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Vaylons Fluch

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11.02.2002
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Vaylons Fluch

Die Alarmsirene ertönte und erzeugte an den hohen Felswänden ein beängstigendes Echo. Kurz darauf war das ganze Forschungslager in Aufruhr. Aus den Tunnelausgänge kam eine Gruppe Menschen gelaufen; sie hatten eine Trage dabei, auf der ein Mann lag.
Tendra, Autark und Wissenschaftler des Empiriums, verließ sein Zelt, warf sich einen Umhang über und schritt den Leuten entgegen. „Wie furchtbar, nicht schon wieder!“, dachte er, „Das darf nicht sein!“ Tendra blickte in ratlose, verzweifelte Gesichter. „Was ist passiert“, fragte er, aber dann erkannte er die blasse, reglose Gestalt, die dort auf der Trage lag: Es war Bernardi, der empiriale Planetologe und Leiter des Projekts. Der eilig herbeigerufene Arzt beendete seine Untersuchung und blickte Tendra an: „Tut mir leid. Ich kann nichts mehr für ihn tun. Er ist tot.“

„Ich bedauere zutiefst, was da geschehen ist, Regentin. Doch ich kann Ihnen versichern, dass wir, dass der Orden und ich, nicht das geringste damit zu tun haben. Es war ein Unfall. Bernardi und die drei anderen Wissenschaftler waren unvorsichtig. Leichtsinnig möchte ich fast sagen...“
„Es geht hier um viel mehr als die Klärung einer Todesursache“. Laraissa, die gewählte Regentin des Vaylonischen Planetaren Volksverbandes, saß auf der Kanzel ihres Konsultationssaales. Ihr gegenüber stand Darius, der oberste Priester des Cthonischen Ordens, der ersten und einzigen religiösen Gemeinschaft Vaylons.
Vor diesem Gespräch hatte Laraissa voller Zorn beschlossen, dem Treiben dieses Mannes und seiner Anhänger endgültig Einhalt zu gebieten. Jetzt aber musste sie feststellen, dass Darius, in seiner selbstsicheren, charismatischen Art sie unangenehm nervös machte.
„Wissen Sie überhaupt, was Bernardis Tod bedeutet? Das Empirium wird glauben, Sie und Ihre Leute hätten ihn umgebracht!“
„Aber das ist doch lächerlich...“ erwiderte Darius, aber Laraissa unterbrach ihn sofort. Ihre Stimme wurde lauter.
„Lächerlich ist es nicht! Ich habe einiges über Ihren Orden in Erfahrung gebracht. Es gibt viele unter Ihnen, die einen Beitritt ablehnen und sogar gegen das Empirium kämpfen würden. Bernardi wusste das auch. Kein empirialer Autark kannte Vaylon besser! Wer weiß, was Bernardi noch alles herausgefunden hat, über die geheimen Zeremonien Ihrer Leute, tief unten in den versteckten Höhlensystemen. Doch davon will ich jetzt gar nicht reden... Ihr Orden propagiert die vaylonische Eigenständigkeit, das ist allgemein bekannt. Die Cthonisten sind Nationalisten. Doch das ist es, was wir momentan überhaupt nicht gebrauchen können! Ihr Glaube, Ihre Zeremonien und ihre Mystik – das mag ja alles schön und gut sein. Doch im Moment steht es uns im Wege. Wir befinden uns an einem Wendepunkt in unserer Geschichte. Vaylon wird Mitglied des Empiriums! Denken Sie nur an die ungeahnten Möglichkeiten, die uns geboten werden! Frieden und Wohlstand für alle! Und die kulturellen und wissenschaftlichen Errungenschaften, an denen wir teilhaben können...“
Weil sich Darius nicht beeindrucken ließ, wurde Laraissa noch ungehaltener. Seit langem war ihr klar, dass dieser Mann nicht einfach bloß ein Priester war, sondern eine wichtige politische Figur, die einen großen Teil des Volkes hinter sich hatte. Und jetzt, da Darius nicht mehr auf der gleichen Seite stand wie sie, war er ihr größter Konkurrent um die Macht auf Vaylon.
„Ihr Orden gefährdet das alles!“, sagte Laraissa verärgert, „Das Empirium ist misstrauisch geworden! Man befürchtet, mit Vaylon eine neue Autarkie zu gründen, die wacklig und uneinig ist und nicht voll hinter den Idealen des Empiriums steht. Die Cthonisten sähen Zwietracht! Ich werde das nicht länger zulassen!“
Jetzt ergriff Darius das Wort. Er war immer noch sehr ruhig. „Ich erkenne die Vorteile, die uns der Beitritt bringen würde, durchaus an. Aber, Regentin, das ist momentan überhaupt nicht das, was unser Volk wirklich beschäftigt. Unser Orden hat hier etwas Neues, Einzigartiges geschaffen. Eine eigene Religion, eine Religion, die es nur auf Vaylon gibt. Diese Religion ist für viele Leute Teil ihrer Identität als Vayloni geworden!
Vor über siebenhundert Jahren wurde unser Volk praktisch aus dem Nichts erschaffen, von einer seelenlosen Sonde, die die Menschheit auf der unendlich weit entfernten Erde losschickte, um auf fernen Planeten Fuß zu fassen. Vaylon war nur einer unter Hunderten von Planeten, auf denen die automatische Kolonisation stattfand. Unser ganzes Volk war anfangs nichts weiter als in Reagenzgläser gefüllte Nukleinsäure. Wir wurden gebaut, zusammengesetzt und standen schließlich da – gestrandet, ohne Erinnerungen, ohne Geschichte, ohne Wurzeln.
Das alles kann uns das Cthonium jetzt geben! Es schafft eine Verbundenheit mit diesem Planeten und gibt den Leuten das Gefühl, einzigartig zu sein, anders zu sein, als die Menschen auf den anderen Planeten. Vaylon ist unsere Heimat, nicht die ferne Erde. Und das Cthonium ist die Seele Vaylons – und nur mit ihm wollen wir uns verbunden fühlen! Das Empirium, diese anonyme , bürokratische Monstrum, darf uns nicht schlucken! Wir wollen unsere junge, zerbrechliche Identität nicht wieder verlieren!“

Hadorn, der empiriale Biochemiker, stand im Eingang seines Zeltes und beobachtete kopfschüttelnd, was draußen vor sich ging: In der weiten Felsschlucht, in der das Forschungscamp lag, hatten sich mehrere hundert Menschen versammelt. Schwer bepackt und in rotbraune Roben gekleidet, verschwanden sie langsam, einer nach dem anderen, in den Tunneleingängen.
Er wandte sich ab und wollte wieder an die Arbeit gehen.
„So viele Vayloni, die nach Antworten suchen. Es werden immer mehr“. Hadorn erschrak, denn plötzlich stand jemand hinter ihm. Ein großer, ebenfalls in rotbraun gekleideter Mann hatte unbemerkt sein Zelt betreten. „Darius hat die Menschen aufgerufen, in die Katakomben des Gebirges zu pilgern und sich dort den Cthonisten anzuschließen“, sprach der Mann, doch Hadorn unterbrach ihn: „Was wollen Sie hier? Verschwinden Sie! Ich habe nichts übrig für Ihr mystisches Getue!“
„Verzeihen Sie, ich bin Cohut, Mitglied des cthonischen Ordens. Und ich muss dringend mit Ihnen sprechen.“
„Na gut – aber bitte fassen Sie sich kurz“, willigte Hadorn ein.
„Das, was unseren Glauben wirklich ausmacht, ist die religiöse Offenbarung, die Verwandlung, die wir tief unten in den Höhlen erfahren. Ich selbst habe sie erlebt, sehr intensiv sogar.“
„Inhalation giftiger Dämpfe, das ist alles. Sie hatten einen Rausch, ausgelöst durch psychoaktiv wirkende Gase.“
„Bitte, Sie müssen versuchen, mich zu verstehen! Die Offenbarung, die uns zu Teil wurde, ist viel mehr, als Ihre Wissenschaft je erklären kann. Selbst wir Priester stehen noch ganz am Anfang, können die Wahrheit nur erahnen... Die Geheimnisse, die uns das Cthonium verrät, sind dunkel, unergründlich und tief – und doch sind sie voller Friede, Harmonie und Liebe. Das Cthonium möchte die Freundschaft aller Lebewesen und Völker des ganzen Universums! Es möchte Verständigung und Toleranz...“
„Das alles werden Sie bekommen, wenn Sie Mitglied des Empiriums sind. Gehen Sie jetzt bitte, ich habe zu tun.“
„Darius steht dem allem in Weg“, hob Cohut erneut an. „Er hat nicht verstanden, worauf es ankommt. Er will eine Revolution, will die Macht über Vaylon – und das alles im Namen des Cthoniums. Er verhindert die Verkündigung der wahren Botschaft. Bitte, Sie müssen mir helfen! Das Empirium muss verstehen, bevor es zu einer Katastrophe kommt! Bernardi und seine Vorgänger waren auf dem richtigen Weg, sie haben uns verstanden.“
„Was soll das heißen?“, fragte Hadorn.
„Bernardi hat unsere Wahrheit erkannt. Er ist uns gefolgt, in die Tiefen des Gebirges.“ Hadorn blickte sich hastig um, suchte kurz, und hielt dann eine Pistole in den Händen, die er auf Cohut richtete. „Sie sind für Bernardis Tod verantwortlich? Sie haben ihn in die Höhlen gelockt?“
„Er ging freiwillig! Verstehen Sie doch! Sein Tod war ein Unfall... Aber Sie müssen seine Arbeit fortsetzen! Bitte!“
„Verschwinden Sie!“, schrie Hadorn.
Cohut verließ zögernd das Zelt und rief: „Das Cthonium liebt uns alle! Es will Kontakt aufnehmen, auch zu ihnen!“

Hadorn und seine Kollegen Tendra und Vorgas waren an Bord der MSV Rapator, dem großen empirialen Kriegsschiff in der Umlaufbahn von Vaylon, und berichteten dem General ihre Forschungsergebnisse.
„Vereinfacht gesagt: die Cthonisten beten eine Naturgottheit an“, sagte Hadorn, „Sie nennen sie das ,Cthonium’ oder den ,Atem der Erde’. Sie glauben, diese Gottheit sei die lebensspendende Kraft dieses Planeten, ein großes, unterirdisches Bewusstsein, mit dem sie in Kontakt treten wollen.“
„Was hat es genau damit auf sich, Doktor?“, unterbrach der General. „Bernardi sprach von einem eigenartigen Nebel oder so...“
„Ja, der Nebel“, antwortete Tendra, „Wir haben ihn mehrmals beobachtet. Er findet sich in den tieferen Regionen des Höhlensystems, die das Rhamnium-Gebirge durchziehen. Der Nebel besteht vorwiegend aus Wasserdampf, Methan und Sauerstoff sowie verschiedenen organischen Partikeln.“
Der General hob die Hand: „Verschonen sie mich mit Details. Was mich interessiert: geht von dem Nebel eine Gefahr aus? Ist er... bösartig?“
„Bösartig? Nein, General!“, entgegnete Hadorn. „Dieser Nebel ist nicht lebendig, und erst recht nicht intelligent.“
„Die Luftströmungen, die durch das verzweigte Tunnelsystem wehen, mögen das vielleicht suggerieren“, sagte Vorgas, der Speläologe. „Plötzlich tauchen die Nebelschwaden auf und verschwinden wieder, wenn sich der Luftstrom dreht.“
„Und diese Mikroben, die den Tod Bernardis und der anderen verursacht haben...?“, fragte der General.
„Sie sind Bestandteile des Nebels, beziehungsweise: Sie gedeihen in der Umgebung des Nebels besonders gut.“
„Das alles ist so ähnlich wie die Sache mit dem sogenannte Fluch des Pharao, damals auf der Erde. Fremde Eindringlinge entweihen ein Heiligtum und infizieren sich dabei mit unbekannten Krankheitserregern, was die Einheimischen als göttliche Strafe interpretierten –„
„Ich fasse also zusammen“, fiel ihm der General ins Wort, „Der Nebel ist nicht bösartig, enthält aber hochgiftige Krankheitserreger. Die Cthonisten beten den Nebel an und wollen das Empirium verjagen. Ich sehe eine tödliche biologische Waffe in den Händen unserer Gegner. Wenn die Cthonisten nach dem Beitritt Vaylons einen Partisanenkrieg beginnen, haben wir ein großes Problem. Wir müssen so früh wie möglich handeln. Am besten, wir sprengen die ganze Gebirgskette.“
Die drei Wissenschaftler blickten den General entsetzt an. „Vielen Dank für ihre Hilfe“, sagte dieser und verließ das Labor.

