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Unterm Rad

tfa

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21.04.2003
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Unterm Rad

Die Bibliothek erschien zu so später Stunde wie ein Geisterhaus. Langsam und forschend suchte er sich seinen Weg durch die Bücherreihen, die hoch gestapelt, modrig und von Webern umschwungen ihre greisen Autoren behüteten. Er folgte den bedächtigen Lauten der Violine, die ab und zu dem Spuk der körperlosen Stimmen in seinem Kopf ausweichen konnte, einen Harken schlugen und weit in den Fuchsbau seiner Seele vorpreschten. Hans Giebenrath fühlte ein Gemisch aus Sehnsucht und Offenbarung in seinem Herzen, für die kein Platz war in seinem Studium an dieser geistigen Lehranstalt, zwischen Griechisch, Hebräisch und Latein. Sein Gesicht spiegelte die Furcht seines Geistes wieder, die Furcht entdeckt zu werden zu so später Stunde, den Kampf gegen die Begierde, die er zu stillen gesuchte. Langsam ergaben sich seine Phantasien den Besetzern der Violinenstimme und sie feierten ihre Eroberer vor jahrelanger Zurückhaltung, Scham und Unterdrückung. Falsch gekleidete Menschen hatten ihm das Gefühl gegeben jemand zu sein, der Persönlichkeit, Geist und Andacht besäße; ein verschwiegener Mensch geächtet von den gleichaltrigen, getrieben von dem Sinn nach Gleichberechtigung und angespornt durch die kirchliche Odyssee, die Antworten verprach, die er sonst nie finden würde.

Die Violine wurde eindringlicher mit jedem seiner Schritte und die Begierde lies ihm das Herz zu Ohren schlagen, die Begierde etwas zu finden, das tief in ihm ruhte und dessen Präsenz ihm nur seine Sehnsucht verriet. Seine Torheit und Schüchternheit, seine Reserviertheit und Zurückhaltung hatten diese kleine Flamme entzündet und sie immer wieder angefacht, solange bis sie ein Buschfeuer wurde, das auch Hans nicht mehr zu löschen vermochte.

Heilner saß bedächtig auf dem Kaminsims und spielte auf der Violine. Hans beobachtete ihn und Heilner spürte es, doch die Vertrautheit der Klänge trug beide auf ihren Schwingen und lies sie durch die Himmel fliegen. "Heilner", sagte Hans und sein Gegenüber reagierte, wie jemand der aus tiefem Schlaf erwachte. "Ich möchte alleine sein", sagte dieser schroff und wandte sich dem Plafond zu. Hans war verletzt und kurz davor umzudrehen, als Heilner aufsprang und ihn packte. Die beiden Knabengesichter kamen sich fast bis zur Berührung nahe und es knisterten Funkenflüge in der Luft, die das Lauffeuer des Geistes erzeugte.

Heilner drückte seine Lippen Hans auf den Mund. Hans erschrak und war bereit sich aus der Umklammerung zu lösen, solange bis die Essenz des Kusses aus den weinenden Augen Heilners in Hansens wanderte. Er ergab sich der Begierde und fühlte das Pochen seines Herzens, hoch und schnell. Heilner löste sich und blickte Hans mit einer Selbstsicherheit in die Augen, die ihn erschrecken lies. Diese blauen, tiefen Augen, diese Spiegel einer Phantasiegestalt, die sich ihre Umwelt so geschaffen hat, wie es ihr ihr kranker Verstand vorhält; dieser Angriff einer ums Überleben kämpfenden Rasse, die im Sterben mit allen Sünden untergeht, ohne sich auf das Jenseits jemals vertrösten zu lassen. Dieser aufrechte Untergang wurde für Hans zu einem gebückten Neubeginn. Hans presste Heilner an seinen Körper und spürte die Wärme. Wie ein Maiglöcklichen traurig träge seine Blätter gen Himmel streckt, begann Hans tastende Hand über Heilners Hals zu streichen. Er packte fest zu, zog ihn an sich und ihre Lippen berührten sich wieder.

gewidmet Hermann Hesse

 

Hallo tfa,

um deiner Geschichte gerecht zu werden müsste ich ja eigentlich noch mal zu "unter dem Rad" greifen, um zu beurteilen, ob du den Ton gut getroffen hast.

