Und wieder am Fuß der blauen Berge
Und wieder am Fuß der blauen Berge
Wie jeden Tag so auch heute wehre ich mich gegen dich: Du verschleiertes Leben im maroden Nebel streichelst mechanisch an mir vorbei hinterlässt hemmungslose Spuren auf meinem Körper und quälst meine Zuversicht. Willst mir abgestandene Pisse über den Kopf schütten. Bisweilen glaube ich, dass ich allen hier fremd und andersartig erscheinen muss. Denn was ich erlebe, reicht nicht einmal für ein „Hallo“ in der Bäckerei von gegenüber. Eigentlich erlebe ich gar nichts. Das eintönige Leben eines Kfz-Schraubers, der den ganzen Tag unter Autos liegt und abends auf der Nachbarin.
Ich sehne mich nach einem Friedhofschänder-Ritual. Es ist mir allerdings peinlich, dabei entdeckt zu werden. Deshalb ließ ich mir einen Bart stehen und die Brusthaare Graufärben, um anhand meiner bewusstseinserweichenden Erbanlagen nicht gleich erkannt zu werden. Doch das reichte nicht. So nahm ich Abschied vom Sonnenlicht und tastete mich durch einen Sprung aus dem Fenster in eine Dunkelheit, die mir zwar beide Beine kostete jedoch nicht mein erbärmliches Leben. Der unerträgliche Geruch hier im Krankenhaus bekommt eine seltsame Prägung, die sich beim starken Lichteinfall der Neonlampen noch verstärkt. Die Schwester wischt gerade an meinem unelastischen Schließmuskel, während ich seelische Fäulnisprozesse verarbeite. „So Hotte, jetzt bist du wieder stubenrein“ meint sie lachend. Ich zucke zusammen und zeige ihr - meiner eigenen Lebenslüge bewusst - die Zähne wie ein verhandlungsbereiter Puperzen-Athlet. Die Schwester schlägt die Tür zu und langweilige Ruhe kehrt ein, in meiner ausgebeulten Krankenhaus-Uniform. Im Zeichen der Reinkarnation blättere ich mit hochauflösender 3D-Brille in einem Magazin und lese folgendes:
Sie fangen neu an, sind neu und haben neue Probleme? Oder machen Ausflüge auf Truppenübungsplätze im norddeutschen Flachland, um Maikäferlarven und antike Utensilien aus der römischen Besatzerzeit zu sammeln? Sie waren schon überall und möchten mal woanders hin und haben genug von subversiven Mattscheiben-Matronen, die das Facelifting für eine esoterische Grenzerfahrung halten. Dann ab mit NirwanAir, garantiert ohne Flugbegleiterstreiks, direkt nach La Gomera. Unsere Flugzeuge werden durch Faulgase angetrieben und sind gefertigt aus wiederverwertbarem chinesischem Backblech, welches im Falle eines Absturzes 100% biologisch abbaubar ist.
Bei uns an Bord bieten wir Ihnen ein typisches Gomera Look-and-Feel:
• Garantiert überfüllte Stehplätze mit ausklappbaren Dialysefunktionen und dazu ein leckeres Frühstück: Mentholbonbons so viel Sie wollen oder gegen Aufpreis frische Gen-Produkte.
• Einen Weichspüler gegen virtuelle Abstürze penetranter Fluggäste.
• Kläranlagen die sich durch Farbe und Geruch als Toiletten auszeichnen, ausgestattet mit Kondomen aus der Sprühdose für Feuchtraum-Phantasien!
• Ein Reichhaltiges Mittagsmenü aus dem Kunstdarm: 1 Liter Mumienkaffee und 6 Aspirin in 3 Flaschen Bier aufgelöst.
• Für alle DFB-Trainer: Die Originalfußballwand vom Sportstudio. Oder Alternativ den Herzschrittmacher -Service: Immer die neuesten Updates für Ihr Betriebssystem und kostenloser Batteriewechsel inklusive freier Auswahl aus 12.000 verschiedenen Klopftönen.
• Unser Gewinnspiel: Wir verlosen wöchentlich das Teppichmesser „Al Z. Haima“ aus Keramik, damit können Sie dann Reiseziel und Dauer selbst bestimmen!
Im Falle von Schutzgelderpressungen oder aufdringlichen Passkontrollen bleiben Sie bitte humorvoll und benutzen folgendes Vokabular als Pannenhilfe für Notfälle:
1. Pass mal auf, man nennt mich auch Kosovo-Karl.
2. Ich bin nicht von hier.
3. Hasta la Vista, Baby.
4. Schön ist es auf der Welt zu sein.
5. Ich bin Vegetarier und unterstütze auch das anarchistische Gedankengut.
6. Das hat mir keiner gesagt
Wenn Sie unsere Verhaltenstipps entsprechend einhalten, dann werden Sie nur noch von ihren eigenen, im Grunde genommen hirnverbrannten Ansichten terrorisiert.
Freizeitangebote:
• Beim Wochenendkurs „Spitfire“ das kreative Urinieren erlernen mit anschließendem Brusthaar-Zupf-Kontest um dann als Polizistin verkleidet die Abgaswerte von Modelflugzeugen zu überprüfen.
