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Unheilig

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15.05.2017
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Unheilig

Der seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte leerstehende, verwahrloste Supermarkt „Point“ bot einem jeden, der daran vorüberging oder -fuhr ein Bild beinahe grenzenloser Trostlosigkeit. Leer Papier- und Plastiktüten, kaputte Glasflaschen, zertretene Blechdosen und anderer Müll lagen über den ganzen Parkplatz verstreut. Niemand schien sich darum zu kümmern. Hin und wieder ließ ein sanfter Luftstoß die leeren Tüten über den Asphalt tanzen, ehe der Wind wieder nachließ und dem lustigen Spiel Einhalt gebot.
Die großen Fenster des Gebäudes waren von innen sorgfältig mit braunem Papier abgedeckt worden. Außen waren die Scheiben schmutzig und ausladend. Hier und dort waren kleine Sprünge im Glas und an manchen Stellen waren die Scheiben klebrig und rochen nach Limonade, abgestandenem Bier oder Erbrochenem. Selbst die Natur schien sich der abstoßenden Aura dieses Ortes anzupassen. Die Bäume, die den Parkplatz an zwei Seiten umgrenzten, trugen das ganze Jahr über keine Blätter und die Wiese, die auf den dafür vorgesehenen Flächen zwischen den Parkplatzreihen im Sommer eigentlich hellgrün sprießen sollte, war von schmutzigem Grau. Es war fast so, als hätte etwas derartig Böses diesen Ort berührt, dass selbst die Farben sich weigerten, sich preiszugeben.
An der Vorderseite des Supermarktes, über den Türen, waren dicke Neonröhren angebracht, die einst in textmarkerfarbenem Orange stolz das Wort POINT in die Welt hinausgeleuchtet hatten. Doch nun erweckten sie nur noch einen durch und durch traurigen Eindruck. Die Röhren waren derartig schmutzig, dass, selbst, wenn sie noch hätten leuchten können (was sie natürlich nicht mehr konnten), das Licht durch die dicke Schmutzschicht hindurch nicht mehr sichtbar gewesen wäre.
Schlicht zusammengefasst war dies der letzte Ort der Welt, an dem irgendjemand sich hätte aufhalten wollen.
Langsam aber sicher wurde es dunkel und die Nacht begann ihren dicken Mantel des Schweigens über die Stadt auszubreiten. In der Ferne hörte man noch das Rattern der letzten Straßenbahn, die die übriggebliebenen Fahrgäste absetzte, allerdings keine neuen mehr einsteigen ließ. Dann war es ruhig.
Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sich in dieser Nacht das Tor zu einer anderen Welt auftun und alles für immer verderben würde, was sich tragischer Weise zur falschen Zeit am falschen Ort befand.

