Vater und Sohn
“Ist es nicht möglich die Zeit festzuhalten?”, fragte ich meinen Vater, der unseren alten Ford Transit auf dieser endlos scheinenden Straße ohne Kurven in ein, für mich beängstigendes, weil unbekanntes Land steuerte, indem ich nun gezwungen werden sollte mein restliches Dasein zu verleben. “Mein Sohn,” antwortete er mit seiner tiefen rauchigen Stimme, die ich so sehr liebte und die mir wie nichts sonst auf der Welt ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit gab,
“Jeder von uns, jeder Einzelne ist ein Tänzer an der Klippe des Todes und die Zeit ist der Wind, der mit uns tanzt. Wir versuchen ihn zu greifen, ihn an uns zu binden, doch niemals lässt er sich erwischen.Niemals. Bis zu diesem einen Tag, an dem er plötzlich still steht und wir mit ihm. Und dann, während wir erschrocken erstarren, weil unser geliebter Freund nicht mehr mit uns tanzt, stößt er uns von der Klippe, in die ewige Dunkelheit!” Er nahm den Blick nicht von der Fahrbahn während er sprach, aber seine große, starke Hand strich über meine Haare, so dass ich keine Angst empfand.
“ Dann ist die Zeit aber nicht unser Freund!” flüsterte ich kaum hörbar vor mich hin.
“ Die Zeit, mein Sohn, ist das Kostbarste, das du besitzt und gleichzeitig niemals besitzen wirst. Tanze, tanze bis sich alles dreht, bis das Leben aus deiner Seele strömt und die Zeit verblasst und nicht mehr wichtig ist. Dann, mein Sohn, bist du wahrhaft frei!”
Wir schwiegen. Jeder hing seinen Gedanken nach. Die Hitze schimmerte über dem Asphalt. Das Radio dudelte vor sich hin.
Nach einer Weile, die mir wie die Ewigkeit erschien, fragte ich meinen Vater: “ Hast du es je geschafft?”
“ Was?`”
“ Frei zu sein !”
“Nein, mein Sohn!”