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Ungeschminkt

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04.08.2002
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Ungeschminkt

Ich bin das Salz in der Suppe. Verstehen Sie? Ich bin einer jener Menschen, die die Welt in Atem halten. Die Frauen verfallen mir. Ich bekomme jede, die ich will. Ich bin Profi. Ich beherrsche das Spiel. Ich bin ein Virtuose auf der Klaviatur der Verführung.

Sie halten mich für großkotzig, für einen Angeber? Ich sage Ihnen, ich spreche die Wahrheit, alles andere wäre scheinheilig. Denken Sie doch, was Sie wollen. Die Frauen verzehren sich nach mir, können nicht genug von mir bekommen. Das ist die Realität.

Ob mir das was gibt, fragen Sie mich? Also, ich muss Ihnen schon sagen – verstehen Sie mich richtig: Ich bin ein Mann. - gut, manchmal ist es anstrengend, diese vielen gebrochenen Herzen. Ich meine, das ist nicht immer lustig. Es muss schrecklich sein, mich zu verlieren, denn ich bin das Beste, was einer Frau passieren kann. Was soll ich machen?

Ein schlechtes Gewissen? Ach, kommen Sie mir doch nicht so. Die Frauen brauchen einen wie mich. Schauen Sie doch nicht so entsetzt, ich kenne mich aus. Die Girls wollen echte Männer wie mich, wollen beherrscht werden. O.k., sie sind am Boden zerstört, wenn ich sie verlasse, aber meinen Sie nicht auch – und seien Sie jetzt bitte ehrlich zu sich selbst – die Frauen würden bei so einem Weichei, dass sie wirklich liebt ... also, glauben Sie im Ernst, dass eine Frau bei so einem schwächelnden Softie derartig im Bett abgehen würde wie ein Rakete? Ich ficke Ihnen die Seele aus dem Leib. Na, hören Sie schon auf, sich zu echauffieren, ich bitte Sie!

Sie glauben, ich bin ein schlechter Mensch? Eines sage ich Ihnen, ich gehöre nicht zu diesen Arschlöchern der alten Schule. Ich sage meinen Geliebten – na, gucken Sie nicht so – ich sage den Damen immer, woran sie mit mir sind. Sie erfahren von mir die ungeschminkte Wahrheit. Ich lüge Frauen nicht das Blaue vom Himmel herunter. Noch keiner habe ich vorgemacht, dass ich sie lieben würde. Sie irren sich, ich bin kein Scheißkerl, ich bin ein sehr sensibler Mensch. Mir ist es wirklich nicht egal, wenn sich Menschen wegen mir die Augen ausheulen, und dieses ganze Gesülze von Gefühlen und Liebe lässt mich nicht kalt. Sie können mir glauben, ich weiß wovon ich spreche. Aber ich kann es nicht ändern.

Spielen Sie sich doch nicht so auf mit Ihrer Scheinmoral! Würde mir eine verfallen, wenn ich wirklich Gefühle für sie hätte? Tun Sie doch nicht so. Na, kommen Sie schon, wo leben Sie eigentlich? Ach hören Sie doch auf, sich künstlich aufzuregen. Die Mädchen laufen doch schneller als der Wind, wenn sie das Gefühl haben, dass sich ein Mann bei ihnen anhängt, sie wirklich braucht. Sie begehren mich, ich weiß es!

Nein? Na, machen Sie sich doch nichts vor. Auch Ihnen kann ich den siebten Himmel eröffnen, das wäre doch gelacht. Ich sehe das Verlangen in Ihren Augen, die Sehnsucht nach dem Spiel mit dem Feuer. Sie begehren das pure Leben, geben sich nicht zufrieden mit lauwarmer Durchschnittlichkeit, dem Abklatsch des wahren Seins. Nehmen Sie die Abzweigung. Sie sind geschaffen für das Glühen echter Sinnlichkeit.

He, sagen Sie doch was. Moment – bleiben Sie noch!