Die fünf Jugendlichen (man hatte sich im Nachhinein geeinigt, in der Zeitung nicht ihre richtigen Namen preiszugeben, denn die Würde des Menschen solle schließlich unantastbar bleiben) bildeten einen kleinen Kreis und breiteten das Spielbrett vor sich aus. Einer von ihnen, ein Junge, sechzehn Jahre alt, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das kleine quadratische Loch im Dach über ihm. Das Seil, das sie benutzt hatten, um in den Supermarkt zu gelangen, baumelte knapp 10 Zentimeter über dem Boden und er überlegte, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, leichtsinniger Weise hier herunterzuklettern. Runter war ja leicht. Aber was, wenn sie es nicht mehr schafften, hochzuklettern? Die Dachluke war immerhin gut fünf Meter über ihnen. Aber was soll’s, im Notfall mussten sie eine Scheibe einschlagen. Das würde vermutlich niemandem auffallen, geschweige denn irgendjemanden interessieren.
Eines der beiden Mädchen, die dabei waren, holte ein kleines Glas aus dem Rucksack und stellte es in die Mitte des bemalten Pappkartons, den sie optimistischer Weise „Spielbrett“ nannten. Rund um den Karton waren das Alphabet und die Ziffern null bis neun mit dickem schwarzem Stift aufgemalt.
Mitten in der Nacht in ein verlassenes, vermutlich einsturzgefährdetes Gebäude einzubrechen und Geister zu beschwören hatte natürlich in den Teenagerköpfen nach einer grandiosen Idee geklungen. Mutprobe hieß es später in den Zeitungen. Doch eigentlich war es das nie gewesen. Die Erwachsenen wollen in allem Blödsinn, den Jugendliche machen eine Mutprobe sehen. Es ist das erstbeste was ihnen einfällt und sie kommen erst gar nicht auf den Gedanken, dass solche Ideen auch einfach nur just for fun entstehen. Just for fun
„Ist hier jemand? Ist hier jemand, der uns hören kann?“ Die obligatorische Frage nach der Anwesenheit Verstorbener. Der Klassiker, der das Spiel mit den Toten einläutete. Das Glas bewegte sich – überraschender Weise - nicht. Eigentlich hatte jeder damit gerechnet, dass einer der anderen es anschieben würde. Einen gab es doch immer, der das tat. Aber das Glas blieb ruhig.
Draußen auf dem Parkplatz, auf der anderen Seite der mit braunem Papier verdeckten Scheiben, wie in einer anderen Welt, unsichtbar für die im Kreis sitzenden und Geister beschwörenden Kinder, bewegten sich die Reifen eines Wagens. Das Auto bestand aus einer verrosteten Karosserie, eingeschlagenen Seitenfenstern, einem verbeulten Dach und abgebrochener Antenne. Bemerkenswert, wie alles, was dieser Parkplatz zu bieten hatte, sich makellos an das vorherrschende Bild der Trostlosigkeit, Vergessenheit und besonders an die beinahe knisternde Gewaltsamkeit dieses Ortes anpasste. Auf dem Fahrersitz trommelte jemand leicht mit den Fingerkuppen der linken Hand auf das Lenkrad. Die rechte Hand wanderte hinüber zum Drehknopf des zerstörten Autoradios und stellte es an. Stellte es an? „Ist hier irgendjemand, der mit uns in Kontakt treten möchte?“, rauschte eine Stimme aus dem alten Radio und im Rückspiegel des Wagens funkelte ein Augenpaar, das perfekt zu diesem Parkplatz passte.
Drinnen rissen die fünf fast zeitgleich ihre Finger vom Glas. Es war innerhalb eines Sekundenbruchteils so heiß geworden, dass es sich angefühlt hatte, als hätten sie den Finger zu nah über einer offenen Flamme gehalten. Fünf kurze erschreckte Aufschreie später zerbrach das Glas mit einem entsetzlich grässlichen Geräusch. Es klang fast so wie brechende Knochen. Nein, es klang ganz genauso. Ein Geräusch, das nicht zu einem brechenden Glas gehören sollte, das hier nichts verloren hatte und deswegen genau hierher passte. An den Ort, wo alles anders war, als es sein sollte. Die fünf schrien durcheinander, Entsetzen auf den Gesichtern und sprangen durch den Raum. Einige bluteten an den Händen oder im Gesicht, wo Glasscherben sie getroffen hatten.
Plötzlich wurde es hell. Die Kinder hörten schlagartig auf, zu schreien. Fast so wie eine Maus, die die Anwesenheit einer Schlange witterte und deswegen keinen Mucks von sich zu geben wagte, um nicht entdeckt und gefressen zu werden. Scheinwerfer schienen durch das Glas, durchdrangen das Papier an den Scheiben. Dann war es dunkel.
Das Auto stand da, die vordere Stoßstange nur wenige Zentimeter vor den Glasscheiben. Der Innenspiegel, der wenige Augenblicke zuvor noch ein Augenpaar gespiegelt hatte, wäre dazu jetzt nicht mehr in der Lage gewesen. Die gesamte Spiegelscheibe war aus der Plastikhalterung gebrochen und der Fahrer
war weg. Drinnen verloren die Kinder allmählich ihren Verstand. Was sich innerhalb der Wände dieses verlassenen Gebäudes, das ohne Regale, Wursttheke und Einkaufswagen an eine grässlich leere Lagerhalle erinnerte, abspielte, war zu viel für die Wahrnehmung Sechzehnjähriger. Schnitte breiteten sich auf ihren Armen und Beinen aus. Schnitte, aus denen Blut floss, Schnitte, die immer tiefere furchen in das Fleisch rissen, wenn man sich bewegte und vor allem: Schnitte, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Die Mädchen weinten und schrien, die Jungen hatten das abgrundtiefe Entsetzen in den Augen und waren vielleicht gar nicht mehr dazu im Stande, zu schreien. Immer grässlichere Wunden zogen sich über ihre Körper. Ein tiefer Riss im Oberarm eines der beiden Mädchen bot unzähligen kleinen Würmen die Möglichkeit, aus ihrem Fleisch zu entschwinden. Sie quetschten sich aus der offenen Wunden, platschten auf den Boden und hinterließen eine Spur aus Sekreten und Blut. Niemand war mehr bei Sinnen. Keiner konnte verstehen, was sich zutrug. Jeder Bisschen Verstand, jeder Funken Wahrnehmung war aus den jungen Köpfen verschwunden. Alles weg, bis auf den Urinstinkt. Der primitive Gedanke, zu überleben, ließ sie schreien und mit den Füßen strampeln. Einen Ausdruck endgültiger Verdummung auf den Gesichtern. Augen, die verrieten, dass keiner der Anwesenden auch nur die geringste Vorstellung davon hatte, wer sie waren, wo sie waren und warum sie waren. Niemand von ihnen hörte das Zerbersten der großen Scheiben. Niemand nahm das Röcheln wahr, das so voluminös, so präsent war, dass es den Boden vibrieren ließ. Keiner von ihnen fühlte, wie sie gewaltvoll zu Boden gerissen wurden, einer nach dem anderen, wie ihnen die Haut zu brennen begann, als das Etwas sie berührte, ihnen die Kleider vom Leib riss und sich dem ehrlosesten aller Verbrechen hingab. Und als die Decke herabbrach und die fünf unter sich begrub, dem grässlichen Vorgehen ein Ende bereitete, kriegte es auch niemand mit. Alle tot. Von der unheiligsten aller Kreaturen zu Tode gefoltert, vergewaltigt und in den Zeitungen dieser Welt als perverse, dumme Jugendliche verewigt. Beim Einbruch in leerstehenden Supermarkt verunglückt. Nackt. Dumme Pubertierende eben. Die Geschichte in allen Zeitungen. In allen.
Aber die Namen. Die nahmen sie mit ins Grab.

