es mir wirklich geht, wird hier nicht verraten. Mal schauen, ob da jemand selbst drauf kommt.

Danke jedenfalls für die Antwort. :)

 

Lieber Talwyn,

ein freundliches Willkommen auf kurzgeschichte.de. Ich hab mal in dein Profil geguckt und festgestellt, dass dies deine erste Geschichte hier ist und du außerdem insgesamt 4 Beiträge geschrieben hast, davon sind allein schon zwei Kritiken, die du, dafür danke ich dir sehr, zu meinen Texten geschrieben hast.

Bitte sei nicht traurig, wenn es nicht sofort mit jeder Menge Kritik hier losgeht.
Du wirst sehen, dass macht bei kurzgeschichten.de auch einen gewissen Reiz der Sache aus, soweit ich es bislang feststellen konnte.
So lange bin ich ja auch noch nicht dabei.
Also bleib unter Strom und harre der Kritiken, die mal kommen, und mal eben nicht, was mit dem Thema und der Aufbereitung deiner Geschichte zu tun haben könnte, aber auch durchaus völlig ohne dich betreffenden Grund so sein kann.
Dies nur vorweg.

Deine Kritiken meiner Texte haben mich neugierig auf deine Geschichte gemacht.

Also nun endlich zu deiner Geschichte. Ich muss gestehen, sie liegt mir nicht so sehr, was nicht an deinem Schreibstil liegt, sondern mehr am Genre oder sagen wir die Art der Verpackung. Schreiben kannst du auf jeden Fall.

Ich bin nicht so sehr ein Fan dieser etwas melancholisch bis hofflungslos herumlaufenden Gestalten, womit du siehst, dass es eine rein persönliche Meinung ist, die ich dir hier schreibe und sie sich nicht anmaßt Allgemeingültigkeit zu haben. Woher auch, so unterschiedlich wie wir Menschen sind, so unterschiedlich werden auch die Kritiken sein.

Deine Geschichte hatte es von daher sehr schwer, sich in mein Wohlwollen zu schleichen, und , obwohl ansich aussichtslos, hat sie es dennoch geschafft.
Sie hat es deshalb geschafft, weil du eine eigentümliche Atmosphäre eingefangen hast, die in eine Sackgasse zu führen schien, in eine elende Katastrophe, so schien es mir. Ein Alptraum, der nie richtig aufhört, einen Menschen zu quälen.
Dir gelingt es, diese Geschichte aufzulösen, ohne dass ein so bedrückend, belastendes Gefühl in mir zurückgeblieben ist. Am Ende ist es für deine Person eine Art Erlösung, nichts mehr zu spüren, es ist Friede in diese Person eingekehrt, wenn auch, und dessen bin ich mir bewußt, das Leben, das Weiterleben die richtige Antwort gewesen wäre.
So steigt deine Person aus der Sinnsuche, das ist für mich symbolisch der Weg, der Ausweg, der gesucht wird, aus und ergibt sich in sein scheinbar unausweichliches Schicksal.
Der Lohn für dieses Ergeben ist die Schmerzlosigkeit, das Gefühllossein, das Vergessen.
Der Preis allerdings ist der Tod.

Das ist das, was ich aus deiner Geschichte herausgelesen habe.

Einen Widerspruch hab ich allerdings noch anzumerken: deine Person empfindet am Ende noch so etwas wie Ironie.
Das geht nur, wenn sie in diesem Zeitpunkt noch nicht vergessen hat.
Für mich entsteht Ironie nur aus dem Erinnern von Emotionen, Sachverhalten, also Erlebnissen und Erkenntnissen aller Art, nur wenn diese Informationen vorhanden sind und sie entstammen alle aus der Vergangenheit, kann ich zusammen mit einer jetzigen, augenblicklichen Situation einen Abgleich vornehmen, und dann erst kann ich Ironie entwickeln.
Vergessen und Ironie widersprechen sich also aus meiner Sicht. Vielleicht solltest du diesen Part deiner Geschichte noch klarer oder anders abfassen.

Ich hoffe, ich habe dich mit dieser ersten Kritik nicht allzusehr demotiviert, gewiß wird sich noch jemand finden, dem das von dir gewählte Genre wesentlich mehr liegt. Bis dahin wünsch ich dir die nötige Geduld. :) :)

 

Hätte schlimmer sein können ;) Aber tatsächlich war das auch mein eigentliches Anliegen - nämlich eine Stimmung zu vermitteln, eine Atmosphäre, wobei mir der Klang der Worte und Wendungen eher als gestalterisches Mittel wichtig war, als der Inhalt. Das mit der Ironie am Ende stimmt. Es war mir nur so gekommen beim Schreiben, vielleicht überlege ich mir da noch mal eine Alternative.

