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Unverstanden
Mein Herz raste als ich die Haustür zuschloss um mich auf den Weg in die Innenstadt zu machen. Jeder meiner Schritte, der mich in mein eventuelles Verderben trug, schallte mit der Lautstärke von Dsicomusik in meinen Ohren. Ich wusste zwar nicht wie laut diese Musik war, da ich in meinem 16 jährigen Leben noch nie eine Disco betreten hatte, aber als das Geräusch meiner Schritte in meinen Ohren ununterbrochen vor sich hin dröhnte, meinte ich zu wissen, wie laut diese Musik ist.
Ich hatte das Gefühl, das sich jede Person, mit der sich mein Weg kreuzte sich mit strafenden Blicken nach mir umdrehte. Ich blickte star auf den Boden und beobachtete meinen Schatten. Ob man in der Hölle durch das grelle Leuchten der Feuer seinen Schatten genauso gut betrachten kann? Keiner der Menschen, die ich kenne -und das sind leider nicht viele- weiß das. Aber ich gehe blind davon aus, das ich es eines Tages erfahren würde. Die Frage war nur wann. Vielleicht sogar schon heute, wenn sie mich erwischen würden. Ich stieg in die U-bahn. Mir fiel es nicht zum ersten Mal auf, dass das Abteil in dem ich mich befand geteilt war. Gespalten. Nicht nach Gut und Böse. Nicht nach Schwarz und Weiß. Nicht nach Christ und Jude. Nein, nach Arm und Reich. Auf der einen Seite, die aus den Armenvierteln, mit einfacher, manchmal zerrissener Kleidung, oft fettigen Haaren und 5Euro-Sonderangebot-Supermarkt Schuhen. Auf der anderen Seite, die reichen Leute mit ihren großen weißen Villen, ihren Calvin Klein-Boutique Sachen, Channel Parfümen und chicken Leder-und Lackschuhen. Ich setzte mich auf meinen "Stammplatz" Die schuckelige Fahrt dauerte nur wenige Minuten.
Als ich vom U-bahnhof aus die Straße betrat, wärmte mir die Sonne mein verblüfftes Gesicht. Ich stand wie versteinert vor riesigen Geschäften und Kaufhäusern. Boutiquen, Schmuckläden, Parfürmerien, Schuhegeschäfte, so groß wie das Mietshaus in dem ich wohnte! Jedes Geschäft hatte riesige, beleuchtete Schaufenster, mit wunderschöner Kleidung und noblen Schuhen dekoriert. Als ich aus meinem Staunen erwachte, nahm ich die Menschenmassen wahr, in ihrer modischen Kleidung. Einige sahen abfällig auf mich herunter, als wär ich ein vergamelter Essensrest, der beim Wurfversuch eines kleinen Jungen, der einmal Millionen erben würde, den Papierkorb um ein zwei Zentimeter verfehlt hatte. Langsam ging ich den Marmorbürgersteig entlang, der in der Sonne schimmerte. Mein Herz raste. Ich sah mir jedes Schaufenster mehrmals an. Alles war so neu. Nach einer Weile sah ich einen modischen Laden für Jugendkleidung. Ich blieb verstummt stehen, die Hose, die ich mir grad im Schaufenster betrachtete, hatte Tanja aus unserer Klasse auch immer an. Sie war die hübscheste und beliebteste in unserer ganzen Jahrgangsstufe. Als ich den Preis sah, fiel ich fast in Ohnmacht. 139.95Euro. Ich betrat den Laden. Alles hier drin sah so seriös aus. Die Dekoration war einfach unglaublich. Ich sah mich überall. Sah mir jedes "Teil" ganz genau an. 120Euro. 99 Euro. 60Euro. 79Euro. Schon die Unterwäsche kostete ein Vermögen. Ich bemerkte wie mich die Verkäuferin ununterbrochen beobachtete. Das machte mich nur noch nervöser. Als endlich ein Mädchen in meinem Alter den Laden betrat und die Verkäuferin ansprach, schnappte ich mir ein chickes Top und eine morderne Hose und verschwand in die Umkleidekabine. Ich zog die Sachen an, es war die kleinste Größe, die ich finden konnte. Sie saßen etwas locker, aber sonst sah es toll aus. Ich fühlte mich wie eine Prinzessin in ihren Lieblingssachen. Ein weinrotes Top, mit der Aufschrift Star. Und eine Jeans, die unter der Hüfte saß. Sie hatte den Aufdruck ein Efeurancke auf dem einem Bein und ein paar kleine Taschen am Hosenbund.
Ich stand ein Ewigkeit vor dem Spiegel, bis ich die Schritte der Verkäuferin hörte, die langsam auf die Kabine zukamen. Entweder jetzt oder gar nicht. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich schwitze unheimlich und zitterte, als wäre es Januar. Als die Frau vorsichtig den Vorhang zu Seite zog, brachte ich sie durch ein kräftigen Schubs zu Fall und rannnte so schnell wie noch nie in meinem Leben davon. auf der Straße, schob ich mich durch die Menschenmassen, ich hörte die Schreie der Verkäuferin. Ich versuchte noch schneller zu laufen und stieß einen alten Mann um. Kurz darauf hörte ich seinen schmerzverzerten Schrei.
Ich hatte se geschafft. Die Schreie hinter mir wurden leiser, bis sie ganz verklungen waren. Trotzdem rannte ich so schnell ich konnte weiter. Bis ich eine starke Hand auf meiner Schulter spürte, die mich zurückriss.