Verantwortung
War es richtig was er da tat? Er dachte kurz nach und kam zu dem Schluss das es das war. Er wusste was für eine Strafe er bekommen würde, würde man ihn erwischen. Doch das war ihm egal, ob es nun quasi durch seine Hand passierte oder durch die eines Fremden, passieren würde es. Natürlich, es gab eine kleine Chance, dass er nicht erwischt würde und so würde nicht passieren, was passieren würde, wenn er es nicht tat, dennoch stellte er sich immer wieder die Frage, wie es so weit kommen konnte. Wie konnte er seine Augen nur solange vor der Wahrheit verschließen? Diese Frage stellte er sich immer wieder, als er den langen Korridor entlang schritt. Jeder Schritt auf dem Menschenleeren Korridor lies ihn innerlich zusammen zucken. Sah so die Zukunft aus, wenn er mit dem was er vorhatte keinen Erfolg haben würde? Eine Welt in der man nur die eigenen Schritte hören würde, wissen würde, dass es sonst niemanden mehr gab? Er beschleunigte seine Schritte, das Hallen das seine Schuhe hinterließen klang nun wie ein Hohn in seinen Ohren. Er, der er nur versucht hatte, dass zu tun, was ein Mann mit seinen Fähigkeiten in einer Zeit wie dieser tun konnte, nämlich seinen Geist in den Dienst des Staates stellen. Als das Projekt begann wurde er als der Brillanteste Forscher der Welt geführt, trotzdem sah er es als eine Ehre an, seine Brillanz in den Dienst seines Landes zu stellen.
Er erinnerte sich noch gut an den ersten Tag in diesem Labor. Die Schritte die er damals tat waren anders als jetzt, damals blieben alle Leute stehen und schauten ihn mit Respekt und Neid an und damals genoss er noch dieses Gefühl. Der Hall den er damals mit seinen Schritten auf eben jenen Boden hervorrief, hatte eine andere Qualität, er drückte so etwas wie Eleganz, Selbstsicherheit und Macht aus.
Heute Nacht jedoch drückten er Plumpheit, Angst und Hilflosigkeit aus.
Damals ging er langsam durch diesen Gang, genoss die Blicke der anderen, die ihn neidisch und mit Bewunderung ansahen, heute jedoch ging er schnell, beschleunigte seinen Schritt immer mehr. Er fragte sich immer wieder, wieso er dies tat, niemand bis auf ein paar Sicherheitsangestellte, waren außer ihm im Gebäude und diese würden keine Probleme machen, immerhin war er der Leiter des Labors und außerdem war es ja schon bekannt, dass er manchmal bis mitten in die Nacht arbeitete, wieso machte er sich nun also solche Sorgen?
Vielleicht würde es den Wachleuten merkwürdig vorkommen, dass er jetzt, wo das Projekt doch fast beendet war, noch so spät hier sein würde, allerdings wusste er um seinen Ruf als Einzelgänger und Pedant. Weswegen er bei seinen Kollegen nicht immer gern gesehen war. Also wieso sollten sie Verdacht schöpfen, sie würden sich denken, dass er das Projekt vielleicht allein beenden wollen würde, um sich den Ruhm selber zu sichern, gut in einem Punkt hätten sie Recht, er würde das Projekt beenden aber ein für alle mal. Wieso also rannte er so, war es Sorge, jemand hätte evtl. den gleichen Gedanken wie er gehabt? Nein es war pure Angst, er wusste jemand würde früher oder später auf den gleichen Gedanken kommen, wie er als er diese Nacht aufwachte. Als er diese Nacht die Lösung des Problems gefunden hatte, wäre beinahe in Euphorie verfallen ob seiner Intelligenz, dann kam ihm aber auf einmal auf dem Hinweg ins Labor ein Zweifel in ihm auf, er rechnete sich gerade aus, wie er die Formel noch weiter perfektionieren konnte, war sie doch so einfach gewesen, dass man sie noch 100 mal stärker hätte machen können, wenn nicht sogar noch mehr. Doch dann dachte er an seine Familie, natürlich sie wäre sicher, dass wurde ihm per Vertrag zugesichert, aber was war mit den Millionen anderen Familien? Sie würden zwangsläufig unter seiner Brillanz leiden.
