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Unwiederbringlich

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15.10.2003
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Unwiederbringlich

Leise tappe ich durch das unbekannte Halbdunkel und versuche dabei im Schein der niedergebrannten Kerzen meine Sachen zusammenzusuchen. Wonderbra, Strümpfe, Kleid – aber wo zum Teufel ist mein Slip? Und wo habe ich in all der Ekstase meine Pumps hingekickt? Ein lautes Schnarchgeräusch lässt mich unweigerlich herumfahren. Noch schläft er, aber wenn ich weiter so vor mich hinfluche... Schnell husche ich auf die andere Seite des Bettes, wo ich meine Schuhe endlich entdeckt habe, und versuche im Vorbeigehen keines der Gläser umzuwerfen, die noch halbvoll auf dem sündhaft teuren Teppich stehen. Nach einem letzten prüfenden Blick und der Vergewisserung, dass Chris noch schläft, haste ich lautlos zur Wohnungstür und verschwinde. Soll er den Slip doch behalten.

Draußen auf der Strasse zünde ich mir eine Zigarette an und blase den Rauch in die kalte Morgenluft. Es ist gegen halb fünf und die Straßenkehrer beseitigen was von der letzten Nacht übrig geblieben ist. Nichts als Scherben zerborstener Flaschen und Zigarettenkippen. Langsam schlendere ich die 34. Straße in Richtung Aldo’s hinunter, wo ich mir jetzt erst einmal einen Kaffee gönnen werde. Straßenlaternen leuchten mir den Weg und einzelne Autos bahnen sich den ihren durch die Seitenstraßen. Minuten später stehe ich mit einem dampfenden Becher Kaffee und einer weiteren Zigarette vor Aldo’s kleinem Laden und starre nachdenklich die gegenüberliegende Hauswand an, auf der in großen Lettern geschrieben steht: „Geh nicht immer auf dem vorgezeichneten Weg, der nur dahin führt, wohin andere bereits gegangen sind.“ Konzentriert denke ich über die Bedeutung nach, die die Zeile in sich trägt. Doch mein Kopf lässt solche Gedankengänge nicht zu. Es ist zu früh und die Spuren der letzten Nacht noch zu frisch. Ich halte das nächste vorbeifahrende Taxi an und lasse mich zu meinem Apartment in Upper Manhattan fahren.
Das Geräusch meines Schlüssels hallt im Flur wider und schnürt mir für eine Sekunde die Luft ab. Ich weiß ich werde für alles, was ich je in meinem Leben getan habe in die Hölle kommen. Ich weiß es in dem Augenblick, in dem mir Abby blinzelnd zwischen den Kissen meines riesigen Bettes entgegenschaut und dabei aussieht, wie eine kleine Göttin. Meine Göttin. „Schön, dass du da bist.“, flüstert sie schlaftrunken und lächelt mich müde an. Sie weiß nicht, wo ich wirklich war. Sie glaubt ich sei mit alten Freundinnen weggegangen. Wie mindestens einmal in zwei Wochen. Sie glaubt sie sei die einzige, der ich meinen Körper offenbare. Sie ist so treu, so liebenswürdig, so naiv. Sie ist das einzige, was mich noch am Leben hält.
Langsam lasse ich mich neben sie gleiten, in die kühlen Wogen aus Satin. Abby sieht dazwischen aus wie unglaublich kostbares Porzellan. Meine Fingerspitzen betasten ihre sinnlichen Lippen, die blutrot nach Berührung schreien. Vorsichtig küsse ich sie, aus Angst sie zu verletzen fast unspürbar, und atme ihre wundervollen Duft ein. Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht und lässt mich wehmütig mitlächeln. Sie hat es nicht verdient, dass ich so unsagbar schlecht bin. „Ich will dich spüren, Helen.“, flüstert sie und sieht mir in die Augen, während sie meine Hand zu ihren kleinen Brüsten führt. Mit geschlossenen Augen nehme ich Abby wahr. Sie streichelt mich liebevoll. An meinem Hals, über meine Brüste, über meinen Bauch... Überall. Ich spüre ihren heißen Atem in meinem Nacken, als ich sieh an Stellen berühre, die sie wild machen. Ich weiß, was sie will. Es ist schon fast so etwas wie Gewohnheit und doch immer wieder spannend. Mein Mund berührt sie sanft, leckt, knabbert, beißt. Immer wilder treiben wir uns gegenseitig in den frühen Morgenstunden dem Höhepunkt entgegen, bis sich alles in einer Woge verliert und Abby ihre Finger in mein Haar krallt. Ich sehe in ihr zufriedenes Gesicht, als sie sich rücklings in die Kissen fallen lässt. Erschöpft streiche ich über ihr Haar, hauche ihr einen Kuss auf die Lippen und schmiege mich an sie. „Ich liebe dich.“, höre ich sie müde sagen und eine leise Träne bahnt sich ihren Weg über mein Gesicht.

