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Unerhört bis schrecklich...

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30.11.2016
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Unerhört bis schrecklich...

Als er nach Hause kam, war sie nicht da. Lediglich ein Zettel lag auf dem Küchenboden, wohl heruntergeweht vom Luftzug des halb geöffneten Fensters. Langsam und halb benommen ob dieser vollkommen unerwarteten, ja unverschämten Abweichung seines gewöhnlichen Tagesablaufes, las er die in krakeliger Schrift hingeschmierten Worte, die darauf schließen ließen, dass sie es eilig gehabt hatte.


Das Essen steht im Kühlschrank. Mach es warm auf 175 Grad.
Komme vielleicht heute Abend wieder.


Wie konnte sie ihm dies antun ? Wie konnte sie es wagen, die sorgsamst gehütete und ihn wie ein Kind beschützende Monotonie seines Alltages zu durchbrechen ?
Ihn überkam ein Schwindelanfall; die Küche mit den meerblau getünchten Wänden und orange-gelben Vorhängen, welche sie mal als Sonderangebot im Supermarkt vor der Stadt erworben hatte, und die, da sie gleich zu Beginn, beim Einzug aufgehängt worden waren, ihm als Garant dieser Unveränderbarkeit erschienen waren, begann sich zu drehen; er taumelte und stürzte vorwärts, streckte die Arme aus, fasste ins Leere, und dann, nach einer Ewigkeit griffen seine Hände Stoff, er kannte diesen rauen und doch warmen Stoff, wie oft schon hatte er verzückt im Sommer am Fenster gestanden und diesen Stoff liebkost.
Doch der Stoff gab nach, das Aufreißen der Nähte schallte wie Donnerschlag in seinen Ohren.
So lag er nun am Boden, über ihm, aufgetürmt wie ein gezackter Felsgrad, der gelbe Stoff des Vorhanges.
Sie kam erst, als es schon dunkel war. Zuerst hatte er sie gar nicht gehört, nur das Knarren des Holzbodens, auf dem sie sich fortbewegt haben musste, hatte ihn aus seiner schützenden Bewusstlosigkeit gezerrt, deren Ursache, der Sturz und dessen Ursache wiederum ihm nun schmerzlich in Erinnerung gerufen wurden.
Da lag er nun also und lauschte ihren leichten, unbeschwerten Schritten, wie ein Raubtier, das seiner Beute auflauert, bereit , augenblicklich dessen Existenz auszulöschen.
Schließlich ging sie ins Bad. Er hörte, wie sie die Tür hinter sich schloss, den Schlüssel umdrehte, das gurgelnde Geräusch des Wasserabzuges, dann war es plötzlich still. Er begann fieberhaft zu überlegen, was sie machte; doch diese Überlegungen wichen bald der grenzenlosen Wut über ihr für ihn so schmerzliches Verhalten. Sie hatte ihm eine Wunde zugefügt, die eine Narbe hinterlassen würde- er hatte sie sich, wie sie reuig, sich ihrer niemals wiedergutzumachenden Schuld sich bewusst, mit langsamen, zögerlichen Schritten die Wohnung betreten würde, vorgestellt.
Und nun ging sie seelenruhig durch die Wohnung und tat so, als sei nichts geschehen, gleichwohl sie wusste, dass er anwesend war, war er doch, seitdem sie zusammenlebten, niemals abends weggegangen.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis er das Klicken des Schlüssels im Schloss vernahm.
Dann, nachdem sie das Bad verlassen hatte und den Flur mit schnellen, leichten Schritten passierte, blieb sie stehen.
"Schatz?!"
Er war unfähig, etwas zu sagen, brachte schlichtweg keinen Ton mehr hervor: Nach allem was sie ihm angetan hatte, wagte sie es, ihn so anzureden !
Dann kam sie und stand auch schon im Türrahmen. Ihre blonden Haare, die, wie er jetzt zu seinem eigenem Erstaunen erkannte, ziemlich verschnitten waren, hingen ihr ins Gesicht, bis unter die Mundwinkel; dennoch erkannte er, dass sie lächelte. Sie lächelte ! Als ob sie ihre unverzeihliche Schuld allein durch ihre ebenfalls schon unerhörte Begrüßung abgetragen hätte !
Langsam erhob er sich; es schien ihm fast, als hätte hier ein sonderbarer Rollentausch stattgefunden; er; unterwürfig am Boden liegend und sie, die milde Richterin, die Gnade vor Recht ergehen lässt. Dabei war es doch er, der richten wollte, und nur er konnte vergeben.
Aber das wollte er gar nicht, er hatte es niemals gewollt, ja, noch nicht einmal in Erwägung gezogen. Eine so radikale Tat, wie sie behangen hatte, bedurfte einer ebenso radikalen Bestrafung !
Das große Küchenmesser, an dem noch einige Körner vom Biobrot, daß sie so mochte, klebten, schien ihm förmlich von selbst in die Hand zu gleiten. Er musste lächeln; ihr Dinkel-Körnerbrot und der sonstige Bio-Scheiss, der seiner Meinung nach nur ein einziges ihn von gewöhnlichen Lebensmitteln unterscheidendes Kriterium, nämlich den Preis, besaß, würde ihr Leben also auch nicht verlängern können.
Kurz bevor er zum ersten Mal zustach, sah er ihr nochmals in die Augen. Er hatte erwartet, in dieser einen Sekunde in angst- und schmerzverzerrte, oder zumindest, da ihr klar sein musste, daß es sich hier um die letzte Gelegenheit handelte, um Verzeihung bittende Augen zu blicken, aber immer noch lächelte sie !
Als das Messer in ihren Unterleib glitt wie eine Forelle im Bach war ihm, als wäre diese riesige unerträgliche Last, welche er zumindest für einige Minuten hatte tragen müssen, von ihm abgefallen. Sein Mordwerkzeug in ihrem Bauch erinnerte ihn an den großen Löffel, mit dem er als Kind immer den gelben Vanillepudding seiner Großmutter, der bei seinen Spielkameraden so beliebt gewesen war, umgerührt hatte.
Sie röchelte und ging zu Boden. Er, in wilder Besinnungslosigkeit, stach immer weiter auf sie ein. Wie schön doch diese roten Rinnsale waren, die sich immer weiter ausbreitenden roten Flecken ! Die wenigen weißen Flecken, die noch nicht gefärbt waren und die ursprüngliche Farbe ihres billigen Sommerkleides zeigten, mussten auch noch dieses wunderschöne Rot annehmen !
Und so setzte er sein Werk fort, auch er war schon blutverschmiert; manchmal spritzte ihm etwas Blut ins Gesicht, diese Momente genoss er in besonderem Maße und fuhr sich mit der Zunge um die Mundwinkel, versuchte, den Radius der Zunge zu vergrößern, als wäre das Blut ein kostbarer Wein, der verschütt gegangen wäre und von dem es nun galt, noch so viel wie möglich zu retten.
Wie schön sie doch aussah, mit ihrem roten Kleid, liegend in ihrem Blut, von dem sie immer mehr verlor.
Sie wirkte so frisch, so jung, so aufregend.