 

Hallo klara,

die drängende Sprache deiner Geschichte paßt gut zu der Persönlichkeit des Protagonisten, auch das Du das Gespräch als Monolog dargestellt hast (der Kerl ist halt wirklich Ich - bezogen). Wahrscheinlich sagt er Frauen „die ungeschminkte Wahrheit“ hat sie selbst aber noch nie wahrgenommen. Die Wahl seiner Frauen hindert ihn an anderen Erfahrungen, wahrscheinlich hat er Bindungsprobleme. Das ist natürlich alles eher Psychologie, nicht Philosophie. Stimmt es, daß Dein philosophischer Aspekt die Frage nach der Moral ist?
Schützt seine Art der „Wahrheit“ im Umgang mit Frauen vor unmoralischem Handeln? (Trägt er also noch Verantwortung?). ---
Noch einige Kleinigkeiten, die mir über den Weg gelaufen sind: „verzerren“ verzehren sich nach mir; „diese ganzen gebrochenen Herzen“ man weiß schon, was gemeint ist, doch da gebrochene Herzen nicht ganz sind, ist `die vielen´ vielleicht besser. „Ein schlechtes Gewissen? ... ... Frauen brauchen das“ (Was? Doch nicht das schlechte Gewissen). „vom Himmel“ herunter.

Also - ich glaube mit seiner Einstellung entgeht dem Protagonisten so einiges an schönen Dingen, die man erfahren kann...

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Heja Klara,

ich finde, dir ist mit diesem Monolog ein absolut starker Text gelungen - die Gradwanderung, den Protagonisten nicht "nur" als arrogantes Arschloch hinzustellen, hast du wunderbar hingekriegt.

Es kommt super heraus, dass der Typ nicht so einfach gestrickt ist, wie man aus seinen teilweise getätigten Aussagen vermuten könnte.

Ich schließe mich der Meinung von Woltochinon an - der Mann hat schwerste Bindungsprobleme, die er so gut er eben kann zu überspielen versucht. Dieser Wahrheit stellt er sich nämlich nicht - ich denke, er ist ein zutiefst verunsicherter Mensch, für den es nichts Schlimmeres gibt, als Alltagstrott in einer Beziehung. Er braucht immer neue Erfahrungen um sein Leben in dieser Hinsicht spannend zu halten - den Kick, die Leichtigkeit, die Frische eines neuen Flirts.

Hast du gut gemacht, dich als Frau in das Seelenleben eines solch getriebenen Mannes hinein zu versetzen. Irgendwie tut er einem fast leid, weil er nie die schönen Seiten einer fixen Beziehung kennen lernen wird, auch wenn er der Meinung ist, dass dies für ihn nicht erstrebenswert ist.

Kann es nur wiederholen: Total stark! :thumbsup:

Grüße von
Liz

 

Hallo Woltochinon!

Oops .. Da haben sich ja einige "Kleinigkeiten" eingeschlichen. Danke für Deine Hinweise!

Jetzt zum Inhaltlichem: Der Grund, warum ich den Beitrag in die Rubrik Philosophisches gestellt habe, ist, weil uns der P. gnadenlos seine Philosophie über Frauen aufs Auge drückt. Du hast recht, es geht mir um Moral. Allerdings nicht in der Form, P. als "böse" Person zu beschreiben bzw. zu verurteilen, auch wenn uns sein Ansatz ziemlich unsympatisch ist. Vielmehr sollen die gängigen Beurteilungskategorien von "gut" und "böse" hinterfragt werden. In seiner Selbstsicht ist er nicht böse, auch wenn er andere Personen verletzt. Ich glaube die wenigsten Menschen begreifen sich selbst als "bösen Menschen", auch wenn ihre Handlungen für andere schlimme Auswirkungen haben.

Auch interessant: Der Zusammenhang von Moral und Erotik. Oft (nicht immer!) scheinen diese beiden Kategorien in einem negativen Zusammenhang miteinander zu stehen.

Zum Psychologischen Aspekt: Du hast recht, dem P. entgeht viel. Auch wenn es fiktiv ist: Muss es nicht fürchterlich sein, wenn einem alle Partner verfallen? Aber lassen wir das das Problem des P. sein ... :-)

Danke für das Auseinandersetzen mit meiner Geschichte und Deinen Kommentar.


Hallo Liz!

