Unglückliche Liebe
Jeder Mensch wird wohl irgendwann das erste Mal richtig verliebt gewesen sein. Bei manchen Menschen dauernd es etwas länger mit der Partnerwahl, andere verlieben schon in frühen Jahren. Als ich meine erste große Liebe fand war ich 15. Ein Mädchen, das sich selbst akzeptierte und auch von ihren Freunden angenommen wurde. Eigentlich hätte ich mit meinem Leben zufrieden sein können, wäre da nicht plötzlich er in mein Leben gekommen… Er hieß Joni, hatte langes, braunes Haar und grüne Augen. Als ich ihn zum ersten Mal auf dem Pausenhof sah, war ich hin und weg. So einen Jungen hatte ich noch nie in meinem Leben gesehen. Für meine beste Freundin Julia wäre es kein Problem gewesen ihn für sich zu erobern, doch ich war schüchtern. So schüchtern, dass ich mich noch nicht mal traute Brötchen kaufen zu gehen ohne mir vorher genaustes Gedanken drüber zu machen, was ich wohl gleich zu der Verkäuferin sagen würde. Doch ich konnte ihn nicht so einfach vergessen. Zu schön waren sowohl seine körperlichen Züge, als auch seine von weitem zuerkennende Ausstrahlung. Auch wenn ich noch nie mit ihm gesprochen hatte, so fühlte ich mich doch immer weiter zu ihm hingezogen und versuchte so viel wie möglich über ihn rauszufinden. Ich wusste, wann er zum Handball ging, Nachhilfe nahm oder sich mit seinen Freunden traf. Doch das mir das irgendwann nicht mehr genügen würde war mir auch klar. Ich musste etwas unternehmen um ihm näher zu kommen und viel wichtiger um ihn auf mich aufmerksam zu machen, da er, glaube ich, nicht mal wusste, dass es mich gab. Doch ansprechen wollte ich ihn nicht, zu groß wäre die Ungewissheit und zu peinlich meine Schüchternheit. So sah ich als einzige Möglichkeit ihm Liebesbriefe zu schicken. Am nächsten Tag machte ich mich gleich dran und verfasste einige schnulzige Zeilen auf rotem Briefpapier, welches ich ihm noch am selben Tag in seinen Briefkasten steckte. Auch wenn er nicht wusste wer ihm den Brief geschickt hatte, so hatte es doch für mich zwei große Vorteile. Zum einen wusste er nicht, was ich für ihn fühlte und zum andern musste ich nicht mit ihm sprechen.
Da ich zunehmend Lust am schreiben anonymer Briefe fand, entsendete ich in den nächsten Tagen immer wieder unbekannte Botschaften an ihn, wobei in jeder eigentlich dasselbe stand.“ Ich liebe dich, traue mich aber noch es dir zu sagen“ war die immer wiederkehrende, traurige Nachricht. Ich hätte noch ewig mit den geheimen Briefchen weitermachen können, hätte er sie nicht eines Tages mit in die Schule genommen und bei all seinen Freunden und Klassenkameraden publik gemacht. Zu groß waren der Scharm und die Angst, dass alles rauskommen könnte. So hörte ich auf…doch was sollte ich jetzt machen? Vielleicht warten, dass er mich irgendwann mal anspricht und mir gesteht, dass ich schon seit je Zeiten seine große Liebe bin?! Nein, dass konnte ich nicht. Ich musste einen Schritt weitergehen, ich musste ihn mal ansprechen. Und da stehen wir wieder vor meinem Grundproblem. Meiner Schüchternheit. Einzig meiner Freundin Julia hab ich es zu verdanken, dass ich diesen Schritt doch noch gewagt habe, da sie mich ermutigt hat ihn mal in der Pause anzusprechen. Nachdem ich also einige Minuten um ihn herum gekreist bin, nahm ich all meinen Mut zusammen und ging auf ihn zu und sprach in ganz locker mit „hey“ an. So wechselten wir einige Minuten unbedeutende Wörter und ich ging voller Stolz nach Hause, wobei das nicht das Schönste war. Ich hatte nämlich noch einen ganz besonderen Schatz in meiner Hosentasche. Einen Zettel mit seiner ICQ-Nummer drauf. Ich setze mich also gleich zuhause an den Rechner und addete ihn bei dem Messenger.
Die nun folgenden Wochen gestalteten sich für mich als unbestreitbar schön, allerdings zu gleich auch lehrreich. Wir schrieben nun häufiger miteinander und kamen immer öfter auch auf private Themen zu sprechen. So dachte ich, dass es langsam an der Zeit wäre ihm zu sagen wer hinter den geheimnisvollen Liebesbotschaften steckt und ihm schon so lange hinterher träumt. Als er nun eines Abends in den Chatroom kam, meinte ich sofort, dass ich ihm etwas gestehen müsste. Darauf meine er bloß, dass er sich schon denken könne, um was es geht, ich aber ruhig loslegen solle. So schrieb ich all jenes auf, was ich seit Monaten in mich rein gefressen habe und nun loswerden wollte. Es wirkte wie ein Befreiungsschlag. All meine Sorgen, Ängste und Gedanken lösten sich mit einem mal in Luft auf. Ich war wieder frei. Doch so schön dieses Gefühl war, so schnell wurde mir klar, dass ich mich getäuscht hatte. Er liebte mich nicht und würde mich auch nie als eine “kleine Schwester“ ansehen. Seine Antwort kam ohne zögern und eiskalt: „Ich wusste, dass du mich liebst…Julia hatte es mir erzählt…doch ich werde dich nie mehr lieben können, als eine kleine Schwester“
Kleine Schwester…Pahh!!!...Viel schlimmer fand ich jedoch die Tatsache, dass er schon vornherein wusste, dass ich ihn liebe. Er meinte, dass Julia es ihm verraten hatte. Meine beste Freundin nahm mir meine erste große Liebe. Wahrscheinlich waren die Beiden auch schon ein Paar, doch das wollte ich gar nicht hinterfragen. Ich loggte mich nun schnell aus, warf mich auf mein samtweiches Bett und dachte nach. Nach, ob ich jemals einen Freund bekommen würde, oder mich überhaupt irgendwann mal einer lieben sollte.
Die nächsten Wochen verbrachte ich immer sehr abgeschieden, verkroch mich in mein Zimmer, heulte manchmal Stunden lang und wurde schon als “magersüchtig“ eingestuft.
Heute weiß ich, dass dies damals nur verlorene Zeit war. So schön es war erstmals verliebt zu sein, so traurig kann die darauf folgende Wahrheit sein. Doch man darf dann nicht an seiner Liebe festklammern. Auch wenn es die Erste ist. Wenn er dich nicht möchte, dann hat er dich nicht verdient und du musst nach vorne blicken.
Ich habe nun zwei kleine Kinder und bin mit meinem Mann seit schon über 15 Jahren zusammen. Er war meine zweite große Liebe und zugleich die einzig Wahre. Durch ihn habe ich erfahren, dass man so genommen werden muss wie man ist, egal ob man den Anderen so gefällt oder nicht. Es wird immer einen Menschen geben, der dich versteht und in jeder noch so schweren Zeit zu dir hält.Er war so einer.