 

Hallo TellTaleHeart

Und Willkommen im Forum!

Der seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte leerstehende, verwahrloste Supermarkt „Point“ bot einem jeden, der daran vorüberging oder -fuhr ein Bild beinahe grenzenloser Trostlosigkeit.

Finde ich einen sperrigen Anfang. Versuch auf Füllwörter wie "fast" und "beinahe" zu verzichten, wenn sie nicht unbedingt erforderlich sind. Auch das "vorüberging oder -fuhr" finde ich umständlich.

Niemand schien sich darum zu kümmern.

Diese Formulierungen mit "scheinen" sind auch so ein Klassiker. Warum "scheint" sich niemand darum zu kümmern? Das Zeug liegt rum, ergo kümmert sich niemand darum. Lass das "scheinen" hier weg.

Hin und wieder ließ ein sanfter Luftstoß die leeren Tüten über den Asphalt tanzen, ehe der Wind wieder nachließ und dem lustigen Spiel Einhalt gebot.

Passt sprachlich nicht zum Recht. "dem lustigen Spiel Einhalt gebieten" ... klingt wie aus einem Märchen, irgendwas Schönes, vielleicht Romantisches, passt aber nicht zu deinem trostlosen Supermarkt. Was ist an umhergewehtem Müll "lustig"?

