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Verdammtes Glück

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20.03.2009
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Verdammtes Glück

Routiniert kniete er neben seinem Segler. Mit geübten Handgriffen begann er das Fluggerät startklar zu machen. Die beiden Tragflügelhälften klickten leise in ihre Verankerung. Er stand auf und ging zurück zu seinem Auto.

Die Motorhaube war schon geöffnet. Er nahm den Akkulader aus der Startbox und verband die Kabel mit den Polen der Autobatterie. Der Lader initialisierte sich. Mit ein paar Tastendrücken stellte der Modellpilot das Programm für die Lithiumbatterien ein. Aus seiner hinteren Hosentasche fingerte er den Antriebsakku und schloss ihn an den Lader. Ein kurzer Blick auf das Display. Die Anzeige signalisierte, dass der Strom in den Akku floss. In 15 Minuten müsste der Vorgang abgeschlossen sein. Genug Zeit, für die restlichen Arbeiten am Flieger. Es waren immer die gleichen Arbeiten, bevor sich das Modell mit seinen 3 Meter langen Schwingen in die Luft erheben konnte. Das Höhenleitwerk in seiner linken Hand, die Fernbedienung umhängend, die Sonnenbrille in der rechten Hand begab sich der Pilot wieder zum Segler. Wunderschön, lag er da, ganz in weiss. Nur ein paar Nummern zur Identifikation klebten in schwarzer Schrift am Rumpf und auf den Tragflächen. Der Empfangsakku war schon in Betrieb. In rythmischen Abständen blinkte es abwechselnd grün und rot im detaillgenauen Cockpit des Modells.
Der Pilot setzte die Brille auf, steckte das Höhenleitwerk ein und überprüfte die Reichweite. Dazu ging er einige Schritte zurück und bewegte die Steuerknüppel der Fernbedienung. Gehorsam verrichteten die Servos am Segler ihren Dienst. Die Landeklappen wippten auf und ab, das Seitenleitwerk bewegte sich nach rechts und links. Der Segler war startklar. Jetzt musste man nur noch auf das Piepsen des Laders warten, welches das Ende des Ladevorgangs des Antriebsakkus signalisierte.

Es war immer die Zeit der Konzentration auf den Flug. Der Mann blickte nach oben. Zuerst auf die Fahne am Masten, die streng im Wind flatterte. Der Wind kam aus Osten - nicht konstant, sich leicht drehend und mit Böen versetzt. Die Sonne brannte an diesen letzten Herbsttagen noch einmal erbarmungslos herunter. Über dem Maisfeld, das am Landeplatz angrenzte, stieg flirrend heiße Luft auf. Wenn der Wind nachlässt, konnte es dort Thermik geben, dachte sich der Mann. Die Traktoren der Bauern brummten in der Ferne und holten die Ernte ein. Es war ein wunderbarer Tag für einen letzten Flug, bevor man in die Winterpause ging. Endlich piepste der Lader sein Signal. Der Mann eilte erwartungsvoll zu seinem Auto. Zufrieden betrachtete er die Anzeige.
3100 Milliampere. Der Akku war bereit, seine volle Leistung abzugeben.

Konzentriert beugte sich der Pilot zu seinem Modell. Man musste aufpassen bei dieser neuen Technik. Diese Elektromotoren waren so stark, dass der von ihnen angetriebene Propeller, mühelos einen Finger durchtrennen konnte. Eine kleine Unachtsamkeit genügte schon und das Blut spritzte. Es gab viele Schauergeschichten darüber - er selbst musste dem Fluggott nur eine Fingerkuppe bis jetzt opfern. Aber das ist schon einige Monate her.
Mit einem schrillen Ton gab der Regler im Modell seine Betriebsbereitschaft an.
Der Pilot hob den Segler auf Kopfhöhe und schob den rechten Steuerknüppel der Fernbedienung nach vorne. Mit einem lauten Kreischen setzte sich der Propeller in Bewegung und erreicht nach wenigen Sekunden einige tausend Umdrehungen pro Minute. Der Segler zog mit einer ungeheuerlichen Kraft nach vorne. Jetzt war der Moment erreicht, das Modell loszulassen. In einem 45 Grad Winkel jagte der Segler in den Himmel. Nach kurzer Zeit war nur noch ein kleiner weißer Fleck zu sehen.

