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Van Patten wird gejagt
Van Patten wird gejagt
Er riss das Lenkrad ruckartig herum, als der Helikopter plötzlich hinter der Straßenecke erschien. Das schwarze Fluggerät schwebte dicht über dem Boden, Passanten mussten sich flach hinwerfen, Papier, Staub und Blätter wirbelten durch die Luft. Der Maybach brach hinten aus, das Heck streifte eine Straßenlaterne. Van Patten schaffte eine Wende und raste wieder die enge Gasse hinunter, durch die ihm der Helikopter in dieser Höhe unmöglich folgen konnte. Über die Schulter war sein Verfolger jetzt nicht mehr zu erkennen. Van Patten wischte sich den Schweiß von der Stirn, während verängstigte Menschen rechts und links in Hauseingänge sprangen, um nicht von dem Wagen erfasst zu werden. Er trieb den Maybach ans Limit, als er in die Fußgängerzone einbog. Das bedrohliche Schrapp-Schrapp-Schrapp des Hubschraubers war nun kaum mehr zu hören. Hatte er ihn abgehängt?
Statt dessen erklang in der Ferne etwas, das sich wie eine Polizeisirene anhörte. Das hatte ihm gerade noch gefehlt. Möglicherweise würde er den Wagen wechseln müssen, doch in der Fußgängerzone ging das schlecht. Knapp verfehlte er einen Kinderwagen. Jemand warf ihm ärgerlich eine Eistüte auf die Windschutzscheibe. Dumme Sau! Was fiel dem Proleten ein! Kurz bevor Van Patten den Maybach gegen einen Blumenkübel setzte, hatte der Scheibenwischer gottseidank die Verschmutzung bewältigt. Haarscharf steuerte er zwischen dem Betonkübel und einem Hydranten hindurch, rammte ein unbemanntes Fahrrad aus dem Weg und fegte hinaus aus der Fußgängerzone, hinein in den verkehrsberuhigten Bereich.
Da war es wieder! Schrapp-Schrapp-Schrapp, irgendwo über ihm. Der Bastard war eindeutig im Vorteil. Ein Entkommen unter diesen Bedingungen war extrem schwierig, doch Van Patten gab die Hoffnung nicht auf. Im Gewirr der Gassen konnte er vielleicht tatsächlich ein anderes Fahrzeug nehmen und sich unbemerkt entfernen.
Das Geräusch der Polizeisirene wurde schwächer, dafür war der Hubschrauber ohrenbetäubend laut. Van Patten versuchte immer wieder nach oben zu blicken, konnte den Verfolger aber nicht erkennen. Wollte er eine Kollision vermeiden, musste er die Augen auf die Straße richten, wo gerade einige Bauarbeiter in Panik in ihre Baugrube sprangen. Die Absperrung barst, als Van Patten sie durchbrach, Metallteile stieben in alle Richtungen.
Er war zum Fluss unterwegs, stellte er fest. Dort würde es wenige mögliche Verstecke geben. Jetzt konnte er auch den Schatten sehen, der sich langsam über seinen Wagen schob, der Helikopter musste jetzt in geringer Höhe unmittelbar über ihm sein. Hastig bog Van Patten in entgegengesetzter Richtung in eine Einbahnstraße und rammte beinahe einen entgegenkommenden Kleinlaster. Laut hupend hatten die Fiats und Mini-Coopers der Proleten keine andere Wahl, als der heranrauschenden Limousine auszuweichen.
Voraus lag nun der obligatorische Obst- und Gemüsestand. Van Patten versuchte ein riskantes Ausweichmanöver, traf mit den Heck die Auslage, und dutzende von Melonen und Orangen kullerten über das Kopfsteinpflaster.
Schrapp-Schrapp-Schrapp. Da war er wieder. Im Sog der Rotorblätter löste sich die Plane vom Holzgestell des Verkaufsstandes und verfing sich auf der Frontscheibe des Maybach. Van Patten reagierte zu spät, der Wagen geriet außer Kontrolle und verkeilte sich zwischen dem Geschäft und einer eisernen Straßenlaterne. Verzweifelt trat Van Patten das Gas durch, doch das Gefährt rührte sich kein Stück. Außerdem nahm ihm die Plane vollkommen die Sicht. Schrapp-Schrapp-Schrapp. Da es weder vor noch zurück ging, blieb ihm nichts anderes übrig, als so schnell es ging aus dem havarierten Auto auszusteigen. Schrapp-Schrapp-Schrapp. Die Tür ließ sich nur wenige Zentimeter öffnen, dann stieß sie auf irgendein Hindernis. Van Patten wuchtete seinen Körper durch die Fahrerkabine, um die Beifahrertür zu erreichen. Schrapp-Schrapp-Schrapp. Der Motor des Maybach rauchte besorgniserregend, als Van Patten es endlich schaffte, den Wagen zu verlassen. Durch all den Rauch, Staub, umherflatternden Abfall, die verwirrten Rufe der Passanten und dem Krachen einiger durch ihn verursachter Unfälle entdeckte er zu seinem Entsetzen das baumelnde Ende einer Strickleiter genau vor seinem Gesicht. Er setzte sofort zum Sprint an, doch da spürte er schon die Hand auf seiner Schulter. Es war zu spät. Das Spiel war aus.
„Hab ich Dich!“ vernahm er die höhnische Stimme von Sir Anthony.
Van Patten kickte eine Melone zur Seite, fluchte einmal kräftig und griff sich dann resigniert in die Hosentasche, um das Geld herauszuholen.
„Jetzt bin ich aber dran mit Suchen“, forderte er.