Was ist neu

Utopia

Beitritt
14.04.2012
Beiträge
2

Utopia

Ich war in einem Dorf, das war so friedlich, dort haben die Polizisten Selbstmord begangen, aus Langeweile. Ein jeder Bürger hatte alles oder konnte alles haben und jeder kannte seine Grenzen und die des nächsten. Jeder respektierte und liebte einander. Unterhaltung boten komplizierte Spiele, die jeder einmal abwechselnd gewinnen konnte und es gab wunderbare Musik. Im Prinzip war es Utopia, das Paradies. Alles aus unserer Welt war dort... perfekt. Doch nicht nur die Polizisten, auch die anderen Bürger brachten sich langsam, einer nach dem anderen selbst um, höchst aufwändig inszeniert, häufig mit Vorrichtungen und Maschinen, an denen lange geplant und gebaut worden sein musste. Es war auf Dauer so langweilig und öde geworden, keiner konnte dieses Glück ertragen. Ich fahre trotzdem immer wieder gerne hin, so als Tourist. Denn schön ist es schon dort, so unglaublich schön...

 

Hallo,

das Problem mit so einem Text ist es, dass er genau eine Idee hat: Den Menschen wäre es in einer perfekten Welt so langweilig, dass sie sich umbringen.

Diese Idee wäre ganz fantastisch, wenn sie nie ein Mensch vor dir gehabt hätte . Leider hatten die Leute schon und sie haben Geschichten daraus geschrieben, und es wurden Filme gedreht und Twilight-Zone-Folgen und so.

Und jetzt hast du einen Text, der nur aus einer Idee besteht und die Idee kennen manche Leser aber schon.

Außer der Idee hast du nichts in dem Text.

Und die armen Leser, die diese Idee noch nicht kennen, bekommen Sie von dir in einem 9Zeilen-Text einfach so gesagt. Ohne richtigen Spannungsaufbau, ohne Figuren oder so, das heißt, der näcste Autor, der jetzt Lust hat, sich mal mit diesem Thema auseinander zu setzen und sich richtig Mühe gibt und so, dem hast du das Publikum schon mitverdorben. :)
Aber tröste dich. Die Idee, die du hier hast, kam in Matrix und vor 60 Jahren schon mal in einer Twilight-Zone-Folge vor und gehört so ein bisschen zum allgemeinen Popkultur-Kanon.

Deshalb ist es so unklug, Texte zu schreiben, die nur aus einer Idee bestehen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch: Wenn die Idee gut war, ist sie schon verarbeitet und im Kanon. Und wenn sie schlecht war, dann ... naja.
Lieber auf andere Sachen verlassen, Figuren, Sprache, Aufbau, Phantasie, Schöpfungskraft als auf eine einzige Idee.

gruß
Quinn

 

Hallo Maximilian

Alles aus unserer Welt war dort... perfekt.

Was heisst schon perfekt, wer definiert denn einen "absoluten Perfektionismus"? Das liegt doch immer im Auge des Betrachters, sprich, jeder Mensch hat eine andere Vorstellung davon. In der heutigen Gesellschaft kann ich mir sowas nicht vorstellen, es gibt immer konkurrierende Bedürfnisse, ein solcher absoluter Perfektionismus, wie du ihn andeutest, funktioniert nur bei einer "gleichgeschalteten" Gesellschaft, in der jede Individualität aufgehoben ist, in der es keine von der Allgemeinheit abweichenden persönlichen Bedürfnisse mehr gibt.

Wells hat so eine Welt erschaffen, in der Zukunft im Jahr 800.000-und-irgendwas, bevölkert von den Eloi, aber das war nicht mehr als menschliches Vieh, also dann funktioniert das schon. Aber schau mal was passierte, als der Erzähler aus dem Jahr 1899 in diese Welt kam, also jemand, der nicht in diese gleichgeschaltete Gesellschaft passte - vergleichbar vielleicht mit deinem Erzähler, der ja nur als Tourist dorthin reist. Das funktioniert einfach nicht.

Und genauso funktioniert auch dieser Text nicht für mich. Da müsstest du schon mehr ins Detail, wie Quinn gesagt hat, dir einfach mehr Mühe geben, das Ganze ausarbeiten. Mich hättest du dann wahrscheinlich schon gepackt, ich kenne die Twilight-Folge nicht und hab mich auch nie für Matrix begeistern können, aber so ist das einfach viel zu wenig. Aus dieser Grundidee könnte man ja einen ganzen Roman machen (haben vielleicht auch manche schon), das kann man nicht überzeugend abarbeiten mit weniger Wörtern als ein Grundschulaufsatz ...

