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Van Helsings Abenteuer - Kein Mensch, kein Tier
Schritte im Regen. Hinter ihr, und sie wurden schneller. Die Frau begann die Straße entlang zu laufen, durch Schlamm und Pfützen. In einer Kneipe öffnete sich die Tür. Die Frau hörte Gelächter und Kreischen. Dann schlug die Tür zu, und wieder hörte sie Schritte, den Regen. Kein Mensch, kein Tier sollte bei diesem Wetter auf der Strasse sein. Sie passierte immergleiche Häuser mit dunklen Fenstern und die Straße nahm kein Ende. Ihre Hand umkrampfte den Griff des Schirmes. Wasser floss vor ihr aus einer Regentraufe. Die Schritte, diese Schritte!
Unter einem überhängenden Dach fand sie eine trockene Stelle und blieb stehen, zögerte sich umzusehen, dann tat sie es doch. Nichts. Die Schritte waren verklungen. Wolken brachen auseinander. Die andere Seite der Straße wurde von dem wuchtigen Gebäude der Brauerei beherrscht. Die Scheibe des Mondes warf ihre Strahlen auf das Ziegeldach. Wind trug Gebell vom Tierheim herüber, dann hörte die Frau Stöhnen. Sie stand da. Die Heftigkeit der Angst hatte sie völlig gelähmt. Sie stand da, bis das Stöhnen verklang. Etwas lief zur Brauerei hinüber. Ein Schatten, der dort nicht hin gehörte. Ein dunkles Schemen mit einer Kette, die sich unter den Strahlen des Mondes blinkend um seinen Nacken wand. Ein finsteres Tier, ein Wolf, der auf leisen Pfoten hinter der Einfriedung verschwand. Wieder fing die Frau an zu rennen und wurde jäh in ihrem Lauf gestoppt.
“Was ist junge Frau?” Der Mann hatte sie fast umgeworfen. Er stank nach Schnaps. Den Hut tief in seine Stirn gezogen, griff er nach ihr. “Wo wollen Sie hin?”
Sie riss sich los und setzte ihren Weg fort.
“Bleiben Sie!” Der Mann torkelte ihr nach. Das Gebell kam näher. Hunde sprangen hinter der Brauerei hervor. Pinscher, Pudel, Schäferhunde, alle Rassen. Sie liefen über die Strasse, an der Frau und dem Betrunkenen vorbei. Das Biest trieb die Hunde vor sich her, stürzte sich auf einen Schäferhund, eine Hündin. Die Frau verspürte einen leichten Schwindel, als sie sah, wie sich das Tier aus der Umklammerung zu befreien versuchte. Der Anhänger der Kette wirbelte bei jedem Stoß um den Hals der Bestie. Knurrend und kläffend liefen die anderen Hunde um das Paar herum. Der Wolf beachtete sie nicht, kopulierte und verbiss sich in dem Nacken seiner Partnerin bis diese leblos zu Boden fiel. Der Wolf lief auf die Mitte der Strasse und legte seinen Kopf im Licht des Mondes zurück. Sein Geheul hallte von den Wänden der Gebäude, verebbte über den Dächern. Dann verschwand der Wolf in der Dunkelheit, während die Hunde bellend hinter ihm her liefen.
Bewegungslos lag die Hündin lag auf der Straße. Dort, unter ihrem Hals ein schwarzer Fleck, der immer größer wurde. Benommen ging die Frau weiter. Ihr war, als erwachte sie aus einem bösen Traum. Der Mann schwankte schimpfend in die Kneipe und ließ die Frau mit dem Regen allein.
Tische aus Teakholz, Ledersessel und gedämpftes Licht. Herrenclub Athenaeum am Waterloo Place. Männer unterhielten sich. Ein Butler bewegte sich zwischen den Tischen und füllte Getränke nach. Van Helsing lag in einem Sessel und rieb sich die Augen. Er musste geschlafen haben. In Oxford, am Madeleine College hatte er seinen Vortrag ‘Aberglaube und Pathologie’ gehalten. Nun war er zurück. Aus halbgeschlossenen Augen sah er Farnsworth und Pommeroy am Nebentisch. Geoffrey Farnsworth, der, wenn er nicht im Club war, über den Highgate Friedhof ging und Inspirationen für seine Gedichte sammelte. George Pommeroy, Getreidehändler. Der sah vom Nebentisch zu Van Helsing herüber, während er sich mit Farnsworth unterhielt.
“Geoffrey”, hörte Van Helsing. Pommeroys dicker Finger zeigte auf eine Zeitung, die aufgeschlagen auf dem Tisch lag.
