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Unmögliches möglich machen
Unmögliches möglich machen
Er sitzt auf der Bank und lauscht dem Gezwitscher der Vögel. Seinen Blindenstock hat er zwischen seine Beine gestellt. Er stützt das Kinn auf die Krücke. So sitzt er eine ganze Weile, denkt angeregt über seinen neuesten Fall nach und stellt sich vor, wie er anstelle seines Klienten reagiert hätte.
Jemand nähert sich der Bank, verharrt kurz und fragt dann höflich: „Stört es Sie, wenn ich mich zu Ihnen setze?“
„Ach wo, setzen Sie sich.“
„Ein herrlicher Tag heute. Der Himmel so blau, mit kleinen Wölkchen bestückt. Gerade so, als wäre eine Schafherde auf dem Weg zur Weide. Ach, wenn ich mich kurz vorstellen darf. Ich bin Peter Wibbel, seines Zeichens einsamer Astronaut und damit befasst, Unmögliches möglich zu machen.“
„Das ist ja höchst interessant. Mein Name ist Eugen Rathenau, seines Zeichens blinder Detektiv und mit einem außerordentlich prekären Fall befasst. Was schwebt Ihnen denn so vor, dass sie möglich machen wollen?“
„Liegt auf der Hand. Ich möchte auf den Wolken spazieren gehen, ohne Netz und doppelten Boden.“
„Das ist schier unmöglich. Wie soll das denn wohl funktionieren?“
„Ich werde mich mittels einer Kanone auf eine üppige Wolkenbank schießen lassen. Wenn ich dort angekommen bin, werde ich mich an ihr festhalten, ganz langsam aufrichten und dann gemächlichen Schrittes diese nämliche Wolkenbank abschreiten. Meine Atemtechnik und meine Astronautenausbildung werden mir diesen Spaziergang ermöglichen.“
„So ein Quatsch. Sie sind viel zu schwer und werden mit Pauken und Trompeten nur so vom Himmel fallen und sich am Ende das Genick brechen. Das war dann Ihr Spaziergang auf den Wolken.“
„Das wird nicht passieren, weil ich die Voraussetzungen und den Willen habe, diese Unmöglichkeit zu schaffen.“
„Dummes Gerede. Wille hin oder her. Wenn Sie schon nicht durch die Wolken sausen, werden Sie ersticken. Denn es ist ja hinlänglich bekannt, dass es da oben so gut wie keinen Sauerstoff hat.“
„Wie schon gesagt, meine besondere Atemtechnik wird mich vor dem Erstickungstod bewahren.“
„OK, dann klappt es mit der Luft. Allerdings werden Sie in kürzester Zeit so steif gefroren sein, dass Sie nicht mehr ein Bein vor das andere setzen können. Dann werden Sie wie eine Eiskugel zu Boden sausen und dort zerschellen.“
„Auch das wird nicht passieren, weil ich mir einen Thermoanzug fertigen lassen werde, der mich vor dem Erfrieren bewahrt. Wie Sie sehen, pardon hören, bin ich in der Lage, diese Unmöglichkeit tatsächlich möglich zu machen.“
„OK, ich gebe mich geschlagen. Aber eines würde ich doch noch gerne wissen. Wozu soll das gut sein?“
„Äh, darüber habe ich allerdings noch nicht nachgedacht. Auf Wiedersehen. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.“