• Mit salutschießenden Berbern eine als Wohlfühloase getarnte Bagwahnburg erobern, um die Ausgrabung des „Bibel Construction Kit“ zu verhindern.
• Autofreie Zonen entdecken mit der Illusion der Zeitlosigkeit in einer Auflösung von 92 DPI, um dann zu schmelzen und wie ein plätscherndes Bächlein durch das torlose Tor zu fließen.
• Werden Sie Ihr eigener Held: den persönlichen Freiheitskämpfertraum realisieren und den Himmel über der Wüste live miterleben oder ein Biotop bewachen, in dem Teile der heimischen Vogelwelt verzweifelt nach dem Sinn des Lebens suchen.
• Den Wettbewerb „Reif wie ein kanarischer Macho“ gewinnen und dafür einen Nobelpreis in Analstretching erhalten oder total interaktiv unharmonische Realitätspuzzle und Scheidungs-Szenarien mit einer abgehalfterten Vorstadt-Psychosekte durchleben.
Neu im Programm:
Eingleisiges Synchronschwimmen für lizenzierte Gefahrensucher!
Lesen Sie dazu den sinnfreien Erfahrungsbericht der legendären Zykluszählerin Anna L. Mussarin und ihres Begleiters des westfälischen Dorfpfarrers Vater Moorgana. Ein spätpubertärer Beauftragter für Gleichberechtigungsfragen, der trotz schlecht verheilter Zungenamputation ständig über seine Profilneurosen reden muss:
„Von San Sebastian aus, Gomeras Hauptdorf, ging es mit kanarischen Hang-Online-Skates (auf leeren Bierflaschen rollen) über kurvenreiche, verschlungene Eselspfade landeinwärts. Das war so lustig wie Besoffen auf einer afghanischen Beerdigungsfeier unzufällig seine Kotzgrenze zu überschreiten. Schon nach rund 50 Kilometern kam Valle Gran Rey, das in den 60er und 70er Jahren der kanarische Treff für prähistorische Kioskverkäufer mit philosophisch-buddhistischer Gesinnung und subtil einsteigenden Aussteigern war. Inzwischen ist es schon völlig vollgeschleimt mit Kirchenliedern summenden Mittelstreifenleckern, die davon träumen, billigen und schmutzigen Geschlechtverkehr möglichst schnell zu realisieren. Die nur eines im Sinn haben, nämlich die Natur zu schänden und unendlich viele mit Cannabis veredelte Bananenbäume wegzurauchen.
Nachdem wir die amerikanische Flagge feierlich in einer Kirche verbrannt hatten, standen wir provokant in Puntilla am Baby-Beach, ohne materielle Kaufkraft und dem brennenden Gefühl, etwas Kühlwasser zu brauchen. So lasen wir mit unseren in den Grundmustern verwurzelten Hirnverkleinerungen die Anleitung im NirwanAir Handbuch, wie man das gomerische Didgeridoo bläst (eine leere Bierflasche senkrecht gehalten). Das Gefühl, dass dies Arbeit und Arbeit eine Last ist, bohrte sich tief in unser konsequentes vor-sich-hinträumen. Doch auf einer Flasche „Jack Daniels“ stand, dass bei wirklich achtsamer Ausübung der Tätigkeit, das Gefühl der Last langsam wie Urin im Wüstensand versiegt. Also, bemühten wir uns redlich, mit der Mütze auf dem heiligen Boden, ein paar Piepen reinzuholen. Nach einem 14 Stunden Livekonzert gab’s 17 Cent, einen Sonnenbrand und eine Gratisdusche von Esteban, der Mischlingsdogge aus dem Restaurant von hinten rechts. Dabei kamen Erinnerungen aus einem früheren Leben wieder hoch, an das Kraftwerk Barsbüttel und den irrtümlichen Defekt der Stromaggregate. Unsere Herzen schlugen höher und wir fragten uns: „Wer sind wir?“ Doch wir konnten als Lenker die Ablenkung nicht lenken.“
Voller Zufriedenheit lege ich das Magazin zu Seite. Meine körpereigene Identität stellt sich wieder her und der Frust wird mit jedem Atemzug besser. Das ist das Ergebnis einer bewegenden Fallstudie. Eine jener, wo das Verlangen schwere Biogase ausstößt und sich alles vermischt, alles aus Vergangenheit und anderen Abneigungen, Gefühle und kognitive Wahrnehmung. Ich denke dabei nicht an Sodomie und Schafszucht, doch zum Glück gibt es dafür ja keinen Vaterschaftstest.
Innerlich weggetreten, träume ich von Zuhause. Wie ich in meinem Ziegenfellmantel gehüllt rückwärts auf dem selbstständigen Fernsehgerät sitze. Durch die zerkratzte, silberne Schweißerbrille lese ich über notleidende Menschen am Fuß der blauen Berge. Das tue ich immer, wenn ich nicht weiß, was angesagt ist: der Gravitation Einhalt zu gewähren, Witzen glauben zu schenken oder mich treiben zu lassen.