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Valentinstag

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24.02.2011
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Valentinstag

Tick-Tick-Tick-Tick… durchriss das stetige Weckergeräusch die Nacht. Samuel lag seit Stunden wach und angezogen in seinem Bett. Den Blick starr an die Decke geheftet.
„Dieses Scheißteil, es bringt mich noch um den Verstand!“, dachte er sich.
Davon war er nun wahrlich auch nicht mehr weit entfernt. Seinen Verstand zu verlieren. Der Rollladen verschloss das einzige Fenster, sodass kein Blick nach draußen mehr möglich war. Der Computer surrte sanft in der Ecke des Zimmers.
Er war nervös. Die drei Bier haben ihm bisher mitnichten gut getan. Es schien seinen Irrsinn nur zu steigern.
Er durfte sich keinen Fehler mehr erlauben. Zu viele hatte er in seiner Vergangenheit gemacht.
Samuel atmete noch einmal tief ein, griff dann mit geschlossenen Augen nach der Zigarettenpackung, die neben dem Bett lag. Schnippte eine Kippe durch das aufgerissene Papier und zündete diese an. „Vielleicht meine letzte!“, schoss es ihm durch den Kopf.
Genüsslich zog er an seinem Glimmstängel und aschte, wenn nötig, neben das Bett auf den Boden. Ihm war klar, dass er wohl nicht wieder kam.
Julia, er hatte Julia da einfach mit reingezogen. Dieses hübsche Mädchen. Vom ersten Moment als er sie in einer Kneipe erblickte, war er wie in ihren Bann gezogen. Diese braunen Augen, die keine Regung erkennen ließen und so geheimnisvoll durch die Nacht blinzelten. So verführerisch durch die richtigen Akzente mit Lidschatten in Szene gesetzt.
Das struppige, blonde Haar, welches zu einem festen Zopf in den Nacken gebunden war. Sie war etwa einen Kopf kleiner, aber Größe war Samuel noch nie wichtig gewesen. „Knapp 1,70 Meter misst sie wohl“, dachte er sich bei ihrem ersten Treffen. Aber das verführerischste war ihr Lächeln, dieses makellose Lachen. Es zog ihn in einen Bann und wollte ihn nie wieder los lassen. Er wollte es nie wieder los lassen. Unter dem linken Auge eine kleine geschwungene Narbe, woher Julia die hatte war ihr Geheimnis.
Samuel öffnete die Augen, setzte langsam einen Fuß nach dem anderen neben das Bett, stand auf, griff seinen gepackten Rucksack und warf einen Blick auf die Uhr. 3:20 strahlte ihm das Ziffernblatt des Weckers entgegen, als wollte er sagen: „Es ist an der Zeit, beweg dich! Tu was!“
Er drehte sich zu seiner Zimmertür öffnete sie, durchquerte leise den Flur, um seinen Mitbewohner nicht zu wecken und verließ die Wohnung.
„Zum Glück wohne ich im Erdgeschoss“, ging es ihm durch den Kopf.