Selbst die Natur schien sich der abstoßenden Aura dieses Ortes anzupassen.

Auch hier wieder: Lass das "scheinen" weg.

Es war fast so, als hätte etwas derartig Böses diesen Ort berührt, dass selbst die Farben sich weigerten, sich preiszugeben.

Klingt mit dem 2x "sich" auch nicht gut. Es ist schon klar, welche Stimmung du hier transportieren willst, ich würde allgemein den Anfang kürzen. Im ersten Absatz geht es eigentlich nur um das Bild des heruntergekommenen Supermarkts, du beschreibst hier ein mehr oder weniger statisches Bild. Grundsätzlich finde ich es besser, wenn eine Geschichte dynamischer beginnt, hier fand ich den Anfang etwas zäh. Ich würde da wirklich kürzen.

Schlicht zusammengefasst war dies der letzte Ort der Welt, an dem irgendjemand sich hätte aufhalten wollen.*

Das brauchst du nicht mehr, das wird ja über die Beschreibungen schon klar.

Langsam aber sicher wurde es dunkel und die Nacht begann ihren dicken Mantel des Schweigens über die Stadt auszubreiten.

Das ist auch wieder umständlich formuliert. Was soll das "langsam aber sicher"? Also so wie es halt jeden Abend dunkel wird, oder? Es ist auch doppelt mit dem "wird es dunkel" und "dicker Mantel des Schweigens" - das ist ein komisches Bild - durch die Nacht verschwindet das Licht, aber nicht der Ton, und "dicker Mantel" ist auch dick aufgetragen.

Niemand wäre auf die Idee gekommen, dass sich in dieser Nacht das Tor zu einer anderen Welt auftun und alles für immer verderben würde, was sich tragischer Weise zur falschen Zeit am falschen Ort befand.

tragischerweise - das schreibt man zusammen, du hasst das an einigen Stellen immer auseinander geschrieben.

Mir gefällt der Satz auch nicht so gut. Wer spricht da, und warum wird hier gewertet? Warum würde niemand auf die Idee kommen, du hattest oben ja schon geschrieben, dass der Ort so wirkt, als sei er von etwas Bösem in Beschlag genommen worden.

Die fünf Jugendlichen (man hatte sich im Nachhinein geeinigt, in der Zeitung nicht ihre richtigen Namen preiszugeben, denn die Würde des Menschen solle schließlich unantastbar bleiben)

Du solltest dich mal ein wenig mit Erzählperspektiven beschäftigen - ich hab hier echt Mühe, wer erzählt das hier, warum wird auf einen Zeitungsartikel verwiesen, der erst in Zukunft erscheinen wird?

Die Jugendlichen bleiben ohne Gesicht, echte Charaktere gibt es in dem Text nicht. Entsprechend schwierig ist es dann auch, einen Spannungsbogen zu erzeugen, da der Leser auch niemanden hat, mit dem er sich identifizieren / mit dem er mitfiebern kann. Es ist alles irgendwie "heruntererzählt", ich finds dann auch ein wenig ideenlos.

Dumme Pubertierende eben. Die Geschichte in allen Zeitungen. In allen.*
Aber die Namen. Die nahmen sie mit ins Grab.

Was soll das bedeuten? Warum die Betonung auf ihre Namen? Hat sich mir nicht erschlossen.

Ich würde dir raten, dich mit Erzählperspektiven zu beschäftigen und damit, wie man einen Spannungsbogen erzeugt. Sprachlich den Text nochmal durchgehen und schauen, was man einfacher formulieren kann. Gerade wenn man mit dem Schreiben anfängt, sollte man eher knappere Formulierungen wählen, wenn man versucht "blumig" zu schreiben klingt es oft schnell umständlich und sperrig. Und geb in Zukunft deinen Figuren Namen und ein Gesicht. Lass sie miteinander reden. Wähle einen flotteren Einstieg. Diese Dinge machen den Text schnell spannender und interessanter.

