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unter Wölfen
unter Wölfen
Leise, ohne auch nur das kleinste Geräusch zu erzeugen, bewegte Kara seinen schlanken Körper vorwärts. Seine dunklen Augen durchsuchten die Lichtung, denn er war hungrig. Bei jeder Bewegung seines grazilen Körpers spannten sich automatisch die Muskeln unter dem dichten grauen Fell, denn als Jäger musste er jede Chance nutzen können, um Beute zu schlagen. Leicht geduckt durchstreifte er die mondbeschienene Wiese, die sich in mitten seines Waldes befand und des Nachts vielen pflanzenfressenden Tieren eine willkommene Futterstelle bot. Und auch ihm, denn er wusste, hier würde eine Jagd vermutlich erfolgreich verlaufen.
Immer weiter schob er seinen Körper durch das dichte Gras. Die Augen des Jägers nahmen noch den letzten Funken Lichtes auf und ermöglichten ihm eine gute Sicht trotz des Sichelmondes, der nur wenig Helligkeit spendete.
Plötzlich bemerkte das Tier eine Bewegung am Rande der Lichtung, die seine Aufmerksamkeit wie magisch auf sich zog. Etwas war aus dem Dickicht des Waldes auf die Lichtung getreten, ohne dem Jäger einen Hinweis darauf zu geben, ob es sich um eine Beute, oder vielleicht auch um einen rivalisierenden Artgenossen handeln könnte.
Geduckt und angespannt ließ er sein Ziel nun nicht mehr aus den Augen und schlich auf das Opfer zu. Egal wen er antreffen würde, der Tod war dem Fremdling gewiss. Eine fette Beute kam ihm gerade recht und einen Rivalen würde er in seinem Revier nicht dulden.
Pfote für Pfote suchte er sich seinen Weg, lautlos glitt er dahin, berührte den Waldboden immer nur kurz und bedachte jede seiner Bewegungen. Nun wurde das Gras lichter, je näher er dem Rande der Lichtung kam. Kara musste seinen Körper extrem ducken, um nicht selbst entdeckt zu werden. Noch immer konnte er den Fremdling nicht ausmachen, doch der Wind stand günstig für ihn und die kühle Nachtluft wehte ihm einen Geruch an die Nase, den er sofort erkannte.
Nun wich die Spannung aus seinem Körper, und hätte er seufzen können, er hätte es vermutlich getan. Er veränderte schlagartig sein Verhalten. Ungeniert richtete er sich auf, schüttelte seinen Pelz kurz durch, dann hockte er sich auf seine Hinterbeine und begann völlig desinteressiert seine Pfoten zu lecken.
Einige Augenblicke verstrichen ereignislos. Noch immer saß Kara da, leckte seine Wolfspfoten und tat so, als wäre er ganz in diese Tätigkeit versunken. Doch seine Sinne blieben hellwach, seine Ohren registrierten noch das kleinste Geräusch und seine Nase sog mit jedem Atemzug den wohlbekannten Duft in die Lungen.
Plötzlich ein Knistern, ein Rascheln hinter seinem Rücken. Sein Körper schnellte beiseite. Seine Sehnen spannten sich und ließen ihn einen großen Sprung vollziehen. Weich landete er auf allen Vieren, doch er verweilte nicht, sondern drehte sich blitzschnell um, um seinen Angreifer fixieren zu können. Mit einem weiteren gewaltigen Sprung erreichte er die Stelle, wo er vor einem Moment noch gesessen hatte und dort traf er das an, was er erwartet hatte zu sehen. Ein Wolf hockte dort. Keine Unbekannter.
„Hallo Mara“, etwas Hohn lag in Karas Stimme, als er die Wölfin ansprach. „Glaubtest wohl, du könntest mich austricksen! Falsch gedacht!“
„Ja, lach nur“, sichtlich erbost fletschte die Wölfin die Zähne und legte die Ohren steif an ihren Kopf, was klar ihre Abwehrhaltung demonstrierte. „Das Lachen wird dir noch vergehen!“
„Aber, aber meine Schöne!“ Noch immer klang ein provozierender Unterton in Karas Stimme mit. Er begann, Mara langsam zu umrunden, um sie von allen Seiten beriechen zu können.
„Wer wird denn gleich beleidigt sein? Du hast wohl vergessen, in wessen Revier du dich gerade befindest! Wenn ich es gewollt hätte, dann würdest du jetzt nicht mehr so lebendig vor mir sitzen. Sei zahm, meine liebe!“
„Ja, mag sein“, antwortete die Wölfin noch immer grimmig. Auch sie begann ihren Körper zu drehen, ließ Kara nicht aus den Augen und verwehrte ihm den Geruch ihres Hinterteils. „Doch in diesen Zeiten ist es schwer, seinen Pelz zu behalten, egal, wohin man sich wendet.“ Jetzt schenkte Mara ihm keine Beachtung mehr, sondern schickte sich an, die Lichtung auf demselben Weg wieder zu verlassen, auf dem sie sie betreten hatte. Erst jetzt bemerkte Kara, dass die Wölfin auf einem ihrer Hinterläufe lahmte.
„Wo sind Pari und Meito?“ warf er ihr hinterher, doch sie gab ihm keine Antwort, sondern trollte sich in den Wald. Etwas verwundert setzte Kara ihr nach.
Als er Schulter an Schulter mit ihr war, stellte er erneut neugierige Fragen: „Ich habe gefragt, wo Pari und Meinto sind. Was ist denn mit dir los? Nach so einer langen Zeit der Trennung solltest du dich doch eigentlich freuen, den Vater deiner Kinder zu sehen. Oder warum bist du sonst zu mir zurückgekehrt?“
Noch immer reagierte Mara nicht auf ihren zeitweiligen Gefährten, sie nahm kaum Notiz von ihm, sondern setzte eilig, so schnell es ihre verletzte Pfote zuließ, ihren Weg fort.
„Nun reicht es aber Mara!“ Erbost über die Gleichgültigkeit seiner Partnerin sprang Kara der Wölfin in den Weg. „Ich will jetzt eine Antwort. Glaube nicht, dass ich dich so gehen lasse!“ Um dem letzten Satz etwas mehr Nachdruck zu verleihen, bebten seine Lefzen und ließen das Weiß seiner Zähne erkennen.
„Lass – mich - gehen!“ Maras Stimme klang ernst und entschlossen. „Du kannst mir folgen, oder auch hier bleiben, es ist mir egal. Nur versperre nicht meinen Weg. Ich werde keine Rücksicht nehmen und wenn du mich aufhalten willst, dann musst du mich eben töten.“
Eingeschüchtert und ratlos wich Kara zurück. Unbeirrt setzte Mara ihren Weg fort und ließ ihn mit seinen Fragen allein zurück.
Einige Tage vergingen, ohne dass Kara noch einmal den Geruch seine Gefährtin in die Nase bekam. Immer wieder durchstreifte er sein Revier, in der Hoffnung, noch Witterung von ihr zu bekommen, doch sie schien vom Erdboden verschluckt worden zu sein. Unruhe ergriff den Wolf, und obwohl er niemals sein angestammtes Revier mit den dichten Wäldern und großen Grünflächen verlassen würde, sorgte er sich doch um seine Gefährtin, denn ihr Verhalten ihm gegenüber war sehr beunruhigend gewesen.
In einer sternenklaren Nacht, er hatte gerade einen schlafenden Hasen überrascht und ihn zur Strecke gebracht, beschloss er, die Helligkeit des Halbmondes auszunutzen und zum höchsten Punkt seines Reviers aufzusteigen, um dort vielleicht die Witterung seiner Gefährtin aufzunehmen. Er hatte einen weiten Weg vor sich und nachdem er den Hasen gefressen hatte, verlor er keine Zeit mehr und spurtete los.
Der Mond war bereits weit über den Himmel gewandert, als er endlich den südlichsten Ausläufer seines Territoriums erreichte. Dort reckte sich ein gewaltiger Hügel gen Himmel. Seine halbrunde Spitze war baumlos und nur dichtes Dornengestrüpp wucherte dort oben. Es war ein beschwerlicher Aufstieg, doch die Sorge trieb Kara an und ließ ihn die Dornen nicht spüren.
Der frühe Morgen begann mit Sonnenschein und rote Strahlen trafen das Land, als der Wolf endlich den Hügel erkommen hatte. Vor ihm erstreckte sich ein Meer aus Baumkronen, das zwischendurch von weiten, baumlosen Grünstreifen, oder tiefblauen Flüssen und Bächen unterbrochen wurde.
Kara setzte sich auf seine Hinterläufe und hielt die Nase hoch in den Wind. Seine Lungen füllten sich tief mit der kalten Morgenluft, doch noch immer erkannte sein guter Geruchsinn die Witterung seiner Gefährtin nicht.
Und doch lag dort etwas in der Luft, was er nur allzu gut kannte. Kara schüttelte den Kopf und rieb sich mit der Pfote über die feuchte Nasenspitze. Konnte es denn sein, oder spielten ihm seine Sinne einen Streich?
Noch einmal hielt er seine Nase in den Wind, vergewisserte sich, ob er mit seiner Vermutung richtig lag. Und ja. Es war eindeutig. Die Waraties. Sie waren wieder da. Deshalb auch Maras unmögliches Verhalten und ihre verletzte Pfote. Nun wurde ihm einiges klar. Maras Verhalten, Pari und Meito, die sonst immer bei ihr waren und nun fehlten und auch Maras mürrischer Spruch, in diesen Zeiten sei es schwer, seinen Pelz zu behalten, egal, wohin man sich wenden würde. Nun gab es keine Fragen mehr und Kara wusste, was er zu tun hatte.
Er verließ seinen Ansitz und machte sich an den Abstieg. Es war das eingetreten, wovor er sich immer gefürchtet hatte. Sein ärgster Feind war wieder aufgetaucht, einfach so, ohne Vorwarnung. Ein tiefes Grollen entfuhr unweigerlich seiner Kehle, als er an diese Dreistigkeit dachte.
Ohne Pause lief er westwärts. Immer wieder hielt er an seinen Markierungsbäumen, erschnüffelte seinen markanten Geruch und wenn nötig frischte er ihn wieder mit Hilfe seines Urins auf. Es dauerte nicht lange, bis er die Grenze seines Reviers erreicht hatte und mit einem unguten Gefühl im Bauch verließ er es und brach in das Nachbarterritorium ein.
Auch hier erschnüffelte er den Geruch an den Bäumen, doch er hütete sich davor, eigene Duftmarken zu setzen, denn er wollte nicht bemerkt werden. Waren die Bäume zu anfangs noch mit dem Duft seiner Partnerin und ihrer Kinder markiert, mischte sich bald ein eigentümlicher Geruch darunter, den Kara nun immer deutlicher wahrnahm. Es war der Duft eines anderen Rudels, seinen Feinden, den Waraties. Je weiter er sich von der Reviergrenze entfernte, desto intensiver brannte ihm diese Erkenntnis in der Nase.
„Sehr schlau“, dachte er. „Ihre eigene Fährte weit entfernt von meiner zu legen. Dann ist ihnen also unser letztes Zusammentreffen doch in Erinnerung geblieben!“
Die Sonne hatte nun schon fast ihren höchsten Punkt erreicht, doch Kara ließ sich trotz der schwülen Mittagshitze kaum von seinem Weg abbringen. Mit der Nase tief auf dem Boden, schlich er durch den Wald. Der Pfad, den er eingeschlagen hatte, führte ihn immer weiter von seiner Heimat fort, doch der Wolf ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Wenn die Waraties das Revier seiner Partnerin besetzt hielten, so bedeutete das auch für ihn eine Gefahr. Obwohl er stets ein Einzelgänger war und auch bleiben wollte, so verwirkte diese Tatsache seine Chance, Nachwuchs zu zeugen. Immer, wenn seine Gefährtin Kara in Hitze kam, hatte er sie aufgesucht, um mit ihr seine Gene weiterzugeben. Doch nun, angesichts der Bedrohung durch fremde männliche Artgenossen, schien dies unmöglich zu sein.
Er erreichte einen kleinen Abhang, dessen Vegetation aus jungen Bäumen und Ginstergestrüpp bestand. Dort hindurch führte ein eingetretener Weg, der von dem ständigen Wechsel des Wolfsrudels breit ausgetreten war. Kara wusste, dort unten lag der Kessel, der Schlafplatz, das Versteck der Wölfe. Schon oft war er diesem Pfad gefolgt, um dort unten seine Partnerin zu treffen, doch dieses Mal scheute er sich davor, den direkten Weg zu nehmen, denn der penetrante Geruch fremder Wölfe wehte ihm entgegen.
Stattdessen schlug er sich rechts durch das dichte Gestrüpp, bewegte sich dabei stets vorsichtig, um keine Geräusche zu erzeugen. Pfote für Pfote suchte er sich Durchlass, immer bedacht darauf, dem fremden Rudel keinen Hinweis auf seine Ankunft zu geben.
