- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 11
Unfall
Karl-August hackte Holz. Er arbeitete neben seinem Wohnwagen an einem Waldrand. Die Sonne glitzerte durch das bunte Oktoberlaub und malte Lichtflecke auf die Erde. Foxterrier Nelli schnüffelte nach Mäusen. Karl-August hackte Holz für den Winter. Zu Weihnachten wollten sie wieder hier sein. Erika würde dann im alten Ofen des Bauern ihr Brot backen.
Er arbeitete aufmerksam, ruhig, aber kraftvoll. Rund um den Hauklotz wuchs der Stapel. Besonders schöne Stücke spaltete Karl-August in schmale Streifen; in „Stiftel", wie er sie nannte, schnell brennende Späne zum Anmachen des Feuers.
Wieder und wieder hob er sein Beil, lies es niedersausen, drängte die Schneide in das Weiß des Sägeschnittes. Rechts und links schossen die Teile zu Boden. Wieder so ein schlankes, gerades Stück, wie gemacht für Späne. Seine linke Hand hielt es, in der Rechten schwang er die Axt, jetzt sauste sie durch die Luft. Da bellte Nelli, die Schneide traf seinen Daumen. Blut schoß heraus. Karl-August starrte ungläubig auf seine Linke. Er spürte nichts.
„Erika", brüllte er.
Sie kam aus dem Wagen.
„Was ist? Mein Gott, du blutest, was ist los?"
Wortlos zeigte er seinen Daumen. Erika wurde blaß. Sie sprang in ihre Behausung, kam wieder mit einem Taschentuch, wickelte es um die Wunde.
„Wo ist das fehlende Stück?"
Er zeigte nur mit dem Kinn, irgendwo dort zwischen den Holzscheiten, dort wo Nelli frißt. Es wurde um ihn schwarz. Sie fing ihn, rüttelte an seinen Schultern, schleppte ihn in den Wohnwagen und setzte ihn auf einen Hocker. Sie holte die Flasche mit dem Fusel. Klaren, reinen Alkohol, immerhin 90 Prozent. Davon goß sie in ein Glas und zwei Drittel Wasser dazu.
„Trink!"
Er schluckte das Zeug hinunter, Farbe zog wieder in sein Gesicht. Erika goß nach, wickelte das Tuch vom Daumen, tränkte es mit dem Hochprozentigen und verband den Stumpf neu.
„Ich renne zum Telefon. Rufe den Notarzt. Vielleicht kann er noch was machen! Komme gleich zurück!"
Sie schnappte das Glas, goß den Rest in das Chemieklo, stellte es auf die Spüle und sprang aus dem Fahrzeug.
Auf dem Tisch lag die Schachtel mit Camel. Mit der rechten Hand fummelte er eine Zigarette heraus. Klemmte sie zwischen die Lippen, brannte sie mit dem Feuerzug an und stand vom Hocker auf. Er wankte zur Toilette, mit Mühe bekam er seine Hose auf und setzte sich auf den runden Sitz. Ihm wurde wieder schlecht. Er nahm den Glimmstengel und warf ihn hinter sich. Eine Flamme schlug hoch, er roch verbranntes Fleisch. Karl-August stürzte nach vorn und blieb auf dem Bauch liegen. Erika kam zurück.
„Der Arzt kommt sofort! Mein Gott, was ist jetzt schon wieder? Wie siehst Du denn aus? Dein ganzer Po ist verbrannt! Bleib liegen! Da ist schon der Doktor!"
„Hallöchen, der Daumen ist ab? So, so, aber was ist mit dem Hintern? Sieht ja toll aus! Sie kriegen erst einmal eine Spritze! Liegen bleiben!"
Der Mediziner rannte zu seinem Notarztwagen, rief über Funk die Rettung, kam zurück mit seinem Köfferchen, zog eine Spritze auf und stach sie Karl-August in den Oberschenkel.
„So, das wird erst einmal helfen. Sie bleiben ruhig liegen, bis die Sanitäter hier sind. Für sie, junge Frau, schreibe ich noch die Einweisung in das Krankenhaus, mehr kann ich nicht machen."
Mit Blaulicht und Martinshorn tobte das Rot-Kreuz-Auto heran. Zwei weiße Männer stürzten heraus, liefen im Trab zum Wohnwagen, schnappten Karl-August an Armen und Beinen, schleppten ihn um Ecken und über Stufen hinaus auf den Rasen. Dann legten sie ihn in Bauchlage auf das weiße Linnen der Trage und liefen zum Sanitätswagen.
Karl-August erzählte wie alles gekommen war. Da lachten Beide, ihre Körper schüttelten sich, die Liege erzitterte, sie begann zu schwingen und der Patient fiel auf die Erde.
„Au, ah, ah, es tut so weh," jammerte er. „Mein Bein, mein Bein, was ist mit meinem Bein"?
„Das Rechte ist gebrochen, der Hintern ist verbrannt und vom Daumen fehlt auch ein ganzes Stück!" Brummelte einer von den zwei Rettern und dann lachten sie wieder.