Vor einer Woche, auf dem Valentinstag, hatte er Julia abserviert, da wäre eine Neue. Ein heißes Teil, irgendwie so hatte er sich ausgedrückt. Aber doch nur, damit sie die Finger aus dem Geschäft lässt.
OPM war der Plan, OtherPeopleMoney. Dafür hatte er sich Geld in rauen Mengen geliehen. Es war gar nicht so einfach in einer Kleinstadt wie Bottrop so ein zwielichtiges Gesindel zu finden, wenn man nicht weiß, wo man suchen muss.
Wenn man alle Hoffnung verloren hat, lernt man andere Wege kennen. Wege und Gestalten die man sonst nie sieht. Die Leute, die den Pennern am Bahnhof das Zeug verkaufen, aber vor allem die, die dahinter stehen. Größen und Namen, die wie Schall und Rauch sind. Klingen wie amerikanische Städte und russische Zungenbrecher.
Diese Leute machen Geld locker, natürlich nicht, ohne dass man vorher eingeschüchtert in einem ihrer Hinterzimmer gesessen haben muss, welches nach Rauch und billigem Nuttenparfüm stank. Man will seiner Drohung doch auch Nachdruck verleihen. Samuel blieb weitestgehend unbeeindruckt. Sterben war schon lange zu einer Option geworden. Aber seit ihm die Fäden aus der Hand geglitten waren, war es auch wahrscheinlich. Julia, meine Güte, hätte er sie nie angesprochen. Sie bekam Wind von seiner Idee und Samuel erzählte ihr das erste widerwillig, aber dennoch war er froh, Publikum gefunden zu haben.
Das Julia sich aber für seine Idee begeisterte und einplante, das war nicht vorhergesehen.
Sie änderte den Plan und Zeiten. Samuel wollte das Geld investieren, er hatte Laborausrüstung gekauft. Glutamat war sein Stichwort, er wollte es chemisch verändern, es Firmen in ihre Produktion einschmuggeln und diese dann erpressen. Simpel aber gut.
Glutamat, eigentlich nur ein Geschmacksverstärker. Samuel wollte ihn verändern, so dass er abhängig macht. Eine moderne Kreuzung mit Kokain. Das Essen würde schmecken wie immer, kein Test würde es nachweisen. Aber dennoch hätte er die Firmen in der Hand. Ein Konto in der Schweiz, ein paar Transaktionen und schon wäre er außerhalb der Europäischen Union und reich. Ein paar ehemalige Kommilitonen aus der Universität Essen waren bereit für ihn zu arbeiten. Eine alte Lagerhalle in der Nähe des Hauptbahnhofs war gemietet und die Materialien bestellt. Es lief gut.
Als Julia den ersten Kommilitonen entließ, weil er unhöflich war und dieser aufmurrte, speiste Samuel ihn ab, mit Geld, nicht zu wenig Geld. Er wollte kein Blut an seinen Händen. Als Julia den Produktionstermin nach vorne verlegte, bekamen sie Zeitdruck. Eine ungute Kombination und zwei unberechenbare Faktoren, fanden die Geldgeber. Als Pitie, einer der Handlanger und Vollstrecker, Samuel in der Kneipe auf dem Klo abpasste und erklärte, den Bossen gefalle Julia nicht, wurde er nervös, denn er liebte sie. Das machte ihm dieser Moment schlagartig klar.

Auf dem Weg zur Lagerhalle.