Viel Erfolg und noch viel Spass hier im Forum!

 
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Hallo! Also zuerst mal: Vielen Dank fürs Lesen und für das Feedback :) Hab nicht damit gerechnet, dass das so schnell geht hier.
Das mit dem "tragischerweise" ist mir auch komisch vorgekommen, aber Word hat mir das ständig markiert, wenn ich es so geschrieben habe. Das hat mich verunsichert, deshalb hab ichs geändert und dann wurde es nicht mehr markiert.
Aber ja, vielen Dank für das Feedback. Ich werde es mir zu Herzen nehmen für zukünftige Kreativitätsergüsse.


Achso ja und das mit den Namen möchte ich noch kurz erklären: Ich hab letztens mit einer Freundin darüber geredet, dass Namen im Prinzip auf eine Weise das Intimste sind was wir haben. In Konzentrationslagern hat man den Leuten Nummern gegeben, um sie zu demütigen und ihnen das letzte Bisschen Würde zu nehmen. Die Namen sind das, was uns ewig begleitet und das, was einfach zu uns gehört.

:)

 

Hallo Telltaleheart,

du schreibst deine Geschichte aus der Perspektive des allwissenden Erzählers. Es klingt weniger wie eine klassische Kurzgeschichte, die normalerweise dicht bei einer Figur ist. Ich kann mir vorstellen, dass einige das irritierend finden würden, da sie nicht direkt bei den Figuren sind, sondern alles etwas trockener miterleben, wie bei einer Reportage. Insofern gibt es weder richtige Charaktere, noch einen Konflikt, sondern lediglich einen bloßen Ablauf der Ereignisse. Persönlich finde ich, dass dein Text knapp genug ist, um für mich zu funktionieren. Ich war durchaus neugierig, zu lesen, was letztendlich passieren wird.

Mir sind hier so einige Stellen aufgefallen, an denen ich persönlich Verbesserungsbedarf sehe, sowohl bei der Rechtschreibung, den Formulierungen als auch bei einigen Sätzen, die nicht so recht zu passen scheinen. Hier einige Stellen:

Der seit nunmehr fast zwei Jahrzehnte leerstehende, verwahrloste Supermarkt „Point“ bot einem jeden, der daran vorüberging oder -fuhr ein Bild beinahe grenzenloser Trostlosigkeit.

1. "Verwahrlost" und "Trostlosigkeit" drücken im Grunde ein- und dasselbe aus. Ich würde es bei einem 'leerstehenden Supermarkt' belassen. Das weckt automatisch die Assoziation von Trostlosigkeit. Das 'nunmehr' fühlt sich auch wie Füller an.
2. Ich würde der Geschmeidigkeit halber die Formulierung 'der daran vorüberging und -fuhr' ersetzen durch z.B. 'der ihn passierte'.
3. 'grenzenlose Trostlosigkeit' klingt schwülstig. Auch hier würde ich es bei dem Wort 'Trostlosigkeit' belassen.

Das Resultat ist, dass der Satz weniger Ballast enthält, sich fließender lesen lässt und das Bild, dass du vermitteln willst, anhand wenigerer Worte auf den Punkt bringt. Zumindest ich würde sagen - da dein Text nicht per se über Charaktere und ihre Konflikte verfügt - dass die Erzählung so durch schärfere und schnittigere Formulierungen punkten kann.

Hin und wieder ließ ein sanfter Luftstoß die leeren Tüten über den Asphalt tanzen, ehe der Wind wieder nachließ und dem lustigen Spiel Einhalt gebot.

Wie weiter oben schon angemerkt, diese Formulierung passt nicht ganz zum Eindruck der Trostlosigkeit. Wenn du es poetisch magst, gib dem Wind etwas aggressiveres oder bedrohliches, z.b.
"Gelegentlich kam Wind auf und trieb die leeren Tüten vor sich her." Ist vielleicht nicht das perfekte Beispiel, aber ich hoffe, du verstehst, was ich meine.