In der riesigen Haupthalle des Zentralen Museums von Vaylon hatte sich eine große Menschenmenge versammelt. Die Leute, darunter viele in der rotbraunen Kleidung der Cthonisten, standen dichtgedrängt um das wichtigste Ausstellungsstück des Museums: Ein sechskantiges, verwittertes Gebilde aus Stein, Glas und Metall, dass ungefähr die Größe eines kleinen, eingeschössigen Hauses hatte. Im Innern dieser Kammer befand sich eine, nicht mehr vollständig erhaltene, komplizierte Konstruktion von Brutkammern und Lebenserhaltungssystemen, die über ein längst nicht mehr funktionierendes Computersystem miteinander verbunden waren. Dies war der ‚Schrein des Ursprungs’; vor mehr als siebenhundert Jahren hatte sich zum ersten Mal die Luke der Kammer geöffnet und eine kleine Gruppe Menschen war ausgestiegen. Diese Leute waren die ersten Vayloni, von ihnen stammten alle anderen Bewohner des Planeten ab.
Darius schritt durch eine Schneise in der Menschenmenge, stieg über die Absperrung und stand schließlich direkt vor dem Schrein, als er zu sprechen begann: „Liebe Freunde! Wir haben uns heute hier versammelt, um ein Missverständnis zu klären. Das wohl größte Missverständnis in unserer Geschichte! Kurzum: Neuere, von mir beauftragte Forschungen am ‚Schrein des Ursprungs’“ - er deutete hinter sich - „haben aufsehenerregende Ergebnisse gebracht. Wie es aussieht, müssen wir unsere bisherigen Vorstellungen revidieren.“
Die Menge murmelte aufgeregt. Tendra, der seine Forschungsarbeit im Museum unterbrochen und sich neugierig Darius` Publikum angeschlossen hatte, hörte nun sehr aufmerksam zu. Ein Mann in rotbrauner Robe, anscheinend ein Wissenschaftler, trug seine Ergebnisse vor: Mittels neuartiger Verfahren hätte er die Außenhülle untersucht und sich intensiv mit dem Mechanismus im Innern der Kammern beschäftigt.
„Abschließend muss ich feststellen“, beendete er seinen Bericht, „dass kein einziges meiner Ergebnisse notwendig darauf hindeutet, dass die Kammer aus dem Weltraum gekommen ist, geschweige denn, dass sie von Menschen erbaut wurde.“
„Da sehen sie es!“, rief Darius laut. „Wir wurden betrogen! Das Empirium hat uns Jahrhunderte lang manipuliert... Schließlich waren es Menschen von der Erde, die uns, als sie uns vor dreihundert Jahren das erste Mal besuchten, ermunterten und unterstützten, die Kammer wissenschaftlich zu untersuchen. Ich sage euch: sie haben unsere Ahnen, die unerfahren und naiv waren, was Wissenschaft anging, schamlos belogen, indem sie die Forschungsergebnisse manipuliert und nach ihrem Interesse verbogen haben.“ Die Menschenmenge wurde immer unruhiger. „...So kann das Empirium jetzt kommen und Vaylon kampflos einnehmen, denn seine Bewohner sind auf einen plumpen Trick reingefallen!“, rief Darius den Leuten entgegen worauf die Leute mit lauten Rufen der Empörung antworteten.
„Wer sagt mir, dass nicht Sie es sind, der die Forschungen fälscht?“ Tendra hatte sich an den Leuten vorbei gedrängt und stand nun direkt neben Darius. „Das Empirium hat in letzter Zeit den Schrein immer wieder gründlich untersucht“, sagte er aufgebracht. „Ich war zum Teil selbst dabei. Wir haben nichts manipuliert und nichts falsch interpretiert, da bin ich sicher!“, und mit einem ironischen Unterton fuhr er fort: „Aber wer sagt mir, dass Ihr Freund hier“ - Tendra deutete auf den Mann in der rotbraunen Robe - „ein ernstzunehmender Wissenschaftler ist?“
„Gottloser Imperialist!“, schrie jemand aus der Menge, „schlagt ihn nieder!“ Tendra blickte sich verängstigt um und bereute, was er soeben gesagt hatte. „Wollen wir uns das länger bieten lasse?“, rief Darius. „Wollen wir das Empirium länger auf Vaylon dulden? Wollen wir Laraissa und ihre Marionettenregierung länger dulden?“
„Nein!“, antwortete die aufgebrachte Menge.
Plötzlich hörte Tendra Schüsse. „Hier spricht die Sicherheitsgarde!“, ertönte es aus einem Megafon, „Soeben hat die Regentin ein allgemeines Versammlungsverbot erlassen. Verlassen sie unverzüglich das Museum...“ Alles Weitere ging in den Schreien der Cthonisten unter, die zu toben begannen. Tendra nutzte die Situation, schlich sich davon und verließ schließlich das Museum durch den Hinterausgang. Wenig später waren die Sicherheitskräfte in die Halle eingedrungen und die Cthonisten begannen eine Schlägerei.

„Vorgas? Hören Sie mich?“ Hadorn saß vor dem Kommunikationsterminal auf der Brücke der MSV Rapator. Seit über einer Stunde hatte er versucht, mit seinem Kollegen auf dem Planeten Kontakt aufzunehmen. „Hier spricht Hadorn. Hören Sie mich?“
„Hier Vorgas, ich höre Sie...“, erklang es undeutlich aus dem Lautsprecher.
„Endlich!“, sagte Hadorn, „Ich musste lange nach einer passenden Frequenz suchen, um durch das Gestein zu dringen. Sind Sie immer noch bei den Cthonisten, Vorgas?“
„Ja, und ich habe Neuigkeiten. Wir haben Bernardis Aufzeichnungen gefunden. Ein Mann namens Cohut hat sie aufbewahrt.“
„Bernardis Aufzeichnungen? Los, reden Sie!“
„Nachdem wir den Kontakt zu ihm verloren haben, hat er einige Tage bei den Cthonisten gelebt, und er hat viel geschrieben in dieser Zeit. Von einem Geheimnis, dass er ergründen müsse. Ein Geheimnis, das alles, was die Vayloni und das Empirium bis jetzt geglaubt haben, umstoßen würde. Und dann hat er an der Vereinigungszeremonie teilgenommen.“
„Und das war sein Tod“, entgegnete Hadorn. „Und auch der Tod unserer anderen Kollegen.“
„Was soll das heißen?“, fragte Vorgas.
„Ich habe meine Versuchsreihe über das Cthonium beendet. Es scheint, als wären die unterirdischen Gase und Mikroben für uns Menschen des Empiriums tödlich. Den Vayloni hingegen fügen sie keinen Schaden zu, sondern wirken psychoaktiv und halluzinogen, so, wie wir es beobachtet haben...“
„Wie kann das sein?“, fragte Vorgas. „Die Vayloni sind doch Menschen wie wir...!“ Plötzlich hörte Vorgas auf zu sprechen, im Hintergrund aber konnte Hadorn aufgeregte Stimmen vernehmen. „Hadorn?“, rief Vorgas kurz darauf. „Sie müssen mich hier weg holen. Laraissas Truppen stürmen die Katakomben. Sie schießen auf alles, was sich bewegt. Beeilen Sie sich, sagen Sie Typhor bescheid!“

