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Utopie

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01.09.2002
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Utopie

Wir saßen auf dem Bett. Sie hatte sich mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, ein Bein im Winkel aufgestützt, das andere quer darunter gelegt, und ihr Rock, der durch diese Stellung weit nach oben gerutscht war, gab einen hinreißenden Blick auf ihre hinreißend langen Beine frei.

„Weißt du“, sagte sie und zog das folgende Wort in die Länge, um ihm Nachdruck zu verleihen, „Männer...Männer gibt‘s wie Sand am Meer. Als Frau brauchst du doch nur mal am Wochenende um die Häuser zu ziehen – wo du hinkommst: Männer, nichts als Männer, und alle spitz wie Nachbars Lumpi. Du bist noch nicht mal richtig in der Tür drin, da haben sie dich schon mit den Augen ausgezogen.“

Ich hörte ihr aufmerksam zu. Ihr Gesicht hatte sich leicht gerötet, dann und wann nickte sie heftig, um ihr besonders wichtig erscheinende Worte zu unterstreichen, wobei sie gleichzeitig mit dem Finger imaginäre Löcher in die Luft bohrte. Ich schenkte ihr nach.

„Ich will dir was sagen“, fuhr sie fort, „ich war mal verheiratet, drei Jahre, und die erste Zeit war‘s der Himmel auf Erden. Er war zärtlich, aufmerksam, Schnuckelchen hier und Schnuckelchen dort, drei Mal Blumen die Woche, nie Streit oder so, war immer da, wenn ich das Bedürfnis hatte, mit ihm zu reden. Sogar im Büro konnte ich anrufen, wann immer ich wollte, und wenn er mal eine wichtige Besprechung hatte, dann hat er sogar die unterbrochen. Wirklich, die erste Zeit – war schon toll.“

Sie trank einen kleinen Schluck und fischte sich eine Zigarette aus der Packung. „Aber irgendwann“, hob sie wieder an, „irgendwann, und das Schlimme ist, ich kann nicht mal genau sagen, wann...irgendwann, da war‘s vorbei. Routine, Alltag oder so, weiß auch nicht so genau, aber da war ’n Knacks, so, na ja, so ’n Bruch eben. Plötzlich kam er abends immer später nach Hause, plötzlich mußte er unbedingt in einen Sportverein, mit Kollegen bowlen und was weiß ich nicht alles. Aber ich – ich mußte nach wie vor Mausi sein, durfte zu Hause sitzen und warten, bis der gnädige Herr nachts besoffen heimkam, und wehe, ich war mal nicht da: Einmal, ein einziges Mal bin ich mit ’ner Freundin ins Kino gegangen, ohne ihm vorher Bescheid zu sagen – die Hölle, sag‘ ich Dir, die reinste Hölle!“

Sie hatte sich in Fahrt geredet. Ihr Haar, das sie mit Nadeln, Kämmen und Klammern zu einer kunstvollen Architektur hochgesteckt hatte, hatte sich gelöst und fiel ihr nun wild übers Gesicht.

„Kannst du nicht noch mal ‚Chanson d‘ amour‘ auflegen? Danke“, sagte sie, „nein, ich hab‘ von Partnerschaft so bestimmte Vorstellungen, und die laß‘ ich mir auch nicht ausreden. Für mich muß ein Mann noch immer jemand sein, zu dem ich aufblicken und auf den ich mich verlassen kann. Wenn es eins gibt, was ich hasse, dann ist es Unaufrichtigkeit. Liebe, das heißt für mich Vertrauen, heißt, alles zusammen machen, nicht der eine das und der andere das. Dazu brauch‘ ich keine Partnerschaft, da kann ich auch allein bleiben. Aber...“ , sie unterbrach sich und legte ein kurze Pause ein, so, als ob sie sich noch einmal versichern wollte, daß jedes Wort auch genau das ausdrückte, was sie eigentlich sagen wollte, „aber das größte Problem ist, daß die Männer einen dauernd umerziehen wollen. Kaum glauben sie, sie haben dich fest an der Leine, da geht‘s auch schon los: ‚Tu‘ das nicht, mach‘ das nicht, zieh‘ dich anders an, telefonier‘ nicht so viel mit deiner Freundin, die vergiftet nur unsere Beziehung!‘ Na, und so weiter. Aber sie nehmen sich alle Freiheiten, und du hast zu tanzen: ‚Du, heute abend treff‘ ich mich mit ein paar alten Kumpels von mir, wär‘ schön, wenn du mitkommst, dann lernst du sie alle gleich mal kennen.‘ Und dann gehst du mit, machst dich vorher stundenlang zurecht, um einen guten Eindruck zu machen, bist zu jedem nett, gehst auf jeden ein, und was ist? Die sitzen da, lassen sich langsam vollaufen, quatschen über ihre Scheiß-Autos und die Bundesliga, über die wilden Zeiten, früher, als sie noch allein waren und machen konnten, was sie wollten, und auf niemand Rücksicht nehmen mußten, und die Weiber sitzen in der Ecke und labern über Kochen, Stricken und Klamotten. Nee, sag‘ ich dir, nicht mit mir, und die Frauen, die sowas mitmachen, die können mir nur leid tun!“