Selbst die Natur schien sich der abstoßenden Aura dieses Ortes anzupassen. Die Bäume, die den Parkplatz an zwei Seiten umgrenzten, trugen das ganze Jahr über keine Blätter und die Wiese, die auf den dafür vorgesehenen Flächen zwischen den Parkplatzreihen im Sommer eigentlich hellgrün sprießen sollte, war von schmutzigem Grau. Es war fast so, als hätte etwas derartig Böses diesen Ort berührt, dass selbst die Farben sich weigerten, sich preiszugeben.

1. Hier bin ich leicht irritiert. Du beschreibst den Supermarkt auf eine Art und Weise, die suggerieren soll, dass eine übernatürliche Macht von dem Ort Besitz ergriffen hat. Mit anderen Worten, du willst subtil andeuten, dass hier etwas nicht stimmt. Jedoch ist ein Bild wie eine schmutzig-graue Wiese zu offenkundig unnatürlich. Idealerweise bei einer Schauergeschichte sollte man Beschreibungen so wählen, dass sie im Rahmen des Möglichen bleiben, aber eben doch eine unnatürliche Präsenz andeuten, sodass der Leser zu diesem Zeitpunkt nur Mutmaßen kann.
2. Der letzte Satz, mit seinem 'derartigen Bösen' spricht das zentrale Geheimnis der Geschichte viel zu deutlich aus. Ich würde ihn weglassen.
3. Spätestens an dieser Stelle mache ich mir Gedanken über deinen Erzähler. Er scheint als Allwissender den Ablauf der Geschehnisse relativ geradlinig herunterzuerzählen, aber manche Formulierungen wie etwa "grenzenlose Trostlosigkeit" oder "derartig Böses" scheinen eine emotionale Involviertheit nahezulegen, welche dem kühlen Nacherzählen der Ereignisse eher entgegenwirken. Ich wundere mich einfach, was genau dein Text bewirken möchte.

Die Röhren waren derartig schmutzig, dass, selbst, wenn sie noch hätten leuchten können (was sie natürlich nicht mehr konnten), das Licht durch die dicke Schmutzschicht hindurch nicht mehr sichtbar gewesen wäre.

Ich würde zumindest den eingeklammerten Nebensatz streichen, denn er drückt genau das aus, was der Nebensatz "wenn sie noch hätten leuchten können" längst schon impliziert. Darüber hinaus würde ich dir vorschlagen, diesen langen Satz in zwei zu teilen, vielleicht so:

"Die Röhren waren schmutzig. Selbst wenn sie noch hätten leuchten können, wäre das Licht durch die Schmutzschicht hindurch nicht sichtbar gewesen."

In der Ferne hörte man noch das Rattern der letzten Straßenbahn, die die übriggebliebenen Fahrgäste absetzte, allerdings keine neuen mehr einsteigen ließ. Dann war es ruhig.

Diese Formulierung mag ich ganz gerne. Sie vermittelt einerseits ein Gefühl von Trostlosigkeit und Verlassensein, ohne es direkt anzusprechen. Der Satz "Dann war es ruhig." läutet eine neue Phase in der Erzählung ein.

Die fünf Jugendlichen (man hatte sich im Nachhinein geeinigt, in der Zeitung nicht ihre richtigen Namen preiszugeben, denn die Würde des Menschen solle schließlich unantastbar bleiben) bildeten einen kleinen Kreis und breiteten das Spielbrett vor sich aus.

Dass du ein zukünftiges Ereignis, den schließlichen Zeitungsbericht, hier aufgreifst, finde ich angesichts der restlichen Erzählweise des Textes in Ordnung. Es untermalt, dass gleich etwas bedeutsames in dieser Stadt passieren wird. Jedoch würde ich den Nebensatz

"denn die Würde des Menschen solle schließlich unantastbar bleiben"

streichen. Wenn man kurz darüber nachdenkt, warum ihre Namen in der Zeitung nicht erwähnt werden, dann kommt man schnell von selbst auf Antworten wie Respekt vor den Opfern und ihren Angehörigen oder den Wunsch nach Anonymität.

Einer von ihnen, ein Junge, sechzehn Jahre alt, legte den Kopf in den Nacken und betrachtete das kleine quadratische Loch im Dach über ihm.

Meinst du mit dem kleinen, quadratischen Loch nicht einfach eine Dachluke. Die Beschreibung klingt etwas zu abstrakt und gekünstelt. Sei ruhig etwas spezifischer.

er überlegte, ob es nicht vielleicht ein Fehler gewesen war, leichtsinniger Weise hier herunterzuklettern.

Ich würde erneut das 'leichtsinnigerweise' herausstreichen. Aus der Beschreibung von Jugendlichen, die in einen verlassenen Supermarkt einbrechen und über ein Seil vom Dach aus hineingelangen, ergibt sich das 'Leichtsinnige' automatisch.

Die Dachluke war immerhin gut fünf Meter über ihnen. Aber was soll’s, im Notfall mussten sie eine Scheibe einschlagen. Das würde vermutlich niemandem auffallen, geschweige denn irgendjemanden interessieren.

An dieser Stelle frage ich mich, warum sich die Jugendlichen überhaupt die Mühe machen, extra aufs Dach zu klettern, wenn sie nicht einfach die Fensterscheiben einschlagen und so hineingelangen können.

Mitten in der Nacht in ein verlassenes, vermutlich einsturzgefährdetes Gebäude einzubrechen und Geister zu beschwören hatte natürlich in den Teenagerköpfen nach einer grandiosen Idee geklungen. Mutprobe hieß es später in den Zeitungen. Doch eigentlich war es das nie gewesen. Die Erwachsenen wollen in allem Blödsinn, den Jugendliche machen eine Mutprobe sehen. Es ist das erstbeste was ihnen einfällt und sie kommen erst gar nicht auf den Gedanken, dass solche Ideen auch einfach nur just for fun entstehen. Just for fun

Auch hier wundert mich die emotionale Involviertheit des Erzählers sehr. Er ergeht sich in einer Tirade darüber, wie Erwachsene die Jugend betrachten und missverstehen. Mir erscheinen diese Sätze einen Ticken zu moralisierend und zudem haben sie mit den Ereignissen in der Geschichte eigentlich nichts zu tun. Die ersten beiden Sätze gefallen mir hingegen. Der erste Satz klingt lang, abenteuerlich und klingt in der Tat nach jugendlichem Schabernack. Der zweite Satz bildet das trockene Gegenstück für den Zeitungsbericht und die spätere Wahrnehmung der Ereignisse. Ein schöner Kontrast.

Draußen auf dem Parkplatz, auf der anderen Seite der mit braunem Papier verdeckten Scheiben, wie in einer anderen Welt, unsichtbar für die im Kreis sitzenden und Geister beschwörenden Kinder, bewegten sich die Reifen eines Wagens.

Ich würde ja zumindest den Nebensatz "wie in einer anderen Welt" aussparen. Dass die Scheiben mit Papier bedeckt waren und die Kinder ein 'Ouija'-Spiel veranstalten, ist den Lesern zu diesem Zeitpunkt immer noch präsent genug. Abgesehen von dem ersten und dem letzten Teil des Satzes brauchst du gar nichts weiter zu nennen. Aber wahrscheinlich wolltest du ein Bild beschreiben, welches die gesamte Szene noch einmal zusammenfasst.

Auf dem Fahrersitz trommelte jemand leicht mit den Fingerkuppen der linken Hand auf das Lenkrad. Die rechte Hand wanderte hinüber zum Drehknopf des zerstörten Autoradios und stellte es an. Stellte es an? „Ist hier irgendjemand, der mit uns in Kontakt treten möchte?“, rauschte eine Stimme aus dem alten Radio und im Rückspiegel des Wagens funkelte ein Augenpaar, das perfekt zu diesem Parkplatz passte.

