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Unterbrücken

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21.07.2002
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Unterbrücken

Der Tag verlief wie üblich. Sie kam um 07.30 Uhr ins Schlafzimmer, stark betrunken, versuchte sich auszuziehen. Es gelang ihr mit viel Mühe und Stöhnen, Husten, vom Rauchen?, vom Krebs?
An Schlaf war schon längst nicht mehr zu denken. Es war eine Nacht wie immer in letzter Zeit, halb Schlafen, halb Wachen.
- Er fragte sich - schläft sie wie üblich auf der Couch, zieht sie sich hier nur aus?, will sie ihn kontrollieren?
Weiter fragte er sich, hat sie im Wohnzimmer wieder alles vollgekotzt? Den Fernseher mit Lippenstift beschmiert? Telefonierte sie wieder mit Menschen, die sie wegen ihrer Trunk- und Pillensucht sowieso verachteten?
- Die Fragezeichen, die Kurt machen könnte, nahmen scheinbar kein Ende.
Seelachsfilet sollte Kurt von Karstadt holen. Er tat wie befohlen, denn noch immer liebte er sie, falls er lieben konnte. Hundemüde, wie nach einer durchzechten Nacht, ohne sich körperlich zu reinigen, fuhr Kurt los, andauernd mit den Gedanken bei ihr. Der Bus kam pünktlich.
Kurt hatte Angst, dass sie sich etwas antun könnte, wenn er nicht da wäre, - aber das könnte sie auch tun, wenn er da wäre, wenn er schliefe.
Ein Kontrolleur riss ihn aus seinen Ängsten und Gedankengängen, die ihn Tag und Nacht verfolgten. Was macht sie gerade - geht sie wieder an die Hausbar, holt Wein, schluckt blau, gelbe, weiße, sonstwas für Tabletten?
Er beeilte sich heim zu kommen, - war Zuhause, beladen von reichlich Seelachsfilet, Wein und natürlich Magen- und Schmerztabletten. Medikamente wohin er sah...
Es war gegen 11:00 Uhr als er die Wohnung betrat, - volltrunken saß sie auf der Couch, fragte ihn wo er gewesen. Es folgte andauernder Husten bis zum Erbrechen. Sie trank dann zwei Liter Wein, Bier, erneut bis zum Morgen. Dann wie immer gegen dreizehn Uhr aufgewacht, wegen Nierenschmerzen, dem Husten, Brechreiz.
Kurt hatte den Notarzt gerufen. Aber da so schnell keiner kommen wollte, Katia war dort längstens als unbehandelbar bekannt, wäre ihm die Feuerwehr letzte Hilfe. Sie wollte es nicht, da sie dann ins Krankenhaus müsste, und auch das hatten beide schon oft.
Also, doch der Arzt. Als der kam, 20:20 Uhr - eine Ärztin, die früher Huren behandelte und daher kannte Katia die, wurde Kurt aus dem Zimmer geschickt. ’Er würde nur lauschen und alles mitbekommen’.
Spritze: Buscopan, und zwei Buscopantabletten für später. Anschließend, die Ärztin war kaum weg, hatte Katia kräftig weiter getrunken.
Vorher hatte sie mit Maria gesprochen, ihrer ’besten!’ Freundin, wie sie immer betonte. In ihrer Sprache hieß das: wehe, wenn du mit der auch noch fickst, so wie du alle anderen Weiber in meiner Umgebung ficktest; - dabei war ’Fick-Test’ eher der richtige Ausdruck für schnelle Nummern die Kurt geschoben.
- Unvermutet pausierte sie. Seit zwei Tagen abends nur ein Bier, - starke Nierenschmerzen waren wohl der Auslöser, Müdigkeiten - und abgeschlafft war sie... Immer noch Brechreiz und Durchfall.
An den folgenden Tagen schlief sie von Mitternacht bis fünf Uhr morgens. Nach drei Tagen ging alles von vorne los: sie stand irgendwann nachts auf, - erbrach, trank danach Wein und Bier. Kurt sah es anderen Tags.
Kurt war ab da mit dem Wagen einkaufen gefahren; Katia benötigte von Allem immer größere Mengen, auch vom Notarzt. Kurt fuhr jedes Mal mit dem Vorwurf, dass er nur ans Einkaufen dächte.
Eine Viertelstunde Differenz zwischen der normalen Heimkehr, Kurt ging oft nach dem Einkauf in ein Cafe, las dort die Zeitung, machte sie zu einem Desaster. In ähnlicher Form ging es den ganzen Tag.
„In zehn Minuten kannst du die Wäsche aufhängen.“
Nach der vorgegebenen Zeit hieß es: „Ich mache das selber!“
Auch kam die Behauptung: „Du hilfst mir nie.“
Widersprüche häuften sich immer mehr. Ihre ’Arbeit’ bestand in der Tätigkeit, sich zu bemitleiden und anderen seelisches Leid zuzufügen.
- Ein angeblich glorreicher Hochzeitstag. Ihre Telefonate fanden kein Ende. Gott und die Welt müssten doch irgendwann `mal zu erreichen sein. Dann hockte sie wieder in ihrer so geliebten Küche an der Erde und trank Wein und Bier. Tabletten sorgten dafür, dass sie weiterhin stöhnte und jammerte. Ihre verzweifelten Telefonate gingen weiter. Immer mehr stieß sie dabei auf Ablehnung, auf höfliches Hinweisen, dass sie übermüdet und sich doch ausruhen sollte.
