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Vergessen Sie das nicht!
Quentin saß mit seiner Frau auf der Veranda und rauchte. Die Sonne stand hoch über den Feldern, die nur noch Staub und Dreck waren.
„Hast du gehört?“, fragte seine Frau Daniella. „Jerome verkauft.“
Quentin zog an seiner Zigarette, sagte nichts dazu.
„Wir sollten auch verschwinden“, schob sie nach.
„Wenn du gehen willst, geh. Ich bleibe hier!“
Daniella schwieg.
Quentin konnte sehen, dass sie weinte. „Es wird regnen“, sagte er, „der Regen wird kommen.“
Daniella sah ihren Mann an und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Dann stand sie auf und ging ins Haus.
Der Regen blieb aus. Daniella ging. Sie hatte genug von der Farm. Genug von den Versprechungen und von Quentin. Sie ging und kam nicht wieder.
Mitte Juli begann die Feuersaison. Dieses Jahr war es schlimmer, erwischte es auch Quentins Farm. Er wollte um sein Land kämpfen, unterschätzte die Feuersbrunst und wurde letztendlich von den Bränden eingeschlossen.
Als alles vorbei war, glaubten die Leute der nahegelegenen Stadt, Quentin wäre, wie manch anderer, den Flammen zum Opfer gefallen. Dann wurde Quentin gefunden, er lebte. Wie das möglich war, konnte sich niemand erklären. Mit schweren Verbrennungen und einer Rauchvergiftung erwachte er Tage später im Hospital.
Es dauerte Wochen bis er nach Hause durfte. Als Quentin dann erstmals vor den verkohlten Trümmern seiner Farm stand, zerbarst etwas in ihm. War Quentin schon zuvor kein offener Mensch gewesen, verschloß er sich nun vollends.
In der Stadt war er zu eine kleinen Berühmtheit geworden. Seines wundersamen Überlebens und der hässlichen Spuren seiner Verletzungen wegen. Doch aus anfänglichem Mitleid wurde alsbald Schaulust. Aus Bewunderung Belustigung. Bald sahen sie in ihm nur mehr den Freak. Quentin ertrug es, ging nicht fort.
Spartanisch richtete er sich in einem Verschlag auf seinem Land ein und verbrachte die Tage vornehmlich mit Trinken und dem Nähren eines aus Verzweiflung entsprungenen Hasses, der sich alsbald gegen alles und jeden richtete.
In die Stadt kam er zumeist nur um sich mit dem Allernötigsten zu versorgen. Selten fand er den Weg in die alte Stammkneipe.
„Was willst du jetzt machen?“, fragte ihn der Barman geradeheraus. „Dich totsaufen?“
„Lass mich in Ruh.“
„Dann komm wenigsten hier her und zahl dafür“, meinte er ohne ein Lachen.
Zwei Männer kamen durch die Tür. „Schau an, wer da ist“, sagte einer laut. Die Männer stellten sich neben Quentin. Quentin wandte sich auf seinem Hocker ab, nahm sein Glas. Einer der Männer steckte sich eine Zigarette in den Mund und fragte: „Hast mal Feuer?“ Die Männer lachten, der Barmann schüttelte den Kopf.
Quentin brach der Schweiß aus. Seine freie Hand ballte sich zur Faust.
„Oho“, machte der Mann, der Quentin angesprochen hatte und lachte noch lauter. Dann griff er in seine Jackentasche, zog ein Feuerzeug hervor und ließ es dich vor Quentin Gesicht aufflammen.
Quentin schreckte zurück und schrie auf. Er verschüttete sein Bier und stieß den Barhocker um.
„Das reicht!“, brüllte der Barmann und sah die beiden Männer ernst an. Quentin war kreidebleich geworden, zitterte an Leib und Seele. Unbeholfen nestelte er Geld aus seiner Brieftasche und verließ dann eilends die Bar. Die Männer lachten noch immer.
Quentin blieb nun vollends für sich. Sein Zustand verschlechterte sich rapide, was ihm nur Recht war.
Zum Hohn regnete es seit Tagen. Quentin hatte sich in eine Ecke unter Decken gelegt, überall tropfte es durch das unzureichende Bretterdach.
„Sind Sie hier drin?“, fragte eine Stimme von draußen.
Quentin konnte sie nicht zuordnen, wusste zuweilen nicht, ob er wach lag oder schlief. Die Plane, die er über den Eingang genagelt hatte, wurde beiseitegezogen und ein Mann steckte den Kopf herein. „Hallo! Mein Name ist Ron Zastoupil. Man hat mir gesagt, dass ich Sie hier finde.“
Quentin sah zu dem Mann auf.
„Darf ich reinkommen?“
„Was willst du?“
„Darf ich? Es regnet.“
„Ich weiß, dass es regnet. Was willst du?“
„Ich möchte Ihnen meine Hilfe anbieten.“
„Ich brauch keine Hilfe. Verzieh dich!“
„Das scheint mir nicht so.“
Quentin zog sich die Decke über den Kopf und keifte: „Hau ab!“
„Ich kann Ihnen helfen“, sagte der Mann unbeirrt. „Ich kann die Ängste von Ihnen nehmen.“
Quentin blieb unter der Decke und erwiderte nichts.
„Sie müssten nie wieder Angst haben. Sind Sie interessiert?“
Quentin verbarg weiter sein Gesicht und gab einen Laut von sich, den man als Zustimmung deuten konnte.
„Es handelt sich um ein neuartiges Medikament, das wahre Wunder vollbringen kann. Ich möchte nichts beschönigen. Die Behandlung ist nicht ungefährlich. Wir stehen noch ganz am Anfang. Aber wie gesagt, das Zeug wirkt.“
„Ihr wollt mich als Versuchskaninchen?“, kam es von unter der Decke.
„So könnte man es ausdrücken.“
„Was ist mit Geld?“
„Kein Geld. Nur die Chance gesund zu werden.“
Quentin überlegte. Dann zog er die Decke weg und meinte: „Und wenn ich dabei drauf geh?“
Der Mann sah ihn verhalten lächelnd an und fragte: „Macht das einen Unterschied?“
Wochen darauf fuhr Quentin spät Abends einen mit Baumaterial beladenen Kleintransporter in Richtung seiner Farm. Im Autoradio trällerte Countrymusik, Quentin pfiff dazu. Am Straßenrand flog etwas vorüber. Dann tauchten auf dem Asphalt verstreut liegende Kleidungstücke im Scheinwerferlicht auf. Quentin ging vom Gas und drehte das Radio leiser. Trümmer eines Wohnwagens oder Camperaufbaus kamen hinzu und Quentin stoppte am Straßenrand. Er schaltete den Warnblinker ein und stieg aus.
Sie müssen lernen, rational zu denken, hatte Zastoupil ihm eingebleut.
Quentin betrachtete die Trümmer, die Straße verschwand um eine Biegung in der Dunkelheit.
Handeln Sie nicht intuitiv.
Ein Knall ließ Quentin aufschauen. Ohne Zweifel ein Schuss.
Ihr Verstand ersetzt von jetzt an Ihre Angst.
Neugierig lief Quentin weiter. Vor ihm tauchte ein Lichtschein auf, dann schrie jemand.
Vergessen Sie das nicht!