Ich mag deine Geschichte. Das Ziel der Sehnsucht, wird dem Prot erst in der Erfüllung klar, vorher ist er eher auf der Suche nach Tönen, die seine Sehnsucht in ihm auslösen. Das hast du zusammengefasst sehr schön beschrieben.

Einige Sätze finde ich besonders schön, diesen zum Beispiel.

Er folgte den bedächtigen Lauten der Violine, die ab und zu dem Spuk der körperlosen Stimmen in seinem Kopf ausweichen konnte, einen Harken schlugen und weit in den Fuchsbau seiner Seele vorpreschten.

Manchmal habe ich aber den Eindruck, du vergallopierst dich ein bisschen in der Lust am Formulieren und wirst damit unklar oder drückst etwas anders aus, als du meinst. Auch hierfür ein Beispiel:
Langsam ergaben sich seine Phantasien den Besetzern der Violinenstimme und sie feierten ihre Eroberer vor jahrelanger Zurückhaltung, Scham und Unterdrückung.
Ich nehme an, du wolltest ausdrücken, dass die Fantasien die durch die Violinstimme oder ihrer Herkunft ausgelöst wurden über Zurückhaltung etc triumphierten. Vielleicht reicht es dazu schon aus, das "vor" durch ein "über" zu ersetzen. Besser wären nach meiner Ansicht eine Ergänzung, etwa:

Langsam ergaben sich seine Fantasien den Besetzern der Violinstimme und feierten ihr Eroberung, ihren Sieg über jahrelange....

Ein bisschen Erbsenzählerei:

Die Violine wurde eindringlicher mit jedem seiner Schritte und die Begierde lies ihm das Herz zu Ohren schlagen, die Begierde etwas zu finden, das tief in ihm ruhte und dessen Präsenz ihm nur seine Sehnsucht verriet
...schlagen, die Begierde, etwas zu finden, das tief...

Gerade durch das doppelte Begierde macht ein Komma es hier deutlicher. Vielleicht ersetzt du aber die zweite Begierde auch durch Drang.

für die kein Platz war in seinem Studium an dieser geistigen
in seinem Studium klingt für mich merkwürdig. Müsste es nicht besser während seines heißen?
"Ich möchte alleine sein", sagte dieser schroff
hier würde ich beim der anstelle des dieser bleiben. Es wird auch dann klar, das Heilner diese Worte sagt, und es liest sich für mein Gefühl etwas flüssiger.
Heilner drückte seine Lippen Hans auf den Mund. Hans erschrak und war bereit sich aus der Umklammerung zu lösen, solange bis die Essenz des Kusses aus den weinenden Augen Heilners in Hansens wanderte.
Das ist wieder so ein Beispiel der Überformulierung. Ein bisschen nimmst du dem ganzen dadurch an dieser Stelle die Romantik. Ich versuche den Satz mal aufzulösen. Heilner war schroff, da er die Sehnsucht von Hans teilte. Nach der erteilten Abfuhr siegen auch in ihm die Fantasien und er gibt sich ihnen mit diesem Frontalangriffskuss hin. Das rührt und erlöst ihn so ergreifend, dass er darüber weinen muss. "Die Essenz des Kusses" also. Soweit ist es klar. Dann allerdings wandern die Tränen über die Hügel Heilners Gesicht und die Hügel von Hans Gesicht in die Augen des Zweiteren, was diesen dazu bringt, sich nicht mehr aus der Umklammerung lösen zu wollen. Das jedenfalls hast du mit dem Satz ausgedrückt. Sollten die Tränen von Heilner wirklich in die Augen von Hans wandern? Oder sollten sie nicht besser in seine Seele oder sein Herz wandern? Ich wüde den Satz auch deshalb ein bisschen umstellen, da man durch die Form "Hansens" eher an einen Nachnamen denkt, als an Hans. Das mag allerdings daran liegen, dass Nachbarn von mir so heißen. ;)

Dass ich nun so viel geschrieben habe verstehst du hoffentlich nicht so, dass mir deine Geschichte nicht gefallen hätte. Sie hat mir sogar gut gefallen. Du könntest sie nur für mein Gefühl noch etwas optimieren, wenn du an einigen deiner Formulierungen noch mal etwas hinterfragen würdest, ob sie tatsächlich treffen, was du ausdrücken wolltest.