Viele Grüsse.

 

Ach kommt schon, Leute. Ein wirklich neues Erzählelement zu kreieren, ist in etwa so einfach, wie ein neues chemisches Element zu kreieren. Wer zu viele unnötige Details will, soll russische Schriftsteller lesen. Mir geht es tatsächlich nur um eine Idee, die nett verpackt ist und die eine Vielzahl von Gefühlen im Leser wecken kann. Stellt es Euch als aufgehübschte, ansprechendere Flash Fiction vor. Das Literaturformat der Facebookgesellschaft. Bingo. Die Fleißarbeit kommt später. Gleich nach der Werbung...

 

Hallo Maximilian,

„Ach kommt schon, Leute. Ein wirklich neues Erzählelement zu kreieren, ist in etwa so einfach, wie ein neues chemisches Element zu kreieren.“

Das stimmt!

Die Kunst ist aber, aus alt bekannten ‚Elementen‘ neue ‚Verbindungen‘ herzustellen – mit überraschenden Eigenschaften, sprich Aussagen.

„Wer zu viele unnötige Details will, soll russische Schriftsteller lesen.“

Dann lies mal Daniil Charms – und dann weißt du auch, warum den kaum einer kennt.

Schade – hätte gerne eine Geschichte über ‚Utopia‘ gelesen.

Tschüss,

Woltochinon

 

Na, kg.de kann's nicht sein, dieses Utopia,

lieber Max,

denn es ist hier noch keiner vor Langeweile umgekommen, obwohl ab & an Anlass gegeben wäre -

und darum zunächst herzlich willkommen in der Anstalt, pardon, auf der Plattform. Aber kann ein Dorf in einer unheiligen Welt "perfekt" sein und einem Paradies gleichen? Hätte Karl Marx nicht auf das Scheitern der Sowjetunion noch vor ihrer Gründung hingewiesen, wenn er denn 1917 noch gelebt hätte? Marx und Engels wetterten gewaltig gegen den russischen Nihilismus und was Russen unter wissenschaftlichem Sozialismus verstanden. Naja, kann ja keiner 40 Jahre vorher ahnen, dass ein Jesuitenschüler die Inquisition wiederaufleben lässt und in Wettbewerb zu einem Pinselquäler und dessen Kohorten tritt.

Will nur sagen, das Utopia Thomas Morus' hat nix mit dem Paradies zu tun. Und Lennon's Newtopia auch nix mit Morus.

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi, bevor ihr euch jetzt zofft, will ich mal schnell was zur Klärung beitragen. Auch wenn ich etwas harmoniesüchtig herüberkomme, das macht nix.

Friedel wollte, so wie ich es verstehe, schon auch etwas Inhaltliches sagen, auch wenn da etwas die Kommentiergäule mit dir, Friedel, durchgegangen sein mögen. Friedels Kommentar bezieht sich auf den Satz von Maximilian im Text:

Im Prinzip war es Utopia, das Paradies.
Damit setzt du Maximilian, beide Begriffe gleich. Utopia ist aber eine Zukunftsvorstellung, sie kann mehr oder weniger gut ausfallen. Sie kann das Gegenteil vom Paradies sein. Wenn man es synonym setzt, kann das sehr missverständlich wirken. Du wilst ja hier beschreiben, dass aus dem Paradies ein Alptraum wird. Daher würde ich an deiner Stelle dieses Paradies, das dann ja zur Hölle wird, auspinseln. Den Tagesablauf dort schildern. Die gähnende Langeweile. Weitere Hobbies außer diesen Spielen verboten. Musik eben nur die sanfte Sorte. In irgendeiner Geschichte, weiß nicht mehr, wo das war, vielleicht sogar hier, las ich mal die Idee, dass es in genau so einem Ort ein Fest gab, einmal im Jahr durfte man sich dann umbringen. Und jeder wollte der Glückliche sein. Aber der wurde natürlich nur durch Los bestimmt. Wenn du das auf deine Weise erzählst, mit deiner Touristenidee koppelst und anfängst richtige Szenen zu entwickeln, dann dürfte eine (im besten Sinne) schön widerliche Story dabei rauskommen.

