Verfolgt
Ich saß auf meinem Bett und ließ meine Hausschuhe von meinen Füßen rutschen. Verunsichert blickte ich in das düstere Zimmer. Der Vorhang vor einem der Fenster war nicht ganz zugezogen, sodass ein bleicher, gespenstiger Mondstrahl seine Schatten auf die kahle Wand warf. Schnell hievte ich meine Beine in mein Bett, zog mir die Decke bis zu meinem Kinn und drückte verängstigt meinen Kopf in das Kopfkissen. Mein Körper war kühl und angespannt und meine Lippen zitterten leicht. Der düstere Raum flackerte vor meinen Augen und ich konnte das dumpfe Rauschen der Heizung nun ganz deutlich hören in dieser unheimlichen Stille. Es war wider einer dieser Momente in denen ich das Gefühl hatte, nicht allein zu sein. Ich sah diese Gestalt wie so oft ganz deutlich und doch verschwommen auf meiner Bettkante sitzen. Ein nicht zu erkennender, leerer Blick der mich doch so scharf und durchdringend beobachtete. Ich spürte ihren Atem und fühlte seine Berührungen die mich immer wieder aufs neue zusammenzucken ließen. Eine eisige Kälte ging von dieser Gestalt aus, die mich so in ihren Bann zog und mir von Nacht zu Nacht den Schlaf raubte. Ich fühlte mich gefesselt und doch gab mir diese Situation seid so langer Zeit schon eine gewisse Sicherheit. Sie war immer da, immer gleich. Angenehm, obwohl sie unangenehm erscheint. Jedes mal, jede Nacht versuchte ich aufs neue aus dieser Situation zu flüchten, doch bisher war es mir nie gelungen. Heute jedoch war es anders, das unbehagliche Gefühl war stärker, und fühlte mich so hilflos, doch auch gleichzeitig irgendwie stark und mutig. Ich kniff meine Augen ganz Doll zusammen und hielt mir dabei die Ohren zu, bis plötzlich alles vor meinen Augen verschwamm und undeutlich wurde. Alles drehte sich. Als ich meine Augen wieder öffnete, fand ich mich auf dem Boden eines staubigen steinigen Weges wieder. Langsam richtete ich mich auf, rieb mir die Augen und schaute mich vorsichtig um. Ich war umgeben von riesigen, kahlen, grauen Bäumen. Der Himmel war dunkel und es war nebelig. Es roch moderig und die Kälte legte sich wie ein Schleier auf meine Haut. Ich drehte mich im Kreis und erblickte schließlich vor mir ein kleines, helles, weißes Licht. Unentschlossen schaute ich mich um. Es schien keine andere Möglichkeit zu geben, als dem Weg in Richtung dieses Lichtes zu folgen. Wenn es kein Zurück gibt, soll man unverzagt nach vorne gehen. Also setzte ich mich in Bewegung, vorbei an den bestialisch dunklen Bäumen, durch den Neben und durch die klirrende Kälte, in Richtung eines mir völlig unbekannten hellen Flecks. Was würde mich dort erwarten? Unheimlicher als jetzt konnte es doch eigentlich ohnehin nicht werden. Gebremst von der Angst und getrieben durch die Hoffnung schritt ich den Weg entlang. Es war seltsam, denn ich hatte das Gefühl je näher ich dem hellen Licht kam, desto klarer wurde die Sicht, desto wärmer wurde es und desto besser war die vorerst gespenstig erscheinende Umgebung zu ertragen. Schließlich überkam mich ein Hoffnungsschauer und ich begann zu rennen, immer schneller, fixiert auf den hellen Punkt. Ich rannte und rannte bis ich dem hellen Licht schließlich so nah war, dass ich geblendet von dem kräftigen Strahl stehen blieb und meine Augen zusammenkniff. Ich trat noch einige Schritte vor und öffnete schließlich erwartungsvoll und zugleich langsam und vorsichtig meine Augen. Überwältigt ließ ich mich auf die Knie fallen. Vor mir erstreckte sich unendlich weit der Horizont, getränkt in die schönsten und atemberaubendsten Farben. Starr vor Erstaunen blickte ich in die Ferne, bis mir plötzlich die kleine weiße Wolke auffiel die vor meinen Knien, über dem Abgrund des Horizontes in der Luft schwebte. Ohne großartig nachzudenken, stand ich auf und kletterte auf das weiße weiche Gefährt. Obwohl sich die Wolke unter mir so leicht anfühlte, fühlte ich mich trotzdem erstaunlich sicher und geborgen. Ich setzte mich hin und kuschelte mich in das warme weiche Plüsch. Kaum hatte ich es mir bequem gemacht, setzte sich die Wolke in Bewegung. Langsam glitt sie dem Horizont entgegen. Ich blickte mich um und sah, wie sich der dunkle und unangenehm aussehende Wald immer weiter von mir entfernte. Ich ließ meine Angst hinter mir. Schnell drehte ich mich wieder zurück und betrachtete die wunderschöne Umgebung. So fuhren wir also eine Weile dahin, bis wir schließlich plötzlich zum stehen kamen. Durch das gleichmäßige schaukeln der Wolke war ich so müde geworden, dass ich eingeschlafen war und erst jetzt durch den sanften Ruck wieder aufwachte. Ich schaute auf und ein lächeln zuckte über meine Lippen. Vor mir sah ich den schönsten Sonnenuntergang den sich ein Mensch nur vorstellen kann. Unterhalb der Wolke ersteckte sich unendlich weit der dunkelblaue Himmel, durchzogen von vielen warmen Rot-, Orange- und Gelbtönen. Über mir schimmerten die hellen Sterne ganz deutlich auf ihrem schwarzen Hintergrund. Ich fühlte mich wohl und ich fühlte mich frei. Frei von Sorgen, Gedanken und Angst. Meine Augen waren erfüllt von purer Schönheit. Mein Körper fühlte sich warm und leicht an. Ich hörte eine leise, wunderschöne Melodie und es roch nach warmem Sommerregen. Das alles fühlte sich so gut an, so unendlich. Ich genoss den Augenblick mit all meinen Sinnen und ich spürte, dies ist mein Ort und meine Freiheit. Ich schloss meine Augen und atmete tief ein und aus. Ich fühlte mich willkommen denn ich wusste, hierher kann ich flüchten, wann immer ich mich danach fühle. Auf Angst folgt Hoffnung und aud die Hoffnung folgt Erlösung.