Er verdrängte diesen Gedanken, versuchte sich zu sagen, dass er die anderen ja nicht kenne und sie ihn deswegen nichts angehen würden.
Er fuhr auf das Gelände, passierte die Schranke, öffnete die schwere Safetür zum Labor mit seiner Schlüsselkarte, drückte auf einen Knopf und die Tür schloss sich.
Er war wieder voller Euphorie, er hatte die Lösung gefunden worüber seine Kollegen sich seit Wochen den Kopf zerbrochen hatten. Er schritt voller Freude durch den Korridor, bis seine Gedanken von der Autofahrt ihn wieder einholten.
Inzwischen war er an dem letzten Sicherheitspunkt angekommen, der Wachmann begrüßte ihn, durchsuchte ihn, Routine halt, holte dann seinen Schlüssel, steckte ihn in ein dafür vorgesehenes Schloss in seinem Pult. Die Fahrstuhltüren öffneten sich, er betrat den Fahrstuhl. Er drückte auf den Knopf mit der Aufschrift „Sicherheitslabor 1“ Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung. Sein Entschluss stand fest, er würde es tun, er grinste, es würde aussehen wie ein Unfall, seine Kollegen waren nicht so brillant wie er, wenn er alle Daten vernichten würde, würde niemand das Experiment mehr wiederholen können. Das grinsen verschwand, er dachte nach, der Wachmann war heute extrem freundlich gewesen, gut das war er immer, er bewunderte ihn, sogar ohne neidisch zu sein und fand immer ein freundliches Wort wenn sie sich trafen. Was also war anders? War es die Tatsache, dass er sich diesmal nach seiner Familie erkundigt hatte? Das hatte er vorher nie getan! Andererseits kannten sie sich jetzt schon über zwei Jahre, irgendwann musste er es ja tun, nur warum ausgerechnet heute? Hatte die Firma etwas mitbekommen, was er vorhatte? Unmöglich, wie sollten sie? Schließlich hatte er den Entschluss ja erst heute gefasst.
Und trotzdem war ihm mulmig. Die Türen öffneten sich.
Er stellte erleichtert fest, dass niemand da war, spätestens hier hätten sie ihn noch abfangen können. Er betrat das Labor, er war der letzte der es verlassen hatte und nichts war bewegt worden, „gut“ dachte er sich.
Er ging an seinen PC schaltete ihn ein. Der PC fuhr hoch, trotzdem es nur ca. 30 Sekunden dauerte, kam es ihm vor wie drei Stunden. Endlich erschien der LogIn-Bildschirm, er tippte seinen Namen und sein Passwort ein, seine Hände zitterten, er wusste es gab kein zurück mehr. „Falscher Benutzername oder Passwort…“ Er fluchte innerlich, hatten sie ihn doch entdeckt? „Bleib ruhig Junge“ sagte er zu sich selbst, „Du hast Dich sicher nur vertippt, kommt vom zittern“, er versuchte es noch mal und diesmal klappte es. Da er der Leiter des Projektes war, hatte er Zugang zu allen Informationen, er tippte einen Befehl ein und schon wurden alle Daten des Projektes auf seinen PC verschoben. Er setzte seinen Datenvernichter ein und in Sekunden waren alle Daten gelöscht. Er atmete auf, ohne diese Daten würde das Projekt um Jahre zurückgeworfen werden, wenn man es nicht sogar ganz aufgeben würde, es hatte bis zum heutigen Zeitpunkt immerhin über 11 Millionen $ verschlungen und es hatte viele Rückschläge gegeben. Da er die Treibende Kraft war, hatte er nie seine Ergebnisse den anderen Kollegen mitgeteilt.
„Jetzt bleibt nur noch eines zu tun“, sagte er und ging an den Stahlschrank mit den Proben. Er öffnete ihn und sah dort alle Phasen des Experimentes liegen.