Viele Grüße
Novak

 

Ich sehe in Friedels Beitrag ebenfalls noch einen Kommentar zur Geschichte, drum bleibt der, die beginnende Diskussion im Anhang habe ich gelöscht. Tauscht und breitet euch per PM, Mail oder im Chat drüber aus, nicht unter der Geschichte.

 

Hallo Maximilian Tannert,

willkommen auf kg.de.

Irgendwie habe ich den Eindruck, als wolltest du vermitteln, es wäre cooler, den Einkaufszettel zu essen, statt sich Nahrung zu besorgen.

Rick

 

Mit’n bissken Abstand muss man neidlos erkennen, dass Spontaneität zu dümmlichen Reaktionen führt, dass ich nunmehr als schlechter Schlaraffe den Einkaufszettel aus Zuckerwatte gefressen hab und mich hier noch einmal melden muss, denn noch ist nicht alles gesagt und selbst der unglückseligste Text – was dieser sicherlich gar nicht mal ist, mag sich kommentierendes Publikum gebärden, wie es will – hat Anspruch auf angemessene Behandlung – wobei ich bewusst das auslegungsbedürftige Adjektiv wähle und doch vor allem auch so etwas wie Gleichbehandlung darunter fasse.

Schon im Rückgriff auf den Titel des T. More von 1516 weckstu,

lieber Max,

Erwartungen, die nicht erfüllt werden können –

abgesehen von dem schon genannten Fehlgriff, die bestenfalls rückwärtsgewandte Utopie (wenn man denn für einen Mythos den Begriff der Utopie verwenden will) des Paradieses durch den Satz

Im Prinzip war es Utopia, das Paradies
mit einer Zukunftsvision gleichzusetzen –

dabei ist es wurscht, ob ein uraltes Thema aufgegriffen wird (niemand sollte so naiv sein, Troja wäre eine Erfindung Hollywoods, nicht mal das Schlaraffenland ist eine Erfindung der Grimm Brothers).

Aber es findet sich ein weiterer Fehlgriff in dem Satz

Jeder respektierte und liebte einander.
Respektieren ist etwas anderes als lieben. Meint das eine anerkennen und achten, dass wir zu Respekt auch Rücksicht sagen könnten, so umfasst das andere ein Gernhaben und Begehren. Selbst wenn ich alle respektier, hab ich noch lange nicht alle lieb, begehre nicht einmal Kontakt mit jedem.

Der Satzaufbau des wahrlich kurzen Textes lässt eher eine Diktier-, statt einer Schreibhaltung erkennen, was in den nachgefügten Zusätzen zu erkennen ist

… Selbstmord begangen, aus Langeweile
… hin, so als Tourist.
… dort, so unglaublich schön...

Das letzte Zitat verrät zudem ein anderes Manko wie hier schon vorher
Alles aus unserer Welt war dort... perfekt.
Drei Auslassungspunkte sollten nicht nur hinten, sondern auch zu Beginn eine Leertaste aufweisen.

Und wie die nachgestellten Zusätze überflüssige Kommas erzeugen, so fehlen sie an anderer Stelle:

Unterhaltung boten komplizierte Spiele, die jeder einmal abwechselnd gewinnen konnte[,] und es gab wunderbare Musik.
Der Relativsatz will einfach sein Ende finden!, wie auch schlichte, bereits erwähnte Einschübe:
Doch nicht nur die Polizisten, auch die anderen Bürger brachten sich langsam, einer nach dem anderen[,] selbst um, …

Was beim gesprochenen Wort einem durchgeht, weils flüchtig ist, fällt dem Lesenden ins Auge, weils niedergeschrieben ist und weil Protokolliertes nicht mehr flüchten kann.

Als älteste bekannte Utopie kann Platons Politeia angesehen werden und selbst den Gulliver ordne nicht nur ich als „Utopie“ ein. Aber Dein Ort ist eher ein Potemkisches Dorf, in dem eher Pappkameraden nicht einmal ihr Unwesen treiben können. Da kann dann nicht einmal Form und Inhalt übereinstimmen, denn um Langeweile aufkommen zu lassen, ist der Text zu kurz und sind die Beiträge geradezu kurzweilig.

Möge der Heilige Geist uns Weisheit schenken und nicht nur klugscheißen!
In dem Sinne frohe Pfingsten vom

Friedel

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom