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Unter mir ist eine ganze Menge Luft

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13.06.2002
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Unter mir ist eine ganze Menge Luft

Und dann fiel ich...

Das fand ich eigentlich ziemlich unangenehm. Obwohl mir das Fallen an sich gar nicht so viel ausmachte, ich wollte schon immer mal mit dem Fallschirm von einem Flugzeug springen. Das dumme an diesem Fall war, daß ich keinen Schirm hatte und ich es auch nicht geplant hatte, von dem Hochhaus zu fallen und somit völlig überrascht quasi in der Luft hing.
Vorhin stand ich noch mit meiner Frau oben auf dem Dach dieses Wolkenkratzers, wir wollten über unsere Scheidungsmodalitäten sprechen – sie wollte das Haus, ich die Kinder, sie das Auto, ich den Hund, sie die Kinder, ich das Auto, sie den Hund und ich wollte das Haus – als ich plötzlich und ohne ersichtlichen Grund das Gleichgewicht verlor. Ein kurzer Blick nach unten verdeutlichte mir meine Situation. Es ging da ziemlich steil und ziemlich weit nach unten. Ich tat das, was jeder intelligente Mann an meiner Stelle getan hätte und schrie ein wenig.

Und dann passierte mir das, was einem immer passiert, wenn man von einem Hochhaus fällt, zumindest wenn man den ganzen Hollywoodfilmen glauben kann. Mein komplettes bisheriges Leben zeichnete sich vor meinen Augen ab. Es begann mit meiner Zeugung. Es ist seltsam, aber so sehr ich diesen Vorgang zu Lebzeiten gemocht hatte, in dieser Situation fand ich es einfach nur abstoßend. Ich sah meine Geburt, die wirklich nicht sehr schön anzusehen war. Es tat mir innerlich sehr weh, meine Mutter in solchen Schmerzen zu sehen, zumal ich damals dafür verantwortlich gewesen war.
Es gab eine Art Flash (eigentlich nur ein kurzes weißes Bild im Film der Erinnerung, aber Flash klingt irgendwie moderner finde ich) und ich saß plötzlich in einem Hochstuhl und meine Mutti, diesmal angezogen, versuchte ohne größeren Erfolg ein Löffelchen Milupa-Brei (ich glaube Apfel) in meinen Mund zu schieben „für meinen Onkel Herbert“ (den ich nebenbei nie kennengelernt habe, aber bei den Mengen Brei, die ich für ihn essen mußte, muß es ihm recht gut ergangen sein). Das meiste landete auf meinem Lätzchen, dessen Stickerei in Form eines Bussi-Bären man nicht mal mehr ansatzweise erkennen konnte.
Ich betätigte den virtuellen Vorlauf, denn meine ersten Gehversuche, Toilettengänge und Sprachübungen wollte ich mir eigentlich nicht antun, immerhin hatte ich im Moment besseres zu tun. Da war zum Beispiel dieser kleine Vogel, es mag ein Geier gewesen sein, der meinen Flug nach unten einige Meter weit begleitete. Ich unterhielt mich ein wenig mit ihm über die aktuelle Wirtschaftslage, erhielt keine Antwort und widmete mich wieder dem Film.
Dort war ich in diesem Moment bei meiner Einschulung angekommen. Ich trug eine himmelblaue Schultüte (ich weiß noch ganz genau, wie ich damals auf den Inhalt gespannt war, aber es waren bloß Erdnüsse und ein Federmäppchen drin.) und ging gerade in die Schulaula, wo eine kleine nette Begrüßungszeremonie stattfinden sollte, die sich dann als ziemlich ausladend und lang herausstellte. Dann gingen wir in die Klasse, lernten uns gegenseitig kennen und hassen, und begannen unseren ersten Schultag.

Der Geier versuchte, mein Auge auszupicken, aber ich versicherte ihm, daß ich das eigentlich noch brauche. Er nahm davon allerdings keine Notiz und so scheuchte ich ihn einfach fort. Die Schule... eine tolle Zeit, zumindest aus meinem Blickwinkel heraus. Ich erinnerte mich an meine ersten geschriebenen Worte („Paul ist doof“ auf den Tisch – die Lehrer fanden das nicht lustig), meine ersten mathematischen Erlebnisse im verworrenen Bereich der Zahlen bis zehn und an die erste große Liebe. Die erwies sich rückwirkend als ziemlich ernüchternd und so dachte ich an meine zweite große Liebe, die den Vorteil hatte, in meinem Alter gewesen zu sein. Im Gegensatz zu meiner Mathelehrerin...
Naja, ich ging damals, ich war wohl schon in der siebten Klasse gewesen, mehrere Monate lang mit Uschi, so hieß die junge Dame, als es dann passierte. Wir saßen auf einer Parkbank und plötzlich schob sie mir ihre Zunge in den Mund. Was hab ich mich gefreut damals. Wenn das jetzt einer meiner Kumpel gesehen hätte, der Paul zum Beispiel, der hätte mich doch wochenlang ausgelacht. Ja, so dachten wir damals alle. Jetzt hingegen vertrat ich den Standpunkt, daß ich damals den Paul hätte auslachen können, denn der kannte die Zungen von Frauen nur aus Erzählungen.

Die nächsten paar Jahre spulte ich einfach wieder vor, denn da war nicht viel. Der erste Alkohol, der erste Sex, der erste eigene Motorroller, der erste Sex mit einer Frau, das erste Auto... also alles in allem nicht sehr spannend. Irgendwann machte ich dann mein Abitur, weil meine Eltern das so wollten. Ich hätte ja lieber als pickeliger Hippie in den Staaten gelebt, aber sie wollten, daß ich eine Banklehre mache. Naja, und dann machte ich eben die Banklehre. Zumindest für kurze Zeit.
Gerade, als ich in meinen Memoiren an der interessanten Stelle ankam, weckte mich eine Putzfrau aus meinen Träumen. Sie klopfte an ein Bürofenster und winkte mir freundlich zu. Ich fand allerdings keine Zeit, diesen Gruß in einer angemessen Form zu erwidern und konzentrierte mich wieder auf meine Erinnerungen. Damals entdeckte ich meine Liebe zum Schreiben. Und zum Glück wurde gleich mein erstes Buch veröffentlicht. Es ging um einen jungen Mann, der nur mit einem Bademantel bekleidet mit seinen Freunden durch das Universum reiste und dabei immer auf sein treues Handtuch vertrauen konnte. Kein sehr innovativer Stoff, gebe ich zu, aber sehr erfolgreich. Ich nannte es „Im Bademantel durch das Universum“.
Was soll ich sagen, es war wirklich sehr erfolgreich. Ich verdiente mir eine goldene Nase und lernte eine Frau kennen. Ihr Name war Gerlinde und wenig später heirateten wir. Danach kaufte ich uns ein Haus, ein Auto, ein Pferd, ein Boot und ein Visitenkarte von der Sparkasse. Sie schenkte mir dafür zwei Kinder und einen Hund. Wir waren eine sehr glückliche Familie, bis Manolo, ihr Tanzlehrer ihr feuriges Verlangen erweckte. Und dann wollte sie die Scheidung und das Haus, und den Hund und... naja, das sagte ich ja bereits.

Dabei fällt mir auf, wie tief ich nun schon gefallen war. Ich kann sogar schon die Risse im Gehsteig erkennen, was mich an mein vermutlich trauriges Schicksal erinnert. Gerlinde wollte sich mit mir auf diesem Hochhaus treffen, um mit mir zu reden. Und als ich einmal den Rücken zuwandte, muß mir ein Vogel in den Rücken geflogen sein oder so. Zumindest spürte ich einen Druck im Rücken und fiel von der Brüstung.
Ja, und das mache ich jetzt immer noch. Ich pule mir gerade eine Fliege aus den Zähnen, denn so wollte ich nicht sterben. So, jetzt bin ich am Ende meiner Geschichte angelangt. Zumindest bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit, sie noch mal Korrekturzulesen, außerdem ist der Kugelschreiber alle und das Papier in meiner Hand ist auch vollgeschrieben. Ich glaube, ich sollte jetzt aufhören, und mich auf den Aufprall vorbereiten, zumal ich jetzt schon die Augen der Ameisen in den Rissen zwischen den Gehwegplatten erkennen konnte.

Ich hoffe, die Welt behält mich in guter Erinner

 

Morgen gnoebel ,

da sich noch niemand die Mühe gemacht hat, werde ich das nun mal tun.
Deine Geschichte hat mir im Großen und Ganzen recht gut gefallen.
Sie ist stellenweise recht amüsant geschrieben, wenn auch an manchan Punkten wieder extrem unrealistisch
Den Stil emfinde ich als flüssig, ohne zu stocken, konnte ich es in einem Stück durchlesen.
Ein paar Stellen haben mich aber dann doch gestört.

Da war zum Beispiel dieser kleine Vogel, es mag ein Geier gewesen sein, der meinen Flug nach unten einige Meter weit begleitete. Ich unterhielt mich ein wenig mit ihm über die aktuelle Wirtschaftslage, erhielt keine Antwort und widmete mich wieder dem Film.
Also ein Geier?
Nee, das denk ich ja mal nicht. Vor allem nicht, da es ein kleiner Vogel war.
Und über die Wirtschaftslage?? :confused:
Das hat mich ein bißchen rausgebracht.

(..)...weckte mich eine Putzfrau aus meinen Träumen. Sie klopfte an ein Bürofenster und winkte mir freundlich zu.
Hm,eigendlich dürfte er das nicht mitbekommen, wenn er da mit mehr als100 Sachen der Straße entgegenzischt.
Im übrigen auch sehr eigenartig beschrieben.

...treues Handtuch vertrauen konnte. Kein sehr innovativer Stoff, gebe ich zu, aber sehr erfolgreich. Ich nannte es „Im Bademantel durch das Universum“.
Und wir alle Wissen, das der Sinn des Lebens 42 ist :D (Per Anhalter durch die Galaxis)

Ich pule mir gerade eine Fliege aus den Zähnen, denn so wollte ich nicht sterben.
Also, dafür hat er doch nun echt keine Zeit, oder ? :lol:

Zumindest bleibt jetzt nicht mehr viel Zeit, sie noch mal Korrekturzulesen, außerdem ist der Kugelschreiber alle und das Papier in meiner Hand ist auch vollgeschrieben
Ähm..also als das alles in der Errinnerungsperspektive geschrieben war, war es völlig ok, aber das ist absurt.
Er ist kaum in der Lage, mal eben seine Geschichte im Fall auf Papier zu bringen.
ich finde, das hättest du weglassen können.

So, das war es erst mal.
Alles in allem eine gute und lustige Geschichte, bei der ich das ein oder andere Mal habe schmunzeln müssen.

Von mir ein Lob

Rub.

 

Hallo gnoebel,

wirklich originell, Deine Geschichte.

...versuchte ohne größeren Erfolg ein Löffelchen Milupa-Brei (ich glaube Apfel) in meinen Mund zu schieben „für meinen Onkel Herbert“ (den ich nebenbei nie kennengelernt habe, aber bei den Mengen Brei, die ich für ihn essen mußte, muß es ihm recht gut ergangen sein).
Ungefähr exakt beinahe genau an dieser Stelle hat's mich fast vom Stuhl gehauen!

:rotfl:

Außerdem: Dein letzter Satz ist ein Knaller. Erinnert mich irgendwie an "Überlebenstyp" von Stephen King - nur abrupter.

 

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