Mein Therapeut, zu dem ich heimlich gehe – wie jeder der etwas auf sich hält – sagt ich solle ehrlich mir gegenüber sein. Ich starre ihn an und nicke langsam. Was heißt das? Ehrlichkeit? Das Koks lässt das Bild an der Wand zerfließen. Langsam kriecht es über den Boden zu mir und bedeckt meine Designerpumps. Mein Therapeut weiß nicht, dass Abby mich verlassen hat, nachdem sie mich in flagranti erwischt hat. Sie legte ihre Naivität ab und ging. Abby ist kein kleines Mädchen mehr. Und Evelyn ist kein Ersatz für sie. Ich liebe Evelyn nicht. Ich brauche sie eigentlich auch nicht, aber es ist nett jemanden um sich zu haben. „Helen, was wollen sie?“, fragt er mich eindringlich und ich zucke zusammen. Woher soll ich das wissen?

Dort steht sie. Evelyn. Ihr String sitzt perfekt. Grün, leuchtend, sehen ihre Augen in meine. Sie ist ihres Lebens müde. Ich weiß es. Bin es selbst. Langsam geht sie auf mich zu. Ihre Brüste wiegen im Takt ihres Schrittes. Fremd und doch so unwiderstehlich, so steht sie nun vor mir. Langsam lässt sie ihre Hand zwischen meine Beine gleiten. Mein Atem geht schwerer. Ihre Hand tut das Übrige, um mich zu dem zu treiben, was ich genau in diesem Moment nicht will. Ekstase. Ich beiße mir auf die Lippen, will die Schmerzen in meinem Herzen nicht spüren. Ich will genießen können. Ihre weichen Lippen gleiten über meine Haut, lassen mich unter ihnen erzittern. Ich lasse mich auf alles ein, erwidere, was sie mir gibt. Willenlos gebe ich mich ihr hin, von allem, was mich im Innern berührt, verlassen. Was mache ich hier? Sie ist so dominant, lässt mich in Wogen der Lust schwimmen. Ich weiß nicht, wie sie es schafft, aber schon Minuten später schmelze ich dahin. Ich will Abby.

Langsam setzt die Wirkung ein. Ich drifte dahin. Ich habe meinen Körper nicht mehr unter Kontrolle, lasse mich auf das Spiel meiner willenlosen Muskeln ein. Whisky und Koks. Die Schattenspiele an der Wand faszinieren mich, ich will sie greifen und kann es nicht. Meine scheinbar ausweglosen Qualen sind mit einem Mal wie weggeblasen. Das Fenstersims scheint mir von hier aus näher als sonst. Es spricht zu mir, will mein Freund sein. Meine – hoffentlich – letzte Zigarette verglüht einsam im Aschenbecher und mein Körper fliegt von Engelsflügeln getragen dem harten Asphalt entgegen.

 

Meine letzte Geschichte "Welcome to New York" war nur ein kleiner Test und nichts als ein Versuch. Deshalb würde ich mich sehr über Anregung und Kritik zu dieser Geschichte freuen. Liebe Grüße. die Oh

 

Hallo Oh,

leider trifft die Kritik, die dir zu deiner anderen Geschichte geschrieben wurde auch auf diese Geschichte zu.
Sprachlich ist sie gut, inhaltlich springst du zu verschwommen zwischen Themen hin und her.
Es wird deutlich, dass deine Prtagonistin bisexuell mit einer Präferenz auf das gleiche Geschlecht zu sein scheint.
Weiterhin scheint sie ebenso drogenabhängig wie sexsüchtig zu sein.
Die anderen Menschen spielen dabei lediglich eine Statistenrolle. Zur Liebe nicht fähig wird sie verlassen und flüchtet sich in neue Abenteuer. Eine Antwort über sich hat sie nicht.
Das alles wirkt auch mich etwas unfertig. Deine Geschcihte dürfte gern länger sein. Wenn sich schon deine Protagonistin den Auseinandersetzungen verweigert, gönne doch wenigstens dem Leser ein bisschen davon. In einem Absatz kriecht sie vom Seitensprung kommend in Abbys Bett, im nächsten hat Abby sie verlassen.
Die Brüche kommen für mein Gefühl zu schnell, zu unvermittelt und zu wenig nachvollziehbar.
Es wird zwar deutlich, dass sie ihrem Therapeuten Informationen vorenthält, es wird aber nciht deutlich, warum.
Schade dabei ist, dass in mir der Eindruck entsteht, du wüsstest als Autorin keine Antwort darauf. Wenn deine Prot keine wüsste wäre es plausibel. Sie muss Informationen, die sie nciht hat, dem Leser und dem Therapeuten natürlich verschweigen. Der Grund dafür darf aber nicht darin liegen, dass ihre Schöpferin die Informationen nicht hat.

