Unerhört! – Das Spielzeug verreist!
Dennis sitzt am Mittagstisch und schimpft mit vollem Mund vor sich hin. Leider versteht Papa kein Wort. Dennis schiebt sich ein riesiges Stück Apfel-Zimt-Pfannkuchen in den Mund und murmelt gleichzeitig: „Ummehööt!“
Dabei fällt ihm ein wenig Apfel aus dem Mund.
Papa holt tief Luft, aber bevor er ‚Mund zu beim Essen!’ sagen kann, stöhnt Kai:
„Mensch, Stöpsel! Du isst wie ein Schwein!“
Papa seufzt. Er hat es nicht leicht mit seinen beiden Söhnen. Dem Kleinen fällt beim Kauen alles aus dem Mund und wo der Große war, als vor dreizehn Jahren die guten Manieren verteilt wurden, das weiß niemand.
Papa zuckt resigniert mit den Schultern. Schimpfen hat jetzt keinen Zweck, dafür ist Dennis viel zu durcheinander.
„Wie bitte?“, fragt Papa deshalb freundlich.
Dennis schluckt, wischt sich mit dem Handrücken über den Mund und wiederholt: „Unerhört ist das!“
„Was?“, will Kai wissen.
„Das Spielzeug muss angeblich verreisen! Stellt euch das mal vor! Alles soll irgendwie wegfahren und dann ist der ganze Kindergarten leer.“
„Ich weiß“, sagt Papa.
Das darf doch wohl nicht wahr sein! Was soll das denn heißen? Da wird demnächst etwas total Unglaubliches im Kindergarten passieren und Papa weiß darüber schon Bescheid? Wieso hat er Dennis nichts gesagt?
„Auf dem letzten Elternabend wurde darüber gesprochen“, erzählt Papa.
„Warum hast du mir das nicht erzählt?“, fragt Dennis wütend.
„Hat er wohl vergessen, Stöpsel! – Du weißt doch, Papas Gedächtnis ist wie dein kaputtes Sandsieb!“, grinst Kai und nimmt sich noch einen Pfannkuchen.
„Nein! Ich habe es nicht vergessen! Mama habe ich es schon erzählt, ihr könnt sie heute Abend ruhig fragen. Aber die Erzieherinnen wollten nicht, dass ihr es von uns Eltern erfahrt, sie wollten das mit euch im Kindergarten besprechen.“
Typisch! Diejenigen, die es am meisten angeht, erfahren es zuletzt. Dennis ist so wütend, dass er jeden Augenblick wie eine Sylvesterrakete explodieren könnte. Er springt auf, wobei sein blöder Stuhl mit einem Riesenlärm umfällt, und rennt in sein Zimmer. Die Tür knallt er mit aller Kraft zu. Hoffentlich rieselt der Putz von der Wand!
Papas besänftigende Worte, dass es vielleicht eine tolle, neue Erfahrung sein kann, mal eine Zeitlang ohne Spielzeug auszukommen und dass das Spielzeug ja nur ein paar Wochen verreist und dann gut erholt ... blablabla ..., will er gar nicht mehr hören.
Als Dennis am nächsten Morgen in den Kindergarten kommt, sind schon viele Kinder damit beschäftigt, die Spielsachen in große Kisten zu packen. Dennis bester Freund Florian kniet vor einem Pappkarton und stopft die Matchbox-Autos hinein. Dabei sieht er ganz fröhlich aus, was Dennis überhaupt nicht begreifen kann.
„Wieso hilfst du denn auch noch dabei, das Spielzeug zu verpacken?“, fragt Dennis mürrisch.
Florian strahlt.
„Die Autos fahren alle zu einem weltberühmten Autorennen. Zum „Großen Preis von Pizza“. Ist doch Klasse. Vielleicht gewinnt unser blauer Flitzer“, sagt er und hält das kleine Rennauto in die Luft.
So ein Quatsch! Kapiert Florian denn nicht, was hier passiert? Da wird ihnen das ganze Spielzeug weggenommen und Florian macht mit, indem er es verpackt! Florian ist ein Verräter!
Dennis setzt sich auf einen Stuhl und verschränkt die Arme vor der Brust. Er wird nicht dabei helfen, das Spielzeug auf diese dämliche Urlaubsreise zu schicken.
Fast alle Kinder arbeiten eifrig. Puppen werden in Puppenwagen gelegt, Legokisten aus den Regalen gehoben und Bilderbücher verpackt. In der Kuschelecke steht ein großer Seesack. In dem verreisen die Stofftiere. Und die Puppenküche ist vollkommen kahl.
Als Mittags die Abholzeit naht, sind sämtliche Regale leer. Alles Spielzeug wartet gut verpackt im Flur auf die Abreise. Wenn die Kinder morgen wieder in den Kindergarten kommen, wird es verschwunden sein – zur Erholung an der See oder im Gebirge.
Heute muss Papa zum zweiten Mal einen total schlecht gelaunten Dennis mit nach Hause nehmen.