Das Bewusstsein des Planeten erwachte.
Aus den großen thermischen Kammern tief im Inneren des Gebirges stiegen Schwaden heißen Nebels empor; Wolken winziger Schwebeteilchen trafen auf Ströme organischer Gase; Dämpfe strudelten durch die Höhlen und Gänge, zwängten sich durch enge Röhren und Kanäle, trennten und vereinigten sich wieder. Größere Teilchen kommunizierten mit kleineren Teilchen mittels noch kleinerer Teilchen; die Luft durchfuhr ein elektrostatisches Knistern. Und so hoben die Stimmen an...
„Das Experiment ist fehlgeschlagen!“
„So viele Jahrhunderte haben wir uns auf den ersten Kontakt vorbereitet – und jetzt diese Katastrophe!“, sagten die einen.
„Wir erschufen die Vayloni, auf dass sie vermitteln sollten zwischen uns und den Menschen. Sie sollten wie die Menschen leben und mit den Menschen reden können und trotzdem Kinder Vaylons sein, unsere Kinder, die uns verstehen und unsere Botschaft vermitteln können. Denn die Menschen waren zu fremdartig, ohne Vermittler hätten sie uns nie verstanden!“
„Sie wären gestorben, wenn sie hätten Kontakt aufnehmen wollen!“, sagten andere Stimmen. „Und deshalb hätten die Menschen Angst vor uns gehabt!“
„Sie haben Angst und verstehen nichts. Deshalb wollen sie uns zerstören. Das können wir nicht zulassen. Das Experiment ist misslungen, das müssen wir uns eingestehen. Es gibt keine Möglichkeit, Kontakt aufzunehmen.“
Und wie sich die Strömungen der Nebel und Gase vereinigten, vereinigten sich auch die Gedanken des Cthoniums:
„Sie haben ihre Kanonen auf uns gerichtet, die Zeit läuft uns davon! Der General des Empiriums ist soeben auf dem Planeten eingetroffen und spricht mit der Regentin. Wenn wir jetzt handeln, können wir uns retten!“

Sehr schnell drangen gewaltige Schwaden tödlichen Nebels aus dem inneren Höhlensystem in die von den Cthonisten bewohnten Katakomben, stiegen empor an die Oberfläche, vermischten sich mit der Atmosphäre und wurden von den Winden davon getragen, bis sie auch den letzten Winkel des Planeten erreicht hatten.

 

Hi Kakus,

Deine Geschichte ist für mich eine zweischneidige Angelegenheit, sowohl inhaltlich, als auch sprachlich:
Die Grundidee der Geschichte gefällt mir sehr gut, da sie viele neue Ansätze enthält, die ich in dieser Form noch nie gelesen habe und eigentlich fesselnd auf ein unabwendbares, aber dadurch nicht weniger spannendes Ende hinausläuft. Die Umsetzung erscheint mir dabei allerdings recht dürftig: Es fehlt eine Hauptperson, mit der sich der Leser identifizieren kann und deren weiteres Schicksal ihn interessiert. Zwei ganze Völker plus eine außerirdische Rasse sind dazu einfach zuviel des Guten, was dazu führt, daß man erstens immer wieder den Überblick verliert (was durch die dauernden Sprünge durch Raum und Perspektive nur verstärkt wird) und zweitens recht gleichgültig gegenüber allen Wendungen der Geschichte und des leider sehr flachen Spannungsbogens wird. Vielleicht würde eine Konzentration auf einen der Forscher helfen.
Sprachlich fiel mir der große Unterschied zwischen der wörtlichen Rede, die sehr authentisch, flüssig und nachvollziehbar ist, und der reinen Beschreibung auf, die, besonders zu Beginn, meist aus kurzen, holperigen Sätzen besteht. Außerdem wirfst Du dermaßen mit Fremdworten und neuen Begriffen um Dich, daß sich mir der Kopf dreht.
Besonders negativ fallen auch das Fazit des Generals ("Ich fasse also zusammen...Am besten, wir sprengen.." Das Militärs primitiv sind ist ja okay, aber so sehr?) und die "eingeflochtene" Geschichte der Herkunft der Vayloni auf, die deutlich beiläufiger klingen sollte, um ohne Stocken gelesen zu werden.

