- Beitritt
- 24.04.2003
- Beiträge
- 1.444
- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 16
Untoten Patrouille - Codename Zebra
Die Einsatzmeldung war um kurz nach Mitternacht über Funk reingekommen.
Eine ganze Schar von Wiedererweckten hatte eine der Barrieren durchbrochen und befand sich jetzt auf direktem Weg in die Innenstadt.
Klaus Klabowski warf gerade den spielentscheidenden Dartpfeil auf das elektronische Brett zu, als die optischen Signalgeber an der Decke plötzlich die Lichterflut ihres orangenen Farbenspiels durch den Raum hatten tanzen lassen.
Er und sein Kollege Hauser waren Teil des Bereitschaftsdienstes.
"Beeil dich", rief er ihm im vorbeilaufen zu, während der primitive Soundprozessor des Dartbretts eine grelle Siegeshymne durch die Lautsprecher hindurch quälte.
Das übrige Team hatte sich bereits an die Spinde begeben und schmiss sich in antrainierter Geschwindigkeit in die breit aufgepolsterten Uniformen.
Angst vor Kugeln brauchte hier keiner zu haben, aber so ein Biss konnte eine ziemlich böse Sache sein.
"Codename Zebra, haben verstanden und machen uns auf den Weg", hörte Klaus den Funkzuständigen Edgar in das Mikrophon hinein den Alarm bestätigen, während er sich den Reissverschluss des Overalls zuzog und nach seiner Walther PPK griff. Das schwerere Geschütz lag im Terror LKW, der bereits losgefahren war.
Oberkommandant Asbach stand in einer Art vor den Rolltoren, als würden sich Rasierklingen unter seinen Armen befinden und gab Anweisungen. Klaus hatte überhaupt nicht gewusst, das er heute Nacht hier war.
"Simon, Laura und Edwin, ihr fahrt in der ´Zwei` mit. Der Rest begibt sich mit den zugeteilten Partnern in das jeweilige Dienstfahrzeug. Ansonsten wie üblich. Keine Heldentaten und", er ließ den Blick auf Daniel ruhen, einem Neuling, "kein Verfahren und erst eine halbe Stunde später am Einsatzort ankommen diesmal. Da liegen Stadtpläne in den Handschuhfächern."
Der schmächtige Mann errötete, gab dann aber ein lautstarkes "Ja, Sir" zum besten.
Das Ziel war ein dichter Tannenwald am Rande von Neuss. Irgendwie mussten die Wiedererweckten im Schutze der Dunkelheit, unbemerkt von den Helikoptern, über die Felder vorgedrungen sein. Möglicherweise handelte es sich bloß um ein paar vereinzelte, es konnte aber auch eine ganze Brut sein. Die Grenzwächter rekrutierten sich in der Regel aus Freiwilligen Bürgern und ergriffen oftmals schon panisch die Flucht, wenn sich irgendetwas näherte. Codename Zebra war bereits aus so banalen Gründen heraus Fehleinsätze gefahren, wie dem eines zwar hypernervösen, dafür aber komplett betrunkenen Wächters, der einen Hirsch mit einem Untoten verwechselt hatte. Das Geweih hing heute im Aufenthaltsraum.
Dennoch musste das Team auf sämtliche Szenarien vorbereitet sein. Seit Dormagen vor knapp zwei Jahren als verloren deklariert worden war, ging von dieser Stadt eine nicht zu unterschätzende Bedrohung aus.
Klaus wollte Hauser noch irgendetwas aufmunterndes sagen, als die beiden in den umlackierten, ehemaligen Polizeiwagen mit dem Emblem des durchgestrichenen Zebras an den Seiten einstiegen, sah dann aber wie dieser begeistert und mit wahnsinnigem Lächeln auf den Lippen die Waffe durchlud. Seine Moral war bereits mehr als geweckt. Sie tanzte vielmehr Polka mit einem Chinesen namens Adre Na Lin, dessen Schuhsohlen in diesem Augenblick im Begrifff waren zu verglühen.
"Jetzt treten wir denen in den Arsch", brüllte er zum Beifahrerfenster hinaus in Richtung eines gerade vorbeiziehenden Einsatzfahrzeugs. Sein energischer Kampfruf wurde von einem hochgehaltenen Daumen quittiert, der Rasch in der Dunkelheit vor ihnen verschwand.
"Tritt aufs Gas Klaus!"
Klabowski schaltete das Radio ein und übertönte mit ihm die schrillen Sirenen des Gebäudes. Dann drückte er das feuerrot gefärbte Pedal fast durchs Bodenblech und beschleunigte im Einklang mit den heranbrausenden Düsenjets des "Back in the USSR" Rock´n´Roll Gewitters.
Von lauter Beatles Musik und markerschütterndem Motorendröhnen begleitet, machten sie sich auf, ein paar Zombies ganz gehörig in den Arsch zu treten. Raus in die sternenklare Nacht; dem Sieg der Menschheit über gammeliges Fleisch entgegen.
Hauser steckte sich in einen Kaugummi in den Mund.
***
"Ich sags nochmal; das war ein falscher Alarm Leute."
Seit zwei Stunden suchte das Team hinter jeder einzelnen Tanne nach der Spur eines Wiedererweckten. Bislang vergeblich.
Hauser hatte sich auf einem toten Baumstumpf niedergelassen und starrte irgendwie apathisch ins Leere, während seine linke Hand den Halfter der PPK zärtlich umspielte.