Es freut mich sehr, dass es mir gelungen ist, ein differenziertes Bild zu vermitteln. Das unreflektierte Einordnen bestimmter Verhaltensmuster in moralische Schubladen wollte ich zum Thema machen. Wer letztendlich der Leidtragende ist (der P. oder die Frauen), soll der Leser für sich selbst beantworten ...

Es ging mir bei der Geschichte keineswegs um eine Attacke auf die gesamte Männerwelt. Aber ich glaube sehr wohl, dass es Männer gibt, die die Ansätze (neben vielen anderen Charaktereigenschaften) unseres Protagonisten in sich tragen. Ich habe diese Eigenschaften sozusagen isoliert und unter eine sehr starke Lupe gelegt. So ist mein P. entstanden, der selbstverständlich eine fiktive völlig überzeichnete Figur ist.

Auch dir danke fürs Lesen und Kommentieren! :-)

lg klara

 

Hallo klara,

einige interessante Aspekte erwähnst Du in Deiner Anmerkung. Ich denke, eines der wichtigsten Probleme unserer Gesellschaft ist, daß „die gängigen Beurteilungskriterien von gut und böse“ zwar hinterfragt werden, aber noch kein neuer Konsens gefunden wurde. Dies gilt besonders im Bereich der Sexualität. –
Was mir noch eingefallen ist: Sind die Partner am Verhalten des P. mit Schuld, sie ermöglichen doch seine Erfolgserlebnisse?

Alles Gute,

tschüß... Woltochinon

 

Hallo Klara,

faszinierend, wie gut du dich in meine Gedanken hinein versetzen konntest. Dass du dich so intensiv mit mir beschäftigst, fasse ich als Kompliment auf, bist heiß drauf, dass ich mich um dich kümmere. :D

Wer letztendlich der Leidtragende ist (der P. oder die Frauen), soll der Leser für sich selbst beantworten ...
Wieso sollte der P. der Leidtragende sein? Er fühlt sich doch richtig wohl dabei. Die Frauen sind die Leid tragenden, sie erhalten das, was sie zu tolerieren bereit zu sein scheinen. (womit Wolto´s letzte Frage, fast ungewollt ;), beantwortet wäre)
Gut :thumbsup:
Gruß vom querkopp

 

Hallo Woltochinon!

Ich gebe dir recht, dass wir in einer Zeit leben, in der vieles hinterfragt, aber wenig beantwortet wird. Während bis zur Aufklärung so ziemlich alles worüber man sich eine Meinung bilden kann und wie man leben soll von der Kirche vorgegeben war, ist heute so ziemlich keine Auffassung oder Lebensweise allgemeiner Konsens. Vielmehr wurde jede Sichtweise schon zig-male begründet und wieder widerlegt. Selbst die absurdesten Standpunkte können argumentiert werden. Und Nietzsche hat die Moralvorstellungen auch ziemlich ins Wanken gebracht. Aber ich brems mich lieber ein, sonst füll ich den Thread komplett mit meinen Gedanken zur Ethik an .. :-)

Zur Sexualität (aehem): Naja, man kann es so betrachten, dass ihm seine Partnerinnen mit ihrer Abhängigkeit das sozusagen antun, dass er nicht zu Gefühlen und einer wirklichen emotionalen Auseinandersetzung mit einer anderen Person fähig ist, wodurch er ja tatsächlich vieles versäumt. Ich finde diesen Umkehrschluss reizvoll, aber er liegt wohl eher im abgehobenen "philosophischen Bereich". In der Praxis würde ich mich vor so einer Argumentation eher hüten ... :rolleyes:

Tag querkopp!

Ja, nach deinem "Jou, jetzt stimmt die Chronologie!" konnte ich, getrieben von schier unendlicher Verzückung, nicht umhin, dir diese Zeilen zu widmen ... :D

Es ist irgendwie schwierig herauszufinden, ob eine fiktive Figur sich wohl fühlt. Hmm .. Ich würde sagen, er ist nicht oberflächlich, aber schon ein ziemlicher Zyniker, der mit "Totschlagargumenten" nur so um sich wirft. Bei soviel Sarkasmus ... weiss nicht recht, ob er glücklich ist ...

lg
klara

 

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