Der ewige Husten raubte auch Kurt den letzten Nerv und es scheint kein Ende absehbar. Die Telefonitis geht weiter. Die Blumen, die Kurt ihr ab und an schenkte, um ihr eine Freude zu tun, fanden keinerlei Beachtung. Sie wollte die weiter verschenken. Fazit: Blumen - verkehrt. Keine Blumen - auch verkehrt. Wecken aus dem Schlaf, damit sie die verordneten Tabletten, gegen Depressionen und Krebs, pünktlich nehmen konnte - verkehrt. Nicht wecken - auch verkehrt. Mit ihr schlafen, um Gottes Willen nein. Nicht - auch verkehrt. Kurt glaubte, dass der Wahnsinn eingekehrt war. Oder war der schon immer präsent?
Kurt wollte Ruhe haben, seine Nerven lagen bloß. Sollte er sie töten?
*Originalton Kurt, - bei seiner polizeilichen Vernehmung: Also ging ich auf dem Balkon.
Sie: „Du bist wie unser Sohn, der ist auch immer gleich `rausgerannt.
Keiner Wunder, dachte ich. Bevor ich dieser Wahnsinnigen eins überziehe, gehe ich lieber aus dem Haus. Gesagt - getan.
Nach einer Stunde Rad fahren: “Wo warst du denn so lange?“
Ich hatte ihr nur ihren ’Stoff’, Wein und Bier, besorgt.
Nachdem ich ihr vollgeschissenes Bettlaken gereinigt hatte, wurde ich als Dreckschwein betitelt.
„Auf dem Teppich ist ein Brandfleck!“ Es befand sich aber kein Fleck dort.
„Seit drei Tagen machst du mich seelisch fertig.“
Seit drei Tagen soff sie noch mehr als üblich. Ich versuchte jedem Streit aus dem Weg zu gehen. Es war nicht zu schaffen...
Protokollende*
- Nachdenken, am Grab, was-wie-war: Gegen 07.30 Uhr wird die Schlafzimmertür lautstark aufgerissen. Du lässt dich aufs Bett fallen und beginnst dich, stöhnend vor Schmerzen, auszuziehen. Nach einigen Minuten bist du endlich fertig. Auf dem Rücken liegend, die Bettdecke suchend, fallen die ersten kaum verständlichen Worte: „Mach das Fenster auf!“
Ich hatte es gerade geschlossen, weil du sonst immer frierst. Also öffne ich das Fenster wieder. „Nicht so weit!“ nuschelst du. Ich lehne es also an und fixiere es mit einem Kissen.
In der Hoffnung etwas Ruhe zu finden, lege ich mich wieder hin. Du schläfst. Ein Dankschrei wollte sich über meine Lippen quälen. Die Ruhe war kurz. Ein Walross könnte nicht lauter schnarchen. Also heißt es, aufstehen, anziehen, die Tageszeitung holen, die obligatorischen zwei Gläser Buttermilch zu trinken. Nicht zu vergessen: die Zigaretten.
09.10 Uhr. Das Röcheln, Schnarchen, Niesen, Husten und das Fastkotzen hat aufgehört.
Ich wollte mich noch ein bisschen langmachen, einfach nur so. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Du stehst auf und taumelst, dich an den Wänden abstützend, zur Toilette. Dieser Vorgang wiederholt sich drei bis vier mal. Etwa alle zehn Minuten. Genervt verzog ich mich ins andere Zimmer. Arbeitsraum.
„Warum lässt du denn die Tür offen?“ brabbelst du.
„Musst wohl alles mitkriegen!“
Also schließe ich die Tür. “Ja, ja, schließ` dich nur ein.“
Ich öffne sie wieder.
„Ich hab`s doch gewusst.“ Pause.
„Du musst alles sehen und hören.“
10.50 Uhr kommst du aus dem Wohnzimmer, das jetzt wie eine Kneipe stinkt.
„Biste wieder in deinem Büro und spielst mit Worten?“
Es ist wirklich eine Ablenkung vom idiotischen Alltag, der ganz anders aussehen könnte, sich alles von der Seele zu schreiben.
Egal; nach deinem kurzen Küchenbesuch, das ist ja deine ’Tankstelle’, geht`s wieder ins Wohnzimmer. Die Tapeten werde ich demnächst gleich in brauner Farbe kaufen.
Der Wein ist alle, und du schnarchst. Es ist 12.00 mittags, Highnoon, würde deine Schwester sagen. Wenn du aufstehst, ist mein Tag frei für ein kurzes Nickerchen. Daraus wird natürlich nichts. Ich bin munter wie ein Fisch im Wasser.
Dann: 14.00 Uhr stehst du auf. Du fragst: „Was hast du den ganzen Tag gemacht?“
Ich habe dich nie gefragt, was du nachts machst. Außerdem höre ich sechs bis sieben Stunden den andauernden Lärm der Toilettenspülung, dein Küchengang zum Auftanken, und den beliebten Husten.
Nach solch einer Nacht, die jede Nacht stattfindet, höre ich gerne die lieblichen Worte, gegen 07.00 Uhr: „Steh` doch auf. Du hast doch lange genug geschlafen!“
Katia: Die letzten Monate waren ein Alptraum, - einer der mir Wahrheit wurde...