"Rechne mit dem Feind immer und überall. Seite dreiundzwanzig, Absatz eins des Lehrbuchs", unternahm Laura den erfolglosen Versuch, die in Wohlgefallen aufgelöste Moral irgendwie wieder zu re-materialisieren.
Der Wächter, von dem der Notruf ausgesandt worden war, saß mit blassem Antlitz auf der feuchten Erde und wurde von seiner aus dem Dorf herbeigeeilten Frau ununterbrochen getröstet. Sollte es sich tatsächlich um einen Falschalarm gehandelt haben - und das tat es, da war Klaus sich inzwischen völlig sicher - hatte er mit einer nicht zu verachtenden Geldbuße zu rechnen.
Codename Zebra wollte schließlich finanziert werden.
Klabowsky dachte über seinen ehemaligen Partner nach, während er Hauser dabei beobachtete, wie dieser die andere Hand zu einer Faust ballte und den Zeigefinger ausstreckte, dabei immer wieder "Peng! Peng!" rief.
Jakob hatte einen umgänglicheren Zeitgenossen abgegeben. Die beiden waren gut befreundet gewesen, solange bis Klaus das erste Mal die charakteristischen, schwarzen Streifen auf seiner Haut beobachtet hatte.
"Bist du ein Zebra?", hatte Klaus damals völlig ruhig gefragt.
"Er hat mich bloß mit dem Fingernagel erwischt, als ich kurz nicht aufgepasst habe. Ich habe die Wunde desinfiziert, aber sie hat sich trotzdem entzündet. Was wirst du jetzt tun?"
Klaus hatte kein Wort mehr gesagt; ihn ganz einfach erschossen.
Niemand hätte seinen Partner zu diesem Zeitpunkt noch retten können. Wer einmal mit den Zeichen eines Zebras gebrandmarkt war, verwandelte sich in einen Untoten, das stand genauso felsenfest wie das Amen in der Kirche.
Das Donnern eines Schusses, der vielleicht zweihundert Meter von ihnen entfernt abgefeuert worden war, riss ihn jäh aus seinen Gedanken.
Hauser stand gleich auf und sprang wie ein wildgewordener Pavian von einem Bein aufs andere.
"Es geht los", rief er begeistert und feuerte eine Patrone in die Luft.
Klabowsky sah sich nach dem Handfunkgerät um.
"Team 2, was ist los?", fragte er dann in den kleinen Metallkasten hinein, nachdem er ihn auf dem Boden liegend entdeckt hatte.
"Hier Team 2. Hatten soeben Feindkontakt. Befinden uns zirka zweihundertfünfzig Meter süd-östlich von euch."
Noch ehe Klaus etwas sagen konnte, sah er Hauser und Laura bereits im Dickicht des Waldes verschwinden, von dem im Wahn herausgebrüllten "Yeeehhhaaa" seines Partners begleitet. Der Wächter türmte mit seiner Frau im Schlepptau in die entgegengesetzte Richtung.
Dann noch ein Schuss, ihm folgend ein weiterer. Plötzlich das Rattern einer Kalaschnikow. Irgendjemand musste sich vor dem Einsatz am Terror Truck bedient haben. Klabowsky wollte seinen Kollegen gerade folgen, als der ohrenbetäubende Knall einer Handgranate seine Glieder erstarren ließ.
Da hinten musste die Hölle losgebrochen sein.
"Team 2 hier. Edwin ist tot. Ich kann die anderen nicht mehr sehen. Wir brauchen dringend...", dann riss der Funkkontakt ab.
Er lief los, sein Atem ging schnell. Wie hatten sich die Wiedererweckten derart unbemerkt nähern können?
Während er orientierungslos durch den Wald hastete, immer wieder an spitzen Ästen aneckte und froh darüber war, so gut gepolstert zu sein, erhellten die Explosionen der Handgranaten inzwischen fast unaufhörlich die Finsternis und ein abstraktes Konzert, dessen Instrumente sich aus abgefeuerten Waffen, durchratternden Maschinengewehrsalven und dem heftigen Bass weiterer Detonationen zusammensetzten, tauchte die noch vor wenigen Sekunden friedvolle Atmosphäre in ein Schauspiel dämonischer Darbietungskunst.
Er hatte keine Ahnung, wie lange er gelaufen war, aber als er die kleine Richtung erreichte, die PPK mit zitternden Händen im Anschlag, war es bereits zu spät.
Seine Kollegen waren teilweise kaum noch zu erkennen.
Laura lag da, den Schutzanzug zerfetzt und ihr sonst so makelloser Körper blutete aus unzähligen, klaffenden Wunden heraus.
Hauser war mit einem Schreien im Gesicht gestorben. Vermutlich eher aus Wut, als aus Entsetzen.
Niemand, außer Klabowsky, hatte die Nacht überlebt.
Es ließ sich im Nachhinein lediglich darüber spekulieren, wie es zu einer derartigen Eskalation der Ereignisse kommen konnte.
Vielleicht war es Daniel, der Neuling gewesen, der sich ohne vorherige Abmeldung die Blase hinter irgendeinem Baum entleert hatte.
Es waren ja auch bereits Hirsche mit Untoten verwechselt worden.
Der nächste Einsatz kam bestimmt, wenn auch erst einige Frischlinge neu rekrutiert werden mussten.