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Vater
Vater
1978. Er war ein guter Vater, gut zu seinen Kindern, gut zu seiner Frau, der Mutter seiner Kinder.
Ich machte Hausaufgaben in meinem Zimmer. Clara und Sara, meine Schwestern, sahen offenbar fern, genau wusste ich es nicht.
Mutter stickte aber an einer Decke, im Wohnzimmer, das wusste ich... wie man nur etwas wissen kann.
Mein Zimmer lag neben dem Bad und dem Kellereingang. Ich wollte ins Bad, doch Vater war drin. Als ich klopfte, antwortete er nur mit einem Grunzen.
Als ich mich abwendete, kam er heraus und eilte in den Keller. Mir fiel ein, ich hatte noch eine 5 in Mathematik zu beichten. Mutter seufzte, als sie die 5 sah. "Zeigs Vater", sagte sie.
"Der ist im Keller", sagte ich.
"Dann warte, bis er kommt", sagte sie.
Ich wartete im Wohnzimmer, 30 Minuten lang. Wahrscheinlich war er bei seinen Steinen unten, bei seinen Viermillionen Steinen, diesem Unrat.
"Vater!", rief ich hinunter. "Antworte, bist du da unten?"
Natürlich war er da unten, einen zweiten Ausgang gab es nicht.
Noch einmal dreißig Minuten, die ich wartete, es geschah nichts.
Dann schlich ich hinunter. Es war still, und das lauteste Geräusch war mein Atmen. Es gab da dunkle Räume, die ich nicht zu betreten wagte, selbst bekannte Räume, die zu dunkel waren für mich. Als die Angst kam, lief ich schnell wieder hoch.
Sara sah mich: "Was ist?"
"Vater ist in den Keller gegangen und kommt nicht mehr hoch", sagte ich.
"Du bist ein Idiot", sagte sie.
"Er ist verschwunden", sagte ich.
"So wie deine Geisteskraft?" fragte sie. "Er ist bestimmt im Schlafzimmer!" Sie ging voraus, doch im Schlafzimmer war er nicht.
"Er wird schon wo sein", sagte sie.
Ich ging wieder in mein Zimmer. Der Windzug beulte den Vorhang aus. Vielleicht war Vater in meinem Zimmer? Unter dem Bett? Unter dem Schrank? Hinter dem Vorhang? Ich wagte es nicht, nachzusehen.
Ich ging wieder hinunter in den Keller, den breiten Hauptgang entlang, in die Waschküche. Ich hörte es scheppern, ein Blecheimer war umgefallen. Wieso hatte ich diese Angst? Da waren diese rotglühenden Augen, die mich beobachteten. Schon hatten sie mir den Rückweg abgeschnitten. Als ich den tiefsten Ort des Kellers erreicht hatte, den hintersten Raum, lauschte ich angestrengt nach Geräuschen. Ein Kellerfenster - außen Bäume, die wie Gespenster ihre Arme ausstreckten. Ich wollte, ich wäre nicht mehr im Keller. Ich erinnerte mich daran, dass ich Vater nicht kannte.
Der Wind strich heulend um das Haus, berührte es, belästigte die, die darin vor der Dunkelheit Schutz suchten. Es war ein weiter Weg nach oben. Ich fragte mich, wer den Blecheimer umgeworfen hatte. Ich hatte Angst.
Wer befand sich in den Nischen, um Menschen zu holen?
Ich hörte die Stimme meines Vaters: "Es tut mir Leid, mein Sohn."
Ich drehte mich erleichtert zur Stimme. Vor mir stand ein behaartes Tier, eine wolfsähnliche Gestalt. Mein Vater war ein Werwolf.
"Warum bist du mir nachgekommen?" fragte er. "Konntest du nichts gegen deine Neugier tun? Obwohl ich dich liebe, muss ich dich jetzt töten."
"Und was tust du mit meiner Leiche?" fragte ich. -
"Ich esse sie."
Ich lief. Schnell die Treppen hinauf, aber ich rutschte aus und fiel, rappelte mich wieder auf, denn er war hinter mir, vielleicht schon ganz dicht, das Licht ging aus, ich schrie: "Mutter!!"
Wieder auf den Beinen, wozu hatte ich Beine? Wenn nicht zum Laufen?? Doch ich glitt erneut aus, rutschte erneut hinunter, wollte erneut hinauf, als ich die Schwäche in meinen Muskeln bemerkte. Ich kam oben an, hörte hinter mir das Tier rufen: "Komm her!"
Ich lief ins Wohnzimmer, meine Mutter sah auf.
"Vater will mich töten!" schrie ich.
Sie schauten mich an. Meine Mutter, Clara, Sara.
(Vater will ihn töten, sowieso der naheliegendste Gedanke).
Ich verstand. Ich nahm meinen Mantel und ging aus dem Haus und ging ... weg.