In den nächsten Tagen bessert sich Dennis Laune nicht. Morgens hat er überhaupt keine Lust, in den Kindergarten zu gehen. Was soll er da? Normalerweise spielt er dort jeden Vormittag mit Florian mit dem Playmobil-Piratenschiff – aber das ist jetzt auf einer Weltumsegelung! Und die Holzeisenbahn, die Dennis auch sehr liebt, fährt zur Zeit vermutlich durch Afrika.
Florian scheint es egal zu sein, dass das Spielzeug fehlt. Er hat sich ein wenig mit Lisa angefreundet. Weder Dennis noch Florian haben bisher mit Lisa gespielt. Die war ja meistens mit Annika und den Puppen in der Puppenküche und das fanden die beiden Jungen irgendwie zu doof.
Dennis hat schon versucht, Papa zu überreden, dass er solange zu Hause bleiben darf, bis das Spielzeug wieder zurück kommt, aber Papa war total dagegen. Er meinte, Dennis solle einfach mal schauen, was die anderen Kinder den ganzen Vormittag über so spielten. Er würde da sicher etwas finden, bei dem er mitmachen könnte. Papa hat eben keine Ahnung! Also muss Dennis jeden Tag in den öden Kindergarten gehen und warten und warten, bis der unendlich lange Vormittag vorüber und endlich wieder Abholzeit ist.
Heute sitzt Dennis wieder im Kindergarten-Garten auf dem Sandkistenrand und langweilt sich. Florian, Lisa und Max haben mit ihren bloßen Händen eine große Burg gebaut, die sie jetzt mit Stöckchen und kleinen Steinen verzieren. Die Burg ist eigentlich richtig gut geworden, aber Dennis hat trotzdem keine Lust, mitzuspielen. Obwohl Florian ihn schon zweimal gefragt hat.
Plötzlich hört Dennis, wie hinter ihm jemand weint. Marie ist von der Schaukel gefallen. Sie sitzt ganz allein auf der Wiese und schluchzt. Eine Erzieherin ist gerade nicht in der Nähe. Niemand kümmert sich um Marie. Dennis kann eigentlich ebenso gut aufstehen und mal nachschauen, ob er ihr helfen kann.
„Ist es schlimm?“, fragt er und hockt sich neben Marie ins Gras.
„Es geht so!“, schnieft sie. „Ich hab mir nur ein bisschen weh getan, aber das Schlimme ist, dass Plumsi nicht da ist. Der tröstet mich sonst immer.“
Dennis nickt. Er kennt Plumsi. Plumsi ist ein abgegriffener, kleiner Teddybär, dem ein Auge fehlt. Normalerweise hat Marie ihren Teddy immer bei sich, aber jetzt, wo gerade alles Spielzeug verreist ist, dürfen sie keine Spielsachen in den Kindergarten mitbringen. Deshalb muss Marie Plumsi zu Hause lassen.
Dennis schnaubt durch die Nase! Es ist nicht nur unerhört, sondern auch gemein! Plumsi würde Marie jetzt so lieb trösten, aber nein – zur Zeit ist hier „Spielzeug verboten“!
Doch Dennis lässt sich das jetzt nicht mehr gefallen. Er hat auch schon eine supertolle Idee.
„Weißt du was, Marie? – Ich mach’ dir einen Plumsi, pass mal auf!“, sagt er und schaut sich suchend um. Unter der Hecke liegt ein kleiner Knüppel, den kann er gut gebrauchen. Dennis läuft durch den Garten und sammelt viele Blätter und ein paar sehr lange Grashalme. Marie beobachtet ihn. Sie vergisst vor Erstaunen, zu weinen.
Schließlich häuft Dennis alles, was er gefunden hat vor Marie auf: den dicken, kleinen Knüppel, einen dünneren Stock, total viele Blätter und die langen Grashalme. Marie begreift schnell, was Dennis vorhat. Gemeinsam basteln sie einen Holz-Plumsi. Mit den langen Grashalmen binden sie den dünneren Stock quer an den Knüppel. Das sind Plumsis Arme. Den oberen Teil des Knüppel polstern sie mit ganz vielen Blättern, bis ein richtiger Kopf entsteht. Diesen Kopf umwickeln sie dann mit mehreren Grashalmen, bis er gut hält – und schon ist ein neuer Plumsi-Teddy fertig! Gut, er ist vielleicht nicht so kuschelig, wie der echte Bär, aber dafür haben sie ihn ganz allein gebaut.
Marie ist begeistert und ihr Kummer ist verflogen.
„Schaut mal, was wir gebaut haben! Das war Dennis Idee!“, ruft sie zur Sandkiste hinüber. Florian, Lisa und Max laufen herbei und bewundern den neuen Plumsi.
„Alle Achtung!“, sagte Florian mit Kennermiene und pfeift durch die Zähne. „Tolle Arbeit!“
Das findet Dennis auch. Er ist richtig stolz.
Plötzlich ist schon wieder Abholzeit. Das ging ja heute schnell! So ein Mist. Dennis hat nämlich eine großartige Idee. Er will mit den anderen zusammen lauter kleine Indianerwigwams aus Stöcken und Zweigen bauen – aber das kann er ja auch morgen machen. Darauf freut er sich schon sehr.