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Vatertag
Er erwachte in einer seltsamen, dickflüssigen Pfütze. Blut. Den Geschmack
erkannte er sofort.
Innerhalb eines Augenblicks war er wieder hellwach.
Was war passiert? Er versuchte sich zu erinnern, fischte im Trüben, versuchte
das Licht am Ende des Tunnels zu erreichen. Erfolglos. Er sah sich um.
Dunkelheit umgab ihn. Von irgendwo in der Ferne hörte er ein Geräusch.
Plink.Plink. Was war das?
Langsam richtete er sich auf, streckte die Hände aus, versuchte die Wand zu
erreichen. Er stolperte über etwas. Sterne kreisten um seinen Kopf. Wenig
später begann er zu erforschen worüber er gefallen war. Er tastete danach,
es war weich und feucht. Er nahm seine Hand wieder zurück. An ihr befand
sich etwas, dass sich wie menschliches Haar anfühlte.
Er zuckte zurück als sei Gehirn diese Information verarbeitet hatte. Haare.
Schnell richtete er sich auf und taumelte weiter durch den Raum. Irgendwo
muss es doch einen Ausgang geben. Einen Ausgang woraus? Wo war er
überhaupt?
Sein Fuß berührte etwas. Eine Flasche. Sie war zerbrochen. Er tastete weiter
und fand schließlich die Wand. An ihr ging er entlang bis er den Lichtschalter
fand. Er war sich sicher, dass er nicht sehen wollte, was er gleich sehen wird
und dennoch betätigte er den Schalter.
Seine Augen brauchten lange um sich an das grelle Licht zu gewöhnen, aber
schon die ersten Umrisse die er registrierte liesen ihn erschrecken.
Den Raum kannte er, es war sein Wohnzimmer. Doch der einst so ordentliche
Raum war nun ein totales Chaos. Stühle waren umgeworfen, zerbrochene Flaschen
lagen überall herum, Bilder waren von der Wand gerissen, Regale umgekippt.
Sein Blick suchte das, worüber er gestolpert war. Es war ein Stück Stoff,
blutgetränkt und voller Haare. Lange Haare. Haare wie die seiner Frau.
Ihm wurde übel.
Was war hier passiert? Hatte er soviel getrunken, dass er nicht mehr wußte
wie dieses Chaos entstanden ist?
Er öffnete die Tür und betrat den Flur. Hier bot sich ihm ein ähnlicher Anblick.
Bilder von der Wand gerissen, Flaschen überall. Auch die Küche machte keinen
Unterschied. Der Kühlschrank war umgefallen, der Tisch in der Mitte zerbrochen.
Die Stapel mit unbezahlten Rechnungen waren umgeworfen worden. Irgendwann
muss er sie mal bezahlen. Wovon? Hatte er nicht einen Plan gehabt? Einen Ausweg
aus der misslichen Lage? Er konnte sich nicht mehr erinnern.
Doch was war das? Auf dem Boden lag etwas. Sein Hammer. Voller Blut.
Was war geschehen? Tausende Gedanken wirbelten durch seinen Kopf. Er
versuchte sich zu erinnern. Er sah Bilder vor seinem geistigen Auge. Seine Frau.
Seine Tochter. Sie weinten, kreischten, liefen. Und dann? Was geschah dann? Er
wußte es nicht mehr. Aber wichtiger war die Frage: wowaren sie?
Er ging nach oben, zum Kinderzimmer. Seine Tochter war elf Jahre alt. Ein liebes
Mädchen, das nie Probleme machte. Manchmal wehrte sie sich. Dann musste er
ihr zeigen, wie man sich zu benehmen hat. Doch meist lag sie einfach nur da,
schwieg und ließ alles mit sich machen. Ein braves Mädchen.
Er liebte sie. Oh ja, das tat er. Manchmal liebte er sie zu sehr, aber sie wußte, dass er
alles nur zu ihrem Besten tat. Wußte sie das wirklich? Hatte sie nicht eine Lektion
verdient um es ein für alle Mal zu lernen? Wo war sie?
Er schaute sich in ihrem Zimmer um. Auch hier herrschte Unordnung. Auch hier
lagen Flaschen herum. Teils zerbrochen, teils noch gefüllt. Er schaute sich die
Flaschen genauer an. Bier. Hatte er noch genug Bier im Haus? Ohne
Bier war es immer so schwer einzuschlafen. Er beschloß noch einkaufen
zu gehen. Doch erst musste er seine Tochter finden.
Er fand sie.
Sie lag im Bett und schaute mit weit geöffneten Augen an die Decke. Ihr
Mund war aufgerissen, als hätte sie geschrien. Blut war überall. Ihr Kopf sah aus,
als wäre er eingeschlagen worden. Der Hammer.
Ihr Blut tropfte auf den Boden.
Plink.
Ihm wurde wieder übel.
Er verließ das Zimmer. Wo war seine Frau? Warum hatte sie nichts unternommen?
Sie tat nie etwas. Weder für ihn, noch für die Familie. Seine Familie. Er war der
Herr im Haus. Respektierte sie das? Oder musste er es ihr erklären? Meistens
respektiert sie es. Manchmal nicht. Dann musste er mit ihr reden. Danach verstand
sie es.
Er näherte sich dem Schlafzimmer.
Die Tür war angelehnt. Er wollte nicht sehen was sich dahinter befand. Dennoch
öffnete er die Tür. Da lag sie. Es sah aus als würde sie schlafen. Doch auch bei
ihr stellte er sofort das riesige Loch im Kopf fest. Der Hammer. Blut.
Ihr Blut tropfte auf den Boden.
Plink.
Tränen liefen über sein Gesicht. Was war geschehen? Wer hat das getan? Warum?
Das Chaos, das Blut, seine Frau, seine Tochter.
Er verließ das Zimmer und ging wieder auf den Flur. Er nahm alles nur noch ver-
schwommen wahr. Er versuchte sein Spiegelbild zu erkennen, sah aber vor
lauter Tränen nichts.
Ihm fiel die Treppe zum Dachboden auf. Oben brannte Licht. Wer war auf dem
Dachboden?
Er ging nach oben. Langsam. Als er ankam sah er sich um. Da war jemand.
Dieser Jemand hatte sich erhängt und er kam ihm seltsam vertraut vor. Er
schritt näher. Die seltsame Figur drehte sich. Er konnte das Gesicht erkennen.
Es war sein eigenes.