“Geoffrey, das wird Van Helsings Interesse wecken.”
“Ein Wolf mit einer Halskette, der eine Schäferhündin bespringt und tötet. George, es scheint absurd. Der Bursche, der das bezeugt hat, war sternhagel voll und die Frau, von der er schwafelte, ist unauffindbar.”
“Und was ist mit den Hunden, die aus dem Tierheim entflohen sind? Das Gitter wurde aufgerissen.”
Van Helsing erhob sich. Seine hagere Gestalt im schwarzen Gehrock. Sein Gesicht mit scharfen Gesichtszügen, bohrenden grauen Augen.
“Pommeroy, Farnsworth. Ich habe meinen Namen gehört.” Van Helsing sah auf die beiden Männer hinab.
“Seht her.” Pommeroy hielt die Londoner Times hoch. Sie trug das Datum vom siebzehnten Oktober Achtzehnhundertfünfundsechzig. “Wolf bricht ins Tierheim ein.”
Van Helsing überflog den Artikel.
“Seltsam”, meinte er mehr zu sich selbst. “Vielleicht sollte ich mich mit Scotland Yard darüber unterhalten.” Er gab die Zeitung zurück und verließ den Club.
Van Helsing unterhielt sein Haus in der Marylebone Road, wo ihn Sherlock und seine Haushälterin erwarteten. Sherlock ein schwarzer Kater mit weißen Flecken. Mrs. Witherspoon Witwe um die vierzig. Drei Jahre war sie schon bei ihm und trug noch immer dunkle Kleider. Sie ging in ihrer Rolle auf, Van Helsing das Leben angenehmer zu gestalten. Die Frau schien besorgt. Ihre Hände strichen unruhig die Schürze entlang.
“Wie geht es Miss Rosanna?”
“Sir, ich weiß nicht, wie ich es Ihnen sagen soll. Miss Rosanna hat vor, sich Malern als Modell anzubieten.” Mrs. Witherspoons freundliches, rundes Gesicht rötete sich unter Van Helsings Blick. “Miss Rosanna sagte, sie wolle Ihnen nicht länger auf der Tasche liegen.”
“Sie hat ihren eigenen Kopf. Modell ist ein ehrbarer Beruf”, brummte Van Helsing, nahm Sherlock mit in sein Studio und schloss die Tür hinter sich.
Er setzte sich an seinen Schreibtisch. Sherlock sprang auf seinen Schoß und schnurrte. Van Helsing lehnte sich zurück und kraulte dem Kater hinter die Ohren.
Modelle, ehrbarer Beruf? Es schien so. Oskar Wilde hatte über sie geschrieben: Sie seien schön, gefällig, geschwätzig, interessierten sich nicht für Kunst. Sie seien korrekt und pünktlich, lebten bei ihren Eltern und seien eine gute Partie.
Rosanna Clairmont. So jung. Und keinesfalls geschwätzig. Sie könnte seine Tochter sein. Zu Anfang hatte er mehr als väterliche Gefühle für sie gehegt. Er dachte an das Abenteuer auf dem Balkan, als er den Fluch bannte, der über dem Haus der Clairmonts gelegen hatte. Das Ergebnis war verheerend. Rosanna verlor Haus und Hof. Kurz davor war ihr Vater gestorben. Van Helsing hatte Rosanna mit nach London genommen. Sie war bei Mrs. Witherspoon untergekommen und versuchte sich ein neues Leben aufzubauen.
Er sah ihr bleiches, schmales Gesicht vor sich. Ihre dunklen Haare, blaßblaue Augen, die ihn vertrauensvoll und mit einem Ausdruck ansahen, den er nicht zu deuten wusste. Van Helsing versuchte sich auf Farnswoth und Pommeroy zu konzentrieren, dachte an den Bericht in der Times. Einbruch ins Tierheim. Ein Wolf mit einem metallenen Halsband. Der betrunkene Mann, der in einer Kneipe darüber berichtet hatte.
Zwei Wochen vergingen, ohne dass Van Helsing Rosanna zu Gesicht bekam. Er schrieb das ihren Bemühungen zu, sich als Modell zu etablieren. Als sich Van Helsing bei Mrs. Witherspoon nach ihr erkundigte, erzählte ihm die Haushälterin, dass Rosanna Adrian, einen jungen Maler kennen gelernt habe und ihm täglich Modell stünde.
“Als was?” Seine Gedanken verschwammen. Täglich? War Rosanna verliebt? Er wandte sein Gesicht ab und sah zum Fenster hin. Eine Kutsche fuhr draußen vorbei. Rosanna war verliebt. Adrian. Ein Maler. Es war qualvoll, weitere Fragen zu stellen. Sie war verliebt. Warum konnte er an nichts anderes denken?
“Mrs. Witherspoon, ich möchte die Beiden für den Sonntag zu mir zum Essen einladen. Könnten Sie das arrangieren?”
Er war jung, schön und feurig. Adrian, ein junger Mann mit dunkeln Haaren und blassem Teint. Er belebte die Konversation. Seine Beiträge waren geistreich, doch transitorisch. Er wechselte die Themen wie das Chameleon die Farbe. Sprach er über Doktor Livingstones nächste Reise nach Afrika und Leutnant Maurys Theorie eines Regengürtels über dem Äquator, der, von außen betrachtet, einem Saturnring gleichkäme, war er eine Minute später bei Singers Nähmaschine und ihrem Beitrag zur Aufrechterhaltung der Moral, in dem sie es Frauen gestattete, zu Haus unter Aufsicht von Eltern und Verwandten Kleider zu fertigen. Er redete über die Socken, die ihm seine Großmutter mit zitternden Fingern gestrickt. Socken, die industriell gefertigte um Jahre überdauerten. Diese Sprunghaftigkeit, fand Van Helsing, verdeckte eine Leere, die wohl nur er zu bemerken glaubte. Warum band Adrian Rosanna nie in seine Konversation ein? Stumm hing sie an den Lippen des jungen Malers, ihre Blicke folgten jeder seiner intensiven Gesten, mit denen er seine Argumente unterstrich. Einen Moment lang überkam Van Helsing ein Gefühl von Hilflosigkeit, das einen Menschen befällt, dem Emotion wider seinen Willen zusetzt.
Adrian hatte sich den Pre-Raphaeliten angeschlossen und sich der Romantischen Malerei gewidmet, während er sich seinen Unterhalt durch Auftragsmalerei verdiente.
Van Helsing erhob sein Glas. “Behandeln Sie Rosanne, wie es sich für eine wohlerzogene unverheiratete Frau geziemt.” Mahnung oder Warnung? Van Helsing war sich nicht sicher. Adrian antwortete nicht. Er wandte sich Rosanna zu. Seine Finger spielten mit der metallenen Kette, die an seinem Hals hing.
Mrs. Witherspoon trug den Nachtisch auf. Sherlock kam mit ihr durch die Tür und sprang auf die Fensterbank. Ein Stuhl fiel polternd um, als Adrian sich auf den Kater stürzte, der schreiend davon lief und sich unter einen Schrank verkroch..
“Adrian! Was ist?”, riefen Rosanna und Van Helsing wie aus einem Munde und sahen sich an. Rosannas bleiches Gesicht überzog sich mit Röte. Adrian nahm, als sei nichts geschehen, seinen Platz wieder ein und widmete sich dem Nachtisch.
Eine Woche darauf klopfte Mrs. Witherspoon in der Frühe an Van Helsings Studiotür.
“Ich weiß nicht weiter, Sir.” Van Helsing sah, die Frau war verzweifelt. Ihre Hände verkrampften sich ineinander, in ihrem Gesicht arbeitete es. Sie schien dem Weinen nahe. “Miss Rosanna liegt in ihrem Bett und weigert sich etwas zu sich zu nehmen.”
Van Helsing lief mit Mrs. Witherspoon auf die Strasse und rief nach der nächsten Kutsche.
Mrs. Witherspoon lebte in einem Reihenhaus am Rande der Stadt. Ein Vorgarten voll Rhododendren und Azaleen schmiegte sich an die verrußten Backsteinmauern. Die Vorhänge der Fenster waren grau und zugezogen. Hinter einem von ihnen wartete das Schlafzimmer Rosannas. Als Van Helsing mit Mrs. Witherspoon den Raum betrat, lag Rosanna im Bett und starrte auf die Zimmerdecke. Van Helsing setzte sich zu der jungen Frau und drückte seine Hand auf ihre Stirn. Er beugte sich über sie und sah ihr in die Augen. Ihre Pupillen waren verengt.
“Laudanum?”
“Sie nimmt es jeden Tag, Sir.”
“Wo ist es?” Mrs. Witherspoon holte es aus der Schublade des Nachttisches.
“Verstecken Sie es!”, befahl Van Helsing. Dann beugte er sich über die Frau.
“Rosanna, erzählen Sie.” Sie rührte sich nicht, sah an ihm vorbei. Eine Viertelstunde lang stellte Van Helsing seine Fragen. Ohne Erfolg. Rosanna zeigte keine Regung. Van Helsing nickte zu Mrs. Witherspoon hinüber und zog eine Taschenuhr hervor. Er hielt sie über Rosannas Gesicht, ließ sie vor ihren Augen pendeln.
Seine leise Stimme füllte den Raum: “Rosanna, sehen Sie auf die Uhr. Holen Sie tief Atem und füllen Sie ihre Lungen. Atmen sie langsam aus. Schlafen Sie jetzt. Nun holen Sie tiefer Luft als zuvor. Atmen Sie so tief ein, wie Ihre Lungen es zulassen. Gut. Atmen Sie aus. Schlafen Sie jetzt. Schließen Sie die Augen. Ihre Augen sind jetzt geschlossen. Lassen Sie sie geschlossen bis ich Ihnen sage sie wieder zu öffnen.”
Van Helsing steckte seine Uhr in die Tasche und sagte leise: “Sie werden mir jetzt alle meine Fragen beantworten.
“Rosanna, haben Sie Angst?”
“Ja.”
“Wovor?” Ihre Lippen bewegten sich.
“Sagen Sie es lauter.”
“Dem Bild.”
“Welchem Bild?”
“Das Adrian von mir macht.”
Van Helsing und Mrs. Witherspoon sahen sich an.
“Haben Sie es gesehen?”
“Ja.”
“Hat er es Ihnen gezeigt?”
“Nein. Wenn er nicht malt, hängt er ein Tuch darüber.”
“Warum?”
“Er sagte, es sei erst fertig, wenn der Vollmond schiene.”
“Und sie haben unter das Tuch geschaut?”
“Ja.”
“Was haben Sie gesehen?”
“Einen Hund mit meinem Gesicht. Einen Schäferhund.”
“Und das verängstigt Sie?”
“Nein.”
“Was dann?”
“Der Wolf.”
“Ein Wolf? Was ist mit dem?”
“Er, er stützt sich von hinten auf den Schäferhund und, und….”
“Trägt der Wolf eine Kette um den Hals?”
“Ja.”
“Ist es Adrians Kette?”
“Ja.”
“Himmel Hergott!”, rief Mrs. Witherspoon. “Was geht hier vor?”
“Schweigen Sie, Frau!” Van Helsings Blick ließ sie erstarren.
“Rosanna. Wenn Sie aufwachen, haben Sie vergessen, was sie auf dem Bild gesehen haben und haben auch kein Bedürfnis es sich ansehen zu wollen. Gleichfalls haben Sie vergessen, was wir eben besprochen haben. Morgen werden Sie Adrian wieder Modell stehen und ihm sagen, Sie haben sich nicht wohl gefühlt. Sie werden von nun an Mrs. Witherspoon jeden Abend berichten, wie es Ihnen mit Adrian ergangen ist.”
Van Helsing richtete sich auf. “Ich zähle bis drei. Danach wachen Sie auf und fühlen sich sehr wohl. Eins – zwei – drei.”
Rosanna schlug die Augen auf und sah Mrs. Witherspoon und Van Helsing verwundert an. “Wieso liege ich hier? Was ist passiert?”
“Sie hatten einen Schwächeanfall.” Van Helsing zwang sein Gesicht zu einem Lächeln. “Mrs. Witherspoon hat mich gebeten, Sie zu untersuchen.”
Röte überflammte Rosannas Gesicht, als sie sah, dass Van Helsing ihre Hand hielt.
“Morgen können Sie wieder Ihrer Arbeit nachgehen.” Er bat Mrs. Witherspoon diesen Tag bei Rosanna zu bleiben.
Als er wieder in der Kutsche saß, war er auf dem Weg nach Scotland Yard um Detectiv McElroy zu sprechen. Das Jagdfieber hatte Van Helsing ergriffen. Ein Rausch, der ihn befiel, wenn immer er einem neuen Phänomen auf der Spur war.
Adrian schrieb Rosanna Gedichte. Jeden Tag. Van Helsing las die Abschriften, die Mrs. Witherspoon von ihnen machte. Die Originale gab Rosanna nicht aus der Hand.
‘Voller Mond, der Wolken bricht
Sehe dich in seinem Licht
Wenn die Scheibe silbern scheint
Sind wir unter ihr vereint’
Van Helsing dachte: ‘Wenn Adrian so malt, wie er dichtet, wird die Welt nicht um ihn trauern.’ “Bis auf eine Ausnahme”, murmelte Van Helsing und verzog das Gesicht.
In der Vollmondnacht stand er mit Polizeidetektiv McElroy und Mrs. Witherspoon vor deren Haus. McElroy, ein Mann athletischer Statur, der in dieser Zeit der Moderne, die Bauwerken wie dem Londoner Kristall-Palast die Möglichkeit gab sich zu entfalten, in der Schiffe in fünfzehn Tagen den Atlantik überquerten, in der Professoren wie Van Helsing das Geheimnis von Vampiren und Trollen lüfteten, sich nicht wunderte, dass weitere Phänomene der Entdeckung harrten.
McElroy hatte sich sofort bereit gefunden, Van Helsing mit seinen Männern bei diesem Vorhaben zur Seite zu stehen. Polizisten hielten sich mit schussbereiten Waffen und einem dutzend Pitbull Terrier in einer Seitenstraße verborgen.
In Rosannas Schlafzimmer brannte Licht. Die Vorhänge waren zurückgezogen.
Van Helsing sah, Rosanna lag im Bett und wälzte sich im Halbschlaf hin und her. Er hatte es Mrs. Witherspoon gestattet, Rosanna einige Stunden zuvor Laudanum zu geben. Das Opiat sollte ihr den Schrecken nehmen, von dem sie unweigerlich überwältigt werden würde, wenn -.
Das Metall seiner Halskette glänzte silbern unter den Strahlen des Mondes, als der Wolf an ihnen vorbei in den Vorgarten rannte und durch das Schlafzimmerfenster sprang. Glas klirrte. McElroy blies in seine Trillerpfeife. Polizisten liefen in den Vorgarten und bauten sich mit ihren Gewehren vor dem Fenster auf. Der Wolf sprang auf Rosannas Bett, zog die Decke mit seinen Zähnen zurück. Die Polizisten legten an. Der Wolf zerrte am Nachthemd.
“Feuer frei!”, brüllte McElroy. Die Polizisten zögerten. Worauf warteten sie? Van Helsing war irritiert. Hatten sie noch nie eine nackte Frau gesehen? Wut stieg in Van Helsing hoch. Er riss einem Polizisten das Gewehr aus der Hand, legte an und schoss. Dann schossen sie alle. Die Geschlosse schleuderten den Wolf aus dem Bett. Rosanna richtete sich auf.
“Feuer einstellen!” McElroy stellte sich vor seine Leute und drehte sich zum Fenster hin. Der Wolf sprang wieder hervor.
“Adrian!” Der schrille Schrei Rosannas riss Van Helsing aus seiner Lähmung. Der Wolf schien unversehrt und fuhr fort, Rosannas Körper bloß zu legen.
‘Silberne Kugel. Wieso habe ich es nicht für möglich gehalten. Es geht nur damit.’ Van Helsing hob Sherlock von Mrs. Witherspoons Arm und trug ihn in das Haus.
“Sherlock, du bist der Einzige, der uns noch helfen kann”, flüsterte er ihm zu, bevor er ihn in Rosannas Schlafzimmer ließ. Durch die Tür sah er, wie Sherlock auf den Wolf sprang, die Krallen über dessen Rücken zog und auf die Fensterbank flüchtete. Der Wolf ließ von Rosanna ab und folgte Sherlock in den Vorgarten. Der Kater fegte über die Mauer. Der Wolf verfolgte ihn, die Hundeführer ließen die Terrier los. Der Mond schien hell genug, um die Männer sehen zu lassen, wie die Hunde sich an dem Wolf festbissen. Der wand sich unter den Attacken der Tiere. Seine Silhouette nahm menschliche Gestalt an. Die Terrier hingen an ihren Armen, Beinen, an ihrem Rumpf und liessen erst von ihr ab, als sie zu Boden fiel.
“Mrs. Witherspoon, kümmern Sie sich um Rosanna!” rief Van Helsing und rannte mit den Polizisten auf die Hunde zu, welche laut bellend den auf dem Boden liegenden Körper umkreisten.
“Adrian.” Nur die Halskette ließ erahnen, dass er es war. Er schlug ein Auge auf. Seine Stimme war schwach.
“Sagen Sie Rosanna, ich habe sie geliebt.” Das Auge erstarrte. Van Helsing wandte sich ab.
“Ihr könnt ihn haben.” Er klopfte McElroy auf die Schulter und ging langsam auf Mrs. Witherspoons Haus zu. Als er sich zu Rosanna ans Bett setzte, wusste er was er zu tun hatte und zog seine Taschenuhr hervor.