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Unterwegs
Ich bin allein. Allein in einem dunklen Abteil eines Zuges Richtung Paris.
Die Zeitung in meiner Hand blättere ich nur zur Beschäftigung durch.
Sinnlose Probleme der heutigen Gesellschaft stechen mir ins Auge,
Wie kann man am besten abnehmen? Was ist der neueste Schuhtrend?
Welcher C-Promi geht schon wieder seinem Partner fremd?
Seite für Seite gehe ich teilnahmslos durch und schon die Überschriften schrecken mich ab.
Das Buch neben mir habe ich schon seit Monaten nicht mehr angerührt.
Um mich die lange Zugfahrt ein bisschen zu beschäftigen habe ich es eingepackt,
doch nun kommt es mir etwas fehl am Platz vor.
So wie eigentlich alles im Moment.
Ich bin fehl am Platz in diesem Zug Richtung Paris.
Fehl am Platz in dieser Situation und sogar in dieser Kleidung.
Das Schwarz hebt meine Trauer nur noch umso mehr hervor.
Draußen wird es dunkel.
Die Landschaften ziehen wie in einem Film an mir vorbei.
Es sind nur noch die Umrisse der Bäume und Häuser zu erkennen.
Genauso fühle ich mich gerade.
Wie eine Silhouette, eine Hülle mit nichts anderem gefüllt als Leere.
Ich starre an die gegenüberliegende grüne Wand und verfolge mit meinen Augen die Risse in ihr.
Dieser ganze Raum schreit nur so nach Zerbrechlichkeit.
Die kaputte Lampe in der Ecke, in der das Licht ab und zu beginnt zu flackern.
Die völlig zerschlissenen Sitzbänke, die teilweise nur noch blass und grau sind.
Die Fenster, welche nicht mehr komplett zu schließen sind und dadurch alle paar Sekunden anfangen zu klappern.
Und dann gibt es noch mich.
Eine zusammengefallene, schwarze Figur mit überschlagenen Beinen
und einer Klatschzeitung in der Hand.
Eine Figur, die fast nur aus Zerbrechlichkeit besteht.
Denn sie hatte nicht nur eine geliebte Person verloren, sondern in diesem Moment auch sich selbst.