Sie war vollends in Rage geraten. Ihr Kopf beschrieb bei jedem Satz, den sie mehr hervorstieß als sprach, einen Halbkreis zur Seite, ihre Augen funkelten, und ihre Brüste, deren Spitzen sich durch den dünnen, enganliegenden Pullover deutlich abzeichneten, bebten vor Erregung.

„Nee“, sagte sie noch einmal, und die Lautstärke, mit der sie jetzt sprach, zerriß die nächtliche Stille des Hauses, „nicht mit mir! Ich hab‘ meine Träume noch nicht aufgegeben, ich glaub‘ noch immer an so was wie die große Liebe. Aber nicht so! Wenn ich mich noch mal verliebe, dann muß der Mann für mich da sein, und nicht umgekehrt. Da muß das Gefühl stimmen, verstehst du?! Und wenn das Gefühl stimmt, dann bin ich auch bereit, Opfer zu bringen. Dann ergibt sich alles andere sowieso von selbst. Und wenn ich weiß, tief drinnen, hier“, sie tippte mit dem Finger in das Tal unter ihrer linken Brust, „wenn ich weiß, daß er für mich da ist, dann kann er meinetwegen machen, was er will. Ich sperr‘ niemand ein, ich leg‘ niemand an die Kette, ich laß‘ jedem seine Freiheit, wenn ich sicher bin, daß er meine Gefühle respektiert.“

Sie war auf dem Höhepunkt ihrer Erregung. Ihre Augen sprühten wilde Blitze, ihr rechtes Bein zitterte, einer der beiden großen Ohrringe hatte sich durch ihr wildes Nicken und Kopfschütteln gelöst und war auf die Bettdecke gefallen. Das schwere Metallarmband, das sie am linken Handgelenk trug, klapperte im Rhythmus ihrer heftigen Bewegungen.

„Und wenn du all diese Vorstellungen, all diese Träume mal beiseite schiebst – was ist dann?“ fragte ich, leicht eingeschüchtert durch die Vehemenz und die Wildheit, die jetzt von ihr ausgingen.

„Dann“, fauchte sie und riß sich mit einem Ruck den Pullover über den Kopf, „dann könntest du mich jetzt ruhig endlich mal anfassen und mich ausziehen. Oder glaubst du, ich bin mitgekommen, um hier die ganze Nacht auf dem Bett zu sitzen und zu quatschen?“

ENDE

 

Hi Anchor,

ehrlich gesagt weiß ich nicht, was Du mit der Geschichte auszudrücken vermagst. Die meisten Aussagen deiner Hauptfigur passen zu der Überschrift, aber die Geschichte wirkt irgendwie oberflächlich. Es fehlt etwas mehr Pepp.Emotionen hättest Du genauer beschreiben sollen.In gewissen Passagen hast Du zwar Emotionen beschrieben, doch sie hätten durchgehender sein können.
Gut gelungen finde ich die Art, mit der Du die Frau beschrieben hast, es wirkt echt. Auch die Ausdrucksweise passt zu dem Inhalt, den sie vermittelt.Die Umgangssprache hast Du ebenfalls gut in die Geschichte integriert.

 

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