Untergrabene Autorität
Langsam stiegen sie die grob ausgehauenen Stufen hinunter. Er hörte die Schritte von ihr hinter sich. Ihre Füße scharrten sandig über den Boden. 'Später werden wir krabbeln müssen', meinte sie. 'Es wird schon gut gehen', sagte er. Er achtete darauf, dass die Kerze sich direkt vor seinem Körper befand. 'Pass auf, dass dein Oberteil nicht anbrennt', sagte sie. Sie stiegen weiter hinab. Allmählich wurde der Gang weniger steil. 'Eigentlich ist es irrwitzig', flüsterte er. 'Sei doch ruhig', antwortete sie. Dann schwiegen sie. Sie nahmen nur das langsame, leise Knirschen ihrer Füße wahr. Jetzt mussten sie in die Knie gehen. Er schaute zurück. Dann sah er sie an. Stück für Stück bewegten sie sich immer weiter in den Tunnel hinein. Sie hielt sich dicht hinter ihm, denn nur er hatte die Kerze. Das Kerzenlicht fing an zu flackern. Er versuchte die kleine Flamme mit seiner Hand abzuschirmen. Es half nichts. Von irgend woher kam ein Luftzug. Zerrte an der dünnen Flamme, spielte mit ihr wie die Katze mit einer Maus. Die Flamme wurde schwächer. Noch einmal flackerte sie kurz auf. Er spürte einen starken Windstoß. Die Kerze ging aus. Er hielt an. Er tastete in der Tasche nach den Streichhölzern. Sie waren nicht da. 'Die Streichhölzer', kam es von hinten. 'Sie müssen mir rausgefallen sein', sagte er. Sie warteten. Aber keiner sagte ein Wort. Er streckte seine Hand aus. Tastete den Tunnel ab. Oben, unten, rechts und links.
Ganz langsam setzte er seinen Fuß nach vorne. Schob seinen Oberkörper nach. 'Jetzt gibt es kein zurück mehr', hörte er sie von hinten sagen. Er hörte ein Rascheln. Sie kam langsam nach.
Es war stockfinster. 'Wir wissen nicht, wie lang der Tunnel ist und sehen nichts', murmelte er. Aber sie hatte es gehört. 'Die Entscheidung ist gefallen. Für die Freiheit und für das Risiko' kam es von hinten. Er sagte nichts. Abermals hielt er an.
Ein Flüstern riss ihn aus seinen Gedanken. 'Weiter', sagte sie. Er drehte seinen Kopf auf die Seite und berührte die Erde. 'Na los', hörte er sie sagen. Er schob sich weiter nach vorne. Stieß mit dem Kopf an und ging auf die Knie. Krabbelnd taste er sich weiter. Er krabbelte nur mit der einen Hand, die andere hielt er von sich gestreckt vor sich. In regelmäßigen Abständen legten sie kleine Pausen ein. Er fragte sich, wie weit sie schon waren. Ob sie gerade direkt unter dem Streifen hindurchkletterten. Zuerst schob er seine freie Hand in die Luft, dann setzte er seine andere Hand vor sich auf den Boden. Anschließend zog er zuerst das rechte dann das linke Knie nach. Sie musste es ähnlich machen, es hörte sich genauso an. Der Gang wurde noch enger. Sein Rucksack scharrte an der Erde entlang. Er hielt an, drehte sich auf die Seite, nahm ihn ab und führte sich einen Riemen zwischen die Zähne. Sie krabbelten weiter. Zentimeter für Zentimeter schoben sie sich durch den beengenden, kleinen Gang.
'Wir sind bald soweit', meinte sie. Seine Hand stieß auf Erde. Er tastete mit der zweiten Hand. Suchte den Gang, wie er weiterging, versuchte die Öffnung in dieser Erdwand vor ihm sein musste zu erfühlen. Aber da gab es kein Loch. 'Es geht nicht weiter', sagte er. 'Der Gang ist verschüttet'. Einige Sekunden herrschte Stille. Er zwängte seine Hand in den Rucksack und tastete. Die Wasserflasche, die Brote und das wenige Geld, das sie dabei hatten. Dann endlich spürten seine Finger Metall. Die kleine Gartenschaufel. Langsam zog er sie heraus. 'Nur ruhig', sagte sie. Und er fing an zu graben. Beinahe gewaltartig schaufelte er die Erde weg, drückte sie an die Seite, damit sie noch vorbei konnte. Die Schaufel war viel zu klein. 'Das wird unser Grab', keuchte er. Allmählich wurde es schwer zu atmen. Er machte eine Pause und hielt inne. Sie berührte ihn an seinem Bein. Er schaufelte weiter, schob den Rucksack nach hinten, damit er mehr Platz zum Graben hatte. Mit beiden Händen hatte er die kleine Schaufel gepackt und stieß sie wieder und wieder in die sandige Wand vor sich. Plötzlich wurde die Erde feuchter und lockerer. Er atmete schneller. 'Die Erde ist nicht mehr so fest', flüsterte er. Er konnte spüren, wie sie sich ganz eng an ihn drückte um möglichst weit vorne zu sein. Ein letztes Mal sammelte er alle seine Kräfte und stieß seinen Arm mit der Schaufel soweit wie nur möglich in die Erde hinein. Und auf einmal gab sie nach und brach nach hinten weg. Er machte das entstandene Loch größer.
Sie sahen Licht. Licht am Ende des Tunnels.