Er ging die Straße entlang, in seiner Hosentasche ein Butterfly und in dem Rucksack eine alte 9mm. Wenn man einmal weiß, wie der Untergrund funktioniert, dann bekommt man alles. Samuel schlenderte die Sandbahn entlang, vorbei an einem heruntergekommenen Spielplatz und einer alten Kirche. Diese alten Gemäuer hatten sicher schon lange keinen Gottesdienst mehr gesehen. Die kalte Nachtluft ließ ihn erschaudern statt seine Sinne zu schärfen. Die Müdigkeit der letzten Woche machte ihm zu schaffen. Fuß um Fuß. Eine Rechtskurve den kleinen Abhang hinunter und fünf Minuten der Straße folgen. Dann wäre er da.
Die kalte Luft ließ seine Lippen austrocknen und rissig werden. Er kaute nervös auf ihnen herum, so dass sie zu bluten begannen.
Die Lagerhalle sah verlassen aus. Er ging um sie herum, der Personaleingang war sein Ziel. Der sechsstellige Türcode ließ die Tür mit einem Surren öffnen, er zog sie auf und schlüpfte hindurch. Drinnen war es dunkel, er tastete nach dem Lichtschalter an der Wand und betätigte ihn. Das grelle Neonlicht blendete ihn und dann war da dieses Surren aus den Neonröhren, was ihn die letzte Woche, Nacht um Nacht begleitet hatte.
Als seine Augen sich langsam wieder weiteten erkannte er, dass Jens und Jonas tot auf dem Boden lagen. Sie waren beide mit einem Kopfschuss hingerichtet worden und irgendwas hatte an ihnen genagt, besser gesagt, von den beiden gefressen. Die Kleidung war zerfetzt und um die beiden zerrissenen Körper hatte sich eine rote, matschige Lache gebildet. Als Samuel näher kam, konnte er Pfotenabdrücke erkennen. Ziemlich große Pfoten. Es lief ihm kalt den Rücken runter, er war aufgeflogen. Was zur Hölle war passiert? Als er herumschnellte, weil er ein knurrendes Schmatzen vernahm, kam ein Dobermann auf ihn zugeschossen. Die Augen aufgerissen und animalisch. Samuel griff nach rechts und schob den Stuhl in den Weg, der Hund krachte mit einem Donnern davor. Als er quer durch den Raum rannte, erkannte er die ganze Situation. Zwei Leichen lagen hinter den Arbeitstischen. Samuel wurde spontan übel, aber er musste weiter rennen, um Abstand zwischen sich und den Hund zu bringen. Die beiden Körper waren zerfetzt, Körperteile abgetrennt, nicht chirurgisch fein, sondern mit bloßer Gewalt aus den Gelenken gerissen, Sehnen und Knochen frei gelegt und verstümmelt. „Die Wurst, diese Vollidioten hatten dem Dobermann von der Wurst zu fressen gegeben“, dachte er. Das versetzte Glutamat wirkte wohl mehr als nur aufputschend. Es verklebt die Rezeptoren und schaltet je nach Wirkungsfeld im Gehirn ganze Bereiche aus. „Kein Wunder, dass dieses Mistvieh so wild ist!“, schoss es Samuel durch den Kopf.
Die Tür zu seinem Büro war zum greifen nahe. Da schoss von rechts ein zweiter schwarzer Schatten heran. „Der Köter hat hier auf mich gelauert“, so kam es Samuel in Gedanken. Da durchströmte ihn auch schon ein warmes Gefühl, gefolgt von Schmerz. Der Hund verbiss sich in seinem Bein und riss einen Fetzen Fleisch raus. Er stürzte, riss seine Arme abwehrend nach oben, um den ersten Hund davon zu stoßen. Doch dieser tauchte unter seinen Armen durch und zerbiss ihm die Kehle. Ein glucksendes Geräusch kam aus seinem Hals. Er atmete nicht mehr durch Mund und Nase, nein direkt durch den Hals. Samuel fühlte, wie seine Bewegungen langsamer wurden, sein Herz ruhig. Er blickte einem der Hunde in die kalten Augen, ehe er seine schloss. Von entfernt bemerkte er noch, wie Fleisch aus seinen Muskeln und Fett von seinem Körper gerissen wurde. Doch je mehr der Schmerz nachließ, desto entspannter wurde er.

Tick-tick-tick-tick „Dieses Dröhnen, ich halt es nicht aus. Irgendetwas muss ich doch tun können“, fragte sich Julia. Gequält von diesen Gedanken stand sie auf, lief durch das Zimmer, setzte sich an ihren Laptop. Mehr in Gedanken als bei Bewusstsein prüfte sie ihre E-Mails. Von einem Schweizer Konto wurde ihr Geld überwiesen. Eine Abfindung, denn ich kann ohne dich nicht leben, vllt. kannst du das: Hiermit. Stand im Betreff.
Ein Griff nach der dicken Jacke und den Schuhen, kurz darauf war Julia schon in die Nacht entschwunden. „Bald sind wir wieder zusammen Sam, bald hab ich dich wieder!“, ging es ihr durch den Kopf auf dem Weg zur Lagerhalle.

Auf dem Weg zu der Verabredung mit dem Schicksal.

 
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Aus Horror nach Spannung/Krimi
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Zum Verständnis: dies ist ein blutiger Thriller und gehört daher nach S/K. Horror ist ein anderes Genre, das sich nicht über die Menge an Blut definiert.

;)

Tip: Das Thema gibt es in sehr phantasievoller und sauberer Ausarbeitung in Horror als Serie: Nanyte. Schau da doch mal rein zum Vergleich, durchaus auch stilistisch zu verstehen.