Gruß

SilentSoul

 

Empirium = Imperium?
Ich will damit fragen ob du nur zwei Buchstaben kontinuierlich miteinander vertauscht hast, oder ob dein Empirium den selben Wortstamm hat wie empirisch, also kurz gesagt Empirium = 'etwas, das alles und jeden genau beobachtet'?

mfg
peter seewald

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Ihr beiden, vielen Dank für Eure Kritik!

@SilentSoul:
Du sprichts da einige interessante Dinge an, die zum Teil das, was ich selbst an meiner Geschichte nicht sonderlich mag, gut zusammenfassen. Ich werde Deine Kritikpunkte auf jeden Fall zu Rate ziehen, wenn ich die Geschichte überarbeite.
dass mir das Schreiben von Dialogen leichter fällt als Beschreibungen fällt mir auch immer wieder auf...

@Moonwalk:
Hey, Du lieferst ja eine Vortreffliche Definition für mein 'Empirium', danke! in der Tat sollte 'Empirium' sowohl eine Anspielung auf 'Imperium' als auch einen Bezug zu 'empirisch' haben. 'Etwas, das alles und jeden genau beobachtet' fasst beide Bedeutungen optimal zusammen, finde ich.

*KQs*

 

uuuaaah, warum stehen in meinem text lauter fragezeichen an stelle der anführungszeichen?

 

ach so.
Das erklärt einiges und meine Verwirrung löst sich in Luft auf. :D
Freut mich, wenn ich dir durch diese Def. behilflich sein konnte.

gruß

 

Hi Kakus,

Die Geschichte war angenehm zu lesen.
Was fehlt sagte Silent Soul schon. Auch mir gefällt die Grundidee und andere hätten daraus einen ganzen Roman zusammengebastelt - was nicht heißt, dass es gut so ist-
Was fehlt ist eine Person zum identifizieren. Die Dialoge sind oft recht lang und damit ermüdend. Es findet wenig Reaktion der Kontrahenten aufeinander statt.
Aus einer anderen Sicht, vielleicht auch mit einem Ende, dass mehr überrascht, kann die Geschichte noch viel gewinnen.
Was ich auch bis zum Schluß nicht gecheckt habe, ist, wie die Vayloni den aussehen. Menschlich?

Ein paar Kleinigkeiten

...Tendra, Autark und Wissenschaftler des Empiriums...
2 Unbekannte Begriffe in einem Satz -> hat mich gleich einmal irritiert.

...Darius steht dem allem in Weg...
den allem

Grüße
Bernhard

 

Hi Bernhard!

Vielen Dank für Deine Kritik.
Das mit dem fehlenden Protagonisten ist ein Punkt, den ich mir zu Herzen genommen habe und bei einer Bearbeitung berücksichtigen werde. Auch das Ende will ich neu schreiben; wie, weiß ich noch nicht.
Das fehlende direkte Aufeinandertreffen der Kontrahenten ist ebenfalls eine Sache, die ich sehr wahrscheinlich verändern werde. Mal schauen. Aber ob die Geschichte dann spannender wird, kann ich nicht garantieren. Finde es schwierig, so etwas an selbst verfassten Stories festzustellen.

Gruß
*KQs*

PS: Die Vayloni sind vollkommen menschlich, den Bezug zu ihrem Schöpfer, dem Cthonium, erfahren sie in der Religion, er ist nicht genetisch oder anatomisch begründet. Sie sind also keine "Hybridwesen".

 

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