Die Kritik werde ich überleben. Dafür, dass du mit dieser Art Geschichte nichts anfangen kannst war dein Beitrag sogar mächtig positiv :)

Gruß, Tal

 

Hallo Talwyn,

also ich bin völlig vorurteilsfrei an deine Geschichte rangegangen, weil ich erst einmal den Bereich Philosophisches kennenlernen will und welche Themen dort angesprochen werden. Mir hat die Geschichte an sich sher gut gefallen, als Schilderung eines Mannes auf der Flucht. Die Atmosphäre finde ich wirklich gut und nachvollziehbar wiedergegeben. Das empfand ich durchgängig bis zum Schluß.

Dann aber hatte ich das Problem, das Philosophische, bzw. den wahren Sinn, darin zu erkennen. Habe eine Interpretation versucht und kam zu einer Lösung, bei der mich schon mal interessiert, ob sie deiner Absicht entspricht.

In meinen Augen stellst du hier das Sterben, den Sterbevorgang als solchen dar. Das Vergessen von Vergangenheit und Zukunft (weiß nicht wohin), bedeutet das Reduzieren auf den Moment, das Jetzt. Das In-Vergessenheit-geraten-sein ist die Reduzierung auf das Ich, die Abschottung nach Außen. Die Stimmen in Gold und Silber sind die Verlockungen des Himmels (Engel). Das Wegwerfen der Krücke, der Verzicht auf äußerliche, lebensunterstützende Hilfsmittel. Der Blick nach oben dürfte wieder unter religiösem Aspekt zu sehen sein. Und so weiter, einmal festgelegt lassen sich viele Metaphern umsetzen.Kurzum, man kann sehr wohl den Sterbeprozeß hineininterpretieren, erscheint mir nach langer Überlegung das Plausibelste, die Geschichte gefällt mir eigentlich unter diesem Aspekt noch immer sehr gut.

Allerdings ist deine Absicht, dass jeder Leser das in gleicher Art und Weise verstehen, interpretieren sollte (unterstellt, ich hätte recht), ein zu hoch gestecktes Ziel. Ich bin mir sicher, dass viele Andere völlig andere Auslegungen finden können und werden. Deswegen bin ich der Meinung, dass deine Geschichte gewinnen würde, wenn du es dem Leser einfacher machst und z. Bsp. durch einen eindeutigeren Titel die Interpretationsrichtung vorgibst (evtl. Metaphern des Sterbens, oder ähnliches).

Sollte ich völlig falsch liegen, bitte schmunzeln, aber gleichzeitig erkennen, dass deine Absicht offensichtlich nicht klar erkennbar ist.

So long
Gruß vom querkopp

[Beitrag editiert von: querkopp am 27.03.2002 um 23:39]

 

Hallo querkopp,

wie schon gesagt ging es mir hauptsächlich darum, eine bestimmte Stimmung zu erzeugen, und sie möglichst überzeugend darzustellen.

Die Stimmung sollte möglichst depressiv, melancholisch und gleichgültig wirken. Der Tod am Ende war eigentlich nur ein logischer Schluss, denn was kann melancholischer und depressiver sein? Insofern ist dein Ansatz in Ordnung.

Um mich hier nicht als philosophisches und literarisches Genie darzustellen - was ich sicherlich nicht bin - muss ich hinzufügen, dass ich mir beim Schreiben selbst meistens weniger Gedanken mache - oder zumindest nicht bewusst. Die Worte und Sätze sprudeln dann einfach so aus mir raus, und bei einem von zehn Versuchen kommt eine Geschichte raus, die mir selbst auch wirklich etwas gibt.

Insofern würde ich jedem empfehlen, bei diesem Text erstmal nicht zu versuchen, ihn zu interpretieren und zu "verstehen", sondern vielmehr ihn einfach auf sich wirken zu lassen. Wenn du die Stimmung, in die er den Leser versetzt dann als depressiv oder wenigstens ein wenig bedrückend beschreiben kannst, bin ich wunschlos glücklich ;)

Ich habe heute eine weitere Geschichte geschrieben, die ich morgen mal posten werde. Ist nicht gar so düster wie diese hier...

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom