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Unser Geheimnis
Der schrille Alarm schreit förmlich in meinem Kopf. Ich winde mich von einer Seite zur anderen in der Hoffnung ihn schnell wieder los zu werden, aber er geht natürlich nicht von selber weg. Als ich endlich wach werde, realisiere ich entsetzt dass das der Alarm meines Notfallrufes ist.
Langsam stehe ich auf und bereite mich gedanklich darauf vor, was gleich auf mich zukommen wird. Sehr oft klingelt dieser Alarm nicht und früher, bevor ich eine Familie hatte, hat es mir Spaß gemacht mich darauf vorzubereiten und ins Gefecht zu gehen. Dort habe ich meine Wohlgesinnten wiedergetroffen die über die ganze Welt verteilt sind und zusammen haben wir den Kampf in Angriff genommen. Teilweise habe ich auch welche verloren, auch welche denen ich näher stand, aber es sind immer wieder andere nachgerückt. Und viel Zeit zum trauern gab es sowieso nie, denn das Treffen hängt immer nur von dem Alarm ab.
Mein Mann liegt immer noch weit ausgestreckt auf dem Bett und ahnt von nichts. Er kann diesen schrillen Alarm nicht hören. Den hören nur wir. Leise gehe ich zu der Wand wo meine Geheimnisse versteckt sind, an die er nicht mal im Traum denken würde. Auch wenn ich ihn über alles liebe, erzählen konnte ich es ihm nie, denn er würde mich mit ganz anderen Augen sehen und das würde unser beides und unseres Sohnes Leben komplett auf den Kopf stellen.
An der Wand drücke ich auf die entsprechenden Stellen, die nur mir bekannt sind und eine Tür geht auf. Heraus hole ich meinen Anzug und meine Waffe. Ich liebe dieses Schwert, sie ist mir passend auf meine Hand geschmiedet worden. Sie liegt so weich und sanft als ob ich eine Feder halten würde. Das Metall ist federleicht und trotzdem hart wie ein Diamant. Es könnte einen einzelnen Baum von dreißig Zentimetern Durchmesser wie Butter durchschneiden.
Fertig angezogen gehe ich noch mal in das Zimmer meines Sohnes und schaue in sein liebliches Gesicht, in der Hoffnung es wird nicht das letzte mal sein. Eines Tages wird ihn das gleiche Schicksal wie mich ereilen und ich werde ihm dazu die ersten Schritte zeigen. Er wird dann die Welt endlich mit meinen Augen sehen können und ich werde jemanden haben mit dem ich darüber sprechen kann. Aber noch hat er Zeit und ich muss erst mal schaffen diese Kämpfe zu überleben.
Mit einem Kuss auf seine Stirn verabschiede ich mich von ihm und gehe auf unsere Terrasse zu. Sorgen dass mein Mann jetzt wach wird und mich so sieht brauche ich nicht zu haben. Wenn diese Kämpfe stattfinden, dann steht die Welt still und die Menschen rühren sich nicht mehr. Manchmal gehen diese Kämpfe nur ein paar Stunden, manchmal auch ein paar Tage.
Nur aus Liebe zu unseren Nächsten auf der Erde tun wir das, damit die ein beruhigtes Leben weiterführen können. Und genau das ist was mich so stark macht bei jedem Kampf. Ich habe immer meine beiden Liebsten vor Augen, denn ich möchte nicht dass für beide der nächste Morgen ein Albtraum wird, weil sie mitbekommen dass ihre Mutter und Frau aus unerklärlichen Gründen verschwunden ist.
Mit einem Lächeln im Gesicht schaue ich in den Himmel und verwandle mich zu dem was mich eigentlich ausmacht. Die Haut an meinem Rücken krümmt und verbiegt sich, und das was normalerweise verborgen ist, kommt zum Vorschein. Ich breite meine wunderschönen braunen Flügel aus und schwinge mich hoch in die Luft. In diesem Moment fühle ich mich stark und schön zugleich und bedaure es gleichzeitig dass mein Mann mich so nicht sehen kann.
Langsam gleite ich über die Häuser meiner Stadt entlang zu dem Gebiet wo die Dämonen versuchen in die Realität einzudringen. Unter mir sind die ganzen schlafenden Menschen die davon keine Ahnung haben, dass irgendwo genau neben ihnen eine Schar von Engeln grad um den Schutz ihrer Leben kämpft.
Und ich kann es kaum erwarten mit meinem Sohn Hand in Hand zu fliegen, denn genau das ist unsere Bestimmung.