Er nahm alle heraus und steckte sie alle nach einander in die Brutkammer, bei 200°C würden alle Viren absterben dachte er sich. Er fuhr fort, zwei Stunden saß er nun schon hier, eine Ampulle nach der anderen wurde in den Brutofen geschoben. Endlich, die vorletzte Ampulle. Er stellte sie in den Ofen und stellte ihn auf 10 Minuten ein.
„Sicherheitsalarm in Labor 1“ Wie war das möglich? Jetzt erinnerte er sich, er hatte vor lauter Nervosität vergessen, dass man nur eine begrenzte Zeit im Labor bleiben durfte bevor aus Sicherheitsgrünen ein Alarm ausgelöst wurde, um die Gefahr einer Kontamination zu minimieren, jeden Moment würde der Wächter von oben auftauchen, zu spät. Die Türen öffneten sich bereits.
Als der Wächter sah was er da tat rief er seinen Vorgesetzten per Funkgerät „Sir, Doktor Culpa vernichtet gerade die Proben des Virus“, eine Stimme kam zurück, „Er hat ebenfalls alle Daten vernichten, stoppen sie sein Vorhaben, aber lassen sie ihn am Leben, ohne sein Wissen ist das ganze Projekt Feuersturm nicht mehr realisierbar“, was mache ich nun? Er dachte nach, er hatte noch eine Probe übrig und ausgerechnet die mit dem Typ der kurz vor der Vollendung stand. Der Brutofen brauchte laut Anzeige sicher noch zwei Minuten bevor die Probe vernichtet war. Außerdem bin ich der einzige der das Virus rekonstruieren kann. Er war kein Mensch der Schmerzen ertrug und wusste, wenn sie ihn fangen würden, würden sie die Informationen bekommen, egal wie. Raus kam er hier also nur Tod oder Lebend, doch sein Leben würde die Vollendung des Projektes, der ultimativen Biowaffe bedeuten und damit den Tod von Millionen von unschuldigen. Als er sah, wie der Wächter kurz davor war den Code der schweren Panzertür zu überbrücken, sah er auf die letzte Ampulle in seiner Hand, atmete noch einmal tief durch und warf sie auf den Boden, sie zerbrach und setzte den Virus frei. „Gut, dass ich ihn so konstruiert habe, dass er keine Spuren mehr nach der Freisetzung zurücklässt“, dass letzte was ihm noch durch den Kopf ging war, “Sohn, vergiss nie, der Wissenschaftler hat eine Verantwortung vor der ganzen Menschheit. Ich habe sie damals nicht wahrgenommen, sorge dafür, dass Dir nicht das Selbe passiert“ es waren die Worte die sein Vater ihm auf den Sterbebett sagte, er hieß J. Robert Oppenheimer und war maßgeblich am Bau der Atombombe beteiligt gewesen. Dann wurde es dunkel.
„Was ist mit den Daten?“, „Total Verlust“, „Die Proben?“, „Alle zerstört, wir sind wieder bei null“, der Wachmann ging weg. Der Mann in Schwarz zog sein Handy aus dem Anzug und rief jemanden an. „Ja Sir, Ihre Vermutung war richtig, er musste irgendwann umkippen, war abzusehen“
„Sie denken alles wäre vernichtet.“, „Nein Sir, niemand weiß das wir die Daten heimlich kopiert haben und das Virus herstellen können und dank der Daten auf seinem Computer haben wir nun die endgültige Formel“, „Die Forscher, nun sagen wir es mal so, es wird wohl einen kleinen Zwischenfall im gesamten Gebäudekomplex geben“, „Ja, um seine Familie habe ich mich bereits gekümmert, seine Formel funktioniert wirklich gut, wir rechnen mit einer Weltweiten Ausbreitung in ungefähr einer Woche“, „Nein, niemand weis, dass sie der Geldgeber dieses Projektes waren, bzw. wohl eher der Steuerzahler“, „Ja natürlich haben wir das Virus unter Kontrolle wenn es sein muss, danke Mr. President“ er legte auf.