Zum ersten mal seit Jahren wusste er wieder, warum er sie geheiratet hatte.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Gerald!

Ich denke das deine Geschichte für manchen Leser zu morbide und schrecklich ist.(nicht falsch verstehen)
Warum hast du eigentlich mitten im Geschehen einen Absatz eingefügt?
Den Satz: ,Mach es warm auf 175 Grad, solltest du völlig weglassen.
Stilistisch nicht wirklich gut:
Als das Messer in ihren Unterleib glitt wie eine Forelle im Bach.
Nach ,begann sich zu drehen, solltest du einen neuen Satz beginnen.
Du hast eindeutig zuviele Schachtelsätze in diese Geschichte eingebaut.
Die Beurteilung weiterer Kriterien überlasse ich den hier anwesenden Mitgliedern.
Ansonsten: Mach weiter so und lasse dich nicht unterkriegen!
Wenn wir uns gegenseitig unterstützen, fällt das sicherlich auf fruchtbaren Boden.

 

Hallo Sunnshine,

danke für Deine Kritik. Diese Geschichte habe ich vor ca. 17 Jahren während meiner Zivildienstzeit, in der es oft gar nichts bis wenig zu tun gab, geschrieben und habe sie vor kurzem mehr oder weniger zufällig wiederentdeckt. Ich habe mir jetzt einfach mal gedacht, ich stelle sie hier mal rein.

Dass die Geschichte etwas morbide ist, ist mir natürlich bewusst,aber ich mag sowas halt nun mal, auch das Absurde, Abgründige.

Schönen Tag noch,
Gerald

 

Hy Gerald,

nette Geschichte. Das Tempo finde ich gut und auch dein Schreibstil hat mir gefallen. Nur die ständige Wiederholung des Wortes "Stoff", nutzt sich mit der Zeit ab. Nenne es halt Satin, Seide oder schlichtweg Vorhang.
Die Reaktion der Frau verstehe ich nicht so ganz. Schon klar dass man sich mit der Zeit an ein gewisses Maß an Verklemmtheit gewöhnen kann, aber wenn der Ehemann auf einen mit dem Messer losgeht, sollte man doch zumindest ein kleines Bisschen überrascht sein.
Ansonsten gefällt mir die Story...weiter so.

Gruß, Ian

 

Hallo,

ich finde deine Geschichte sehr interessant, allerdings wirft sie einige Fragen auf.

Warum ist er so sauer und tötet sie auf solch bestialische Weise?
Was hat sie nur getan, sie haben ein Kind, warum wirft er das so weg?

Das soll jetzt keineswegs Kritik sein, solche Fragen sind der Nährstoff für Interpretaionen, was Lust auf mehr macht.

Du hast ziemlich viele Schachtelsätze eingebaut, was den Lesefluss ein wenig beeinträchtigt.
Ich musste einige Sätze mehrmals lesen.

Deine Geschichte ist sehr morbid und gewalterfüllt, was mir aber gefällt. Es ist etwas anderes.

LG, Vanitas

 

Ich kann mich den anderen Kommentaren eigentlich nur anschließen.... Mir fehlte ein wenig der Sprachrhythmus (für mich ist hier das perfekte Beispiel Hermann Hesse). Dies führte dazu, dass der Text für mich punktuell schwierig zu lesen war. Teilweise hätte es eventuell schöne Formulierungen gegeben, welche die Sätze etwas "runder" hätten klingen lassen. Die Wörter Er, Sie, Stoff waren mir zu present und wurden mir beim lesen irgendwann lästig. Hier hätten ein paar Synonyme Abhilfe geschaffen.

 

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