Die ersten zwei Sätze sind sehr stimmungsvoll und bauen Spannung auf. Allerdings frage ich mich beim letzten Satz, inwiefern das funkelnde Augenpaar zum Parkplatz passt. Sind die Augen trostlos? Angeschlagen? Verwahrlost? Ich bin nicht sicher, ob das damit gemeint ist.

Fünf kurze erschreckte Aufschreie später zerbrach das Glas mit einem entsetzlich grässlichen Geräusch. Es klang fast so wie brechende Knochen. Nein, es klang ganz genauso.

"erschreckte Aufschreie" klingt fast wie ein Zungenbrecher; "Fünf kurze Aufschreie" genügt. Auch das "entsetzlich grässliche Geräusch" ist im Grunde genau dasselbe, was du mit dem Folgesatz "Es klang fast so wie brechende Knochen." aussagst.

Was sich innerhalb der Wände dieses verlassenen Gebäudes, das ohne Regale, Wursttheke und Einkaufswagen an eine grässlich leere Lagerhalle erinnerte, abspielte, war zu viel für die Wahrnehmung Sechzehnjähriger.

Du bist gerade inmitten des Höhepunkts, wo die Kinder allesamt sterben. Die Beobachtung, dass der Supermarkt eher einer Lagerhalle ähnelt, erscheint mir angesichts der Intensität der Situation seltsam trocken. An diesem Punkt der Geschichte erscheint es für so einen Vergleich etwas zu spät. Vielleicht kannst du ihn weiter oben einbauen, wenn die Kinder in den Markt eindringen.

Die Mädchen weinten und schrien, die Jungen hatten das abgrundtiefe Entsetzen in den Augen und waren vielleicht gar nicht mehr dazu im Stande, zu schreien.

Weg mit dem 'vielleicht'! Sei in diesem Moment nicht zu vage. Lass den Erzähler genau und präzise ausdrücken, was mit den Kindern geschieht, etwa so:

"Die Mädchen weinten und schrien, die Jungen hatten das Entsetzen in den Augen und waren gar nicht mehr imstande, zu schreien."

So, das wäre erst einmal alles von mir. Ich hoffe, meine Vorschläge und Anmerkungen konnten dir weiterhelfen und hatten keine zu abschreckende Wirkung. Alles in Allem konnte ich deine Geschichte lesen, jedoch ist es, wie oben schon angemerkt, schwierig, mit fünf anonymen Figuren mitzufiebern, selbst wenn ihnen etwas derart schreckliches passiert. Auch der Erzähler erscheint mir rätselhaft, da er einerseits mit dem Geschehen selbst nichts zu tun zu haben scheint, andererseits aber doch an vielen Stellen emotionale Anteilnahme zeigt. Ich persönlich würde versuchen, die Geschichte an einigen Stellen auszubauen und den 5 jugendlichen Personen zumindest ein paar Charakterzüge zu geben. Zudem würde ich den Erzähler eher distanziert und kühl das Verbrechen beschreiben lassen. Aber das ist lediglich meine Meinung. Ich will dir da nicht zu sehr hineinreden.

MfG,

Robot Fireman

 
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Hallo! Und vielen Dank für das Feedback :) Ich habs aufmerksam durchgelesen und werde versuchen, mir deine Anregungen für zukünftige Texte zu Herzen zu nehmen. Außerdem freut es mich, dass dir das mit den Würmern gefallen hat ;)

LG Telltaleheart

Hallo! Und vielen Dank für das wirklich ausführliche Feedback. Es freut mich sehr, dass du dir die Zeit genommen hast, so viel anzumerken. Das mit dem widersprüchlichen Erzähler ist mir beim Schreiben nicht so aufgefallen, aber ich schätze du hast recht.
Ich hab mir alles durchgelesen und werde versuchen, in Zukunft auf die angesprochenen Dinge zu achten :)
Nochmals danke! LG, Telltaleheart

 

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