Der Mann stellte den Antrieb aus und lies das Flugzeug großzügig kreisen. Der Segler drehte viele Runden über dem Maisfeld mit einem Radius von einigen hundert Metern. Majestätisch bewachte er den Luftraum. Ein Habicht lies sich animieren, in der falschen Annahme, dass dort Thermik wäre, mitzufliegen. Aber als er seinen Irrtum erkannte, drehte er ab. Der Wind frischte auf und der Segler verlor schnell wieder Höhe. Um diese zu halten, lies der Pilot den Segler wie einen Drachen gegen den Wind gestellt, weit draußen über dem Maisfeld schweben.

Plötzlich setzte der Wind für eine kurzen Moment aus , die Strömung an den Tragflächen riss ab und wie ein Stein stürzte der Flieger, der soeben noch ein Meister der Schwerelosigkeit war, senkrecht herab. Der Vorgang ereignete sich so unglaublich schnell, dass der Pilot nur noch im letzten Moment das Höhenruder ziehen konnte. Aber es war zu spät. Der Segler krachte mit einem knirschenden Geräusch, als ob man Sand zwischen den Zähnen zermalmt, in das Maisfeld. Trotz der großen Entfernung war deutlich zu hören, dass es sich um einen massiven Schaden handeln musste.

Entsetzt nahm der Pilot die Brille ab. Mit der Antenne visierte er den Absturzort an. Er konnte es einfach nicht glauben, daß er so in die Winterpause gehen mußte.

Mit schnellen Schritten eilte er zum Maisfeld. Kurz davor stoppte er noch einmal, um sich die Diagonale einzuprägen, auf der er zu seinem Flieger gelangen würde. Es war ihm klar, daß es nicht einfach werden würde. Der Absturz befand sich einen geschätzten Kilometer vom Landeplatz entfernt. Die einzige Chance war, halbwegs in die Richtung zu laufen und mit der Fernbedienung die Servos zu bedienen, um deren Geräusche zu orten. Es war ja nicht das erste mal, daß ein Modell aus dem Mais geborgen werden mußte.
So gut es ging, bahnte er sich seinen Weg in das Maisfeld. Er sah auf seine Uhr. 15 Minuten braucht man, einen Kilometer zurückzulegen. Hier im Maisfeld konnte es gut zweimal solange dauern. Die sägezahnartigen Blätter schnitten kleine Risse in seine Arme und Beine. Von überall schwirrten Insekten auf ihn zu und versuchten sein Blut zu ergattern. Er beschleunigte seine Schritte, soweit es die starren Halmen mit den reifen Maiskolben zuließen. Die Hitze war unerträglich und leichte Panik stieg in ihm auf. Hatte er sich vielleicht doch zu viel vorgenommen. Zumindest eine Flasche Wasser hätte er sich noch mitnehmen sollen. Aber jetzt war es zu spät. Weiterhin hielt er im Maisfeld die gedachte Diagonale ein und schritt dem Unglücksort entgegen.

Die Augen waren eng zusammengekniffen. Der Staub auf den Blättern drang tief in seine Lungen. Er wusste nicht, ob der Schwindel von der Hitze oder vielleicht von den gespritzten Pflanzenschutzmitteln herrührte. Seine Bronchien verkrampften sich und lösten einen Hustenanfall aus. Ohne sich beirren zu lassen, bahnte er sich weiterhin seinen Weg durch das Feld. Die dicken Halme gaben kurzzeitig seinem Körper nach, um gleich darauf sich hinter ihm wieder wie ein Vorhang zu verschließen. Gab es nicht einmal diese Geschichte, von einem Mann, der nicht mehr aus dem Maisfeld fand und elend verdurstete. Hier konnte es ihm sicher nicht passieren. War doch der Mais in Reih und Glied gesät. Wenn er sein Modell gefunden hätte, müsste er nur schnurrstracks geradeaus einer Saatreihe folgen und würde unweigerlich an irgendeinem Ende des Maisfeldes landen. Aber waren nicht alle Maisfelder so angesät. Was wäre, wenn ihn der Irrsinn vorher einholte? Alles reine Körperbeherrschung, versuchte er sich zu beruhigen. Die Schritte wurden langsamer. Er stoppte kurz, bewegte die Knüppel der Fernbedienung und lauschte.