Deine Geschichte dürfte gern länger sein und die Blitzlichter etwas heller ausleuchten.

Lieben Gruß, sim

 
Zuletzt bearbeitet:

Hi Sim.

Also erst mal vielen Dank, dass du dich auf meinen Beitrag gemeldet hast.

Diesmal ist alles, was du als Mängel ansiehst Absicht. So z.B. die Sprünge, die "Statistenrolle" aller anderen Beteiligten und die Vorenthaltung von Informationen.
Helen ist sehr egoistisch, bekommt ihr Leben nicht mehr in den Griff. Sie muss wohl einen ziemlich gut bezahlten Job haben, denn wie sonst könnte sie es sich leisten in Upper Manhatten zu leben oder Designerpumps zu tragen. Sie ist eine knallharte Karrierefrau, die mit harten Bandagen kämpft. In ihrem Job hat sie gelernt, dass alles, was zählt sie selbst ist. Deshalb hätte Abby niemals ihre Nummer eins sein können - sie ist es immer selbst. Sie weiß nicht wie es ist jemand anderen mehr zu lieben als sich selbst. Hat es nie gelern.

Das wäre EINE mögliche Erklärung für ihr Verhalten.:teach:

Eine andere Erklärung für ihr beziehungsunfähiges Verhalten ließe sich bestimmt in ihrer Kindheit finden und im Verhältnis zu ihrem Vater finden, doch auf all diese Aspekte in ihrem Leben einzugehen war mir zu weit gefächert. Ich wollte ihre Gefühle in den letzten Monaten ihres Lebens einfangen.
Die Sprünge sollten ihre Wahrnehmung darstellen. Sie nimmt nicht mehr viel um sich herum wahr. In Sex und Drogen findet sie ihre Erfüllung. Diese lassen ihre Sinne vernebeln, sie ist nur noch teilweise fähig ihr Leben zu betrachten. Und diese letzten "wichtigen" Wahrnehmungen habe ich versucht auszudrücken.
Ich selbst finde nicht, dass die Geschichte mehr von Helen preisgeben sollte, denn das Verheimlichen von Dingen ist einer ihrer ständigen Begleiter.

Naja, du siehst wir sind in unseren Interpretationen etwas verschieden. Ich möchte dem Leser nicht alles aufs Tablett legen. Er soll sich selbst ein Bild des Hintergrunds machen.

Liebe Grüße, die Oh :smokin:

 

Hi oh,

ich möchte sim einmal etwas unterstützen, zuerst: du schreibst sehr gut - sowohl dieses leere gefühl, deiner prot aber auch die erotischen szenen sind stilistisch klasse..

inhaltlich hatte ich exakt das gleiche gefühl wie sim - die szenen folgten zu schnell auf einander, sie benötigen jede für sich mehr inhalt..

ich verstehe schon mehr, wenn ich deinen letzten beitrag lesen, aber in der geschichte sorgt deine kürze dafür, dass ich deine prot nicht nachvollziehen und nicht nach empfinden kann.. folge: ich fühle nicht mit ihr, krass gesagt, es ist mir völlig egal, ob sie sich umbringt, ich lese zwar weiter aber emotionslos..

vor allem der absattz beim therapeuten, da passiert soo viel: abby weg, koks, evelyn da, aber evelyn nur ein schwacher ersatz.. - das verdient vier absätze..bei der sich die frage im kopf des lesers langsam bildet: wie gehts weiter, was macht sie in ihrer grauen besch.. leere..

du legst dem leser zu wenig aufs tablett - dabei sind alle deine ideen sehr gut und deine umsetzung klasse.. insofern könnte daraus eine sehr, sehr gute story werden..bisher empfinde ich sie aber nur als okay..

liebe grüße, streicher

 
Zuletzt bearbeitet:

Hey, Streicher.

Merci, für deine lieben Worte. *stolz sei* :D Nachdem nun auch du meinst, dass ich mehr Inhalt einfügen sollte, um euch zum "mitfühlen zu bringen", werde ich mich hinsetzen und euch einiges Neues "dazuzaubern" - wenn ich es schaffe, die Story ohne Klischees weiterleben zu lassen.
Nun denn. Danke für die Kritik. :teach:

Liebe Grüße, die Oh :p

 

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