 

Hallo CareTaker,

herzlich willkommen hier!

Eine wahrlich schwarze Geschichte. Da gibt es Gangsterbosse in verrauchten Hinterzimmern, Schlägertypen, Bahnhofspenner und Kleindealer, eine verfallene Kirche, eine düstere Lagerhalle und nicht zuletzt einen illusionslosen Protagonisten.
Als Kontrast Julia mit ihrem makellosen Lachen und jede Menge Enthusiasmus. Aber auch sie geht am Ende in der düsteren Grundströmung der Story unter. Sehr schön, wenn ich das mal so sagen darf. :D

Der Einstieg ist für den Leser nicht spannend.
Man erfährt zu wenig oder besser gesagt, nur Banalitäten, die schon oft geschrieben wurden.
Samuel liegt wach im Bett, das Ticken (ticken Radiowecker?) nervt, er hat drei Bier getrunken, hat schon zu viele Fehler gemacht – wer nicht? – und denkt an Julia, die er irgendwo mit reingezogen hat.

Als Leser, im Unterschied zum Autor(!), hab ich bis dahin keine Ahnung, was los ist und worauf das hinausläuft. Warum soll mich das alles interessieren? Was ist an Samuel und seiner Situation so außergewöhnlich? Da fehlt mir der Aufhänger, der Haken, ein Konflikt, oder wie immer man das nennen will, der mich an die Geschichte bindet.

Interessant wird es ab hier:
„Vor einer Woche, auf dem Valentinstag, hatte er Julia abserviert, da wäre eine Neue. Ein heißes Teil, irgendwie so hatte er sich ausgedrückt. Aber doch nur, damit sie die Finger aus dem Geschäft lässt.“
Aha, Konflikt in Sicht. Liebesdrama.

Ab hier bekommt Samuel endlich ein unverwechselbares „Gesicht“:
„Wenn man alle Hoffnung verloren hat, …“

Ab hier könnte es spannend werden:
„Auf dem Weg zur Lagerhalle.“
Ich frage mich allerdings, was er da will. Ärger erwartet er dort anscheinend nicht, sonst hätte er seine wirkungsvollere Waffe, die Pistole, nicht im Rucksack vergraben. Seine frühere Bemerkung: „Vielleicht meine letzte! (Kippe)“ stiftet nun eher Verwirrung als Spannung.

Also, für mich funktioniert der Spannungsbogen nicht. Da müsste noch dran gefeilt werden.
Vielleicht wäre es auch nicht verkehrt, mit diesem Part zu beginnen:
„OPM war der Plan, OtherPeopleMoney. Dafür hatte er sich Geld in rauen Mengen geliehen.“ Usw. Denk mal drüber nach.

Details:

Glutamat, eigentlich nur ein Geschmacksverstärker. Samuel wollte ihn verändern, so dass er abhängig macht.
Glutamat macht abhängig, da braucht nix verändert werden.

Das Essen würde schmecken wie immer, kein Test würde es nachweisen.
Schmecken wie immer? Wieso das denn?
Kein Test? Das nehme ich dir nicht ab.

Das versetzte Glutamat wirkte wohl mehr als nur aufputschend. Es verklebt die Rezeptoren …
Rezeptoren? Verkleben? Auch das überzeugt mich nicht. Hast du das
recherchiert? Mit der Wirkung von Glutamat hat es nix gemein.

Gruß

Asterix

 

Vielen Dank erst einmal für die hilfreichen Antworten.

Das ist mein erster "abgeschlossener" Gehversuch in der unendlichen Welt des Schreibens. Darum bin ich sehr froh von euch hier gut ausgeführte Hilfestellungen zu bekommen.

Ich seh vor allem die Zusammenhänge, die Asterix beschreibt, auch als "ausbau-/auspfeil fähig". Ich hab zu sehr aus der Sicht des Autors geschrieben und vergessen den Leser abzuholen.
Da wird mal eine Überarbeitung bei offener Tür fällig :)

Ein schönes Wochenende noch.

lg CareTaker

 

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