Nichts. Es war nichts zu hören. Und das, obwohl er nun schon 20 Minuten durch den Mais lief. In der Ferne brummten immer noch die Traktoren der Bauern.

Er raffte sich wieder auf und schleppte sich, stur wie ein Panzer, weiter durch das Feld. Nach weiteren 100 Metern. Stoppte er noch einmal. Eigentlich hatte er die Hoffnung aufgegeben. Es ist doch nur ein verdammter Flieger. Welchen Preis war er eingegangen, um diese paar Stücke Schrott zu bergen. Verzweifelt bewegte er noch einmal sämtliche Schalter an seiner Fernbedienung. Da hörte er ein leichtes Surren - kaum 20 Meter von ihm entfernt. Er hatte es geschafft. Mit letzter Kraft schleppte er sich dorthin. Und tatsächlich - völlig unbeschadet - hing der Segler in den Halmen. Er hatte eine kleine Schneise in das Feld geschlagen. 4 Halme waren von den Tragflächen durchtrennt. Dadurch war die Energie absorbiert worden. Nur leichte Dellen an der Flügelnase deuteten auf den Absturz hin. Überglücklich und die Strapazen vergessend, demontierte der Mann seinen Segler. Schnell hatte er die Tragflächen abgezogen. Der Modellpilot orientierte sich kurz und beschloss, nach rechts durch eine breitere Gasse zum Ende des Feldes zu gehen.

Er war kaum 5 Minuten unterwegs - der Weg durch die Gasse war bei weitem nicht so anstrengend, wie quer durch das Maisfeld - da vernahm er hinter sich ein Brummen, das schnell lauter wurde. Insekten flogen links und rechts an ihm vorbei, sogar ein kleiner Hase lief vor seinen Füssen her. Der Mann - immer noch den geretteten Flieger unter dem Arm - blickte zurück und erstarrte. Ein gigantischer Mähdrescher kam auf ihn zu. Staub wirbelte auf und bevor auch nur ein Gedanke der Flucht keimen konnte, packte ihn die Maschine mit ihren spitzen, dünnen Metallstäben und kehrte den Piloten mit seinem Modell und dem Mais in ihren großen Schlund. An beiden Seiten der Öffnung waren Zangen, wie bei einem Skorpion, die mit einem hässlichen, schneidenden Geräusch die Halme abzwickten. Die Metallstäbe hielten den Piloten fest, während eine Zange sein Bein unterhalb des Knies erwischte und durchtrennte. Nach einer halben Umdrehung der Walze mit den Metallstäben wurde der Pilot in eine Gebläsekammer gedrückt. Die Augen starr vor Schreck - immer noch bei Bewusstsein - konnte er mit ansehen, wie in einem tosenden Luftstrahl der Mais von den Kolben getrennt und durch ein Sieb abgesaugt wurde. So simple hatte er sich das Innenleben eines Mähdreschers gar nicht vorgestellt. Es war sogar so viel Platz, dass man es sich unter anderen Umständen recht gemütlich hätte machen können. Das abgetrennte Bein des Mannes wirbelte um ihn herum. Immer noch hatte er Teile des Seglers in der Hand, als er über ein Laufband mit den Stielen und Blättern des Maises in den Kompressionsbereich der Maschine geschoben wurde. Drei Stampfer pressten ihn und die eingesaugten Abfälle des Maises zusammen. Es war immer noch keine Zeit, Schmerz zu empfinden. Es war einfach zu unglaublich, was gerade mit ihm passierte. Nach einigen Schlägen mit der Presse, senkte sich ein Arm herab, aus dem eine breite Folie ragte. Schnell und sehr geschickt, fast wie eine Spinne mit ihrer Beute, wickelte der Mechanismus die seltsame Mischung aus Mais, Flieger und seinem Piloten zu einem großen Ballen und spuckte ihn hinter sich aus. Ein paar mal drehte sich der Ballen hüpfend auf dem Feld - dann kam er zur Ruhe. Wie durch einen dicken Vorhang konnte der Mann seine Umgebung beobachten. Der Mähdrescher entfernte sich immer weiter und wurde immer leiser, bis nichts mehr zu hören war.