Lieben Gruß, sim

 

Unterm Rad - das iss doch eigentlich 'ne Geschichte von H. Hesse *fg*

 
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klar

 

Hallo tfa,

natürlich fühle ich mch angesprochen, wenn du die Kritik als autoritär und einschüchternd empfindest, schon deshalb weil ich sie nicht so gemeint habe. Ich habe eher versucht, deine Intention zu erfassen, und dir genau da Hinweise zu geben, wo ich der Meinung war, könntest du diese Intention (für mein Gefühl) deutlicher machen. Gerade wenn man sich traut, den Autoren zu verstehen, kann es sein, dass man ihn gründlich missversteht. Wenn mir das mit deiner Geschichte passiert ist, tut es mir herzlich leid.
Ich kann dir ncht sagen, was richtige oder falsche Antworten sind, ich wäre froh, wenn ich es selbst wüsste.
Mit dem Beitrag, den ich hier untern von dir zitiere triffst du als nicht nur deine, sondern auch meine Hilflosigkeit. Das Kinder verhungern nimmt niemandem das Recht auf die Depression, auch dann nicht, wenn er in einem reichen Land lebt, in dem er nicht verhungern muss. Das berechtigt uns nicht, das Leid eines Menschen gering einzuschätzen, nur weil wir es zu anderem Leid in Relation setzen.
Was sagst du also, wenn jemand in den Chatraum kommt?
Ich wäre für fragen, das Risiko in Kauf nehmen, ihn besser kennen zu lernen. Die Grenze kannst du immer noch neu stecken, wenn er dich für den Rest seines Lebens überlastet. Du kansst nur das tragen, wozu du die Kraft hast.

In der Hoffnung, dich nicht schon wieder gänzlich missverstanden zu haben, liebe Grüße. sim


Geschrieben von tfa
ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, zuviel Ignoranz, zuviel schlaue Menschen...es ist schön eine Seite, wie kg.de zu haben aber es stumpft auch ab. Bei so viel Kritikgeplämper geht das eigentliche verloren. Der Hilferuf des Verfassers, der erbarmungslose Untergang, der nicht gestoppt wird, weil der Autor keine Menschen um sich hat, die sich trauen ihn zu verstehen; die sich trauen ihn kennen zu lernen. Die verzweifelte Seele, die so oft angepriese """""""ARME""""""" Menscheit. Es ist dasselbe, wie mit dem Chatter, der in den Raum kommt und sagt "ich bin so depressiv". Du weisst nicht, was du sagen sollst. Sollst du sagen: "was ist denn los?". Dann kann es passieren, dass du ihn besser kennen lernst und dein ganzes Leben, bisher, dich um seine Sorgen kümmern musst, weil du in diesem Moment Verständnis gezeigt hast und er denkt, hier kann ich immer meine Sorgen abladen.

Wenn du sagst: "In der dritten Welt verhungern grade ein paar kleine Kinder, in dem moment, wo du das sagst". Dann kann passieren, dass du verdammt isoliert durch dein Leben gehst. Was ist die richtige und was die falsche Aussage. Worte werden immer mehr und mehr und mehr mißbraucht, getreten und gepeinigt. Ich weiss es nicht, was ist Gerechtigkeit, was ist Lüge und was ist WAhrheit.


Sag es mir Häferl?

 

Hmm, ich hatte zwar immer ne Schwäche für Hesse, aber auch so meine Schwierigkeiten, Wortwahl und Ausdruck sind halt auch bei Hesse oft sehr geballt und Konstruiert wirkend, so auch bei dir mein Eindruck...
Die anderen Postings von dir sind m.E eher off-topic und schinden Beiträge.
Verzeih die Brutalität der Aussage, hier ist eine Kurzgeschichtenseite, und nicht der "Sorgentelefon- Topic" von Kg. de.
Wenn du also von jemanden persönlich was wissen willst, dann schick ihm/ihr eine PM.
Nicht immer sind Kritiken freundlich, aber auch nicht-freundliche sind oftmals hilfreich.
Lord

 

So, ich hab hier mal ein bisschen aufgeräumt...

Für eine inhaltliche Kritik bin ich noch nicht wach genug, kommt aber noch.

Lieben Gruß

chaosqueen

 

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