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Vater und Sohn

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31.01.2012
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Vater und Sohn

“Ist es nicht möglich die Zeit festzuhalten?”, fragte ich meinen Vater, der unseren alten Ford Transit auf dieser endlos scheinenden Straße ohne Kurven in ein, für mich beängstigendes, weil unbekanntes Land steuerte, indem ich nun gezwungen werden sollte mein restliches Dasein zu verleben. “Mein Sohn,” antwortete er mit seiner tiefen rauchigen Stimme, die ich so sehr liebte und die mir wie nichts sonst auf der Welt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gab,
“Jeder von uns, jeder Einzelne ist ein Tänzer an der Klippe des Todes und die Zeit ist der Wind, der mit uns tanzt. Wir versuchen ihn zu greifen, ihn an uns zu binden, doch niemals lässt er sich erwischen.Niemals. Bis zu diesem einen Tag, an dem er plötzlich still steht und wir mit ihm. Und dann, während wir erschrocken erstarren, weil unser geliebter Freund nicht mehr mit uns tanzt, stößt er uns von der Klippe, in die ewige Dunkelheit!” Er nahm den Blick nicht von der Fahrbahn während er sprach, aber seine große, starke Hand strich über meine Haare, so dass ich keine Angst empfand.
“ Dann ist die Zeit aber nicht unser Freund!” flüsterte ich kaum hörbar vor mich hin.
“ Die Zeit, mein Sohn, ist das Kostbarste, das du besitzt und gleichzeitig niemals besitzen wirst. Tanze, tanze bis sich alles dreht, bis das Leben aus deiner Seele strömt und die Zeit verblasst und nicht mehr wichtig ist. Dann, mein Sohn, bist du wahrhaft frei!”
Wir schwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Die Hitze schimmerte über dem Asphalt. Das Radio dudelte vor sich hin.
Nach einer Weile, die mir wie die Ewigkeit erschien, fragte ich meinen Vater: “ Hast du es je geschafft?”
“ Was?`”
“ Frei zu sein !”
“Nein, mein Sohn!”

 

Hej tiho,

ganz einverstanden bin ich mit den Aussagen in Deiner Geschichte nicht, aber was mich eigentlich stört ist, dass die Geschichte aufhört, wo sie beginnen könnte: Wird der Sohn jetzt vollkommen desillusioniert neben dem Vater sitzen und schweigen oder wird er nachbohren und fragen ob und wie der Vater die Freiheit gesucht hat?

“Ist es nicht möglich die Zeit festzuhalten?”, fragte ich meinen Vater
In der Regel spricht man von Zeit anhalten. Das "festhalten" lässt den Erzähler im Grunde zu jung für die Frage wirken.

ein, für mich beängstigendes, weil unbekanntes Land steuerte, indem ich nun gezwungen werden sollte mein restliches Dasein zu verleben
Inwiefern sollte ein junger Mensch gezwungen sein, ein und dasselbe Land nie mehr zu verlassen. Ist dieses Detail wichtig, dann mach es doch ausführlicher. Vllt hat es ja mit den gescheiterten Freiheits-Versuchen des Vaters zu tun?

antwortete er mit seiner tiefen rauchigen Stimme, die ich so sehr liebte und die mir wie nichts sonst auf der Welt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gab,
Eine tiefe rauchige Stimme kann man sich vorstellen. Aber so erreichst Du beim Leser, dass er den Vater in erster Linie als Stimme wahrnimmt und besser wäre doch eine Person aus Fleisch und Blut.
Okay, später kommt noch eine Hand hinzu ...

Das Radio dudelte vor sich hin.
Nach den gewaltigen Worten des Vaters bin ich über das Dudelradio regelrecht gestolpert.

Nach einer Weile, die mir wie die Ewigkeit erschien, fragte ich meinen Vater
Eine Ewigkeit vergeht idR wenn man wartet, z.B. darauf, dass der andere etwas sagt. Hier ist es umgekehrt, als warte der Erzähler darauf, dass er selbst etwas sagt.

Ich wünsche Dir noch viel Spaß hier,

LG
Ane

 

Hey Ane!
Danke für dein Lesen und deine Anmerkungen!! Sehr interessant! :)

 

Hallo und herzlich willkommen hier auf kg.de,

lieber tiho!

Eine schöne kleine Parabel erzählstu uns da flüssig und gekonnt, welche Zeit und Wind miteinander verknüpft – die Alten verknüpften die unsterbliche Seele mit dem Atem, die dann mit dem letzten Atemstoß den sterblichen Körper verließ -, und spätestens seit Donovans melancholischem Catch The Wind ist doch klar, dass selbst der Teufel keinen Furz wiederholen kann. Nicht einmal [an]halten könnte er ihn.

Die Zeit, mein Sohn, ist das Kostbarste, das du besitzt und gleichzeitig niemals besitzen wirst.
Spricht da ein kluger Vater, denn so ist es.

... Tanze, tanze bis sich alles dreht, bis das Leben aus deiner Seele strömt und die Zeit verblasst und nicht mehr wichtig ist. Dann, mein Sohn, bist du wahrhaft frei!”,
was ich wiederum bezweifle, denn wer keine Zeit hat, ist tot, erst sozial und dann physisch und endgültig – wofür das Ende Deiner kleinen Geschichte auch implizit spricht.

Tod mit Freiheit gleichzusetzen find ich abenteuerlich, wiewohl der Selbstmord vorgibt, die höchste und persönlichste Form einer eigenen Entscheidung zu sein, doch käme es selbst hierbei auf die Motive an, vor allem, wenn unterstellt werden kann, dass es keinen freien Willen gebe, dass kein pauschales Urteil sich geben lässt.

Oder sollte der Einfluss der alten Griechen mit der Behauptung sich durchsetzen, wen die Götter lieben, stürbe jung, das beste aber wäre gar, nicht geboren zu werden?

Vermutliche Flüchtigkeitsfehler:

… , doch niemals lässt er sich erwischen.Niemals.
Leertaste nach abschließendem Punkt. Dafür kann zu Beginn der wörtlichen Rede sofort nach den Anführungszeichen – Du bedienst da einige Male die Leertaste, wenn auch nicht immer (deshalb: Flüchtigkeit!) (einfach noch mal durchschau’n.)
Er nahm den Blick nicht von der FahrbahnKOMMA während er sprach

Gern gelesen und neugierig auf Deine nächsten Zeilen ist der

Friedel

 

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