Was für ein verdammtes Glück, dachte sich der Mann, in der unendlichen Stille, inmitten eines Ballens sitzend, gefüllt mit Maisabfällen, den Flieger immer noch in seinem Arm gepresst und er stieß einen langen lautlosen Schrei aus.

 

Hallo Flugschreiber,

vielen Dank, für Deine ausführliche Kritik. Hat ja fast schon der Umfang der Geschichte. Sehe auch an Deinem Absatz mit der Sitzgruppe, dass ich noch einiges dazulernen muss.

lg

 

Salve gdeki.

Also vielleicht hört sich die Kritik jetzt an wie von Flugschreiber, aber ich möchte dennoch meine Gedanken zum Ausdruck bringen.
Generell ist die Geschichte für mich okay, wenn auch nichts überragendes oder sehr gutes....sorry dafür.

Zunächst mal wüsste ich auch gerne in Geschichten den Namen einer Person und zumindest eine ungefähre Beschreibung (ein einigermaßen gepflegter, 70-Kilo Unternehmer handelt und läuft in gerade solchen Fällen doch anders als ein 110 Kilo-Kampfsport-Koloss), damit man sich auch etwas mehr vorstellen kann.
Zum Wandern im Maisfeld und spielen mit dem Segler ist in meinen Augen an sich wenig zu sagen, aber dann wenn ich zum Beispiel von einem durchgeknallten XYZ-Säbelmaschine verfolgt, eingesaugt und zerstümmelt werde ist wirklich das letzte, was ich brauche zusätzlichen Ballast beim Rennen oder der Gedanke daran wie mein geliebtes Spielzeug mit mir den Horrortrip überlebt.
Und wenn mir ein Bein ausgerissen wird, glaube ich nicht dass auch eine Überdosis an Adrenalin in einer solchen Paniksituation mir sämtliche Schmerzen nehmen kann oder aufgrund des Blutverlustes ich auch weiterhin agiere wie Sam Fisher in Splinter Cell.
Mir persönlich würde da ein beinharter und splatter-klischee-lastiger Abgang doch mehr gefallen als verpackt zu werden, auch am Ende kein Wort über Schmerzen und verlorenes Blut (das doch eigentlich wie eine Fontaine schießen müsste...ich meine...abgerissenes Bein?) zu verlieren, aber hauptsache der Flieger ist gerettet und jetzt kann er einmal schreien, nachdem deiner Hauptperson vorher alle Szenarien so ziemlich an seinem Allerwertestem vorbeigegangen sind.

So, ich hoffe mal du bist jetzt nicht allzu sauer auf mich wegen der Worte; ich bin ja auch ein ziemlicher Splatterfan und würde mich freuen, aus deinem vorhandenem Potential und dieser durchaus mehr als brauchbaren Grundidee mal mehr zu lesen.

Grüße und ein frohes neues Jahr,

Medi

 

Hallo gdeki,

ich fand sowohl die sonderbare Teilnahmslosigkeit des Zerhackstückten und Verpackten, sowie deinen Verzicht auf spritzendes Blut gut.

Der Einstieg gelingt, der Leser nimmt dir dein technisches Wissen über Segelfliegerei ab. Allerdings fand ich es auch zu langatmig.

Ebenso erging es mir bei der Flasche Wasser.

Dann waren einige Kommata nicht oder nicht richtig gesetzt und die Zeiten müsstest du auch noch mal überarbeiten.

Die Vorstellung so verpackt auf nem Maisfeld zu liegen, finde ich toll. Also, die Idee, meine ich.

Lieber Gruß,
Vincent

 

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