 

hi michy.

Interessante Geschichte, die Du da geschrieben hast. Du wechselst hin und wieder mal den Stil, was mir eigentlich ganz gut gefallen hat. Ein paar Fehlerchen sind wohl trotzdem noch drin...

Ziemlich deprimierend, was Du da beschreibst. Hat mir sehr gut gefallen; ein Mann, der hinter seiner Frau steht, obwohl sie von allerlei süchtig ist. Gefällt mir!

Würde mich freuen, bald mehr von Dir zu lesen.

Gruß,
stephy

 

Hallo michy,

du hast dieser Geschichte so eine eindringliche Atmosphäre gegeben, als hättest du selbst das alles am lebendigen Leibe erlebt.
Nein, mißversteh mich jetzt bitte nicht, ich will nicht von dir wissen, wie du es geschafft hast, eine solche bedrückende Stimmung zu erzeugen, ich wollte dir damit,wenn auch wohl etwas umständlich ein Kompliment gemacht haben.
Deine Geschichte geht unter die Haut.

Stephy hat es schon kurz angesprochen, ich denke zumindest, sie und ich meinen dasselbe, nämlich, dass du nicht durchgängig in deiner Erzählweise bleibst.
Mal schilderst du wie dieser Mann etwas erlebt und was ihm so geschieht, mal setzt du in der Icherzählung fort. Das wäre stimmiger, wenn du dich auf eine Art festlegen könntest.

Was deine Geschichte noch mehr abrunden würde, wäre folgendes:
Wenn es dir gelänge, deine Charaktere noch emotionaler darzustellen, würde das zwischenmenschliche Drama der beiden miteinander, aber jeder auch für sich allein noch deutlicher werden.
Einerseits finde ich sehr gut, dass man als Leser nicht erfährt, weshalb Katia trunk-und tablettensüchtig ist. Es reicht komplett die Tatsache, dass sie es ist.
Nur dann könnte ihr Handeln noch distanzierter dargestellt werden.
Sie lebt ja ganz offensichtlich, weil sie es gar nicht anders mehr kann, ihr Leben in sozialer Isolation und hat um sich herum eigentlich keine sozialen Kontakte mehr, nur noch die, die ihr von ihrem Mann geboten werden.
Vielleicht ist also die Idee, diese Katia völlig neutral distanzlos und emotionslos zu belassen recht gut.

Aber deinen Protagonisten darfst du etwas mehr mit Emotionen ausstatten.
Er leidet doch. Wie teilt sich ihm sein Leiden gedanklich, körperlich mit? Körperlich indem er erschöpft ist und ausgelaugt wirkt, aber hier könntest du sicherlich noch eindringlicher werden. Versuch es, wenn du magst.

Hab ich schon gesagt, dass mir deine Geschichte gefallen hat?

Gruß lakita

 

Huhu stephy; Hi lakita!
Danke fürs Lesen, die Tipps - ich melde mich nochmals dazu.
Ich habe keine flat schreibe dann off, deswegen jetzt so kurz...
Gr.
michy

 

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