Endlich erreichte er den Kessel. Auf dem von dichtem Bewuchs umgebenen Platz, erblickte er das fremde Rudel. Dort saßen drei Waraties, zwei Weibchen und ein heranwachsendes Männchen, von dem Anführer der Gruppe, aber auch von Karas Gefährtin Mara und den Jungwölfen lag kein Geruch in der Luft.
Langsam ließ sich Kara nieder, beobachtete von seinem Versteck aus, das Treiben der anderen Wölfe. Das eine weibliche Tier war ihm ebenfalls wohlbekannt. Lari, das Alphaweibchen der Gruppe. Nicht weniger gefährlich als Korr, der Alphawolf der Waraties selbst. Doch sie schien trächtig zu sein. Das sah Kara an ihrem rundlichen Bauch und den geschwollenen Zitzen. Gut für ihn, in ihrem Zustand würde sie wohl kaum einen Kampf mit ihm eingehen können. Die zweite Wölfin schien recht jung zu sein, fast noch ein Welpe, genau wie der Jungwolf, der dort am Rande des Kessels herumtollte. Vielleicht waren sie aus einem Wurf vom letzten Frühjahr, dann konnte er sie nicht kennen.
„Ein trügerisches Bild“, dachte Kara und entschied, dass er besser noch etwas in seinem Versteck verharren sollte, als sich blindlings in Gefahr zu stürzen.
So hockte er bewegungslos im dichten Gebüsch und hoffte auf eine Gelegenheit für einen Angriff. Und er wurde für seine Geduld belohnt. Einige Zeit verstrich ereignislos, doch bald schon regte sich etwas auf dem Pfad, dem einzigen Zugang zum Wolfslager, das seine Aufmerksamkeit auf sich lenkte.
Langsam und gemütlich trottete Korr den Pfad entlang, als hätte er alle Zeit der Welt und er kam nicht allein. Hinter ihm schlich Mara dahin, den Kopf ehrfürchtig gesengt, die Ohren eingeklappt. Ihre lange Rute steckte starr zwischen ihren Beinen und Kara erschrak, als er bemerkte, wie ausgemergelt und schlecht seine Partnerin aussah. Von seinen Kindern Pari und Meito fehlte weiterhin jede Spur.
„Du hast sie wiedergefunden?“ Das Alphaweibchen der Gruppe erhob sich langsam von ihrem Ruheplatz, schlenderte auf ihren Gefährten zu und strich mit ihrer Wange über seine. Prüfend beschnupperte sie ihn, nahm alle fremden Gerüche auf, die er von seiner langen Suche mitgebracht hatte. Auch Korr ließ seine Nase über das Weibchen streichen, bevor er sich der Begrüßung seines Nachwuchses zuwandte.
„Ja“, zischte er zwischen seinen starken Kiefern hindurch. „Sie war schon weit gelaufen, ich musste sogar das Revier unseres Widersachers durchqueren, doch ich konnte sie aufhalten, noch bevor sie die Baumgrenze erreicht hatte. Sie wird eine Bereicherung für uns sein, mit uns jagen und uns helfen, unsere Jungen großzuziehen. Sie wird sich schon noch an uns gewöhnen!“
Das Alphaweibchen schnüffelte jetzt an Mara herum, doch es war nicht so eine freundliche Begrüßung wie die ihres Gefährten. Die Zähne leicht gefletscht, schlich sie um die Wölfin, zeigte ihr mit jeder Geste ihres Körper, wie angriffsbereit und beißfreudig sie aufgelegt war.
„Sie hat ihn getroffen“, warf sie ihrem Gefährten zu, als sie Maras Gerüche tief in ihre Lungen gezogen hatte. „Ich rieche ihn an ihr.“
„Nein. Ich habe auf der Suche nach ihr, Karas gesamtes Revier durchquert, ohne eine Spur von ihm zu finden. Er schien sein Gebiet aber erst vor kurzem verlassen zu haben, denn die Duftspuren, die ich fand, waren noch frisch. Doch wäre er da gewesen, hätte ich mich wohl kaum so unbehelligt in seinem Wald aufhalten können!“ warf Korr zurück. „Ich habe ihm eine deutliche Spur hinterlassen. Er wird kommen und mich herausfordern. Er wird mich hier nicht dulden wollen, in seiner Nähe, mit seiner Partnerin!“
„Du willst dich also wirklich mit ihm anlegen?“ fragte seine Gefährtin und Angst lag in ihrer Stimme. „Beim letzten Mal konntest du froh sein, dass er dir dein Leben gelassen hat und jetzt lockst du ihn zu uns? Das ist leichtfertiger Irrsinn!“
„Schweig!“ Der Alphawolf sprang wütend auf seine Gefährtin zu. Ein tiefes Knurren verließ seine Kehle und seine Lefzen bebten vor Zorn. „Beim letzten Mal war ich nicht vorbereitet. Ich war jung und unerfahren, deshalb konnte er mich besiegen. Doch das Blatt hat sich gewendet! Verstehst du das? ICH bin jetzt der Stärkere! ICH bin jetzt der, der das beste Revier für sich beanspruchen wird. Kara ist nur noch ein alter Wolf. Er wird mich noch anwinseln, bevor ich ihn töte, genauso, wie mich seine Kinder angewinselt haben, bevor ich ihnen die Kehlen durchbiss!“
Kara hatte genug gehört. Die ganze Zeit saß er in seinem Versteck, rührte sich nicht und war unbemerkt geblieben. Doch nun bebte der Zorn in ihm und ließ seine Instinkte wach werden. Geräuschlos erhob er sich, die grauen Nackenhaare gesträubt. Sein Körper zitterte vor Wut und Hass. Die Muskeln seiner Lefzen spannten sich und ließen die Zähne unter dem Fleisch hindurchblitzen. Seine Ohren legten sich flach an den Kopf, sein Hals streckte sich nach vorne und mit einem einzigen gewaltigen Satz breschte er aus dem Gebüsch, direkt auf seinen Widersacher zu, der erschrocken und unvorbereitet einen reflexartigen Sprung zur Seite vollzog.
Kara wusste den Moment des Schreckens für sich zu nutzen. Sofort stürmte er auf Korr zu, seinen Kiefer weit geöffnet. Für einen Augenblick sah er noch die aufgerissenen Augen seines Widersachers, dann prallten die zotteligen Körper aufeinander.
Mit diesem Angriff war Korr augenblicklich überfordert. Nicht fähig sich zu rühren, fand er sich am staubigen Boden des Wolfskessels wieder. An seinem Hals prangte eine klaffende Wunde, aus dem der rote Lebenssaft hervortrat und das Erdreich tränkte. Hastig versuchte er, seine Lungen mit Luft zu füllen, doch es gelang ihm nicht, denn Kara hielt seine Kehle in seinem Maul und schmeckte sein salziges Blut. Einige wenige Herzschläge hielten Korr noch am Leben, dann starb er, ohne eine wirkliche Chance zum Kampf erhalten zu haben.
Kara spürte, wie das Leben aus dem Körper seines Konkurrenten wich. Seine Nase, seine Zunge, alles verriet ihm den eintretenden Tod. Angewidert ließ er ab von dem Hals des Wolfes. Er hatte erreicht was er wollte und Korr interessierte ihn nun nicht mehr.
Langsam schritt er auf Lari zu. Wie versteinert saß sie noch einen Augenblick da, blickte auf den Körper ihres Leitwolfes, der nun reglos am Boden lag, dann bemerkte sie die Gefahr, in der sie sich befand und zeigte augenblicklich die Reaktion, die ihr die letzte Möglichkeit zum Überleben bot.
Sie winselte, kniff die Rute zwischen ihre Beine und schlich mit geducktem Körper und aufgerichteten Hals auf Kara zu. Vorsichtig leckte sie seine Lefzen, genauso, wie es junge Wölfe beim Betteln um Futter taten, dann rollte sie sich auf der Erde hin und her und entblößte ihre Kehle.
„Verschwinde und nimm die dort mit“, rief Kara ihr zu und warf einen missmutigen Blick auf die beiden Halbwüchsigen. Warum er sie laufen ließ? Er wusste es selbst nicht. Es war ein Fehler, das sagte ihm sein Gespür. Eines Tages würden sie zurückkehren und ihn erneut zum Kampf aufrufen. Doch soweit konnte er nicht denken. Alles was zählte war die erneute Beweisstellung seiner Kraft und die würde wohl vermutlich für immer anhalten, denn den Tod kannte er nicht für sich selbst.
Noch einen Tag verbrachte er mit Mara im Wolfskessel, dann machte er sich auf den Weg zurück in sein Revier, wo er eiligst alle Bäume mit seinem überlegenen Duft markierte.